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Magazin
für das Neueste
aus der
Physik
und
Naturgeschichte
,
zuerst herausgegeben
von dem Legationsrath Lichtenberg,
fortgesetzt
von Johann Heinrich Voigt,
Prof. an der Herzogl. Landesschule zu Gotha, und Corresp. der
Königl. Gesellsch. der Wissens. zu Göttingen.

Des vierten Bandes drittes Stück, mit Kupfern.

Gotha
1787
.
bey Carl Wilhelm Ettinger.

II.
Von den Meerschaumenen und andern tür-
kischen Pfeifenköpfen.

[Seite 13]

Aus einem Briefe des Hrn. Dr. Reinegg in
Persien, (Correspondenten der königl. Gesell-
schaft der Wissensch. zu Göttingen) an den Herrn
Baron von Asch in St. Petersburg.


Mitgetheilt vom Hrn. Prof. Blumenbach
in Göttingen.

Der sogenannte Meerschaum, aus welchem die
türkischen Pfeifenköpfe verfertigt werden, ist keine
Composition, sondern eine ganz natürliche Erde,
die ohnweit Konie in Anatolien gegraben wird.

Dieser Ort, das ehmalige Iconium, liegt in
einer paradisischschönen, auch recht fruchtbaren Ge-
gend, und ist besonders wegen eines großen Closters
für Derwische berühmt, das der Scheigh Abid il.
Daher gestiftet, besonders aber Sultan Suleiman
vorzüglich dotirt hat, und in welchem gegenwärtig
zweyhundert Derwische, welche unter dem Gehor-
sam eines Scheigh stehen, beköstiget, gekleidet und
unterrichtet werden.

[Seite 14]

Nun zu den Einkünsten dieses Closters gehören
unter andern auch einige Naturproducte jener Ge-
gend, als z.B. Marmor; vorzüglich aber eben
diejenige weißgelblichte Erde, aus welcher die soge-
nannten Meerschaumnen Köpfe verfertigt werden.

Diese Erde wird in Kiltschick (d.h. Thonort)
einem fünf Stunden von Konie entlegenen Dorfe
gegraben, und ausserdem ist mir in ganz Anatolien
und längst der Küste des mittelländischen Meeres bis
Aegypten, kein anderer Ort bewußt, wo dergleichen
gefunden würde.

Sie bricht in einer grauschiefrichten sechs Schuh
mächtigen Kalkkluft, und die Arbeiter versichern, daß
die Erde in der ausgegrabenen Kluft wieder nach-
wachse, und sich schäumend aufblähe; daher sie sol-
che Kill-Keffi, oder Kill-Kefi, oder nennen. Ein Wort,
das, wenn ich es mit Teschdid, Kill-Keffi lese,
so viel als Schaumthon oder leichter Thon heißt.

So wie diese Erde aus der Grube kommt, ist
sie schwer, schmierig, fett und weich: wird sie ins
Feuer geworfen, so schwilzt sie, giebt einen stinken-
den Dampf, verhärtet, und wird ganz weiß.

Die frische Erde lößt sich in keiner Säure auf,
die gebrannte wird bloß von Salpetergeist angegrif-
fen, doch nicht eher, als bis die Auflösung eine
Zeitlang in der Wärme gehalten worden, und dann
[Seite 15] verliehrt sie beynahe ein Drittheil ihres Gewichts.
Wenn in die reine Auflösung Wasser gegossen wird,
so trübt sie sich in etwas, und wenn man dieselbe
ganz abrauchen läßt, so wird ein bitteres sehr leicht
flüßiges Salz erhalten.

Die nicht aufgelößte Erde fließt bey starkem
Feuer zu einer braunen Schlarke. Die frische Er-
de bleibt im Wasser unverändert liegen, und wenn
man sie auch durch Schütteln und Umrühren mit dem-
selben vermischt hat, so fällt sie doch bald wieder zu Bo-
den, verliehet ihren Zusammenhang, und kann
dann nicht weiter gebraucht werden.

Die gebrannte Erde zieht mit vieler Festigkeit
eine Menge Wasser an, giebt häufige Luftblasen von
sich und wird weich.

Von dieser Erde graben die Bauern des Dor-
fes Kiltschick eine beliebige Menge, wofür sie dem
Closter etwas gewisses entrichten müssen, und schnei-
den daraus die Pfeifenköpfe. Mehrentheils aber
pressen sie die annoch weiche Erde zwischen dazu ge-
hörige Formen, in welche allerhand Figuren von
Blumenwerck eingeschnitten sind. Und während
die Köpfe in diesen Formen sind, bohren sie auch
alsobald die Löcher hinein, und legen dann die Kö-
pfe an die Sonne zum Trocknen.

[Seite 16]

Nach einigen Tagen, wenn die Oberfläche mit
einer verhärteten gelblichten Haut überzogen ist, le-
gen sie den ganzen Vorrath von Köpfen in einen
ausgewärmten Beckerofen, und lassen sie bis zum
völligen Erkalten darinn liegen. Alsdann kochen sie
dieselben eine Stunde lang in Milch, und nachdem
sie aus dieser herausgenommen worden, reiben sie
selbige mit Bischik Kuirughi (Katzenschwanz, Kan-
nekraut, Equisetum) um sie glatt und glänzend zu
machen, welches endlich noch mit Hülfe eines wei-
chen Leders vollendet wird.

Wenn die Pfeifenköpfe auf diese Weise behan-
delt und nach Constantinopel verkauft worden, so
werden sie daselbst noch verschiedentlich gefärbt, theils
hemlich in Wachs oder Oel gesotten etc. Am besten
ist die Mischung von Drachenblut (Kardaschkanni
d.i. Bruderblut) und Nußöl: denn wenn die Kö-
pfe von dieser Mischung recht durchdrungen und ein-
getränkt werden, so erhalten sie in kurzem eine sehr
angenehme schwarzröthliche Farbe.

Allein die Türken selbst lieben die Meerschaum-
nen Pfeifenköpfe überhaupt nicht, und selten wird
ein Asiater davon Gebrauch machen. Denn sie sind
zu schwer, fassen zu vielen Taback, und benehmen
ihm etwas von der Annehmlichkeit des Geschmacks.
Die Türken ziehen daher die rothen thönernen klei-
nen Pfeifenköpfe diesen Meerschaumnen vor, und
[Seite 17] verhandeln die letztern meist an die Griechen, die
sie dann weiter nach Siebenbürgen und Ungarn ver-
führen.

Jene rothen kleinen Pfeifenköpfe sind hingegen
durch ganz Kleinasien, Arabien, Aegypten etc. durch-
gehends im allgemeinsten Gebrauch, und bestehen
aus einer wirklichen Thonerde; werden doch aber
an Orten, wo sich diese Thonart nicht findet, durch
Kunst und zwar noch vorzüglicher nachgeahmt. Denn
die aus dem Thon gebrannten haben mehrentheils
eine matte Röthe, die künstlich zubereiteten hinge-
gen eine schöne hohe Farbe.

Die Erde, aus welcher jene Köpfe bereitet wer-
den, ist kein rother Bolus, sondern eine blauliche
lettiche Thonart. So war wenigstens die, so ich
in Trebisonde, Poli und Kaisara (Caesarea) gese-
hen habe, an welchen Orten eine unsägliche Men-
ge dieser Köpfe verfertigt wird.

An den Orten hingegen, wo diese Thonart ent-
weder nicht leicht zu haben, oder nicht geschätzt wird,
wie in Constantinopel und Tocat, da bereitet man
die Pfeifenköpfe auf folgende Art:

Man nimmt die kleinen Bruchstücke von recht
stark durchbrannten Ziegelsteinen, zumal von alten;
zerschlägt solche noch mehr, und läßt sie dann auf ei-
ner Mühle zum feinsten Staubmehle pülvern. Dann
mischt man drey Theile dieses Ziegelmehls mit
[Seite 18] einem Theil gutgeschlemmten gelben Leimen in dazu
bestimmten Gruben oder hölzernen Kasten unterein-
ander: und schüttet so viel Wasser darauf, daß es
eine Hand hoch darüber steht.

Nun wird diese Masse eine Woche lang tagtäg-
lich zusammengetreten; immer am Albend das alte
Wasser abgelassen und frisches drauf gegossen, und
so zuletzt am Ende der Woche der ganze Schlamm
mit Stäben wohl umgerührt, und wenn die schwa-
chen gröbern sandigen Theile anfangen zu Boden zu
sinken, so wird das übrige molkichte Wasser in an-
dere Nebenfässer abgelassen, wo es so lange stehen
bleibt, bis sich der lettige Schlamm zu Boden gesetzt
hat und das Wasser wieder hell geworden ist: worauf
denn dieses behutsam abgelassen, und der Thon-
schlamm bey der Austrocknung nochmals behörig
durch einander geknätet wird.

Sobald er nun in so weit getrocknet, daß er
in Arbeit genommen werden kann, so wird er mit
etwas weniger Umber-Erde vermischt, und entwe-
der in Formen zu Pfeifenköpfen gebildet, oder ge-
drechselt.

Wenn dann diese gehörig gebrannt wor-
den, so erhalten sie eine dunkelbraune Farbe, die
sich aber ins angenehmste Roth verwandelt, sobald
die Köpfe mit sein gepülvertem Blutstein auf Le-
der gestreut, gerieben werden.

[Seite 19]

Auf diese Weise erhalten wir die im Orient so
allgemein beliebten rothen Pfeifenköpfe um sehr wohl-
feilen Preis, da fünf Stücke derselben gemeini-
glich um vier Para verkauft werden.

Wenn sie aber mit vergoldeten Rändern ver-
sehen, mit goldnen Blumen bemahlt, oder gar email-
lirt und mit Steinen besetzt sind, so gilt das Stück
oft zwey, drey bis vier Piaster.




Blumenbach, Johann Friedrich and Reineggs, Jacob. Date:
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