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Allgemeine
Geographische
EPHEMERIDEN.
Verfasset
von
einer Gesellschaft Gelehrten,
und herausgegeben
von
F. von Zach,
H.S.G. Obristwachtmeister und Director der herzoglichen
Sternwarte Seeberg bey Gotha.

Erster Band.

Weimar,
im Verlage des Industrie Comptoirs.
1798
.
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1) Auszug aus einem Schreiben des Hrn. Hofrath J.F. Blu-
menbach
an den Herausgeber, über Hrn. Hornemanns
Reise nach dem innern Afrika.

[Seite 116]

Göttingen, den 15. Dec. 1797.

Dass ein junger, schon sehr gebildeter, hoffnungsvoller
deutscher Gelehrter, der in den angenehmsten Verhältnissen steht,
und die besten Aussichten zur Beförderung in seinem Vaterlande
vor sich sieht, einzig und allein von brennender Wissbegierde
und Forschungsgeist getrieben, von selbst und für sich allein den
Vorsatz fasst, und nach Jahre langer reifer Ueberlegung fest
und standhaft dabey beharrt, eine der mindest bekannten, nur
als unwirthbar verschrienen, von rohen Wilden bewohnten Erd-
gegenden zu bereisen, um dadurch unsere Länder- und Völ-
kerkunde zu bereichern; diess ist eine so seltne, und aus viel-
seitiger Rücksicht so merkwürdige Erscheinung, und die schon
so verdientes allgemeines Aufsehen in Deutschland gemacht hat,
dass ich Ihnen ein Vergnügen zu machen hoffe, wenn ich die
nähern Umstände davon mittheile.

Friedrich Hornemann, der einzige Sohn einer würdigen
Predigerwitwe zu Hildesheim, der ehedem Theologie bey uns
studirt hatte, kam im Sommer 1795 von Hannover aus zu mir
und vertraute mir, dass er nun seit vier Jahren keinen grössern
angelegentlichern Wunsch hege, als eine Gelegenheit zu finden,
das innere Afrika bereisen zu können. Er glaube, die zu ei-
nem solchen Unternehmen nöthigen körperlichen Erfordernisse
[Seite 117] in einer vorzüglichen Stärke zu besitzen; er habe auch seit der
Zeit seine Musse aufs Studium dessen, was von jener fremden
Weltgegend bisher bekannt geworden, verwandt, und da er es
unmöglich finde, sich diesen Vorsatz aus dem Sinne zu schlagen,
so sehe er ihn vielmehr als eine Art Beruf an, dem er folgen
müsse, und bat mich also, ihn zu diesem Behuf der African
Association
in London zu empfehlen. Ich konnte keine Bedenk-
lichkeit, keinen Einwurf vorbringen, auf den er nicht vorbe-
reitet gewesen wäre, und den er mir nicht auf der Stelle und
aufs vernünftigste gehoben hätte. Kurz, ich fand, dass das
durchaus nicht etwa ein leichtsinniger Einfall, sondern ein wohl-
überlegter, reisdurchdachter, und von seiner respectabeln Mut-
ter vollkommen genehmigter Plan sey.

Nach seiner Rückkehr nach Hannover legte ich mich also
seinethalben auf nähere Kundschaft, und das einstimmige Re-
sultat, das ich daraus ziehen musste, war, dass Herr H. zu ei-
ner Unternehmung der Art gleichsam geboren schien.

Ein junger Mann, der, die allgemeinen Kinderkrankheiten
ausgenommen, nie selbst erfahren hatte, was Krankheit sey,
der aber trotz seiner athletischen abgehärteten Constitution bey
allen körperlichen Anstrengungen dennoch sorgfältig für seine
Gesundheit wachte; der sich längst aus Princip an Frugalität und
an Entbehrung mancher kleinen Bedürfnisse gewöhnt hatte; der
ein glückliches muntres Humor mit gesetzter männlicher Ueber-
legung und einer seltnen Festigkeit des Characters verband; der
schon jetzt mit soliden, zu einem solchen Unternehmen recht
zweckmässigen wissenschaftlichen Kenntnissen ausgerüstet war;
überdem auch eine ungemeine Anstelligkeit und selbst Kunst-
fertigkeit in nützlichen mechanischen Dingen befass u.s.w.
Kurz, alles, was ich von ihm erfuhr, und was ich nachher
bey meiner nähern Bekanntschaft mit ihm aufs vollkommen-
ste bewährt gefunden habe, musste mirs nun zur Pflicht ma-
chen, seinen Wunsch dem Herrn Baronet Banks und durch
diesen der African Association vorzutragen. Die Antwort war:
[Seite 118] Wenn Herr H. das ist, was Ihr sagt, so ist er der Mann, den
wir suchen.

Ich schrieb ihm deshalb nach Hannover, und kaum dass
ich dachte, er habe meinen Brief erhalten, so war er als ein
unermüdbarer Fussgänger auf meinem Zimmer, um mündlich
weitere Abrede zu nehmen. In einer Nacht hatte er einen ker-
nichten durchdachten Aufsatz über seinen Plan für die Societät
verfertigt, den ich sogleich nach London abschickte, und kurz
darauf von einer Committee der Association die beyfälligste Re-
solution für ihn erhielt.

Herr H. kam nun im Sommer 1796 hierher nach Göttin-
gen
, um noch eine Zeit lang unsere öffentlichen gelehrten An-
stalten und den Unterricht und nähern Umgang einiger hiesigen
Lehrer zu seiner weitern wissenschaftlichen Vorbereitung, zur
Uebung in der arabischen Sprache u.s.w. zu benutzen, und
ging dann, nachdem er diesen Aufenthalt mit unablässigem Ei-
fer aufs musterhafteste angewandt hatte, im Februar 1797 nach
London ab. Die ausnehmende Zufriedenheit, die die Associa-
tion bey näherer Bekanntschaft mit ihm, über die in ihm ge-
troffene Wahl bezeugt hat, muss allen, die sich für den glück-
lichen Fortgang seiner wichtigen Unternehmung interessiren,
sehr erfreulich seyn.

Nachdem Hr. Baronet Banks beym französischen Direc-
torium um einen Pass für ihn angesucht und denselben mit der
grössten Bereitwilligkeit erhalten hatte, so ging er im Jul.
von England nach Frankreich. Erst nach Paris, wo er zu-
mahl von Hrn. la Lande mit zuvorkommender Güte aufge-
nommen ward. Besonders war ihm bey seinem dasigen Auf-
enthalte die Bekanntschaft und der nähere Umgang mit einem
türkischen Kornlieferanten aus Tripoli nützlich, der ihm,
ausser manchem wichtigen Rathe, auch ein sehr treuherziges
Empfehlungsschreiben an einen bedeutenden Freund nach
Cairo gab. Von Paris ging er nach Marseille, wo er sich
nach Cypern eingeschifft hat, um von da über Alexandria nach
[Seite 119] Cairo zu gelangen, wo er erst vorläufig soviel Nachrichten,
als möglich, vom innern Afrika einsammeln wird, bis er mit
den Neger-Gesellschaften, die jährlich von Cashna dahin
kommen, um besonders mit den Damascenen zu handeln,
in ihre Heymath gelangt. Sie sind nach den genausten und
zuverlässigsten Berichten sehr gutmüthige friedliche Menschen,
unter welchen er auf jeden Fall ungleich sicherer und gast-
freundlicher aufgehoben ist, als unter den ihnen benachbarten
eigentlichen Muhemedanern oder Arabern, einem weit rohern
barbarischern Volke, das er soviel möglich vermeiden muss.

Ich ergreife diese Gelegenheit, um zugleich einen dop-
pelten Argwohn zu widerlegen, den einige sehr verdiente
deutsche Gelehrte, die nur von der Verfassung der African
Association nicht genau unterrichtet scheinen, geäussert haben;
als ob sie nämlich mit den Nachrichten, die sie von ihren
ausgesandten Reisenden bekäme, zurückhalte, und als ob ihr
Hauptzweck auf merkantile Speculation gerichtet sey. Ver-
muthlich ist der letzte Verdacht durch den ersten erzeugt wor-
den. Ich sollte aber denken, schon die Wahl der Reisenden,
die bis jetzt von der Association ausgeschickt und die Wege,
die ihnen angewiesen worden, müsste die äusserste Unwahr-
scheinlichkeit desselben einleuchtend machen! wenigstens
weiss ich soviel gewiss, dass in der ganzen Unterhandlung,
die im Namen der Association mit mir über Hrn. H. gepflogen
worden, auch nicht die leiseste Anspielung auf die zu einer
solchen Speculation erforderlichen Talente vorgekommen ist!
und dass er hingegen in seinen neuesten Briefen, die ich vor
mir habe, mir mit allem Vertrauen, was er zu mir hegte,
versichert, dass der Zweck der edeldenkenden Gesellschaft aus-
schliesslich, und einzig und allein auf wissenschaftliche Auf-
hellung, zumahl der Geographie jener unbekannten Weltge-
gend, gerichtet sey.

Die andere Beschuldigung deucht mir bey der liberalen
Art, wie die Association bisher die durch ihre Bemühungen
und Kosten geerndteten Früchte dem Publicum mitgetheilt
[Seite 120] hat, doppelt ungerecht, und fürwahr undankbar. Sie hat
die von ihren beyden ersten Reisenden, Ledyard und Lucas,
erhaltenen Nachrichten, sogleich nach Rückkunft des letzten,
in ihren Proceedings bekannt gemacht. Die kurzen, aber
wichtigen Notizen, die sie vom dritten, dem Major Houghton,
bekommen, hat sie bekanntlich durch den grossen Geogra-
phen Major Rennel in den reichhaltigen Elucidations of the
African Geography
publicirt (– und, beyläufig sey auch
diess gesagt, für die Witwe desselben hat sie eine Pension von
der Regierung ausgewirkt –).

Seit ungefähr zwey Jahren ist nun der vierte, Hr. Park,
unterwegs, ein junger Mann, der vorher als Wundarzt im
Dienste der ost-indischen Compagnie gestanden hat, und der
Houghton’s Weg nach Tombuctu von der Westseite verfolgen
soll. Drey Briefe von ihm sind durch den Krieg verloren ge-
gangen. Von den Notizen aber, die die Association ausser-
dem von ihm erhalten, ist mir schon mehres mitgetheilt wor-
den, und ich erwarte nun mit jedem Posttage den von ihr in
Druck gegebenen neuesten Nachtrag zu den Proceedings, von
dessen Inhalt ich Ihnen dann gleich Nachricht für die A.G.E.
geben werde.


[[I]] [[II]]


Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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