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Magazin
für das Neueste
aus der
Physik
und
Naturgeschichte
,
zuerst herausgegeben
von dem Legationsrath Lichtenberg,
fortgesetzt
von Johann Heinrich Voigt,
Prof. der Mathematik zu Jena, und Corresp. der Königl.
Gesellsch. der Wissens. zu Göttingen.

Siebenden Bandes drittes Stück, mit Kupf.

Gotha
1791
.
bey Carl Wilhelm Ettinger.
[[I]] [[II]] [[III]] [[IV]] [[V]] [[VI]]

VI.
Ueber den Strontianit, ein Schottisches
Fossil, das ebenfals eine neue Grunderde zu
enthalten scheint; und über einige andere na-
turhistorische Merkwürdigkeiten. Aus einem
Briefe des Hrn. Rath Sulzer zu Ron-
neburg mitgetheilt von J.F. Blu-
menbach.

[Seite 68]

‘„Ich habe dieses interessante Fossil, das eine eig-
ne Grunderde zu enthalten scheint, einstweilen in
meiner kleinen Sammlung Strontianit getauft,
und werde, was ich noch davon habe, zu fernern
Versuchen aufopfern. Es ist eine luftsaure Erde,
davon einige Stücken allerdings mit dem Witherit
(der luftsauren Schwererde) im äussern große Aehn-
lichkeit haben; aber sich schon durch ihr geringers
specifisches Gewicht davon unterscheiden, als wel-
ches beym Witherit gegen 43, beym Strontianit
hingegen kaum 36 beträgt. Ausserdem unterscheidet
sich aber auch dieser letztre durch seine meist licht-
grüne Farbe, durch seine weit geringere Härte und
leichtere Zerreiblichkeit, durch die stärkere dicke und
den geringeren Zusammenhang der Fasern seiner
stralichen Textur, und daß diese aus großkörnichen
strahlicht aus einander laufenden abgesonderten Stü-
[Seite 69] cken besteht, da hingegen die Fasern beym Witherit
sehr dicht auf einander liegen, mehr einerley Rich-
tung haben etc.„’

‘„Der Witherit läßt ferner auch im heftigsten
Feuer seine Luftsäure nicht fahren; der Strontia-
nit hingegen, ob er gleich dazu weit größere Hitze
als jede Kalkart erfordert, wird doch, ehe er ver-
glaßt, seiner Luftsäure beraubt; erhitzt sich dann
heftig mit Wasser, und ist schon in 200 Theilen
desselben auflösbar: erfordert also weit weniger
Wasser zu seiner Auflösung als irgend eine andere
Erdart. Dagegen wird diese Art von Kalkwasser
bey der geringsten Berührung von freyer Luft sehr
geschwinde trübe, und läßt den größten Theil der
aufgelößten Erde wieder fallen. Mit Salpetersäure
giebt sie nicht wie die Schwererde kleine doppelt-
vierseitige schwer auflösbare, sondern sechsseitig
tafelartige, ziemlich große und leicht auflösbare
Crystallen.„’*)

[Seite 70]

‘„In Parkinsons (sonst Sir Ashton Lever's)
Museum habe ich Gelegenheit gehabt, gut ausge-
[Seite 71] stopfte Känguruhs und Känguruh Ratten zu sehen.
Eine solche Känguruh-Ratte hat der Thierhändler auf
Exeter-change auch lebendig: sie ist aber beißig;
steckt in einem engen Käfig immer im Heu, und ist
daher nicht bequem zu betrachten. In ihrem gan-
zen Bau ist sie dem großen Känguruh sehr ähnlich;
nur hat sie kleinere auriculas ovales, und dieses
hingegen lanceolatas: auch ist bey diesem das Haar
kurz und schlicht, fast wie beym Kalb; bey dem
kleineren hingegen mehr emporstehend und etwas
länger, mehr dem Hasenfell ähnlich. Im Oberkie-
fer haben sie 6 Schneidezähne, im untern aber
nur 2; dabey ist besonders merkwürdig, daß nur
die beyden untern die Stärke und Gestalt der Mau-
sezähne haben: die obern hingegen sind mehr nach
Art der Schaafzähne, mit einer breiten Krone und
schmälern kürzern Wurzel, die stiftartig ist, nicht
hohl wie bey den Mausezähnen. – Die Vor-
derfüße sind bekanntlich sehr kurz, die hintern hin-
gegen sehr lang und die Zehen davon von sonder-
barer Bildung, indem der mittelste derselben ganz
auser Verhältnis zu den übrigen groß und breit ist;
nach aussen sitzen an derselben eine, und nach innen
zwey an einander gewachsene sehr kleine Zehe.
Auch die Lage des Hodensacks ist ganz eigen, nem-
lich zwischen dem Nabel und der Ruthe, welche un-
ten beym After sitzt.’

[Seite 72]

‘Die Gestalt des Kopfs bey der Känguruh-Ratte
gleicht des Hasen seinem, und der ganze habitus
ist Mäuse- oder Kaninchenartig: die Größe ist ohnge-
fähr wie von einem kleinen Kaninchen. Das große
Känguruh hingegen würde man eher für ein Stück
Wildpret ansehen; da sich welche von 120 bis
130 Pfund am Gewicht finden: der Kopf mit den
langen Ohren hat ganz die Gestalt wie bey einem
Rehkalb.„’

‘„Noch ein anderes und zwar ganz neues Thier
habe ich lebendig gesehen. Es hat dasselbe die Größe
und den ganzen habitus vom Bären, ist aber doch
bey näherer Untersuchung gänzlich davon unterschie-
den. Es fehlen ihm nemlich die Schneidezähne, es hat
lauter mammas pectorales, und lange starke Klauen
bey wenig biegsamen Zehen. Die Beweglichkeit der
Schnauze und die Neigung seine Speise durch Sau-
gen zu sich zu nehmen sind bey diesem Geschöpfe cha-
rakteristisch. Dieser leztern Eigenschaft wegen habe
ich ihm den Geschlechtsnamen Chylarys beygelegt;
quia labiis haurit. Sie sollen nächstens mehr da-
von erfahren.’

Fr. Gabr. Sulzer.


Notes
*).
[Seite 69]

Ich kan den hier von Hrn. R. Sulzer ange-
führten Unterscheidungszeichen zwischen dem Wi-
therit und Strontianit noch einige andere bey-
fügen. – Der Witherit (der sich bis jetzt
bloß in den Bleywerken zu Anglezark bey Chor-
ley in Lancashire findet) ist bekanntlich für
warmblütige Thiere ein tödtliches Gift, daher
sich die Bergleute zu Anglezark seiner längst statt
[Seite 70] Rattenpulver bedienen. Ich selbst habe mancher-
ley Versuche über die tödtliche Würkungsart
desselben an Thieren angestellt, wovon ich in ei-
nem der nächsten Stücke der medicinischen Bi-
bliothek Nachricht ertheilen werde. Den Stron-
tianit hingegen, dessen Pulver ich Thieren dersel-
ben Art in gleicher Quantität und unter gleichen
Umständen gegeben, ward von denselben begierig
und ohne den mindsten Nachtheil gefressen.

Ein mit der salpetersauren Auflösung des Wi-
therits getränktes Papier, giebt, wenn es ge-
trocknet und angezündet wird, eine gelblichweiße
Flamme; da hingegen nach der Bemerkung des
Hrn. Dr. Ash der Strontianit unter gleichen
Umständen mit einer sehr schönen purpurrothen
Flamme brennt. Das specifische Gewicht eines
ausgesuchten Stücks Witherit aus meiner
Sammlung das der Hr. Hofr. Lichtenberg
zu wiegen die Gefälligkeit gehabt, betrug (das
Gewicht des Wassers zu 1000 in einer Tempe-
ratur von ohngefähr 64 Gr. Fahrenb. angenom-
men) 4271. das, von einem reinen Stücke Stron-
tianit hingegen nur 3591.

Die Crystallen aus der salpetersauren Auflö-
sung des Strontianits ähneln des Spinels seinen,
wie sie in der neuen Ausgabe des Handbuchs
der Naturgeschichte Tab. III. Fig. 6. abgebildet
ist.

Das Fossil selbst findet sich bis jetzt blos in
dem Bleygang des Granitgebirges bey Stron-
tian in Schottland.

Die Stücken, die ich davon besitze, sind theils
von weißer Farbe, meist aber ins Spargelgrüne,
durchscheinend, mattglänzend: meist in stralich-
ten Stängeln die in keilförmigen Stücken zu-
sammengehäuft, und diese theils selbst wieder
in derben Schwerspath eingewachsen sind.

J.F.B.



Blumenbach, Johann Friedrich and Sulzer, Friedrich Gabriel. Date:
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