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J.H. Voigts
Magazin
für den neuesten Zustand
der
Naturkunde
,
mit Rücksicht auf die dazu gehörigen
Hülfswissenschaften.

Neunten Bandes
III. Stück.

Jahrgang 1805.
März.

Weimar,
im Verlage des Industrie-Comptoirs
1805
.

II.
Naturhistorische Miscellen.

[Seite 200]

(Aus Briefen an J.F. Blumenbach.)


1.
Reisenachrichten vom Hrn. Dr. Seetzen aus
Smirna den 6. Sept. 1803.

Von Bursa machten wir einen Abstecher
nach dem Mysischen Olymp, einem berühm-
ten Schneegebirge. Die mittlere Region desselben
besteht aus Granit; die oberste aber aus Salini-
schem Kalkstein (Marmor) ohne die geringste Spur
von Versteinerungen. Diese höchste Spitze an deren
Fuß wir astronomische Beobachtungen machten, ist
fast ohne alle Vegetation; doch fand ich auf dersel-
ben das Vergißmeinnicht (Myosotis scorpioides
arvens.
) ziemlich häufig.*)

[Seite 201]

Auf mineralogische Gegenstände war ich auf
dieser Reise immer sehr aufmerksam; und da wir
mehrere Gebirgszüge passirten, so fehlte es mir
nicht an Gelegenheit, manche Beobachtung darüber
in mein Tagebuch einzutragen. – Bei Ma-
nissa
(Magnesia ad Sipylum) fand ich unter
andern vielen grünen Porphyr. – Die Gebirge
um Smirna bestehen größtentheils aus braunem
Thonporphyr der oft ins blauliche spielt; der ge-
wöhnlich nur wenige Funken durch den Stahl giebt.
Als Baustein hält er sich viele Jahrhunderte un-
versehrt.

Auffallend ist es, daß ich bisher in Klein-
asien
keine einzige deutliche Spur einer Verstei-
nerung antraf.

Noch heute werde ich eine Reise nach Ephesus
(Ajá Solúck) und nach etlichen Griechischen In-
seln antreten. Schon bin ich hier seit dem 3. Jul.
und warte auf den Abgang einer Kjerwâne nach
Halép; und dennoch muß ich befürchten, daß eine
solche Gelegenheit, ohne welche kein Mensch diese
Reise zu machen wagt, erst nach Verlauf eines Mo-
nats eintreten dürfte. Diese Nothwendigkeit, eine
Kierwàne abzuwarten, gehört zu den großen Uebeln,
welche einem Reisenden in Kleinasien, Syrien und
Arabien bevorstehen. Man versäumt die kostbare
[Seite 202] Zeit und schwächt seine Reisekasse zwecklos. Und
dennoch bedarf man hier vielen, sehr vielen Geldes,
weil die Miethe der Pferde, Esel oder Kameele
die man für sich und sein Gepäck gebraucht, sehr
hoch ist.

Auf meine Reise nach Haléb freue ich mich
ungemein. Ich werde auf derselben Kleinasien sei-
ner ganzen Länge nach, und zwar die Mitte dessel-
ben, kennen lernen, viele ansehnliche Städte und
ansehnliche Gebirge passiren, und häufig Gelegen-
heit haben, mineralogische und astronomische Beob-
achtungen zu machen.

Meines vieljährigen Reisegefährten, Herrn Ja-
cobsen’s
Rückkehr in seine Göttingische Heimat,
war mir freilich sehr unangenehm; allein seine Ge-
sundheitsumstände schienen dieselbe nothwendig zu
machen; er konnte die hiesige Sommerhitze gar
nicht ertragen. Ich habe jetzt einen hier ansässigen
Franzosen zum Dolmetscher auf meiner Reise nach
etlichen Griechischen Inseln und nach Haléb ange-
nommen. Außer seiner Muttersprache spricht er
das Italienische, Türkische und Griechische fertig.

Die Levante ist gleichsam das Mutterland der
Sprachen. Ich kenne hier einen Mann der vier-
zehn
Sprachen mit vieler Fertigkeit spricht.

[Seite 203]

Den Schedel eines Arabers hoffe ich ihnen zu
verschaffen, und sollte ich auch den Dsjeßar Pascha
in Akre um seine Beihülfe ersuchen müssen.


Notes
*).
[Seite 200]

Ich habe ein solches, von diesem wackern Rei-
senden auf dem Olymp gepflücktes Vergißmein-
nicht –, dies für uns Teutsche so sehr expressive
Salam – aus der Hand unsers gemeinschaftli-
chen Freundes, des Hrn. Oberhofmeisters von
Zach
erhalten.



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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