Table of contents

[titlePage_recto]
J.H. Voigts
Magazin
für den neuesten Zustand
der
Naturkunde
,
mit Rücksicht auf die dazu gehörigen
Hülfswissenschaften.

Neunten Bandes
III. Stück.

Jahrgang 1805.
März.

Weimar,
im Verlage des Industrie-Comptoirs
1805
.

2.
Reisenachrichten vom Hrn. Dr. Langsdorff,
von Santa Cruz auf Tenerife den
25. Oct. 1803.

[Seite 203]

Während meines kurzen Aufenthalts in Fal-
mouth
habe ich auf dem dasigen Fischmarkte we-
nigstens an 20 verschiedene Species von Fischen ge-
zählt. Unter andern fand ich die Trigla lineata
ein Cornwallisches Geschöpf, und eine Clupea die
in Menge da eingesalzen und nach dem Mittelländi-
schen Meere verführt wird. Sie hat zwar mit dem
gemeinen Häring viel ähnliches, doch scheint sie
mir specifisch davon verschieden, nur habe ich sie
bis jetzt noch nicht genau genug untersuchen
können.

Den 5ten Oktober reisten wir von Falmouth
ab, und kamen den 20sten hier an. – Das Ther-
mometer steht hier täglich auf 20–22° Reaum.
Wohl ists für uns Nordländer eine eigne Empfin-
[Seite 204] dung in so kurzer Zeit sich in ein Land versetzt zu
sehen, das so ganz andre Früchte trägt als das unsre.
Bananen, Datteln, Feigen etc. – Der größte
Theil der Insel ist mit vulkanischen Produkten be-
deckt, bloß die Thäler und einige der andern niedern
Gegenden sind zum Ackerbau tauglich. Die Laven
sind meist dichter Art, doch finden sich auch, zumal
in der hiesigen Gegend schwammige; auch wahrer
Bimsstein. Hin und wieder habe ich große Lagen
von Hornstein (petrosilex) und an der nordöstli-
chen Spitze der Insel, drei Stunden von hier, einen
fein körnigen mit Schörl übermengten Granit ge-
funden.

Die hohen und scharfen Lavaberge sind beson-
ders wegen der berühmten Grabhöhlen merkwürdig
in welchen sich die Gebeine und zuweilen (aber
jetzt freilich nur noch selten) die wunderbaren in Zie-
genfelle eingenähten Mumien der Urbewohner dieser
glückseligen Inseln, der alten Guanchen, finden. –
Eine solche Mumie hatten wir das Glück vom hie-
sigen Gouverneur für das Museum in St. Peters-
burg zu erhalten.*) – Ich selbst habe eine kleine
[Seite 205] Guanchenhöhle auf der Spitze eines schroffen wenig
zugänglichen Berges besucht. Der Eingang war
ganz mit alten ganz morschenMenschenknochen, wie
ein Beinhaus gefüllt.

Auch habe ich eine Tour nach Porto d’Orotava
gemacht, einer kleinen Stadt im Nordwesten der
Insel, etwa 5 teutsche Meilen von hier und
7 Meilen vom Pic. In dieser Stadt fand ich etwas
das ich auf Tenerife nicht erwartet hätte – einen
guten botanischen Garten. Vor etwa 10 Jahren
schickte ein reicher, daselbst ansässiger Edelmann, der
Marquis de Nava dem Madrider Hofe einen Plan
ein, worin er zeigte, daß man auf den Kanarien
die Gewächse fast aller Welttheile mit geringen Ko-
sten ziehen, wenigstens die nutzbaren Gewächse des
Spanischen Amerika dahin verpflanzen, und so vor-
erst an ein gemäßigteres Klima gewöhnen könne,
um sie dann von da auch in Spanien zu naturali-
siren etc. Seine darauf gegründeten Vorschläge zur
Anlage eines botanischen Gartens wurden geneh-
migt, und ihm selbst, vielleicht dem einzigen war-
men Freunde dieser Wissenschaften auf den Inseln,
die Direktion desselben übertragen. Im Jahr 1795
war der Garten eingerichtet, der Marquis hatte
[Seite 206] einstweilen die Kosten vorgeschossen, auch vor andert-
halb Jahren einen Gärtner aus Kew, einen sehr
eifrigen und gefälligen Mann kommen lassen. Jetzt
ist der Garten in bester Ordnung und enthält auf
3000 Species. Aber – der patriotische Marquis
hat bis jetzt vergebens um den Ersatz seiner darauf
verwendteten Vorschüsse anhalten müssen, und so steht
zu fürchten, daß die ganze wichtige Anlage in Kur-
zem wieder eingehen dürfte!

Den Eindruck den der Altvater Pic mit seinem
mit Schnee bedeckten Haupte schon in weiter Ent-
fernung von der Insel auf uns alle gemacht hat,
kann ich Ihnen nicht beschreiben. Leider verbietet
uns die jetzige Jahrszeit ihn zu besteigen. Das geht
eigentlich nur im Julius, August und Anfang
Septembers. Jede ist er schon seit einem Monate
zu stark beschneit. Vorigen Sommer hat sich ein
Französischer Naturforscher und vorzüglich guter
Mineraloge Hr. Cordier, den unser Freund der
Herr Dr. Stromeyer persönlich kennt, einige
Monate hier aufgehalten, und namentlich über den
Pic interessante Bemerkungen gemacht.


Notes
*).
[Seite 204]

Ich bin schon seit einigen Jahren im Besitz einer
solchen und zwar ausnehmend vollkommen erhal-
tenen Guanchen-Mumie, womit der Herr Baro-
net Banks meine anthropologische Sammlung
[Seite 205] reichert hat. – S. dieses Magazin III. B. S.
723. u.f.



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
This page is copyrighted