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J.H. Voigts
Magazin
für den neuesten Zustand
der
Naturkunde
,
mit Rücksicht auf die dazu gehörigen
Hülfswissenschaften.

Zwölften Bandes
VI. Stück.

Jahrgang 1806.
December.

Weimar,
im Verlage des Industrie-Comptoirs
1806
.

17) Wieder naturhistorische Seltenheiten und
Bemerkungen vom Vorgebirge der guten
Hoffnung.

[Seite 508]

(Dem Hofrath Blumenbach ferner mitge-
theilt vom Hrn. Hesse, Prediger in der Kap.
stadt.*))

Von der Güte dieses vortrefflichen Mannes
habe ich neuerlich wieder mehrere, überaus beleh-
rende und gehaltreiche Briefe und zwei große Sen-
dungen von merkwürdigen Naturseltenheiten aller
drei Reiche aus jener fernen Weltgegend bekom-
men; wovon ich hier nur einiges weniges aushebe.

1. Ein sehr instructives Sortiment vom
Kopfhaare der mancherlei südafrikanischen Völker-
schaften.

Eine einzelne solche Haarprobe bleibt, so
wie ein einzelner Schädel eines fernen Volks, eine
ziemlich unbedeutende bloße Curiosität. Aber in
[Seite 509] einer zweckmäßigen möglichst vollständigen Samm-
lung
gewähren solche Dinge eine für Physiologie
und Naturgeschichte des Menschengeschlechts höchst
lehrreiche vergleichende Uebersicht.

Schon Sparrmann hatte angemerkt, daß
das Haar der Hottentotten noch mehr wollartig sey,
als der Neger ihres. Und das finde ich nun durch
die Proben, die ich vor mir habe, auffallend be-
stätigt. Die von Hottentotten und Buschmännern
sind so ausnehmend dichtgekrullt und gleichsam durch-
filzt, daß sie auf den ersten Blick weniger dem Ne-
gerhaare, als den dichten Flocken an einer baum-
wollenen Pudelmütze ähneln. – Schon etwas
mehr wollartig ist das Haar der Caffern, und noch
mehr dem der Neger ähnlich das der Mosambiker.

Auch sieht man, daß die Krause der Haare mit
der dunkeln Hautfarbe in keinem bestimmten Ver-
hältnisse steht. Denn die natürliche Farbe der Hot-
tentotten ist gelbbraun, oder wie sie Hr. Past. Hesse
vergleicht, ohngefähr wie die von gegerbtem Kalb-
leder. ‘„Bei einzelnen Individuen geht sie wohl
ins Schwarzbraune über, und bleicht auch wieder
bei andern so sehr aus, daß man sie weiß nennen
könnte. Kein Hottentotte aber ist von so schwar-
zer oder auch nur schwarzbranuer Farbe, als die
langhaarichten Malabaren, oder als die Mada-
[Seite 510] gassen, Mosambiker, oder auch nur die Caffern-
sind. Sie kommen hingegen im Ansehung der
Farbe sehr mit den Javanen überein; doch daß sie
bei einer Lebensart, die sie der Sonne weniger
aussetzt, auch viel leichter als diese Ostindier abzu-
bleichen scheinen.“’

2. Zwei ungeborne, aber wie’s scheint, bald
zeitige Stachelschweine. Ein Paar wunder-
sam merkwürdige Stücke, wovon eins schon für
den nächsten Heft meiner Abbildungen natur-
historischer Gegenstände
gestochen wird. Die
ganzen kleinen Thiere (etwa von der Größe eines
Hamsters) sind wie mit Schuppen bedeckt, die über
den Rücken groß und breit und so regelmäßig ge-
ordnet stehen, daß sie schier den Rückenschienen ei-
nes jungen Panzerthiers ähneln. Eben so regel-
mäßig kommen zwischen diesen Schuppen und unter
ihren Rändern die kurzen, nur erst borstenartigen
Keime der nachherigen Stacheln büschelweis zum
Vorschein. – Der Zitzen, die meines Wissens
an diesem Thiergeschlechte noch nicht angegeben wor-
den, sind viere, die Paarweise, an einer freilich
unerwarteten Stelle, nämlich seitwärts dicht hinter
dem Schultergelenke sitzen.

3. Der Goldmaulwurf, Talpa aurata,
oder versicolor, von Linné ganz irrig asia-
[Seite 511] tica genannt, denn bekanntlich findet sich dieses
Geschöpf, das in seiner Art prachtvollste der gan-
zen Rasse von Säugethieren, ausschließlich am
Cap und nimmer in Asien. Eins in Spiritus,
(Geschenk des trefflichen Naturforschers, Hrn. Dr.
Lichtenstein’s,*) Sohns des würdigen, auch
um die Naturgeschichte so sehr verdienten Herrn
Abts in Helmstädt) und einige abgezogene
Häute. Nur jenes schillert, zumal im Sonnen-
lichte, in die glänzenden Goldfarben, vorzüglich
[Seite 512] ins Grüne; die trocknen Fellchen spielen, wenn
sie nicht benetzt werden, nur ganz matt ein we-
nig in eine Art Tombakglanz und Grün. Ein
Unterschied, den ich schon vor mehreren Jahren
in Amsterdam an einigen Exemplaren ist der
reichen Sammlung von Chr. Paul Meyer und
in dem damaligen Erbstatthalterschen Cabinet im
Haag zu machen Gelegenheit gehabt.

Dasselbe ist der Fall mit dem Gefieder man-
cher Vögel, z.B. mit den grünen metallisch glän-
zenden Federn am Kopf der Ente, am Staare.
S. Le Vaillant’s Oiseaux de paradis etc.
pag.
11.

4. Ein wunderschönes Leopardenfell,
das sowohl geringelte, als ganz schwarze kleine
Flecken hat, deren 3, 4 etc. dicht zusammen grup-
pirt sind, dient zur Bestätigung von Hrn. Cu-
vier’s
Behauptung (im III. Heft der Ména-
gerie du Muséum national
), daß der Leopard
keine vom Pantherthier specifisch verschiedene Gat-
tung ausmache.

5. Ein in seiner Art nicht minder schönes,
und so wie das vorige, ganz vollständiges Fell
der großen Prunkgazelle, oder des dort so-
genannten Springbocks, oder bunten Bocks
[Seite 513] (Antilope pygarga) zeichnet sich besonders durch
die Spiegelglätte seines am Rücken lichtkastanien-
braunen und am Bauche und Hinterleibe schnee-
weißen Haares aus. – Von den ungeheuren
Zügen dieses deshalb besonders berühmten Thieres
schreibt mir Hr. H., daß sie nicht gerade alljähr-
lich statt haben, und überhaupt nie die Capstadt
oder auch nur die Nähe derselben erreichen. Jetzt
wenigstens kommen dergleichen Züge nicht näher,
als zum Bokkeveld und zu den weiter nörd-
lich gelegenen Gegenden der Colonie. Ehedem
kamen sie bis in die Nähe von Zwellendam.
– Ein solcher Zug bedeckt, nach den Versiche-
rungen von Augenzeugen, Strecken von mehre-
ren Tagereisen; auch kann man die junggewor-
fenen Lämmer fast hinter jedem Heidestrauche
auflesen; und es ist unmöglich ein einzelnes
Stück, worauf man geschossen hat, und was
auch gefallen ist, aufzufinden, wenn man sich
nicht genau die Richtung des Schusses gemerkt
hat und derselben folgt, weil das Auge sonst
durch die beständig fortwallende lebendige Fluth
ganz verwirrt wird.

6. Am Gehöre und den Hirnschalenknochen
des Hartebeest (Antilope bubalis) sehe ich,
daß auch bei diesem Thiere die Stirnhöhlen sich
[Seite 514] in die knöchernen Zapfen der Hörner hineiner-
strecken.

7. Ein mächtig großer, ganz completer Schä-
del des wüthigen ungeschlachten Emgalo (Sus
aethiopicus,
Büffon’s Sanglier du cap
vert.
) Ein treffliches Gegenstück zu einer an-
dern Seltenheit in meiner Sammlung, nämlich
zum Schädel eines ungeheuren vierzehnjährigen,
5 Fuß langen und 3½ Fuß hohen Hauptschweins,
das vor 6 Jahren bei Herzberg am Harz
geschossen worden. Beide Köpfe sind 16 Zoll
lang; aber der des afrikanischen Emgalo vor
den Augenhöhlen wenigstens noch halb so breit,
als der von dem hieländischen Keuler. Jenem
fehlt auch der lange Hinterkopf des gemeinen
Schweines, so daß ihm die Augenhöhlen gleich-
sam oben am Scheitel zu stehen scheinen, und
seine Hirnhöhle ist daher auch beträchtlich enger.
Besonders auffallend und auszeichnend sind aber
die dicken knorrichten Fortsätze an den Backen-
knochen, die den sonderbaren großen warzichten
Fleischlappen unter den Augen des Thieres zur
Grundlage dienen. Und zu den Seiten der Ober-
kieferknochen sitzen ein Paar kleinere Apophysen
unter den ebenfalls kleineren warzichten Auswüch-
sen, die das Thier hinter den Maulwinkeln mit-
ten neben der Nase hat. Die ungeheuren Hau-
[Seite 515] zähne divergiren halbmondförmig. Die im Ober-
kiefer ragen, starkgekrümmt, 10 Zoll lang aus ih-
ren Alveolen hervor. Die hintere Fläche der
kürzern untern liegt so dicht an der genau dar-
auf passenden ausgeschliffenen Vorderfläche von
jenen an, daß man in einiger Entfernung kaum
eine Fuge zwischen beiden gewahr wird, sondern
sie zusammen für einen einzigen Zahn halten soll-
te. – Nur die untern haben die gewöhnliche
schmelzartige Rinde (substantia vitrea), die gro-
ßen obern sind ohne dieselbe und überhaupt mehr
elfenbeinartig.

8. Eine ähnliche Verschiedenheit in der Sub-
stanz der Zähne sahe ich an einem 26plündigen
Stück vom Unterkiefer eines bejahrten Hippo-
potamus
, als an welchem die armsdicken Eck-
zähne, so wie die Kronen der Backenzähne, mit
dem sogenannten Emaille bekleidet sind, dahingegen
die fast eben so starken, meist horizontal liegen-
den und beinahe cylindrischen mittlern Vorder-
zähne in ihrem Gefüge ebenfalls dem Elfenbeine
ähneln.

9. Von den capschen Vögeln, mit welchen
mein Freund meine Sammlung bereichert hat, ge-
denke ich hier bloß des ehemals sogenannten afrika-
nischen Colibri’s (le Souimanga à longue queue
[Seite 516] in Audebert’s oiseaux dorés T. II. tab. 37);
als zu welchem Geschlechte ihn schon vor 120 Jah-
ren der wackere Deventersche Arzt ten Rhy-
ne
, in seinem überaus interessanten schediasma
de promontorio bonae spei
rechnete. Auch bei
Linné steht das schöne Thier noch in der X. Ausg.
des S.N. als Trochilus after. In der letzten
hingegen hat er es unter die Baumläufer versetzt,
wo es Certhia famosa heißt. Doch vermuthe ich,
daß es diesen Trivialnamen wohl einem Druckfeh-
ler verdankt, und daß er wahrscheinlich formosa
geschrieben, als welche Benennung wenigstens be-
zeichnender ist als jene. Das liebliche Geschöpf
ist am Cap nebst noch zwei andern Gattungen von
Certhien unter dem gemeinschaftlichen Namen
der Zuckervögel bekannt, weil sich alle drei haupt-
sächlich vom Honigsafte in den schönen rothen Blü-
then der protea mellifera (Zuiker boom) näh-
ren. Man kann es ziemlich lange im Zimmer er-
halten. Man stutzt ihm den einen Flügel und
läßt es auf einem belaubten Zweige, den man al-
lenfalls in einen Blumentopf voll nassen Sander
steckt, umherhüpfen. Es verläßt denselben nicht
leicht; kommt aber fleißig herab, um Zuckerwasser
zu saugen, das man ihm auf den Topf setzt, wo-
bei es sich mit den Füßen an einem der untern Aest-
chen, oder auch nur an einem Blatte festzuhalten
und in einer hängenden Stellung zu trinken pflegt.
[Seite 517] Außerdem fängt es auch mit vieler Leichtigkeit Flie-
gen, ganz wie unsere Fliegenschnäpper. Indeß
sterben doch die meisten während der feuchten Win-
terkälte im Junius und Julius, und werden auch
während der ganzen Winterzeit nicht im Freien ge-
sehen. Vermuthlich sind sie also Zugvögel, so wie
die capschen Hausschwalben.

10. Zur Oryctologie von Südafrika ent-
halten die diesmaligen reichen Sendungen des Hrn.
P.H. unter manchem andern:

a) Bergkrystall mit eingewachsenen schwarzen kry-
stallisirten Glimmerblättchen.

b) Edlen Granat von ungemeiner Schönheit.
Dunkelblutroth, (wie der böhmische Pyrop,)
durchsichtig, scharfkantig krystallisirt mit 24 stark-
glänzenden Flächen, als achtseitige Doppelpy-
ramide mit vierseitigen Endspitzen (Grenat
trapézoïdal
); von Erbsengröße und kleiner.
– Aus dem Bokkeveld.

c) Nephrit. Mattolivengrün mit bräunlichro-
then Flecken, durchscheinend, halbhart. In
ansehnlichen Stücken.

d) Eisenschüssiger Sandstein mit Quarzcäment,
vom Tafelberge. (vergl. Barrow vol. I. p. 36.)
Wie es scheint vom derselben Art, die unser
[Seite 518] Hornemann im nördlichen Afrika in der
weißen Felsenwüste (Harutsch) auf der Ka-
rawanenstraße nach Murzuk fand (– s. die-
ses Magazin, B. IV. S. 668 –)

e) Ein aus dem Pechbraunen ins Colophonium-
braune übergehendes, an manchen Stellen
mehr, an andern weniger durchscheinendes
Stück eines bernsteinähnlichen Harzes vom
Ufer der Algoa-Bai. Dieses hier ist von der
Größe eines Hühnereies. Man findet es da
in größern und kleinern Stücken; doch nie
durchsichtig. Insecten oder andre organische
Reste hält es nicht; ähnelt aber im Ganzen
manchem Bernstein mehr, als etwa dem Ko-
pal.

f) Fossile, meist zwei Zoll lange, sehr dickschaa-
lige Muriciten, die noch dem Murex py-
rum in der jetzigen Schöpfung am nächsten
kommen. Sie werden in großen Lagen am
Paarden-Eiland, anderthalb Fuß tief
unter einem sandigen, doch mit Vegetation
bedeckten Boden gegraben und für die Kalk-
brennereien benutzt. Auch in der Capstadt
selbst, namentlich in der Strandstraße, hat
man dergleichen Lagen unter der Erde gefun-
den.

* * *
Notes
*).
[Seite 508]

S. im IVten B. dieses Magazins S. 671 u.f.

*).
[Seite 511]

Von diesem kenntnißreichen, scharfsichtigen und
unparteiischen Reisenden, der nun glücklich wieder
in sein Vaterland zurückgekehrt ist, haben wir
für die Naturgeschichte, Länder- und Völkerkunde
der von ihm besuchten fernen Weltgegenden, die
lehrreichsten Aufschlüsse zu erwarten. – Herr
Pastor Hesse schreibt mir bei Gelegenheit des
dort mit größter Indignation ausgenommenen
zweiten Theils von Barrow’s Werke: ‘„na-
mentlich verdient alles, was sich darin vom Sit-
tengemälde der hiesigen Colonie befindet, scharfe
Berichtigung und Kritik, die aber auch unser
würdiger Commissaris generaal, Hr. de Mist,
und der vortreffliche D. Lichtenstein, vermuth-
lich in eignen Werken zur Steuer der Wahrheit
unternehmen werden. Von Ausländern hat schwer-
lich jemand so viel richtige, geprüfte und vollstän-
dige Kenntniß über die Beschaffenheit dieser Co-
lonie von hier mitgenommen, als unser Freund
Lichtenstein.“’



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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