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Magazin
für das Neueste
aus der
Physik
und
Naturgeschichte
,
zuerst herausgegeben
von dem Legationsrath Lichtenberg,
fortgesetzt
von Johann Heinrich Voigt,
Prof. der Mathematik zu Jena, und Corresp. der Königl.
Gesellsch. der Wissens. zu Göttingen.

Siebenden Bandes drittes Stück, mit Kupf.

Gotha
1791
.
bey Carl Wilhelm Ettinger.
[[I]] [[II]] [[III]] [[IV]] [[V]] [[VI]]

V.
Ueber die neue Grunderde im Austral-
sand. Von J.F. Blumenbach.

[Seite 56]

Das neue britische Etablißement im fünften
Welttheil, nemlich die Colonie auf Neu-Süd-Wa-
[Seite 57] les, der vom unsterblichen Cook entdeckten Ost-
küste von Neu-Holland, verspricht für die ganze
Naturgeschichte eine unermeßlich reiche Erndte. Man
weiß aus des Gouverneur Philip’s Reise und des
Mundarzt White’s Tagebuch, was nur gleich die
ersten Retourschiffe für große und zahlreiche Ent-
deckungen in Zoologie und Botanik nach England
zurückgebracht haben, und unter dem wenigen, was
nur in Eil und aufs gerathewohl auch von Minera-
lien aus dieser neuen Schöpfung beygelegt worden,
findet sich gleich anfangs nichts geringeres als eine
neue einfache Grunderde.

Der erste Transport von achthalbhundert De-
linquenten war bekanntlich nach Botany-Bay be-
stimmt, welche Gegend der Hr. Baronet Banks
zur neuen Niederlassung vorzüglich empfohlen hatte.
Die Flotte kam den 18 Jan. 1788 nach einer kur-
zen und glücklichen Fahrt da an. Weil man aber
beym weitern recognosciren des Landes fand, daß
der Boden und die übrigen Bequemlichkeiten um
Port Jackson, dicht bey Botany-Bay, nordlich,
noch vorzüglicher, und besonders der Hafen selbst der
beste von allen bekannten Häfen in der Welt sey, so
ward die Colonie bald nach ihrer Ankunft dahin verlegt.

Die Gegend wo sie sich nun zuerst angebaut,
heißt Sydney-cove, die Stadt, die daselbst angelegt
werden soll, wird den Namen Albion erhalten;
[Seite 58] und die ganze Provinz ist Cumberland-County
genannt worden.

Dort fand sich nun beym Brunnengraben ein
Sandähnliches gemengtes Foßil, das zur nähern
Untersuchung nach England geschickt ward, wo es
der berühmte Hr. Wegdwood analisirt, und wie ge-
sagt eine neue Grunderde darin entdeckt hat. Da
ich dasselbe in die neue Ausgabe des Handbuchs
der Naturgeschichte aufnehmen mußte, so habe ich
ihm daselbst in Ermangelung eines andern, den
Australsand (Arena australis) gegeben, weil
nicht nur die Südwelt überhaupt bey den neuen
Erdbeschreibern Australien heißt, sondern auch
Neuholland insbesondere gleich von den erstern Ent-
deckern im vorigen Jahrhundert het Zuit-land
genannt worden.

Der Hr. Baronet Banks hat die Güte ge-
habt, mir etwas von diesem merkwürdigen exotischen
Mineral zu zuschicken, wovon ich, weil mir da-
mals Hrn. Wedgwoods ausführliche Analyse noch
nicht zu handen gekommen war, einen Theil zu einer
kleinen Untersuchung angewandt habe: von welcher
ich hier nur kurz die Resultate mittheilen und ei-
nen Auszug aus Hrn. Wedgwoods Aufsatz im
neuesten so eben herausgekommenen Band der phi-
losophical Transactions beyfügen will.

[Seite 59]

Im äussern ähnelt dieses Foßil einem verwitter-
ten mürben Gneiß, der theils in Sand zerfallen, theils
noch in Brocken zusammengebacken ist, die sich leicht
mit den Fingern zerreiben laßen, und an welchen
man noch sehr deutlich die blättrige gneißähnliche
Textur des Gemenges unterscheiden kan. Die Bro-
cken, die ich vor mir habe, sind mit Fasern von
Pflanzen-Wurzeln durchwachsen, daher ich schließe,
daß sie nahe von der Oberfläche des Bodens seyn
müssen.

Man unterscheidet einen vierfachen Stoff in
diesen sandartigen Gemengsel. 1) Nemlich sehr wenig
mattsilberglänzende, durchscheinende, glimmerähnli-
che zarte Schuppen. 2) In größerer Menge durch-
scheinende, milchweiße, sehr harte quarzähnliche
Körnchen, die in Glas kritzeln 3) noch mehr un-
durchsichtige, gelblichweiße, weiche, leicht zerreibli-
che Bröckchen, die einem verwitterten in Porcellanerde
übergehenden Feldspath ähneln; und 4) endlich ei-
ne ebenfalls beträchtliche Quantität kleiner bleyfar-
bener, zum Theil gebogner und zusammen gedruckter
abfärbender Blättchen, die mir den äussern Kenn-
zeichen nach, Wasserbley (Molybdaena) zu seyn schei-
nen; die aber Hr. Wedgwood, wie ich nun sehe,
für Reißbley (Plumbago) hält. Doch davon un-
ten noch ein Wort insbesondere.

[Seite 60]

Das einzige, was vorläufig von Herrn Wedg-
woods
Untersuchung bekannt worden, war, daß
die neue Erde, die er in diesem Sande gefunden,
bloß von der Salzsäure aufgelößt, und aus dieser
Auflösung durch zugegoßnes Wasser gefällt werde.
Dieß zu versuchen, lies ich die Blättchen, die mir
Wasserbley zu seyn schienen, unter meinen Au-
gen sorgfältig auslesen; pulverte das übrige und
kochte es in Salzsäure, da dann destillirtes Re-
genwasser das ich dem Abgeklärten zugoß, ein We-
niges einer kreidenweißen Erde niederschlug.

Um mich zu versichern, daß dieß nicht etwa
ein metallischer Kalk sey, probirre ich ihn mit zu-
gemischter flüchtigen Schwefelleber, die aber die weiße
Farbe jener Erde ganz unverändert lies.

Blutlauge zu einem andern Theil dieser Auflö-
sung gegoßen, den ich vorher durch beygemischte
Salpetersäure zu Königswasser gemacht hatte, fäll-
te auch nichts fremdes aus derselben.

Und so auch nicht das vegetabilische Laugensalz,
das ich zu einer noch andern Portion dergleichen
Mischung tropfte.

Um endlich auch zu erfahren, in welchem von
den verschiedenen Stoffen des Gemenges im Au-
stralsand die neue Erde befindlich sey, kochte ich ei-
ne ungepulverte Portion in Salzsäure, da dann
[Seite 61] bloß der gedachte, einem verwitternden Feldspath
ähnliche Theil davon angegriffen und zum Theil auf-
geloßt ward.

So wenig indeß diese paar kleinen Versuche mit
einer so geringen Quantität sagen wollen, so die-
nen sie doch zur Bestätigung der weit umständlichern
und ausführlichem Untersuchung, die Hr. Wedg-
wood
damit vorgenommen und in einem Schreiben
an den Hrn. Baronet Banks im zweyten Theil
des 80sten Bandes der Transactionen v.J. 1790.
S. 306–320 Nachricht davon gegeben, aus
welcher ich das wesentlichste hier mittheile.

Kein Bestandtheil des Gemenges ward weder
von verdünnter noch von concentrirter Salpetersäu-
re angegriffen. Auch nicht von Vitriolöl, das mit
gleichem Theil Wasser verdünnt war. Diese Säu-
ren zogen weder kalt noch kochend irgend etwas
aus dem Mineral, das sich unverändert darin
erhielt.

Die Salzsäure schien während der Digestion
eben so wenig, als jene beide darauf zu wirken:
da aber etwas Wasser zugegossen ward, zeigte sich
eine merkwürdige Veränderung, indem das Flui-
dum sogleich eine milchweiße Farbe annahm, mit
feinen weißen, gleichsam geronnenen darin schwimmen-
den Flocken. Dieß ward vom Residuum abgegos-
[Seite 62] sen, und dann die Digestion mit frischer Säure
so oft wiederhohlt, bis dieselbe nicht weiter milchicht
getrübt wurde. Von 24 Gran des Minerals blie-
ben dann 19 übrig; so daß ohngefähr ein Fünftel
des Ganzen aufgelößt worden war.

Die Salzsäure mußte kochen, wenn sie die Erde
auflösen sollte; wenigstens erfolgte bey einem gerin-
gern Grad, als der wobey Wachs schmilzt (=
140 Gr. Fahr.) keine Auflösung.

Um die Menge Wasser zu bestimmen, die zu
Fällung der Erde aus ihrer Auflösung nöthig sey,
that Hr. W. ein bestimmtes Maaß voll dieser
Solution in ein größeres Glas, und goß dann zu
wiederhohlten malen die gleiche Quantität Wasser
hinzu. Erst bey der dritten solchen Beymischung
zeigte sich die milchichte Trübung die nach und
nach bis zur sechsten immer zunahm. Dann ward
das Fluidum durchgesaigt, und durch Zugießen ei-
nes 7ten solchen Maaßes Wasser von neuem ge-
trübt, ein achtes Maaß machte es noch mehr mil-
chicht; das neunte und zehnte aber brachte keine
weitere Wirkung darauf hervor.

Die salzsaure Auflösung womit diese Versuche
gemacht waren, hält ohngefähr 6 Gran der auf-
gelößten Erde in drey Unzen Salzsäure. Um also
eine gesättigte Solution zu erhalten ward die vor-
[Seite 63] her durch das zugegoßne Wasser gefällte Erde wie-
der in einer kleinen Portion jener Auflösung dige-
rirt, bis dieselbe nichts weiter davon aufnehmen
konnte.

Wenn man einer solchen gesättigten Auflösung
auch nur einen einzigen Tropfen Wasser zutröpfelt,
so verursacht dieser sogleich bey der ersten Beruh-
rung einen milchweißen Kreis um sich herum.

Der erdigte Stoff, der auf diese Weise durch
Salzsäure aus dem Australsande extrahirt und nach-
her durch Wasser wieder gefällt worden, ist im
Wasser unauflößlich.

Eben so wenig wirkt Salpeter- oder Vitriol-
säure darauf, seys concentrirt oder verdünnt,
kalt oder heiß, auch keine alkalische Auflösung,
mild oder caustisch, flüchtig oder fest.

In starker Salzsäure hingegen läßt er sich auf-
lösen, doch nur in fast eben so starker Hitze als ge-
dachtermasen zu seiner Extraction aus dem ge-
mengten Sande nöthig ist.

Salpetergeist zu jener gesättigten Auflösung ge-
goßen, macht keinen Niederschlag, und wenn eine
überwiegende Menge Salpetersäure in die Mi-
schung kommt, so erfolgt dann überhaupt auch kei-
ne Fällung durch zugegoßenes Wasser. – Das
angemessenste Menstruum für diese Substanz, um
sie aufgelößt zu erhalten, scheint also Königswasser
[Seite 64] zu seyn, und das behörige Verhältnis der beiden
darinn gemischten Säuren läßt sich mittelst dersel-
ben genauer, als mit irgend einer Substanz bestim-
men; da, wenn auch nur ein geringes Plus von
Salzsaure in der Mischung ist, sich dasselbe sogleich
verräth, wenn man ein wenig von derselben in
Wasser tropft, da blos das, was von diesem Plus
aufgelößt worden, und nichts weiter, durchs Was-
ser gefällt wird. Die Salpetersäure selbst dient aber
in diesem Falle nicht wie beym Gold, zur Auflösung,
sondern hindert blos die sonst erfolgende Fällung
der aufgelößten Erde aus der Salzsäure durch
Wasser.

Die gesättigte salzsaure Auflösung läßt sich nicht
crystallisiren. Durch anhaltendes Abdunsten in gelin-
der Wärme wird sie dick, butterähnlich, und zer-
fließt dann wieder, wenn sie der freyen Luft aus-
gesetzt wird. Diese butterähnliche Masse ist nicht
ätzend, wie die ähnlichen metallischen Präparate;
auch nicht schärfer an Geschmack, sondern vielmehr
milder, als die Verbindung der nemlichen Säure
mit der Kalkerde. In einer Hitze, die bis fast zum
glühen verstärkt worden, wird die Säure entbun-
den, und steigt in weißen Dämpfen auf, die sich
in einem kalten Kolben in förmlichen Tropfen
sammlen.

[Seite 65]

Die neue Erde wird nicht durch berliner Blut-
lauge gefällt, als welche, wenn sie der Auflösung
in Königswasser, zugemischt ward, doch (auser der
gewöhnlichen blauen Farbe die vom Eisen in den
Säuren herrührt) keinen Niederschlag daraus ver-
ursachte; dagegen reines Alkali, wenn es nachher
zugesetzt ward, die weiße Erde unverändert fällte.

Alkalien aller Art z.B. reines Weinsteinsalz,
und caustisches: reines und caustisches Alkali aus
dem Meersalz; flüchtiges Alkali und auch die Däm-
pfe von caustischen, verursachten häufige Fällung.
Alle die dadurch erhaltenen Niederschläge ließen sich
wieder in Salzsäure auflösen, und aus dieser Auf-
lösung wieder durch zugegoßenes Wasser, unverän-
dert fällen.

In starkem Feuer von 142 bis 156 Gr.*)
zeigt diese Substanz eine ungleich größere Schmelz-
barkeit oder Leichtflüssigkeit, als irgend eine andere
der bekannten einfachen Erden.

Durch diese Leichtflüssigkeit im Feuer, so wie
dadurch, daß diese Substanz blos in der Salzsäure
auflösbar ist, und diese Säure noch vor dem Glühen
[Seite 66] fahren läßt; und daß sie durch Wasser und hingegen
nicht durch Blutlauge daraus gefällt wird, unter-
scheidet sie sich gar sehr von allen bisher bekannten
Erdarten, oder metallischen Kalken. Und da sie
durch keine Alkalien zersetzt wird, so kan man sie
auch für keine Verbindung irgend einer dieser Er-
den oder Kalke mit irgend einer bekannten Säure
ansehen.

Hr. Wedgwood will zwar noch nicht schlech-
terdings entscheiden, ob sie zu den Erden oder zu
den metallischen Körpern gehört, findet es aber doch
wahrscheinlicher sie zu den erstern zu zählen, da sie
auch zum vollkommnen Fluß geschmolzen, in Verbin-
dung mit brennbaren Stoffen, in verschloßnen Ge-
fäßen, kein metallisches Ansehen erhält.

Am Schluße feiner Abhandlung fügt er noch eine
Untersuchung des gedachten bleyfarbnen blättrigen
Stoffes hinzu, der, wie gesagt, dem Australsande
beygemengt ist. Ein Gran davon in einem loose
bedeckten Gefäße einem Feuer ausgesetzt, das nach
und nach bis 90 Gr. des gedachten Pyrometers ge-
trieben ward, war fast ganz verflogen, und der
wenige Rest vollkommen weiß. Aus diesen und ei-
nigen andern Versuchen folgert Hr. W. daß dieser
Stoff eine Art plumbago sey. Allem dieses hin-
terläßt doch, wenn es verflüchtigt, ein dunkel-roth-
[Seite 67] braunes Residuum; hingegen die molybdaena so
wie die Blättchen im Australsande ein weißes. Aus-
serdem ist es mir auch unbegreiflich, wie Hr. W.
zum Erweiß, daß dieselben Reißbley und nicht
Wasserbley seyen, auch das mit anführt, ‘„daß
sie weder Biegsamkeit noch Elasticität zu haben schei-
nen.„’ Denn Biegsamkeit haben sie wie ich an
allen den Blättchen fand, die ich deshalb untersuchte,
in hohem Grade, wie Molybdäne sie haben muß,
und wie ich sie hingegen nie an den Schuppen der
plumbago bemerkt habe. Und Elasticität hingegen
wird man fürwahr nicht unter die äussern Kennzei-
chen des Wasserbleyes setzen. – ‘„Hingegen„’ sagt
er, ‘„lassen sich diese Blättchen wegen einer Eigen-
schaft andrer Art, nemlich einer schmierigen Zähig-
keit (unctuosity) nicht leicht pülvern„’ und gera-
de dieß ist eine bekannte Eigenschaft des Wasser-
bleys.

Kurz nach allen äusern Kennzeichen wenigstens,
würde ich diese Blättchen weit eher für Molybdäne
als für plumbago halten. Aber freylich war mein
Vorrath zu gering, um eine chemische Prüfung da-
mit zu versuchen.


Notes
*).
[Seite 65]

Versteht sich nach Hrn. Wedgwoods be-
kannten Pyrometer, das in den philosophical
Transactions
Vol. 72. p. 11. und Vol. 74.
p. 11. und auch im Göttingischen Magazin im 2ten
St. des IIIten Jahrgangs, so wie in dies. phys.
Mag. II. 1. S. 223 und II. 4. S. 202. beschrieben ist.



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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