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J.H. Voigts
Magazin
für den neuesten Zustand
der
Naturkunde
,
mit Rücksicht auf die dazu gehörigen
Hülfswissenschaften.

Neunten Bandes
III. Stück.

Jahrgang 1805.
März.

Weimar,
im Verlage des Industrie-Comptoirs
1805
.

[Seite 220]

6.
Fernere Reisenachrichten vom Hrn. D. Langs-
dorff
von der Insel St. Catharina an
der Küste von Brasilien den 15ten Ja-
nuar 1804.

Den 27. Okt. vor. J. verließen wir Teneriffa
nach einem siebentägigen Aufenthalte. Freilich eine
kurze Zeit, die ich indeß doch bestmöglich zu benutzen
gesucht, und auch in der That viel interessantes, zu-
mal für Mineralogie, gesammelt habe.

Seit dem 4. Nov. habe ich mich vorzüglich mit
Untersuchung der verschiedenen Körper beschäftigt,
die das Leuchten im Meerwasser verursachen. Ich
habe zwei Monate hindurch täglich Versuche und
Beobachtungen darüber angestellt und ein ganz vor-
treffliches Mikroskop, welches wir an Bord haben,
hat mir dabei große Dienste geleistet. Doch wage
ich bis jetzt noch nicht, ein allgemeines Resultat
aus meinen Beobachtungen zu ziehen. Das aber
ist Thatsache, daß alle Körper, die ich bis jetzt
bei Nachtzeit als leuchtende Punkte aufgefischt habe,
organisirte Körper, und zwar Thiere von
[Seite 221] mancherlei Art waren. Unter andern und vorzüg-
lich fand ich kleine Krebschen, Squillen und Gam-
marellen von den sonderbarsten Gestaltungen. Außer
diesen sind es aber noch eine Menge von Salpen (siehe
Forskäl), Medusen und andere schleimigte und
theils durchsichtige Thierchen, die das meiste zum
Leuchten der See beitragen. – Warum aber diese
Geschöpfe zu einer Zeit stärker leuchten, zu andrer
wenig oder gar nicht, das ist eine Frage, die ich
mir bis jetzt noch nicht befriedigend genug habe beant-
worten können. Da unsre Seefahrt erst recht an-
gefangen hat, so hoffe ich noch manches Stündchen
dieser Untersuchung widmen zu können; und da es
mir nicht um Bestreitung oder Verfechtung einer
Meinung, sondern lediglich um Erforschung der
Sache selbst, kurz um die Wahrheit zu thun ist, so
können wenigstens die zuverlässigen Beobachtungen
die ich darüber aufzeichne, einst tiefer blickender Phy-
siker weiter führen. – Ich besitze schon jetzt eine
Sammlung vom leuchtenden Seekörpern, die mei-
nes Wissens Einzig in ihrer Art ist: wenigstens
entsinne ich mich nicht, eine ihr ähnliche gesehn
oder auch nur von einer solchen gehört zu haben.

Den 22sten Dec. erreichten wir die schöne Insel
von her ich Ihnen schreibe, und wo auch La Pey-
rouse
einlief. Man zog diesen Haven jedem an-
dern vor, gerade weil er von diesem wackern See-
[Seite 222] fahrer so sehr vortheilhaft beschrieben worden, auch
fanden wir was er davon sagt, aufs vollkommenste
bestätigt.

Ich hatte von jeher, zumal aber seit meinem
Aufenthalt in Portugal, eine große Idee von der
Fruchtbarkeit und dem Reichthum der Natur in
Brasilien. Und doch vermag ich nicht auszu-
drücken, wie sehr das was ich nun hier wirklich
finde, alle jene wenn gleich noch so günstigen Vor-
stellungen, bei weitem übersteigt. Ich sehe mich
hier wie in einer neuen Schöpfung, deren Ueppig-
keit und Fülle und Pracht und Fremdartigkeit mich
wie gesagt über allen Ausdruck überrascht. In der
mit Palmen und Bananen geschmückten Landschaft
am Tage die Fluchten von Papageyen, die Colibris,
die mächtiggroßen und wunderschönen Schmetter-
linge etc. im stillen Dunkel der Nacht die prachtvolle
Erleuchtung durch mehrere Arten von Lampyriden,
besonders aber durch den Cucujo (Elater noctilucus)
von welchen letztern ein Einiger vollkommen hin-
reicht, um bei seinem schönen Lichte in einem dun-
keln Zimmer lesen zu können. Nur für Minera-
lien scheint die hiesige Ausbeute kärglich auszufallen.
Hingegen habe ich aus dem Thier- und Pflanzen-
reiche schon ansehnliche Sammlungen zusammenge-
bracht. Namentlich aus jenem seltne Fische, Krebse
und Schmetterlinge: und aus diesem treffliche fu-
cos
und Conferven.

[Seite 223]

In etwa 10 bis 14 Tagen gehen wie wieder
unter Segel und gerade um Cap Horn. Freilich
ist die Jahrszeit etwas vorgerückt; indeß tüchtige
Schiffe und vortreffliche Führer werden uns sicher
über solche Bedenklichkeiten wegsetzen. – Auf
unsern Capt. von Krusenstern muß Rußland
stolz seyn, mit dem vortrefflichsten Charakter ver-
bindet er die solidesten zu solch einer wichtigen Ex-
pedition erforderlichen Kenntnisse in einem zum be-
wundern weiten Umfange.

Von Kamtschatka aus erhalten Sie fernere Nach-
richt von mir.




Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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