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Göttingisches
Magazin
der
Wissenschaften und Litteratur.
Herausgegeben
von
Georg Christoph Lichtenberg
und Georg Forster
.

Mit einem Kupfer.

Zweyten Jahrgangs viertes Stück.


Göttingen,
bei Johann Christian Dieterich,
1781
.
[[I]] [[II]]

IX.
Prof. Blumenbachs Anzeige verschiedner
vorzüglicher Abbildungen von Thieren in
älteren Kupferstichen und Holzschnitten.

[Seite 136]

Die Hauptabsicht dieser Blatter ist, jungen Künst-
lern, die nicht Gelegenheit haben vielerley Thiere nach
[Seite 137] der Natur zu zeichnen, getreue, und doch zugleich kunst-
mäsig malerische Kupferstiche und Holzschnitte davon be-
kannt zu machen, auf deren Richtigkeit sie sich verlassen,
und die sie mit Zuversicht studiren können.

Ich bescheide mich zwar gerne daß diesem Aufsatz
noch viel an einiger Vollständigkeit abgeht: doch muß ich
auch erinnern, daß ich eine Menge mir bekannter Abbil-
dungen wissentlich übergangen, und mich aus Stünden
nur auf gewisse Arten derselben eingeschränkt habe.

So übergehe ich z.B. gerade das, was insgemein
am meisten unter Thiermalerey verstanden wird, Abbil-
dungen von Schaafen, Kühen u.a. Hausthieren, die
jeder in Natur sehen kann, und wovon überdem die
zahlreichen geätzten Blätter, zumal der holländischen
Meister aus dem vorigen Jahrhundert, Dü Jardin,
Berchem, Fyt, Potter, Adrian van Velde
u.s.w.
allgemein bekannt sind.

Und unter den Vorstellungen der übrigen Thiere
führe ich blos solche an, die wie gesagt, der Natur ge-
treu und zugleich schön gezeichnet sind. Die, so nur
einen von beiden Vorzügen haben, können ihrer andern
Verdienste ohngeachtet, nie Muster für junge, der Na-
tur unkundige Künstler seyn.

[Seite 138]

Die Frischischen Insecten z.E. sind wegen der äusser-
sten Genauigkeit, mit der sogar die kleinsten Theile dieser
Thiergen ausgedruckt worden, für Naturforscher ein
brauchbares zuverlässiges Werk. Für Künstler hingegen
find sie wegen der todten steifen Manier in der sie der
junge Anfänger gearbeitet hat, völlig unbrauchbar. Wen-
zel Hollarts
Insecten haben folgends, ausser der feinen
Nadel womit sie radirt sind, gar kein weitres Verdienst;
grossentheils sind sie ganz unnatürlich, einige völlig ver-
stellt, und durchgehends so leblos als wenn man sie an
der Nadel stecken sähe. Aber auch die andern Thiere die
er zu Aesopi Fabeln, in sein Jagdbuch etc. geätzt, sind
fast durchgehends steif und theils sehr offenbar fehlerhaft.
Einige andre, wie Matthias Beytlers, oder Andreas
Rhols
Thierbüchlein, die doch ausdrücklich zum Gebrauch
der Künstler verfertigt worden, sind folgends so uner-
träglich elend, daß sie gar nicht genannt zu werden ver-
dienen.

So haben auch die Jagden, die Mallery, Collaert,
die Gallen etc. nach Joh. Stradanus Zeichnungen,
auf 104 Blatt in quer Fol. gestochen,*) und wovon der
[Seite 139] alte Matth. Merian einige ins Kleine copirt hat, zwar
wegen der Erfindung und des feinen obschon trocknen
Grabstichels ihre Verdienste, die darauf vorgestellten
Thiere aber sind äusserst unrichtig gezeichnet, und im
Ausdruck der Leidenschaften, meist Carrikaturen: der unter-
mengten Einhörner, Seeungeheuer u.a. Erdichtungen zu
geschweigen.

Auch in verschiednen nettern kostbaren Kupferwerken
sind die Thiere so unverzeihlich nachlässig, blos aus den
Kopf der unwissenden Künstler gezeichnet, daß man sie
bey aller Schönheit des Stichs nicht ohne Wider-
willen ansehen kann. Die so sehr gepriesnen Kupfer zur
grossen Ausgabe von la Fontaines Fabeln sind so voll
von dergleichen chimärischen Thiergestalten, daß man
beynahe glauben möchte, Oudry (der für Büffon und
sonst so meisterhaft Thiere gezeichnet) habe entweder um
die Erdichtung zu vergrössern mit Fleis seine Kunst auf
diesen Blättern so verleugnet: oder aber die Kupferste-
cher haben nur nach seinen Skizen gearbeitet, und Frey-
heit gehabt in der Ausführung die Thiere nach Belieben
zu verunstalten. Auch in den kleinen holländischen Nach-
stichen dieser Fabeln sind ohngeachtet der gegebnen Ver-
sicherung, daß man Naturforscher dabey um Rath fra-
[Seite 140] gen werde, doch viele dieser abentheuerlichen Thierge-
stalten stehn geblieben. Ein andres unverbesserlich ge-
stochnes und doch für Künstler völlig unbrauchbares Werk
ist die prächtige Folioausgabe der Histoire des animaux,
die auf Befehl Ludwigs XIV herauskam, da der grosse
Meister Sebastian le Clerc seine Kunst an ganz un-
förmlich steifen und verzeichneten Thieren verschwenden
mußte.

Alle solche sonst noch so berühmte Werke berühre
ich also nicht, sondern erwähne blos die, die sich durch
eine genaue, und doch zugleich lebhafte malerische Dar-
stellung der Natur auszeichnen.

Auch schränke ich mich, der oben angegebnen Ab-
sicht gemäs fast blos auf ganze Sammlungen und Kupfer-
werke ein, und übergehe einzelne Blätter, als welche
zerstreut und seltner anzutreffen sind, und folglich nur
von wenigen Künstlern benutzt werden können.

Da überhaupt die Erfindung der Kupferstecher-
und Formschneidekunst das ungleiche Schicksal gehabt,
daß jene gleich mit weit vollkommnern Versuchen als diese
angefangen, so versteht sich von selbst, daß man unter den
ersten Holzschnitten auch schlechterdings keine erträgli-
chen Thierzeichnungen erwarten darf: dagegen sich un-
[Seite 141] ter den ersten Kupferstichen Blätter mit ausserordent-
lich gut gezeichneten Thieren finden.

Ich besitze einen Elephanten von Martin Schön
dem wenige Zeichnungen von diesem Thiere aus den fol-
genden Jahrhunderten beykommen. Man sieht offenbar
daß er nach der Natur gemacht seyn muß, und ich finde
auch bey Pierius Valerianus, daß im 15ten Jahrhun-
dert ein Elephant in Europa zu sehen gewesen. Zu des
Thieres Füssen steht Schöns Zeichen; man erkennt aber
ohnehin des verdienten Mannes Blätter theils an der
ganz eignen, obwol steifen doch nicht unangenehmen Ma-
nier, die schon mit dem Anfang des 16ten Jahrhunderts
eine ganz andere Wendung nimmt, und der blos Dü-
rers
erste Arbeiten, noch mehr aber Glockenthons seine
beykommen; und dann an der Schönheit der Abdrücke,
die sich wie auf Pergament ausnehmen.

Auch auf vielen von Dürers Blättern kommen
theils überaus lebhaft und gut gezeichnete Thiere vor.
Ein grosser Rhinoceros aber, den er in Holz geschnitten,
und der in vielen Thierbüchern copirt worden, ist nur
von Seiten des Schnitts zu bewundern: die Zeichnung
[Seite 142] daran ist abentheuerlich und ganz ausser der Natur,
das Thier wie mit Schildern und Panzerstücken be-
hängt u.s.w.*)

Von den übrigen frühern Meistern des 16ten Jahr-
hunderts sind mir doch wenige Kupferstiche bekannt, die
hier angeführt werden müßten, etwa eine Reihe von
Heinrich Aldegravs schönen Blättern ausgenommen,
wo er allerhand Laster unter der Gestalt von weibli-
chen Figuren die auf Thieren reiten, vorgestellt hat.

Um so zahlreicher sind hingegen die ausnehmenden
Holzschnitte von Thieren, die zumal in der Mitte des
gedachten Jahrhunderts erschienen sind. Beynah nem-
lich um die gleiche Zeit, da die anatomischen Figuren
[Seite 143] in Vesalii unsterblichen grössern Werke alle Versuche
der vorigen Formschneider in diesem Fache vergessen
machten, gab auch der Zürcher Polyhistor Conrad Ges-
ner
seine grosse Thiergeschichte heraus, die mit einigen
hundert Holzschnitten geschmückt ist, worunter viele von ei-
ner bis jetzt eben so unnachahmlichen Schönheit als die
Vesalischen befindlich sind. Aber auf beider Männer
Werken scheint auch der gleiche Fluch geruht zu haben,
daß nemlich die Namen der Künstler nicht mit Zuver-
lässigkeit auf die Nachwelt gekommen sind, die so vielen
Antheil an der dauerhaften Brauchbarkeit derselben haben.

Herr Papillon sagt zwar ganz dreist und decisiv: Fo, Suisse de Nation, excellent Graveur en bois, contem-
porain de Holbein a gravé les belles figures des animaux
dans l'historia animalium de Conrad Gesner.
Allein dies
ist eben so unerwiesen und unbefriedigend als seine fol-
gende Behauptung: Holbein même a gravé dans cet ou-
vrage les Lettres grises qui y sont, il est aisé de le
remarquer par le Gout du dessein et par quelques squelettes
qui battent la Caisse lesquels sont assez semblables à ceux
de sa Danse des morts. peut-etre a-t-il dessiné aussi
toutes les autres figures de ces Livres de Gesner.

[Seite 144]

Denn erstens ist FO zuverlässig kein Geschlechtsname
sondern eine Abbreviatur, die zuweilen auch als Mono-
gramma in eins verzogen im Werke verkommt. Ueberdem
sind aber die zahlreichen Figuren in Gesners Thierbuch
(wie Herr P. als Mann vom Metier schon an der ver-
schiednen Manier des Schnitts hätte setzen sollen) nicht
alle vom gleichen Künstler, sondern theils auch mit I.M
andre mit einen Rebus u.s.w. bezeichnet. Und gerade alle
mit FO markirten, gehören blos zu den mittelmässigen,
und einige darunter wie die Cameele, Schweine, der
Schuhu, das Schneehuhn u.s.w. gar zu den schlech-
tern. Hingegen sind die meisterhaftesten Schnitte von
allen z.B. das Caninchen, der Igel, das Murmelthier,
die Aposetta, der Seidenschwanz, der Wiedehopf u.a.
m. durchgehends ohne alles Zeichen. Ich habe ausser
den Gesnerschen Vorreden zu diesen Werken auch seine
Bibliothecken, seine Briefe, sein Leben das Sim-
ler
beschrieben, und die erst neuerlich herausgekommnen
Gesnerschen Pflanzenwerke durchsucht, aber eben so
wenig Namen oder nähere Nachricht von diesen Form-
schneidern, als die mindste Spur auffinden können, daß
Holbein die Zeichnungen verfertigt oder die Anfangs-
buchstaben selbst geschnitten hätte. Daß auf einer von
[Seite 145] diesen Lettres grises ein Tod mit der Trommel steht,
giebt darum noch keine Anzeige auf Holbein, da bekannt
ist, wie oft der Einfall vom Todtentanz noch bis ins vorige
Jahrhundert von so vielen Künstlern, zumal in der
Schweiz, nachgeahmt worden. Einige kleinere An-
fangsbuchstaben mit nackten Kindern sind allerdings
überaus schön: die übrigen aber sind doch nur mittel-
mässig, und wären auf allen Fall Holbeins unwürdig.
Die Vermuthung aber, daß er an den Zeichnungen
Theil habe, ist um so seltsamer da er bekanntlich seit
1526 (da Gesner ein Kind von zehn Jahren war) bis
zu seinem Tod fern von der Schweiz in England ge-
lebt hat.

Gesner selbst hat 1560 die sämtlichen Holzschnitte
aus allen Bänden seiner weitschichtigen Thierhistorie
zusammen abdrucken lassen, und ihnen ausser
der Benennug der Thiere in den bekannten Spra-
chen, blos einige zerstreute kleine Anmerkungen bey-
gefügt. Dieses Werk das nur einen mässigen Folioband
ausmacht, enthält überdem noch verschiedene neuere und
bessere Abbildungen, die er erst seit der Ausgabe des
grossen Werks erhalten hatte, und ist diesem in vielen
Betracht, besonders zum Gebrauch für Künstler, weit
[Seite 146] vorzuziehn. Zudem macht es auch in der Litteratur der
Naturgeschichte Epoche, da Gesner eine Anzahl Exem-
plare davon unter seinen Augen und ganz nach der
Natur ausmahlen lassen:*) und zwar ist die Illumina-
tion, wie ich aus einem Exemplar ersehe, das ich der
Güte des verdienten Herrn Dr. Krügelstein in Ohrdruff
zu verdanken habe, so meisterhaft gerathen, daß ihm
wenige der ausgemahlten Kupferwerke jenes und des
letztverwichenen Jahrhunderts zu vergleichen sind.

Zwey andere gleichzeitige Formschneider die beide
eine grosse Menge der schönsten Thierfiguren verfertigt
haben, sind Christoph Stimmer und Jobst Ammon,
dieser nach seinen eignen, jener nach seines Bruders des
berühmten Tobias Zeichnungen, der doch aller Wahr-
scheinlichkeit nach, auch viele Figuren selbst geschnitten.

Von Stimmers zahlreichen Werken berühre ich blos
sein Meisterstück, die ausnehmend elegante Ausgabe der
Vulgata die Thomas Guarin zu Basel in drey Median-
octavbänden besorgt hat. Herr J. C. Fueßlin, Papillon
u.a. setzen das Jahr 1586. Ich besitze aber eine Aus-
gabe schon von 1578. Die allgemeinen Verdienste der
[Seite 147] Figuren in diesem Werke, sowol von Seiten der geistrei-
chen Erfindung, als der Zeichnung und des unübertrefflich
feinen Schnitts, sind so bekannt als die rühmlichen Aus-
drücke in welchen Rubens und der alte Sandrart,
die es beide fleisig studirt, davon zu reden pflegten. Ich
führe es hier blos der darin vorkommenden Thiere we-
gen an, die (einige wenige ausgenommen) aufs getreuste,
zugleich aber mit dem glücklichsten lebhaftesten Ausdruck
ihres Characters, und in mancherley Stellungen, abge-
bildet sind. Schon allein die ersten Blätter vom Para-
dies und der ersten Eltern Haushaltung, enthalten eine
solche Fülle von mancherley getreu gezeichneten Thieren,
daß man jedes Täfelgen genau durchsehen muß, um alle
die kleinen Figuren gewahr zu werden.

Jobst Ammon hat einige ganze Sammlungen von
Thieren herausgegeben, wie z.B. die Figuren von aller-
hand Jagd- und Weidwerk 1582. die Figuren von man-
cherley Pferden 1584 u.s.w. Die zahlreichsten und
mannichfaltigsten Thiere aber hat er zur zweyten Ausgabe
von Johann Heyden von Dhaun Uebers. von Plinii Bü-
chern von Art und Eigenschaft der Menschen und Thiere ver-
fertigt, die zu Frankfurt 1571 in Fol. herausgekommen,
und in der sich eine Menge auch ausländischer Thiere
[Seite 148] aufs natürlichste abgebildet finden. Auch die Figuren
von Thieren, die er zu den spätern Ausgaben von
Schoppers lateinischer Uebersetzung des Reineke Fuchs
geschnitten, verdienen so wie diejenigen, die Sigm.
Feyerabent
zur ersten Ausg.*) verfertigt, und die Prof.
Christ unrichtig ebenfalls Jobst Ammon zuschrieb, Er-
wähnung.

Unter Ulyssis Aldrovandi ungeheuren Werken ist
sowol in Rücksicht des wissenschaftlichen Verdienstes als
der Kunst, die Ornithologie den übrigen weit vorzuziehn,
als zu welcher Christoph Coriolanus die Figuren ge-
schnitten.

Ich übergehe Münsters Cosmographie, Stumpf-
fens
Schweizer-Chronick, den Theurdank, den Weiß-
könig und mehr dergleichen Werke jenes Jahrhunderts,
die doch alle auch zuverlässige und theils schöne Thier-
zeichnungen enthalten.

Nur beyläufig gedenke ich noch eines ganz meisterhaften
Holzschnittes in Clairobscur von drey Tafeln, schwarz
mit zweyerley Grün in Bogengrösse, worauf eine Misge-
burt von einem Schwein vorgestellt ist, und von wel-
[Seite 149] chem ich nirgend einige Nachricht habe auftreiben kön-
nen. Oben drüber zur linken Hand steht:

L'an mit cinq cens quarente et cinq
Au moys de Juillet vingt et cinq
De ceste grandeur naquit en ceste ville
Nommee Paris, cite grande et nobille
Ung porceau de monstrueuse facture
Difforme, oultre cours de nature.
Puis en esté mis, par gens tresbien expers
En nathomye mostrant membres divers.

und zur rechten gegenüber ein Huictain moral. Es hat
kein ander Zeichen als hin und wieder einige zerstreute
4 und *.

Mit dem Ende des 16ten Jahrh. fing bekanntlich
die Formschneidekunst an in Verfall zu kommen; daher
man auch unter den nachherigen Werken dieser Art
nichts ausnehmendes von Thieren mehr aufweisen kann.
Hingegen hob sich um die gleiche Zeit die Kupferstecher-
kunst desto vortheilhafter, und diese hat nun seitdem
eine ungleich grössere Menge der vortreflichsten Thier-
abbildungen geliefert.

Unter den Italiänischen Meistern ist zumal Anton
Tempesta
wegen seiner mancherley Thierzeichnungen, da-
[Seite 150] von er mehrere grosse Sammlungen herausgegeben, be-
rühmt, doch muß ich gestehen, daß sie mir fast durch-
gehends, seine Pferde sowol als andre Thiere, unge-
treu und verzeichnet vorkommen. Selbst die Sangvögel, die
er und Villamena zum Olina gestochen, sind zwar fleissiger
als seine meisten andern Blätter ausgeführt, übrigens aber
eben so wenig nach dem Leben und theils ganz unkennt-
lich; daher ich die grossen Lobeserhebungen nicht reimen
kann, womit Baldinucci*) u.a. seine Werke, vorzüg-
lich die Pferde belegt haben, als unter welchen letztern
viele ganz Carricatur und ausser der Natur sind.

Er reicht, wenigstens aus unserm jetzigen Gesichts-
punkt beurtheilt, nicht an Stephan della Bella der
ebenfalls ganze Sammlungen von mancherley Thie-
ren geätzt, worunter sich auch seltnere, Cameele, Ele-
phanten, Büffel etc. befinden, die zwar auch von unglei-
cher Güte, aber doch immer getreuer als jene und
manche auch feurig und lebhaft genug ausgeführt
sind.

Allein von Seiten des Ausdrucks wüßte ich keinen
Künstler, wenigstens aus jenen Zeiten, der mit Aldert
van Everdingen
zu vergleichen wäre, den man schon
[Seite 151] aus seinen Wildnissen und Einöden als einen getreuen
Darsteller der unbeseelten Natur kennt: der aber auch in sei-
nen Thierzeichnungen überaus viel Kenntniß des Naturells,
Charakters und der Leidenschaften der Thiere verrathen
hat. Dieser Geistliche hat nemlich zu dem obgedachten
Gedichte seines alten Landsmanns Heinrich von Alkmar
57 kleine Kupfertafeln geätzt, die Prof. Gottsched auch
in seiner Ausgabe des Reinekefuchs wieder hat abdrucken
lassen, wo sie aber mit andern von S. Fokke untermengt
sind, und überdem viel von ihrer ersten Schönheit ver-
lohren haben. Diese Blätter wären zwar schon wegen
der leichten freyen Nadel, womit sie radirt sind, zu em-
pfehlen; aber ihr weit grösseres Verdienst besteht in dem
bewundernswürdigen Ausdruck womit jedes Thier nach
seinem ganzen Naturell bezeichnet ist. Schon der blei-
bende Character, das listige beym Fuchs, das brum-
mige gutmüthige beym Bär, das possirliche der Meer-
katzen, die Gravität des Hans, die furchtsame Schüch-
ternheit des Hasen, der Blödsinn des Schaafs, die
Würde und der Anstand des Löwen u.s.w. folgends
aber die mancherley Leidenschaften der Thiere sind durch-
gehends so überaus glücklich ausgedruckt, daß ich noch
keinen Naturkenner, auch von der unstudirten Classe,
[Seite 152] Jäger u.s.w. gefunden habe, der nicht diese Blätter mit-
Bewunderung und Vergnügen angesehn hätte, und man
diesen verdienten Mann den Hogarth unter den Thier-
malern nennen könnte. Ungeachtet ich mich hier nicht in
die Anzeige einzelner Blätter einlasse, so kann ich doch die
Jagden von Rubens nicht unerwähnt lassen, die von ver-
schiednen seiner Zeitgenossen, zumal von seinen Freunden
Soutman, Bolswert und Suyderhoef gestochen, und von
Basan einzeln verzeichnet sind*). In Absicht der Zu-
sammensetzung und der Wahrheit im Ausdruck des äus-
sersten Affects der Thiere haben sie schwerlich ihres glei-
chen, und einige, wie die wo der Löwe dem Pferd aufs
Kreuz springt und den Reuter von hinten zerreißt, wer-
den vielleicht lange unerreichbare Meisterstücke bleiben.

Ueber verschiedene einzelne Thiere sind besondre
Sammlungen vorhanden, z.B. Picarts Recueil de Li-
ons
nach Dürer, le Brün, Rembrant, Potter u.s.w.
Die Rubenschen Löwen von A. Bloteling. Sehr schöne
Löwen, Panther, Bären und viele andre Thiere von
Robert van Voerst nach Roland Savery, welche letz-
tere nebst noch mehrern Thieren von andern Meistern
in der Sammlung, die unter dem Titel von Lairessens
[Seite 153] Zeichenkunst herausgekommen, wieder abgedruckt sind.
Ebenfalls vortreffliche Leoparden von Mark de Bye
nach Paul Potter. Da hingegen seine Bären, die er
1664 nach Gerards geätzt hat, weit weniger Lob verdienen.

Von Vögeln und Fischen haben Albert Flamen,
Nikolaus de Brüyn, und Adrian Collaert Samm-
lungen rausgegeben. Flamens Vögel sind leicht radirt
und haben eben deswegen mehr Leben als der bei-
den andren ihre. Zudem hat er seine Vögel nach ihrem
verschiednen Aufenthalt und Lebensart auch in passenden
Gegenden vorgestellt, daher seine Blätter wegen der da-
bey angebrachten Landschaften angenehm und zugleich
lehrreich werden: de Bruyn hat meist Hausgeflügel ge-
stochen, und seine Blätter sind, wie bekannt, überaus
sauber executirt. Die von Cornelius Galle dem jün-
gern hingegen, so wie die, so Roberts nach den lebendi-
gen Vögeln in Ludwigs des XIV Menagerie gestochen,
aus aller Rücksicht nur mittelmässig.

Die Vorstellungen von Fischen sind überhaupt wenig
Ausdrucks und Action fähig, daher ihre Vollkommenheit
fast blos in einer richtigen Zeichnung besteht und folg-
lich die bekannten Fischbücher von Rondelet, Salvia-
nus, Willoughby
etc. die besten Muster sind.

[Seite 154]

Bey den Insecten ist wegen der mannichfaltigen
Verschiedenheit in ihrem Körperbau und in ihren Be-
wegungen schon weit mehr Kunstfähigkeit anzubringen,
ob sie gleich, wie schon oben erinnert ist, in vielen In-
sectenwerken vermißt wird. Auch Goedart, der übri-
gens ein eleganter Maler war, und das Verdienst hat,
das erste illuminirte Insectenwerk ausgefertigt zu haben,
verstund doch nicht seinen Zeichnungen einiges Leben zu
geben. Hingegen könnte die artige Sammlung von 52
Blättern, die der junge Jacob Hoefnagel nach seines
Vaters Georgs Zeichnungen 1592 in vier Heften raus-
gegeben, allen Insectenzeichnern in diesem Stücke zum
Muster dienen. Die grosse Menge von Naturalien aller
Art, Gewächse, Blumen, Früchte, lebendige und todte
Thiere, die theils mit vieler Laune angebracht sind, be-
sonders aber die sehr vielen ausländischen und deut-
schen Schmetterlinge, Käfer u.s.w. sind durchgehends
so ganz nach der Natur vorgestellt, daß alles auf diesen
Blättern zu leben scheint, und sicher jedes Kind, auch
ohne Illumination die hier abgebildeten und ihm be-
kannten Dinge erkennen wird.

Conchylien verdienen hier keine Erwähnung, da ihr
Hauptverdienst in den Farben besteht, und in die Zeich-
[Seite 155] nung eines Schneckenhauses weit weniger Leben, als in
die von einer Traube zu bringen ist, und dazu nicht mehr
Talent als zur Zeichnung einer Crystalldruse erfodert
wird.

Es ist schon aus der Ueberschrift dieses Aufsatzes zu
ersehen, daß ich blos von den Thierzeichnungen verschie-
dener älterer Kupferstecher und Formschneider einige
Nachricht gehen wollte: doch muß ich mich hier dem
Vergnügen überlassen, noch einige Zeilen über die vor-
züglichen Werke eines der vollkommensten Künstler in sei-
ner Art, des würdigen Johann Elias Riedingers hinzu-
zufügen. Er hatte den Vortheil, daß er ein gelernter
Jäger war; daher er Gelegenheit benutzen konnte, die
wilden Thiere in allerhand Situationen, in der Ruhe
und in allen Leidenschaften, in ihrem Lager oder auf
der Flucht u.s.w. zu beobachten, die er denn auch aufs glück-
lichste und meist zugleich mit angemessenen wilden Gegenden
im Hintergrunde etc. vorgestellt hat; doch sind seine zahl-
reichen Arbeiten von sehr verschiedener Güte und bey
weitem nicht alle mit gleichen Nutzen zu gebrauchen.

So ist z.B. seine vollkommne Vorstellung der
Jagdbarkeit
1729 ein jugendlicher schwacher Versuch.
So auch die von Hunden behetzten jagdbaren Thiere 1761
nur mittelmässig. Hingegen ist sein Paradies und folgende
fünf Sammlungen desto ausgearbeiteter, und beides für
Naturforscher und Künstler überaus lehrreich: 1) Be-
trachtung der wilden Thiere
1736. gros Fol. in die
Quere, mit Broks Reimen. 10 Bl. 2) Beschreibung
und Vorstellung der wilden Thiere nach ihrer Natur,

[Seite 156] Geschlecht etc. 1738. zwey Hefte, jeder von 4 Bl. im
grösten Imperialformat. ohne Wiederrede Riedingers
Meisterstück das er in seinen besten Jahren voll Feuer
verfertigt. die Bären die ein Reh zerreissen, und die
wilden Schweine im Lager, sind das schönste, was man
in der Art aufweisen kan. 3) Abbildung der jagd-
baren Thiere mit ihren Färten und Spuren
1740
gros Fol. 20 Bl. 4) Entwurf einiger Thiere nach
ihren unterschiednen Arten
etc. von 1738 bis
1755. in 7 Heften in ord. Fol. der erste Heft Hunde,
die beiden letzten Maulthiere, Pferde etc. die aber
nicht des Mannes Stärke waren; die vier übrigen Hefte
hingegen, die bey weiten die wichtigsten sind, enthalten
eine Menge fremder und deutscher wilder Thiere.
5) Vorstellung wundersamer Hirsche u.a. Thiere von
grossen Herrn gejagt.
gr. Fol. Meist Jägerraritäten,
doch haben manche unter diesen Vorstellungen auch viel
malerisches Verdienst, wie z.E. ein Luchs der einen
jungen taschen Hirsch anfällt; von diesem aber gespiest
wird, so daß beide auf der Wahlstatt todt bleiben.

In ausländischen Thieren ist Riedinger nicht ganz
so glücklich als im Wildpret. Doch sind auch einige wie
z.B. die Hyäne, der Pelican, besonders aber die Land-
schaft mit Löwen nach Rubens im zweyten B. der
Dresdner Gallerie ausnehmend schön. Und sein Nas-
horn ist nicht allein die einzige gute Abbildung die nur
von diesem Thiere existirt, sondern zugleich eins der
kunstreichsten Blätter die Riedinger je verfertigt, und
dem wenige Vorstellungen von Thieren an die Seite ge-
setzt werden dürfen.


Notes
*).
[Seite 138]

Venationes ferarum, auium, piscium etc. editae a phil.
gallaeo
.

*).
[Seite 142]

Ganz im Vorbeygehn muß ich doch eines alten Abgusses
erwähnen, der mir von einer Dürerschen Sculpturarbeit
neulich zu Handen gekommen ist, und deren soviel ich
weis, in keinem Werke zur Kunstgeschichte gedacht wird.
Das Stückgen ist in Medaillenform von Thaler-Grösse
ganz flach gearbeitet, und stellt ein jugendliches, etwas
nach der rechten Schulter und zurück gelehntes Köpfgen
von vorn vor. Zur linken Dürers Zeichen, zur rechten
die Jahrszahl 1508. Es ist so gefällig und anmuths-
voll gezeichnet, und hat sogar nichts von dem steifern
seiner mehresten übrigen Arbeiten, daß mans auf den
ersten Blick ehr für das Werk eines guten Italiänischen
Meisters halten sollte.

*).
[Seite 146]

Man s. gesneri epist. p. 186. und halleri meth.
stud. med.
p.
75.

*).
[Seite 148]

Vulpecula Reinikesadiectis insuper elegantissimis ico-
nibus, veras omnium apologorum animaliumque species
ad viuum adumbrantibus. Frf.
1567. 8.

*).
[Seite 150]

Arte dell' intagliare p. 72. in Mannis Ausg.

*).
[Seite 152]

Oeuvre de Rubens. p. 231 u.f.



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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