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J.H. Voigts
Magazin
für den neuesten Zustand
der
Naturkunde
,
mit Rücksicht auf die dazu gehörigen
Hülfswissenschaften.

Siebenten Bandes
III. Stück.

Jahrgang 1804.
März.

Weimar,
im Verlage des Industrie-Comptoirs
1804
.

VIII.
Noch ein Beitrag zur Geschichte der vom Himmel
gefallenen Aerolithen oder Meteorsteine,
von
J.F. Blumenbach.

[[I]] [[II]] [Seite 233]

Erst noch eine kleine Nachlese zu den ansehn-
lichen chronologischen Verzeichnissen, die der Hr. Dr.
Chladni u.a. vorzüglich aber der Hr. Oberappel-
lationsrath von Ende in seinem Werke über Mas-
sen und Steine die aus dem Monde auf die Erde
gefallen sind, von diesem höchstmerkwürdigen Phä-
nomene gegeben haben. Manche von den nachste-
henden Fällen sind in diesen Verzeichnissen noch gar
nicht aufgestellt, von andern folgen wenigstens hier
ausführlichere Notizen.

Meines Wissens ist der berühmte Stein von
Aegos Potamos, dessen selbst in der Parischen Chro-
nik gedacht wird, bisher als das älteste Beispiel der
Art angegeben worden. Vielleicht läßt sich aber ein
fast tausend Jahr älteres aus der biblischen Ge-
schichte, nämlich aus der Erzählung von Josua’s Sieg
über die fünf Könige der Amoriter bey Gibeon nach-
weisen, da wenigstens in der Vulgata die Ueber-
schrift des 10ten Kap. vom Buch Josua ausdrücklich
sagt:

[Seite 234]

pluit lapides

und der IIte Vers mit den Worten beginnt:

cumque fugerent filios Israel, et es-
sent in descensu Beth-horon, Do-
minos misit super eos lapides magnos
de coelo, usque ad Azéca etc
.

Dr. Luther hat das zwar durch großen Hagel
übersetzt, und dabei hats auch der Ritter Michae-
lis
bewenden lassen; um so begieriger ward ich
aber, mir von unserm Hrn. Prof. Tychsen gütige
Belehrung darüber aus dem Grundtexte zu erbitten,
die er mir folgender maßen gefälligst ertheilt hat:

‘„Die Stelle quaest. heißt, genau übersetzt:’

Et cum fugerent (Cananaei) coram Israeli-
tis, ipsique essent in descensu Beth-ho-
ron, Jova demisit super eos lapides ma-
gnos
ex coelo, usque ad Asec (vrbem), et
mortui sunt. Plures erant qui morerentur
lapidibus grandinis, quam qui caedeban-
tur ab Israelitis gladio
“’.

‘„Das Wort abanim beißt stets Steine im
eigentlichen Sinne, wenn es ohne Beisatz steht.
Hier steht noch dabei große Steine, wo man also,
[Seite 235] wenn nichts weiter darauf folgte, nur an eigent-
lichen Steinregen würde denken können. Allein
der Verf. setzt hinzu lapides grandinis, Hagel-
steine. Dieß letztere Wort das nur noch Jes.
Kap. 30, V. 30 vorkommt, scheint großen Ha-
gel, Schloßen zu bedeuten. Aber im Josua muß
man die alte, mündliche oder schriftliche Sage von
der spätern Redaction, die dem Buche seine jetzige
Gestalt gab, unterscheiden. In jener steht, große
Steine fielen vom Himmel; das folgende: Es
starben mehr von den Hagelsteinen
etc.
scheint Anordnung oder mildernde Erklärung des
Sammlers oder Redakteurs zu seyn, die übrigens
ganz richtig seyn mag.“’

‘„Eine ähnliche Sage giebt es in der griechi-
schen Mythologie, vom Herkules, dem in seinem
Kampf mit den Söhnen des Neptun bei Massilia,
Jupiter einen Steinregen (– freilich ganz ande-
rer Art, nämlich die bekannte Crau –) zu Hülfe
geschickt habe. Strabo IV. 183. Casaub.’

‘„Mela II. 5. setzt hinzu: credas pluisse,
adeo multi passim et late jacent (lapides
).“’

* * *
[Seite 236]

Nun einige Steinregen aus den spätern Jahr-
hunderten. Freilich die erstern beiden nur auf die
Autorität eines wackern, aber doch nicht gleichzeiti-
gen Chronisten.

* * *

Anno 998 ist ein groß Donnerwetter zu mittem
Sommer gewesen, unb sind in demselben zween
große Steine vom Himmel gefallen, einer in die
Stadt Magdeburg, der andere über die Elbe ins
Feldt. – Cyr. Spangenbergs Mansfeldi-
sche Chronica 1572. Fol. S. 157.

* * *

Anno 1304 fielen glüende heiße Steine in einem
Donnerwetter vom Himmel bei Friedeburg an der
Sala, und waren dieselben Steine kohlschwarz und
so hart als Eisen, und wo die hinfielen verbrannten
und versengten sie das Graß, als ob ein Kolfeuer
da gewesen wäre. Id. ibid, S. 329. 8.

* * *

Da der ohnehin berühmteste aller Aërolithen
der Anno 1492 bei Ensisheim im Ober-Elsas ge-
[Seite 237] fallen, auch aus wissenschaftlicher Rücksicht, (– da
er sich nach seinen äußern Kennzeichen von
allen übrigen bekannten unterscheidet –) ganz vor-
züglich interessant ist so glaube ich auf den Dank
der Leser rechnen zu können, wenn ich ihnen zwei
denselben betreffende gleichzeitige und doch wenig be-
kannte Urkunden mittheile. Die alte Inscription
nämlich, die auf einer Tafel in der Kirche zu Ensis-
heim neben dem Steine zu lesen war; und dann ei-
nen Passus über dieses himmlische Kleinod aus ei-
nem Manifeste Kaisers Maximilian des Iten.
Jene hat ein sehr geschätzter Zuhörer von mir, Hr.
Blöchel aus Strasburg an Ort und Stelle für
mich abgeschrieben. Das teutsche Original war
meines Wissens bis jetzt ungedruckt; Uebersetzungen
und Auszüge davon sind hingegen in mehrern Pa-
riser Blättern bekannt gemacht.

* * *

‘„A.D. 1492 uff Mittwochen nechst vor Mar-
tini den 7ten Tag Novembris geschah ein seltsam
Wunderzeichen; dann zwischen der eilfften und der
zwölfften Stund zu Mittagzeit kam ein großer Don-
derklapff und ein lang Getöß welches man weit und
breit hört, und fiel ein Stein von den Lüfften her-
ab bey Ensisheim in ihrem Bann, der wog Zwey-
hundert und sechzig Pfund
, und war der
[Seite 238] Klapff anderswo viel größer dann allhier: da sahe
ihn ein Knab in eim Acker im obern Feld, so gegen
Rhein und Ill zeucht, bey dem Gisgang gelegen
schlagen, der war mit Waitzen gesäet und thet ihm
kein Schaden als daß ein Loch innen würd. Da
führten sie ihn hinweg, und ward etwa mannich
Stück davon geschlagen: das verbot der Landvogt;
Also lies man ihn in die Kirche legen, ihn wil-
lens dann zu einem Wunder aufzuhencken, und
kamen viel Leut allher den Stein zu sehen, auch
wurden viel seltsam Reden von dem Stein gere-
det. Aber die Gelehrten sagten sie wissen nicht
was es wär*), denn es wär übernatürlich daß
ein solcher Stein sollt von den Lüfften herabschla-
gen, besonders es wäre ein Wunder Gottes, denn
es zuvor nie erhört, gesehn noch geschrieben be-
funden worden wäre. Da man auch den Stein
fand, da lag er der halb Manns tief in der Er-
den, welches jedermann dafür hält daß es Gottes
Wille wär daß er gefunden würde. Und hat man
den Klapff zu Lucern, zu Pfillingen und sonst an
viel Orten so groß gehört daß die Leut meynten
[Seite 239] es wären Häuser umgefallen. Darnach uf Mon-
tag nach Catharinen gedachten Jahrs als König
Maximilian allhier war, hieß ihre königliche Ex-
cellenz den Stein so jüngst gefallen, ins Schloß
tragen, und als man ihn darein brachte, hielt er
Excellenz viel Kurzweil mit dem Stein, und da
er lang mit den Herren davon redt, sagte er die
von Ensisheim sollten ihn nehmen und in die
Kirche heißen aufhencken, auch niemands davon
lassen schlagen. Doch nahm er Excellenz zwey
Stück davon: das Ein behielt sein Excellenz; das
Andere schickte er Herzog Sigmunden von Oester-
reich, und war eine große Sage von dem Stein,
also hinck man ihn in den Chor da er noch henckt.
Auch kam eine große Welt den Stein zu sehen.“’

* * *

Die andre Urkunde über diesen berufnen soge-
nannten Donnerstein (Pierre de tonnerre) fin-
det sich in Kaiser Maximilians des Iten Auf-
ruf an alle des Reichs Unterthanen zu einem vor-
habenden Zug gegen die Türken d. d. Augspurg
den 12 November, 1503.*) – Es werden dar-
in allerhand Zeichen der Zeit und respect. Straf-
[Seite 240] gerichte angeführt, wodurch der Himmel neuer-
dings die Christenheit aufgemahnt und heimgesucht
habe. Namentlich werden darunter zweie benannt.‘
„ Die schwere Krankheit der bösen Blattern“’ (– d.
i. die Lustseuche –) und der Himmelsstein, von
welchem letztern es folgendermaßen lautet:

‘„Anfänglich so hat der Allmächtig Uns, als
das Obrist Haupt der Christenheit vor etlichen Jah-
ren mit einem harten Stein, ungeverlich zweyer
Centner schwehr, der auf einem weiten Feld mit
großer Ungestümmigkeit für uns, als wir an un-
serm Heerzug, zu Widerstand der Franzosen mut-
willig Fürnemen, gewesen seyn, gefallen ist; den
wir auch in die Kirche in unsrer Stadt Insiß-
heim, dabey er sich niedergelassen hat, und da
unser Regiment der vordern Lande gehalten wird,
haben hencken lassen, ermanet und erfodert daß
wir die Christenheit von ihren schweren Sünden
und Unordnungen leiten und in ein erkenntliches
seliges Leben gegen seine Gnade kehren, und da-
durch seinen heiligen Glauben mehren, erretten
und behalten sollen; hat uns auch das zu einem
Exempel, damit wir in demselben also fortfahren,
zu der Zeit als solcher Stein gefallen ist, in un-
serm Fürnehmen wider die Cron Frankreich, Sieg
und Glück gegeben etc.“’

* * *
[Seite 241]

Ohngefähr um die gleiche Zeit oder doch in
einem der nächstfolgenden Decennien scheint auch
in Brabant ein Aërolith gefallen zu seyn. Die
einzige mir bis jetzt davon bekannte Nachricht,
findet sich in unsers großen Künstlers, Albr.
Dürer’s Tagebuch von seiner Niederländischen
Reise, in des Hrn. von Murr Journal zur
Kunstgeschichte VII. Th. S. 70. u.f.

‘„1520. – Ich hab sonst viel schöner Ding
zu Prüssel gesehen. bin auch in des von Naßau
Hauß gewest, das so köstlich gebaut und also schön
geziert ist. Item als ich bin gewest in des von
Naßau Hauß, do hab ich auch den großen Stein
gesehen, den das Wetter neben dem Herrn von
Naßau in dem Feld hat niedergeschlagen.“’

* * *

Daß 1560 bey Mischkolz im Berschoder Ko-
mitat fünf Meteorsteine gefallen, erzählt der be-
rühmte Geschichtschreiber von Ungarn, Ischtwán-
tius
.

‘„Cecidere ad Miscocium oppidum quin-
que praegrandes instar humani capitis lapi-
des, luteo et ferrugineo colore, gravi pon
-
[Seite 242] dere; sulphureoque odore, quum clarum coe-
lum subito fulgure et tonitribus, terribili-
que aëris commotione repente conturbatum
fuisset, iis mox puncto temporis quiescen-
tibus. Quorum unum in arce Diosgioriana
hodieque asservatur, caeteros Sigismundus
Balassius ad Ferdinandum misit. – Regni
Hungarici per Nic. Isthwanffium
ed.
Colon
. 1685. fol. pag. 258.’

* * *

Von einem furchtbaren Steinregen der 1654
auf der Insel Fünen gefallen, giebt Th. Bar-
tholinus
Nachricht, historiar. anatomicar.
rarior. Cent. IV. pag.
337 u.f.

Ao. 1654 d. 30 Mart. hora octava ma-
tutina in Fionia nostra tanta passim orta
est tempestas, tonitru pluviisque mixta, ut
horribili sonitu omnia perstreperent. Cum
pluvia deciderunt lapides quam plures du-
rissimi et ponderosi tanta vehementia, vt
aedes contremiscerent, et ad alias provin-
cias vicinas fragor pervenerit. Incolae ur-
bium campanas pulsarunt, incendio flagrare
aedes suspicati. Ex his lapidibus unum ha-
[Seite 243] beo, dono cancellarii Regii Thomaei, qui
pendet libram civilem. Major alius ad Re-
gem nostrum missus fuit duplo ponderosior.
Quantum video, pyritis est, et inspersis ma-
culis scintillat, percussusque scintillas excu-
tit. Exteriori facie inducta est crusta nigri-
cans, quasi igne cremata. Intus ex flavo
candicat. Figura inaequalis
.“’

* * *

Im IVten B. dieses Magazins hatte ich S.
521. u.f. eines 1768 bei Maurkirchen aus der
Luft gefallen Steins gedacht, den ich aber da-
mals bloß aus einer kleinen Broschüre kannte,
worin die ganze Sache als eine pure Unmög-
lichkeit persiflirt wird. Mir hingegen schien die-
ser Stein nach der kurzen davon gegebnen Be-
schreibung andern ganz unbezweifelbaren Aëroli-
then unverkennbar zu ähneln. Von der Rich-
tigkeit dieser meiner Vermuthung, so wie von
der ausgemachten Zuverlässigkeit des Vorfalls selbst,
bin ich nun seit mehrern Monaten überzeugt, da
unsre Universität das Glück hat den Herrn Kur-
prinzen von Pfalzbaiern
an der Spitze
ihrer gelehrten Mitbürger zu besitzen. Se. Durch-
laucht sowohl als der Herr Geheimerath Kirsch-
baum
haben mir nicht nur bestimmte Nachricht
[Seite 244] von vielem Meteorsteine gegeben, sondern meine
Sammlung ist auch auf diesen Anlaß so eben mit
einem mehr als vier Pfund wiegenden Stücke des-
selben bereichert worden, das nach seinen äußern
Kennzeichen, specifischen Gewicht und Gehalt aufs
vollkommenste mit denen von Benares und dem
Departement de l’Orne übereinkommt, wovon ich
durch die Güte des Herrn Baronet Banks und
des Hrn. Biot Muster erhalten habe.

Gerade da ich dieses schreibe, wird mir das
dritte dießjährige Stück des Kurpfalzbaierischen
Wochenblatts mitgetheilt, worin Hr. Canon. Im-
hof
, Professor der Naturkunde am Münchner Ly-
ceum ausführlichere Nachricht von eben diesem
Aërolithen und die Resultate seiner eignen Un-
tersuchung desselben bekannt macht, und da die-
ses nutzbare Wochenblatt wohl außer Baiern nicht
vielen Lesern des Magasins zu Gesichte kommen
möchte, so habe ich das wesentlichste hieher gehö-
rige aus selbigem aus.

Laut des mit eidlichen Zeugenaussagen au-
thentisirten gerichtlichen Protokolls fiel am 20ten
Nov. 1768 Abends nach 4 Uhr unweit Maur-
kirchen (im jetzt K.K. Innviertel) ein 38 Pfund
schwerer, einen Fuß langer und 8 Zoll dicker
Stein unter folgenden Erscheinungen herab:

[Seite 245]

1) Anfänglich gleich nach 4 Uhr hörte man
zwei Knalle, wie von Stückschüssen; hierauf

2) in der Luft ein fürchterliches Sausen,
wobei sich

3) sas Firmament von der Abendseite ziem-
lich verfinsterte. Gleich darauf hörte man

4) gegen Osten einen starken Schlag (ein
Plumpen) mit großem Sausen, das gegen den
benachbarten Wald zu ein langes Echo verursachte.
So bald aber

5) das Sausen aufgehört, war auch die Fin-
sterniß des Firmaments wie verschwunden.

8) Am folgenden Tage fanden die Deponen-
ten nahe am Kirchwege in der sogenannten Schi-
ckenpoint, schräg einwärts eine große Oeffnung,
in der sie beim Nachsuchen dritthalb Schuh tief
besagten Stein angetroffen, ihn ausgegraben und
dann zum Gericht gebracht haben.

Sein specifisches Gewicht ist = 3,452

Seine graulichschwarze ¼ Linien dicke Rinde
giebt am Stahl Funken.

Seine Gemengstoffe sind a) regulinisches Ei-
sen, das in kleinen Körnern und Zacken am mei-
sten mit der äußern Rinde verwachsen, sehr ge-
[Seite 246] schmeidig, zähe ist, und einen weißen starkglän-
zenden Feilstrich giebt.

b) Schwefelkies.

c) Kleine plattgedrückte eckichte Körner, welche
sich durch schwarzgraue Farbe, muschlichten Bruch,
glänzendes Ansehn und größere Härte von den
andern unterscheiden.

d) Noch andere kleine Körner von weißer
und gelblichter Farbe, die durchscheinend und schim-
mernd sind.

Die Analyse dieses Aërolithen lieferte nach
der Angabe des Hrn. Canonicus, in 1000 Gran

=     23,30 regulinisches Eisen
    12,00 regulinischen Nickel
  402,40 braunes Eisenoxyd
  287,50 Talkerde
  254,00 Kieselerde
    20,80 Verluft an Schwefel und Nickel
––––––
1000,00
* * *

In eben diesem interessanten Wochenblatte
ertheilt nun auch der Hr. Canonicus folgende
merkwürdige Nachricht von dem allerneuesten Aë-
[Seite 247] rolithen, der erst am 13ten Dec. vorigen Jahrs
im Kurfürstlichen Landgerichte Eggenfelden aus der
Luft gefallen.

Es erhellet nämlich aus der gerichtlichen des-
halb zur Kurfürstlichen Landesdirection gemachten
Anzeige,

1) daß am gedachten 13ten Dec. 1803 Mit-
tags zwischen 10 und 11 Uhr um den Kurfürstlichen
Marckt Mässing herum neun bis zehn Kanonen-
schußförmige Knalle von mehrern umliegenden Land-
bewohnern gehört worden; worauf sich einer der-
selben, ein Bauer zu St. Nicola aus seinem Ein-
ödshof begab, in die Höhe sah, und horchte zu er-
fahren was das bedeuten solle; wobei er sogleich in
der Luft ein ziemliches Sausen gehört, und gesehen
wie Etwas sehr hoch unter beständigem Sausen in
der Luft daher gekommen, und endlich mittelst Zer-
schlagung einiger Schindel durch das Dach seiner
Wagenhütte eingedrungen sey; aus welches er der
Hütte zugegangen und den bemeldten Stein vorge-
funden, welcher ganz schwarz und so heiß gewesen,
als ein auf seinem Ofen liegender Stein zu seyn
pflegt.

2) Daß eben dieser Zeuge das vermeintliche
Schießen von Altenötting (von Osten) her be-
[Seite 248] merken der Stein hingegen über Heiligenstadt (von
Westen) dahergekommen sey.

3) Daß derselbe Stein 3¼ Pfund gewogen,
und

4) daß er einen Pulvergeruch von sich ge-
geben.

5) Daß mehrere Personen so gerade da un-
terwegs gewesen und das Donnern und Sausen
mir gehört, ein und andres Stück von diesem Stein
zu sich genommen, welche aber nachhin vom Kur-
fürstlichen Landgerichte adgefordert worden.

Die Landesdirection übergab diesen Aëroli-
then nebst Protocoll an Se. Kurfürstliche Durch-
laucht, welche denselben der Academie des Wissen-
schaften zur Untersuchung übersandt haben.

Sein specifisches Gewicht ist 3,365.

Seine dunkelschwarze Kruste etwas dicker
als die des Mauerkirchner.

Auch ist er im Bruche viel grabkörniger,

und hält folgende Gemengstoffe: a) regulini-
sches Eiden, das wie dünne Eisenfeile sichtbar ein-
gewachsen und glänzend erscheint

b) Schwefelkies: unter der Loupe auch krystal-
lenförmig. (?) Giebt gerieben ein schwarzes Pulver.

[Seite 249]

c) größere und kleinere plattgedrückte eckichte
Massen, die einen von dunkelbrauner, die andern
von schwarzer Farbe, die sich durch ein schimmern-
des Ansehn und größere Härte von jenen unter-
scheiden.

d) Noch bemerkt man hie und da kubikför-
mige (?) Körner und auch Blättchen von gelblich-
ter Farbe, durchscheinend und mit Glasglanz, die
das Ansehen von Quarz, aber nicht dessen Härte
haben.

e) Auch sind weiße Körner von unregelmäßi-
ger Form eingesprengt, wovon einige über eine Li-
nie dick sind.

f) Unter dem Mikroscop sieht man auch ein
weißgraues ins gelbe spielendes Metall, welches
auch dem Magnet folgsam und wahrscheinlich me-
tallischer Nickel ist.

Nach der angestellten Analyse geben 1000 Gran
dieses Steins

    18,00 regulinisches Eisen,
    13,50 regulinischen Nickel,
  325,40 braunes Eisenoxyd,
  232,50 Talckerde,
  310,00 Kieselerde,
  100,60 Verlust an Schwefel und Nickeloxyd.
––––––
1000,00
* * *
[Seite 250]

Soweit der Nachtrag zu den bisher bekannt
gemachten Verzeichnissen von Aërolithen. Unter
diesem Namen (Aërolithe) habe ich auch vom Hrn.
Biot ein Stück von denen erhalten, deren am
26ten April vorigen Jahrs auf dritthalbtausend in
dem ungeheuern Steinregen bei l’Aigle im Depar-
tement de l’Orne (in der ehemaligen Normandie)
gefallen sind. (– s. dieses Magazin VI. B. S.
397 u.s. –).

Von ältern Fällen der Art sind sicherlich noch
gar manche in Chroniken und Topographien aufge-
zeichnet, die wenn sie gelegentlich aufgefunden und
mit den schon bekannten zusammengestellt und ver-
glichen werden, doch vielleicht auf interessante Spuren
und Aufschlüsse führen können.

Interessanter als bloße Beispiele war mir inzwi-
schen der unerwartete kleine Fund, da ich schon bei
einem Schriftsteller aus der ersten Hälfte des XVI.
Jahrhunderts die so wichtige und wahre Bemerkung
las, daß all die Steine die vom Himmel gefallen,
durchgehends von einerlei Art, und die Metall-
massen durchgehends von Eisen gewesen! – Das
sagt ein Mann, der freilich von Tausenden die nie
was von ihm gelesen, geradezu für einen Narren,
Ignoranten, Dummkopf etc. verschrieen worden,
in dessen genialischen Schriften ich aber schon gar
[Seite 251] manchesmal und zwar immer mit Unterhaltung
nicht selten mit Belehrung die sie mir gewährt, und
oft mit Bewunderung die ich ihnen nicht versagen
konnte, gelesen habe. – Kurz der ehrliche Wald-
esel von Einsiedlen (wie er sich in seiner freilich
meist gar derben Kraftsprache einmal Selbst nennt)
Theophrastus Paracelsus im Buch de
meteoris. (pag
. 111 der lat. Ausg. von Gerh.
Dorn, Basel 1569. 8.)

‘„Evidentissime constat, lapides natu-
rales ex coelo dicidisse pariter ac
metalla; sed non aliud quam fer-
rum. – nec lapidis quam unica
species
.“’

* * *

Bedenklich ist gerade das, einer der bedeutendsten
wichtigsten Umstände bei dem so räthselhaften Phä-
nomen, daß die in so verschiedenen Weltgegenden
und zu so verschiedenen Zeiten vom Himmel gefalle-
nen Steine im Ganzen von einerlei Art sind. Ich
sage im Ganzen, denn zwei gegen einander ver-
glichen, zeichnen, sich wenigstens von den viererlei Aë-
[Seite 252] rolithen wovon ich Stücken in meiner Sammlung
besitze, doch jeder durch besondere Eigenheiten in sei-
nen äußeren Kennzeichen von den andern aus.

Am auffallendsten weicht der berühmte Ensis-
heimer Donnerstein nach den Proben davon, die ich
der Güte des Hrn. Prof. Butenschoen zu Col-
mar verdanke, von den übrigen ab. Seine graue
Farbe ist viel dunkler, sein Korn weit dichter und
fester, sein Kies nicht wie in Körnern in die Haupt-
masse eingesprengt, sondern diese gleichsam adrig damit
durchwachsen etc. Vor allem aber unterscheidet er
sich durch zahlreiche Risse und Spalten mit schwarz-
glänzenden spiegelnden Ablösungen, womit er nach
allen Richtungen unregelmäßig durchzogen ist, und
nach welchen beim Zerschlagen die Bruchstücke am
leichtesten springen. Hingegen zeigt er keine Spur
von den runden Körnern die sich in den von Bena-
res (– s. dieses Magaz. II. B.S. 630 –),
vorzüglich aber in dem von Mauerkirchen finden.
Auch kann ich an keinem meiner Stücke eine be-
sondere äußere Rinde unterscheiden.

* * *

So wie aber alle bis jetzt näher untersuchten
Meteorsteine, wie gesagt, im Ganzen von einerlei
Art sind, so differiren sie hingegen bekanntlich durch-
[Seite 253] aus, sowohl nach ihren äußern Kennzeichen, als
nach ihrem Gehalte von allen bis jetzt bekannten
tellurischen Fossilien. Inzwischen versteht sich von
selbst, daß sie dennoch einem oder dem andern der-
selben mehr oder weniger ähneln, und so dünken
sie mir, so viel ich vor der Hand habe vergleichen
können, im Totalhabitus des Bruchs der Haupt-
masse einigen vulkanischen Tufwacken, und zwar
namentlich einer Abart des Piperno von Pianura
am Fuß des Camaldoli-Bergs bei Neapel, und ei-
ner Leucit-tuffa von der Insel Ponza ziemlich ähn-
lich zu scheinen. Doch gilt auch dieß nicht von dem
Ensisheimer Donnerstein, den ich überhaupt am we-
nigsten mit irgend einem mir bekannten Foßil zu
vergleichen wüßte.

Göttingen,

den 3ten Febr. 1804.


Notes
*).
[Seite 238]

Späterhin hat man unter den Stein die schöne
kurze Inschrift gesetzt, die noch bis dato, da ich
dieses schreibe, ihre volle Kraft behält:

De hoc lapide multi multa, omnes aliquid,
nemo satis
.

*).
[Seite 239]

S. J. Ph. Datt volumen rerum Germanica-
rum.
Ulm. 1698. Fol. S. 217 u.f.



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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