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Allgemeine
Geographische
EPHEMERIDEN.
Verfasset
von
einer Gesellschaft Gelehrten
und herausgegeben
von
F. von Zach,
H.S.G. Obristwachtmeister und Director der herzoglichen
Sternwarte Seeberg bey Gotha.

Dritter Band.

Weimar,
im Verlage des Industrie-Comptoirs
1799
.
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3.
Aus einem Schreiben des Hofraths Blumenbach.

[Seite 101]

Göttingen, den 19. Nov.

Ich theile Ihnen einige sehr interessante Neuigkeiten aus
einem überaus reichhaltigen Briefe mit, den ich so eben vom
Baronet Banks erhalten habe. – Dass er für mich in jeder
Bedeutung des Worts reichhaltig war, werden Sie mir zuge-
ben, wenn ich Ihnen sage, dass ihn unter andern ein köstli-
ches, nach dem Leben verfertigtes und zum Sprechen ähn-
liches Miniaturgemählde des guten O Mai begleitete, womit
Lady Banks, bey der ich es während meines Aufenthalts in
London bewundert habe, meine anthropologische Sammlung
bereichert hat.

Der merkwürdige Afrikanische Reisende, Browne, ist
zwar für seine Person nun wohlbehalten nach England zu-
rückgekommen, aber leider ohne seine Papiere*). Unglückli-
cherweise hatte er, um sie nicht dem zu jener Zeit so unsi-
chern Transport auf dem Mittelländischen Meere auszusetzen,
den grössten Theil derselben beym damahligen Englischen
[Seite 102] General-Consul*) in Cairo niedergelegt. Dieser hat aber
seitdem seine Dimission erhalten, und hat sie der Discretion
der Franzosen überlassen. Den Rest seiner Papiere verlor Br.
auf einer Seefahrt an der Küste von Syrien.

Er war vor einigen Jahren von Cairo aus nach Seewah ge-
reist, und hatte in der dasigen Oasis die Ruinen einer über-
aus sonderbaren Capelle gefunden, die seiner wahrscheinli-
chen Vermuthung nach zu dem berühmten Tempel des Jupi-
ters Ammon gehört hat. Nachher ging er mit der Soudan-
Karavane und besuchte die berufene grosse Oasis oder Al wah,
die wol noch von keinem Europäer vor ihm betreten worden,
deren Lage er aber auf Major Rennell’s Karte von Nord-Afrika**)
in den neuesten Proceedings of the African Association ganz rich-
tig angegeben findet. Er durchzog von da eine Wüste von
beträchtlicher Länge, und kam endlich nach Darfoor, unter
15°15′ N. Br. ein wenig öftlich von Haraza, das auf Ren-
nell’s
Karte steht. – Er fand hier zwey Städte, die zwey Ka-
mel-Tagereisen von einander lagen***); die eine war des
Königs Residenz, die andre aber von Kaufleuten bewohnt. In
der letzten blieb er zwey Jahre und 10 Monate, in einer un-
angenehmen Lage, da er oft nach der Residenz beordert, au-
sserdem aber ihm schlechterdings nicht gestattet ward, auch
nur in der geringsten Entfernung die umliegende Gegend zu
bereisen.

Browne ist ein scharfsinniger und zuverlässiger Mann, der
ehestens seine Reisebeschreibung herausgeben wird, die ich
sogleich von der Güte des Baronets B. zu erhalten Hoffnung
habe.

[Seite 103]

Eine andere sehr wichtige Neuigkeit, die ich aus Banks’s
Briefe erfahre, ist, dass der grosse Geograph von Indien und
Afrika, Rennell, so eben den Anfang eines neuen Meisterwerks
unter die Presse gegeben hat; eine Art von geographischen
Commentar über den Herodotus, worin er ihn von einer Men-
ge von Missverständnissen und Missdeutungen befreyt, und
hingegen zeigt, was dieser so oft verkannte und verläumdete
Altvater der Geschichte, wenn er mit Critik benutzt wird,
namentlich für eine treffliche und zuerlässige Quelle für die
Erdbeschreibung des Innern von Afrika abgibt.*)

Sie wissen, dass ein vortrefflicher Englischer Seeofficier,
der Capitain Mc. Cluer, da er vor acht Jahren im Dienste der
Ostindischen Compagnie die Pelew-Inseln besucht hatte, von
dem glücklichen Himmel dieser gepriesenen Eilande und der
patriarchalischen Lebensweise ihrer Bewohner so eingenom-
men ward, dass er nun vor 4 Jahren, da ihm die Compagnie
eine zweyte Fahrt nach jenem Theile des Ost Indischen Archi-
pelagus übertrug, den Plan fasste, diese Gelegenheit dazu zu
benutzen, um sich unter jenen liebenswürdigen sogenannten
Wilden anzusiedeln. – Wie er das wirklich ausgeführt, ist
aus Staunton’s Geschichte der Chinetischen Gesandschaftsreise
bekannt. – Jetzt schreibt mir Banks, dass der verdienst-
volle nautische Geograph Dalrymple ein Tagebuch von Mc.
Cluer
und seine Selbstbiographie erhalten hat, und beydes im
nächsten Stück seines Oriental Repertory bekannt zu machen
gedenkt.**)

Zum Schluss noch eine Indische Merkwürdigkeit ande-
rer Art, die, wenn sie auch gleich, genau genommen, nicht
ins Gebiet der A.G.E. zu gehören scheint, doch gewiss
[Seite 104] denjenigen Lesern und Leserinnen derselben, die sich je an der
Tausend und einen Nacht geweidet haben, willkommen seyn
wird. – Bekanntlich hat man die Aechtheit der vier letzten
Bände (die den 38 bis 41 Band des Cabinet des Fées ausma-
chen) bezweifeln wollen. Marsden, der berühmte Verfasser
des classischen Werks über Sumatra, schrieb mir abei schon
vor einiger Zeit, dass er verschiedene der darin enthaltenen
Erzählungen, und namentlich die Histoire d’Abosaber le Patient
(im 40 Bande der angeführten Sammlung, S. 92 u.f.) in einer
Malayischen Handschrift gefunden, freylich aber bey der Ver-
gleichung gesehen, dass sich der Französische Uebersetzer grosse
Freyheiten erlaubt habe.

Das längst so sehnlich erwartete Malayische Wörterbuch,
woran dieser grosse Sprachkenner seit langer Zeit gearbeitet
hat, ist, wie ich nun von ihm erfahre, seiner Vollendung
nahe. Um die Wichtigkeit dieser Arbeit für Menschen- und
Völkerkunde, so wie für Indischen Handel u.s.w. zu wür-
digen, braucht man sich bloss des Ungeheuern Striches von
Ländern und Inseln zu erinnern, wo das Malayische und seine
Dialecte gesprochen werden: östlich bis zum Oster-Eyland
und westlich bis Madagascar! (s. Bar. Banks in Hawkesworth’s
Collection
im dritten Bande S. 373 der zweyten Ausg. –)

* * *
[Seite 118] [Seite 119] [Seite 120]
Notes
*).
[Seite 101]

Sollte es nicht derselbe Reisende seyn, von dem im II Bande der
A.G.E.S. 558 Erwähnung gethan wird? v. Z.

*).
[Seite 102]

Baldwin? v. Z.

**).
[Seite 102]

Es ist dieselbe Karte, welche wir unseren Lesern im gegenwärtigen
Hefte mittheilen. v. Z.

***).
[Seite 102]

Das wären etwa gegen 10 Deutsche Meilen. – s. J. Rennell on
the Rate of Travelling, as performed by Camels
, in den Philosoph.
Transact.
von 1791 81 B.S. 129 u.f. B. Niebuhr rechnet eine Tage-
reise mit Kamelen nur auf 4,2 Meilen. v. Z.

*).
[Seite 103]

Nächstens theilen wir unseren Lesern eine sehr interessante Abhand-
lung des Prof. Heeren in Göttingen mit ‘„Kannte Herodot bereits
den Joliba-Strom?
v. Z.

**).
[Seite 103]

Alex. Dalrymple hat schon 1789 auf Kosten der O. Ind. Compagnie,
Description of the Coast of India by John Mc. Cluer 1787 and 1788
nebst einer trefflichen Seekarte herausgegeben. Er nahm besonders
die Küsten von Guzurate und die sogenannte Seeräuber-Küste (Pi-
rate-Coast) mit drey Arnoldischen Chronometern auf. v. Z.



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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