Table of contents

[titlePage_recto]
Allgemeine
Geographische
EPHEMERIDEN.
Verfasset
von
einer Gesellschaft Gelehrten
und herausgegeben
von
F. von Zach,
H.S.G. Obristwachtmeister und Director der herzoglichen
Sternwarte Seeberg bey Gotha.

Erster Band.

Weimar,
im Verlage des Industrie-Comptoirs.
1798
.
[titlePage_recto]

7.
Aus einem Schreiben des Hofraths Blumenbach.

[Seite 700]

Göttingen, den 5. May 1798.

Ich schrieb Ihnen neulich (S. März St. der A. G. E.), dass
eine vorläufige Nachricht von Park’s äusserst merkwürdi-
ger Entdeckungs-Reise ins innere Afrika für die Mitglieder
der Association gedruckt werden würde; und da der Baronet
Banks die Güte hat, mir die Revisions-Bogen davon einzeln
zuzuschicken, so theile ich einiges aus den ersten, die ich
erhalten habe, hier mit.

Park verliess (wie schon im Februar-St. der A.G.E.
gemeldet worden) mit seinen beyden Negern das Haus des
Dr. Laidley zu Pisania, 40 Deutsche Meilen von det Mün-
dung des Gambia, den 2. Nov. 95 und nahm seinen Weg öft-
lich nach dem Königreich Woolli.*) Der Dr. hatte ihm ei-
[Seite 701] nen Gaul für sich und zwey Esel für seine schwarzen Beglei-
ter gegeben. Sein Gepäcke bestand meist nur aus zweytägi-
gem Mundvorrath und einem Sortiment von Glas Korallen,
Bernstein und Taback, um damit unterweges frischen Proviant
einzutauschen. Ausser den nöthigen astronomischen und physi-
kalischen Instrumenten hatte er zwey Vogel-Flinten, zwey
Paar Pistolen, einen Sonnenschirm und etwas Wäsche zum
Wechseln bey sich. Die Einwohner von Woolli sind gröss-
tentheils Mandingo Neger, und scheinen ein gutmüthiges
friedliches Volk zu seyn. Ein Theil sind Muhamedaner, die
meisten aber, so wie ihr König, Heiden, und diese heissen
zum Unterschied von jenen, Soninkees d.h. Leute, die sich
starken Getränkes bedienen.

Auf der dritten Tagereise erreichte P. die Hauptstadt Me-
dina
, wo er einige Tage blieb und von dem braven Könige
Jatta (S. die A.G.E. vom Febr.) aufs freundlichste bewir-
thet ward. Der gute Alte stellte ihm die Gefahren auf seiner
vorhabenden Reise lebhaft vor, und suchte ihn aufs dringend-
ste zur Rückkehr zu bewegen. Da das aber nicht würkte, so
gab er seinem Gast einen Wegweiser nach dem Königreich
Bondou am östlichen Ufer des Falemé Fl. mit. Bondou machte
ehedem einen Theil von Bambouk aus, und ist meist von
Foulah-Negern bewohnt, die als nomadische Viehhirten um-
herziehen: doch halten sich auch viele Mandingos unter ihnen
auf, die Handel treiben.

Den 21. Dec. erreichte unser Reisender die Hauptstadt
Fatteconda. Der König war zwar, so wie der von Woolli,
ein Soninkee, hatte aber doch einen Maurischen Namen, und
wie es schien, mit diesem auch schon etwas von Maurischem
Character angenommen. Denn ob ihm gleich P. schon ei-
nige Geschenke, unter andern auch mit seinem Sonnenschirme
gemacht hatte, so nöthigte er demselben doch auch seinen
Rock ab, mit der Versicherung, dass er damit künftig an sei-
nen grössten Ehrentagen prunken wolle: gab ihm aber doch
dagegen eine Partie Waschgold (ohngefähr 5 Ducaten am
Werth) und Mund-Provision die Fülle auf den Weg. Von da
[Seite 702] kam P. ins Königreich Kajaaga, dessen Beherrscher zu Maa-
na
, nahe bey den Ruinen des Fort St. Joseph, einer vormah-
ligen Französischen Factorey, residirt. Die Einwohner sind
ächte Neger von sanftem biegsamen Character. Nur der Kö-
nig, vor welchem P. auch schon vorher gewarnt wurde,
war sehr habsüchtig, so dass dieser, eh’ er aus dem Gebiete
desselben kommen konnte, schon die Hälfte seiner Habselig-
keiten einbüsste.

Zu seinem Glücke befand sich gerade damahls der Neffe
des benachbarten Königs von Kasson zu Maana, und dieser
erbot sich, ihn sicher in jenes Reich zu bringen. Sie gingen
also mit einander bey Kajee über den Senegal, wo dieser
Fluss aufhört schiffbar zu seyn. In Kasson ward P. vier
Wochen lang aufgehalten, eigentlich bloss aus Eitelkeit des
Königs und seines Bruders, die sich so viel damit wuss-
ten, einen Blanken in ihren Ringmauern zu besitzen.
Uebrigens ward er mit grosser Güte und Gastfreundschaft be-
handelt. Er erfuhr auch hier die erste zuverlässige Nachricht
von seines Vorgängers, des Majors Houghton, Tode. Der Kö-
nig sagte, er habe diesem bey seiner Abreise ein weisses Pferd
und 10 Quentchen Gold geschenkt, und so habe derselbe ihn
gesund und wohl verlassen, aber nachdem er Kaarta passirt,
seinen Tod unter den Mauren gefunden. Kaarta ist ein an-
sehnlicher Strich Landes in Süd-Osten von Kasson, stösst nörd-
lich an die Maurischen Gebiete, und erstreckt sich nach Süd-
Osten an das so berufene mächtige und grosse, und doch übri-
gens bisher so unbekannt gebliebene Königreich Bambara,
wohin P. gehen wollte, um den Lauf des Joliba oder Niger
zu verfolgen.

Fünf Tage, nachdem er endlich vom König von Kasson
beurlaubt worden war, erreichte er Kemmoo, die damahlige
Hauptstadt von Kaarta, die aber seitdem zerstört worden ist.
Auch der dasige König nahm ihn aufs gütigste auf, warnte
ihn aber, ja nicht geradeswegs nach Bambara zu gehen, weil
er jetzt mit diesem Reiche im Krieg verwickelt sey, und er
folglich da für einen Spion angesehen werden würde. Der
[Seite 703] einzig sichere Weg für ihn sey nördlich über Ludamar im Ge-
biete der Mauren, die mit dem Könige von Bambara alliirt
seyen, von wo aus er durch einen Umweg in dieses König-
reich gelangen könne. Diesen im Grunde wohlgemeinten
Rath musste P. befolgen, und der König gab ihm acht Reuter
zur Bedeckung nach der Maurischen Gränzstadt Jarra mit, wo
er d. 18. Febr. 96 anlangte, nachdem er kurz vorher durch
das Dorf Simbing gekommen war, wo der unglückliche Ma-
jor Houghton den im Febr. St. der A.G.E. erwähnten Zet-
tel geschrieben hat.

Der ganze Strich Landes, den P. bis dahin durchreist
hatte, war grösstentheils waldig, zeigte aber da, wo das
Land urbar gemacht war, grosse Fruchtbarkeit. Besonders
kann man Bondou im buchstäblichen Sinne ein Land nennen,
wo Milch und Honig fliesst. Diese beyden Artikel sind da-
selbst, so wie Reiss und zwey bis drey Gattungen (Species)
von wälschem Korn (Indian corn) im Ueberfluss. Die heidni-
schen Neger
bereiten aus dem Honig eine Art von Meth,
der nebst dem Palmwein ihr Hauptgetränke ausmacht. Die
muhamedanischen Neger hingegen trinken nichts als Wasser
oder Milch. Ein Huhn konnte man in Bondou für einen Knopf
oder für ein kleines Stück Bernstein haben. Ziegen- und Ham-
melfleisch
waren in gleichem Verhältniss wohlfeil, und für
6 oder 8 Bernstein-Korallen kann man ein Rind kaufen. In
den Wäldern finden sich Schweine, ihr Fleisch ist aber nicht
geachtet; desto mehr hingegen ein köstliches Rothwildpret, von
einer kleinen Gazellen-Gattung. Auf den Feldern ist Ueber-
fluss von Perlhühnern und dem rothen Rebhuhn. Die Ele-
phanten
werden bloss des Fleisches und des Elfenbeins wegen
gejagt. Sie als Hausthier zu zähmen, ist den Neger-Völkern
unbegreiflich; wenn P. ihnen davon erzählte, so erregte das
lautes Gelächter mit dem Ausruf: ‘“Der Blanke lügt!”’

Bondou hat eine treffliche Race von Pferden. Das ge-
meinste Lastthier der Neger ist aber der Esel. Sie ziehen so
viel Baumwolle und Indig, als sie zur Bereitung ihres schönen
blauen Zeugs brauchen; machen auch gute Seife u.s.w. Nach
[Seite 704] der Küste handeln sie mit Sclaven, Waschgold, Elfenbein und
Wachs; nach dem Binnenlande aber mit Salz, das sie von den
Mauren, und mit Kriegs-Munition, die sie von den Europäern
am Gambia erhalten. Diese Dinge verhandeln sie an die soge-
nannten Slatees oder reisenden Kaufleute, die jährlich aus
so fernen Gegenden zu ihnen kommen, dass manche
derselben den Küsten-Bewohnern selbst dem Namen nach
gänzlich unbekannt sind. Diese bringen Sclaven und dann
noch eine Waare ganz anderer Art, das Shea-toulou, eine
ausnehmend schmackhafte Art von Butter, die durch Kochen
aus einem Nuss-Kern gewonnen wird.*)

Die Regierungs-Form in diesen kleinen Neger-Staaten ist
eine eingeschränkte Monarchie; wobey nämlich die sogenann-
ten Häupter eine Aristokratie ausmachen, ohne deren Zustim-
mung der König z.B. weder Krieg erklären, noch Frieden
schliessen kann. Jeder beträchtliche Ort steht unter der un-
mittelbaren Regierung einer Magistrats-Person: diese hebt
auch von den herum ziehenden Kaufleuten die Abgaben und
Taxen, die immer in natura (wie der Zehnte) abgetragen
werden. Der gemeine Mann steht in einer Art Leibeigen-
schaft, doch darf keine Herrschaft ihre Leibeigenen weder
am Leben strafen, noch auch nur verkaufen, ohne die Sache
erst zur öffentlichen Untersuchung vor die Häupter des Orts
gebracht zu haben, und da gibts besondere Advocaten, wel-
che sich der Beklagten annehmen. Doch erstreckt sich diess
bloss auf die eingebornen Leibeignen, nicht auf Kriegsge-
fangne oder erkaufte Sclaven.

Jarra selbst, wohin wir bis jetzt unsern Reisenden be-
gleitet haben, liegt im Königreiche Ludamar, einem Mau-
ren-Lande, dessen, so viel bekannt, noch kein Europäischer
Reisender gedacht hat. Die Mauren dieses und anderer an die
Negerländer stossenden Staaten, die sich wie ein Erdgürtel
[Seite 705] von dem nördlichen Ufer des Senegal bis Abyssinien zu erstre-
cken scheinen, sind gleichsam ein ganzes grosses Mulatten-
Volk
, die nämlich in ihren körperlichen Eigenschaften den
vollkommensten Uebergang machen, wodurch die Araber der
Barbarey mit den Negern zusammenfliessen. Sie sind in kleine
Stämme vertheilt, deren jeder seinen König hat, der mit un-
umschränkter Macht über seine Horde herrscht; ohne dass doch
im gemeinen Leben ein Unterschied der Stände bey ihnen
merklich seyn sollte. Denn oft ist der Kameeltreiber mit
seinem Könige aus derselben Schüssel, und schläft mit ihm in
demselben Bette. Da sie immer zu Felde liegen, so treiben
sie keine Art von Ackerbau, sondern kaufen ihr Getreide und
andere Bedürfnisse, sogar ihre Kleidung, von den Negern.
Ihre Tauschwaare ist Steinsalz, das sie von Tisheet, einer
der grossen Salzgruben in der Wüste, erhalten. Sie haben
treffliche Pferde: ihre gewöhnlichen Lastthiere aber sind
Kameele und Ochsen. Sie rauben auf ihren Streifereyen
Sclaven, die sie, zumahl an die Franzosen am Senegal, gegen
Gewehr und Schiesspulver verhandeln. In Kleidung, Sitten,
Lebensweise etc. ähneln sie vollkommen den räuberischen
Arabern. Von Seiten des Characters aber ist es wol das ver-
worfenste Volk unter der Sonne, das allen blinden Aber-
glauben eines Negers mit der rohen Grausamkeit und Treu-
losigkeit des Arabers, und namentlich mit dem wüthigsten
Christen-Hass verbindet.

Park erfuhr nur zu bald, unter was für Menschen, und
in was für eine schaudervolle Lage er gerathen war. Man
sagte ihm, dass, um von da weiter gen Bambara reisen zu
dürfen, er vorher beym König Ali, der damahls eben ab-
wesend war, um Erlaubniss ansuchen, und, wie es sich von
selbst verstehe, dieses Gesuch mit einem Geschenk begleiten
müsse. Dem zu Folge musste P. für eine seiner beyden
Flinten 5 Kleider kaufen, die sein Wirth, ein Sclavenhänd-
ler, an die Behörde zu befördern übernahm. Nach vierzehn
Tagen brachte ein Sclave von Ali die Erlaubniss mit dem
Bedeuten, dass er zugleich den Befehl habe, den Fremden
[Seite 706] als Wegweiser nach Bambara zu begleiten. Park brach den
27. Febr. von Jarra auf. Seine Gesellschaft bestand ausser
diesem vorgeblichen königlichen Wegweiser und einem
Schwarzen, den ihm sein Hauswirth mitgab, nur noch aus
dem einen der beyden Neger, die er vom Gambia mitge-
nommen hatte; denn der andre, der ihm zeither zum Dol-
metscher gedient hatte, nahm seinen Abschied, um nach
Pisania zurück zu kehren, weil er sonst fürchten müsse, von
den Mauren als Sclave verkauft zu werden. So kamen sie am
dritten Tage nach der grossen Stadt Deena. Aber gleich
beym Eintritt ward P. von den daselbst sehr zahlreichen
Maurischen Einwohnern umringt und aufs schändlichste
misshandelt. Sie spieen ihm ins Gesicht, plünderten sein Ge-
päcke und er selbst musste endlich ins Haus eines Negers
flüchten.

* * *
[[I]] [[II]]
Notes
*).
[Seite 700]

Ich behalte, der Sicherheitwegen, immer die Namen so bey, wie sie
in der Englischen Urkunde gedruckt sind.

Bl.

*).
[Seite 704]

Ich vermuthe, es ist das schon von ältern Reisenden beschriebene
Bambuc-tulu (Tulu heisst Butter), wovon die beste Sorte aus
Guiaora, 200 Meilen weit östlich von Galama kommen, und nach
deren Angabe der ganze Butterbaum gleichsam wie mit Fett durch-
zogen seyn soll. Bl.



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
This page is copyrighted