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Medicinische
Bibliothek
herausgegeben
von
Joh. Friedr. Blumenbach.

Dritten Bandes viertes Stück.
P. CAMPER.xxx

Prüfet alles, und das Gute behaltet.


Göttingen,
bey Johann Christian Dieterich,
1795
.

Petrus Camper.

[Seite 732]

Camper starb den 7. April 1789 an einer Brust-
entzündung, im 67sten Jahre seines Alters, aber
bey einer körperlichen Constitution, wobey er sonst
nach aller Wahrscheinlichkeit ein weit höheres
Lebensziel hätte erreichen, und den Wissenschaften
durch seine ausgebreiteten seltnen Kenntnisse noch
gar sehr nützen können.

Die großen Verdienste aus einander zu setzen,
die er sich durch seine zahlreichen Schriften um
so viele Fächer der Arzneykunde und der damit
verwandten Wissenschaften erworben, ist hier der
Ort nicht. Er hat Selbst im Jahre 1779 ein
Verzeichniß seiner Schriften drucken lassen, und
was seitdem, und noch nach seinem Tode ferner da-
von erschienen, ist vollends allgemein bekannt*).

[Seite 733]

So viel er aber auch überhaupt dadurch die
Arzneykunde bereichert, und seinen verdienten
Ruhm gegründet, so fürchte ich doch nicht, daß
man es mir zu einer Vorliebe für anatome com-
parata
anrechnen wird, wenn ich glaube, daß das
was er hierin geleistet, ihm doch die bey weiten
größte und ausgebreitetste Celebrität erworben hat.

Seine mehresten Schriften haben den großen
Vorzug meisterhafter Kupfer nach seinen eigen-
händigen Zeichnungen, worin er bekanntlich eine
ausnehmende Stärke besaß. Es war eine Freude
den Mann zu sehen, wann er mit einen Stück
Kreite in der Hand, aus freyer fester Faust so
keck und richtig an die Tafel zeichnete!

[Seite 734]

Auch seine Correspondenz, – die auch ich so
wie die, die ich (um nur Verstorbne zu nennen)
mit Haller und Bonnet geführt, unter die Glück-
seligkeiten meines Lebens rechne, – ward dadurch
um so interessanter, weil er die wissenschaftlichen
Gegenstände wovon er schrieb, oft aus dem Steg-
reif mit einer netten mit der Feder schraffirten
Handzeichnung erläuterte: eine Kunstfertigkeit
deren frühzeitige Erlernung und Uebung man
zumal künftigen Aerzten nicht dringend genug
empfehlen kan. Unser großer Haller verargte es
dem dadurch so unendlich nutzbarwordnen Dille-
nius,
daß er sich mit Zeichnen und Stechen seiner
Pflanzen abgegeben. Und wie sehr wäre doch zu
wünschen, daß Er Selbst nicht so ganz darin ver-
säumt gewesen wäre! Wie viel würden manche
seiner Schriften durch beygefügte Zeichnungen an
Brauchbarkeit gewonnen haben, zumal die er als
Landvogt, entfernt von allen Gehülfen die für
ihn hätten zeichnen können, herausgegeben, und
wovon nun manche, wie z.B. über die Bildung
des Küchelchen im Eye, eben deshalb gewiß nur
sehr wenigen Lesern, die nämlich diese Beobach-
tungen selbst angestellt, verständlich seyn können.

Wie allgemein verständlich wird hingegen alles
was Camper mit den herrlichen Zeichnungen von
seiner Meisterhand erläutert hat!

[Seite 735]

Aber wie viele und wie große andre Vorzüge
besaß nicht dieser seltne Mann noch außerdem,
die gewiß allen denen, die das Glück gehabt ihn
näher kennen zu lernen, zum großen Muster der
Nacheiferung dienen müssen. So seine rastlose
Arbeitsamkeit, die expedite Thätigkeit, nichts auf
die lange Bank zu schieben, am allerwenigsten
etwa die minder angenehmen Geschäfte, sondern
die gerade zu allererst abzuthun; seine ausneh-
mende Dienstfertigkeit, die große Bereitwilligkeit
sich mitzutheilen; die Billigkeit fremden Verdienst
Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen; lauter Eigen-
schaften die Campers Freunden die innigste Hoch-
achtung und Liebe für ihn einflößen mußten, und
bey denen die ihn überlebt haben sein Andenken
unvergeßlich erhalten werden.

Quis desiderio sit pudor, aut modus
Tam cari capitis?

[[I]]
Notes
*).
[Seite 732]

Die vollständigste Anzeige derselben findet sich in
der Lebensgeschichte des verewigten Petrus Cam-
per; aus dem Holländischen übersetzt von
Dr.
J.B. Keup. Stendal 1792. 8.

Von seinen wichtigen Sammlungen, zumal
zur anatome comparata s. des sel. Merk troisieme
Lettre sur les os fossiles d’Elephans et de Rhinoceros
[Seite 733] qui se trouvent en Allemagne
pag.
2 u.f. und des
sel. Forster Ansichten vom Nieder-Rhein &c. II. Th.
pag.
403 u.f. wo aber dem Verf. das sonderbare
qui pro quo entfahren ist, daß er von Campers
Sammlung von Schedeln der verschiednen Abarten
des Menschengeschlechts sagt, ‘“sie sey weder so
zahlreich, noch fasse sie so viele Nationen in sich,
wie das Museum der Göttingischen Universität.”’
– Dieses Museum hat aber außer einigen ganz
gemeinen Europäerschedeln bis jetzt nie einen andern
Schedel besessen als zwey Türkische, und einige
Bruchstücke von Mumienköpfen nebst dem der in
der ganzen Mumie steckt!



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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