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MONATLICHE
CORRESPONDENZ
ZUR BEFÖRDERUNG
DER
ERD- UND HIMMELS-KUNDE,
herausgegeben
von
Fr. von ZACH,
H.S. Oberstwachtmeister und Director der Sternwarte
Seeberg.

DRITTER BAND.

GOTHA,
im Verlage der Beckerischen Buchhandlung
1801
.

XXVIII.
Nachricht von einer Englischen Entdeckungsreise
nach der Süd-See, und von gebrannten Ziegel-
steinen mit Keilschrift aus Hillah
am Euphrat.

[Seite 378]

Aus einem Briefe des Baronet Banks an den
Hofrath Blumenbach.


London, den 6 Febr. 1801.

Auch dem. O.L. v. Zach wird die Nachricht inter-
essant seyn, dass unsere Admiralität jetzt ein Schiff,
den Investigator, auf eine Entdeckungsreise nach der
Süd-See ausschickt. Ein Hauptzweck derselben ist,
die Küsten von Neu-Holland und seine grössern Flüs-
se und Land-Seen zu untersuchen. Das Schiff wird
von demselben Capit. Flinders*) geführt, der neulich
die grosse van Diemen’s-Insel befahren hat. Es geht
[Seite 379] ein Astronom mit, so wie ein Naturforscher, Brown,
den ich dazu empfohlen habe, zwey Maler, ein Gärt-
ner und ein practischer Bergmann.

Bey der Ankunft auf New-South-Wales wird
das Schiff ein leichtes Fahrzeug (a Tender) zu seiner
Begleitung bereit finden, das die Flüsse befahren
kann, wenn sie auch nur 6 Fuss tief sind. Überhaupt
erwarte ich von dieser Expedition mehr detaillirte
interessante Entdeckungen als von einer unserer vo-
rigen Reisen dahin, und diess wird die Regierung
überzeugen, wie nützlich es ist, auch das Innere neu-
entdeckter Länder genauer zu erforschen.

Vor kurzen haben wir von Hillah (Helle), der
kleinen Stadt am Ufer des Euphrats, die nach aller
Wahrscheinlichkeit an der Stelle des alten Babylon
steht, einige gebrannte Ziegelsteine erhalten, auf de-
ren jedem eine Inscription in Keil-Schrift*) (wie die
[Seite 380] an den Monumenten von Persepolis) befindlich ist.
Ich sende Ihnen einstweilen hierbey Zeichnungen von
[Seite 381] den drey Aufschriften, die auf diesen Backsteinen
enthalten sind. Sie sollen aber nächstens eine andere,
noch mit grösserer Genauigkeit verfertigte Copie da-
von bekommen. Die Ziegeln sind von gebranntem
Thon, 12½ Zoll ins Gevierte, und 3 Zoll dick. An
[Seite 382] den Rändern hängt noch eine beträchtliche Menge
Asphalt, womit sie zusammengefügt gewesen; ein Um-
stand, der es um so wahrscheinlicher macht, dass sie
wirklich den ungeheuern Mauern dieser berühmten
Stadt zugehört haben. Man sagt, dass ganz Bagdad von
diesen Ziegeln erbaut sey, die zu Wasser dahin ge-
schafft worden. Jetzt steht nichts von den Mauern
Babylons mehr über der Erde, aber die Grundlage
derselben, wovon, wie es heisst, die überschickten
Ziegeln genommen sind, besteht noch aus einer gro-
ssen Menge derselben. Ich habe Schilf gesehen, das
sich zwischen den Schichten dieser Ziegeln findet,
und das noch so frisch und unverwest ist, als ob es
erst vor einigen Jahren gewachsen wäre.*)

In der Kiste mit diesen Backsteinen befand sich
auch ein Stück Jaspis, dessen eine Seite angeschliffen,
und gleichfalls Keil-Schrift hinein gegraben ist. Hier-
von sende ich Ihnen ein Paar Abdrücke, die von dem
Steine selbst mit Druckerschwärze gemacht sind; ver-
steht sich, dass sie folglich auf dem Papier verkehrt zu
stehen gekommen.


[Seite 418]
Notes
*).
[Seite 378]

M.C. II B. S. 610.

*).
[Seite 379]

‘Oder die Persepolitanische Schrift, welche die Franzo-
sen Caractères à Clous, die Engländer arrowheaded letters,
nennen, und wovon das Alphabet in Engelb. Kämpfer’s
Amoenitat. exotic. polit. phys. medic. und in Niebuhr’s
Reisebeschreibung durch Arabien stehet. In von Archen-
holz Minerva
Februar 1801 S. 364 wird obige Nachricht,
aus einem anonymen Briefe aus London, auf eine sehr
sonderbare und unrichtige Art mitgetheilt. Aus einem
Backstein wird ein Sandstein, aus einem Jaspis ein Gra-
nit gemacht. Dass hier nur von Backsteinen (Bricks)
die Rede seyn kann, weiss jeder mittelmässige Kenner
dieser Alterthümer. Man sehe nur, was Rennell in sei-
nem Herodot S. 365 bis 388 weitläufig über diese Back-
steine anführt. Beauchamp brachte solche Backsteine mit
Inschriften aus dem Orient nach Paris; auch ganze Cy-
[Seite 380] linder von einer weissen Masse 3 Zoll im Durchmesser,
worauf ebenfalls sehr kleine Schrift eingeprägt war, wel-
che er für dieselben Charactere, wie an den Persepoli-
tanischen Inschriften hält, wovon Chardin spricht. Diese
Steine verehrte Beauchamp dem Abbé Barthelemy, dem
berühmten Verf. von Anacharsis Reisen; sie existiren
wahrscheinlich noch in Paris. Auch im Brittischen Mu-
seum in London wird ein solcher Backstein aufbewahrt,
welchen man für einen Stein aus dem sogenannten Thurm
Babel (ohne Zweifel Aggarkuf) hält, und welchen
Rennell S. 379 mit allen seinen Massen in einer Note be-
schreibt. Auch von schwarzen Steinen, auf welchen In-
schriften eingegraben sind (wahrscheinlich oberwähnter
Jaspis) macht Beauchamp Erwähnung. Dies alles war
den Engländern längst bekannt. Denn Rennell, von wel-
chem wir geflissentlich alles hier gesagte entlehnen, spricht
davon sehr umständlich in seinem Herodot S. 367, 368.
Und doch heisst es in dem in der Minerva abgedruckten
Fragment eines Briefes aus London: die Ostindische Com-
pagnie habe diese Steine aus Persien erhalten, und da kein
hiesiger Orientalist: die Inschrift kannte, ja nicht ein-
mahl wusste, zu welchem Alphabet oder Schriftsprache
sie gehören, so schickten die Directoren der Compagnie
diese Steine an Sir Joseph Banks, um dies zu erforschen.
Aber die Englischen Orientalisten betrachteten die Charac-
tere, und bekannten ihr Unvermögen, irgend etwas darü-
ber zu sagen. Endlich zeigt man sie auch dem Dr. Ha-
ger
(aus Wien; bekannt durch seine Entlarvung des lit-
terarischen Betrügers Vella in Sicilien durch seine Ab-
handlung über den Ursprung der Ungarn, und durch sein
so eben erschienenes Chinesisches Wörterbuch) und die-
ser Deutsche Orientalist sah gleich auf den ersten Blick,
was es war.”’

[Seite 381]

Welche Englische Orientalisten mag Sir Joseph wol con-
sultirt haben? Sollte er die Oriental Society, sollte er sei-
ne beyden Freunde, den Major Rennell, den Sir Wm.
Ouseley
übergangen haben? Besonders diesen letzten, mit
der alten Persischen Litteratur so innigst vertrauten Orient
talisten, welcher erst kürzlich die alt-Persischsn Mün-
zen, aus des verstorb. Dr. Hunter’s Cabinett, deren Le-
genden Pehlavi waren, die lange keinen Erklärer finden
konnten, nun glücklich entziffert hat! Dass Sir William
die Keilschrift, die arrowheaded or Persepolitan letters,
wohl gekannt habe, dies kann man auf den ersten Blick,
und auf dem ersten Blatt seines zu London 1799 erschie-
nenen Epitome of the ancient History of Persia etc... er-
kennen, wo diese, und die Pehlavische Schrift auf der
Titel-Vignette vorgestellt ist, und zwar wie sich Sir Wm.
S. 77 ausdrückt that the young Student of Persian anti-
quities may have before him, at one view, specimens of the
two most ancient characters of Iran.
Und doch sollen die
Englischen Orientalisten diese Schrift ungefähr so angeguckt
haben, wie man in einem gewissen sehr trivialen Deutschen
Sprichwort zu sagen pflegt! ... Non liquet – Ehre
dem Ehre gebührt! – Uebrigens erwähnt obiger authen-
tischer Brief des Sir Joseph Banks nichts von dieser Ver-
legenheit der Londner Orientalisten; er meldet aber auch
vom Dr. Hager nichts. Der Briefsteller in der Minerva
sagt auch nichts davon, ob Dr. H. diese Inschriften er-
klärt hat; er meint nur, Hager’s Entdeckung, dass das
A, b, c davon im Niebuhr stehe, werde wahrscheinlich
zu dieser Erklärung verhelfen. v. Z.

*).
[Seite 382]

Dergleichen Schilf, das der Justizrath Niebuhr von dem
aus ungebrannten Ziegelsteinen aufgeführten, irrig soge-
nannten Babylonischen Thurm bey Bagdad mitgebracht,
befindet sich im hiesigen academischen Museum. (Man
f. dess. Reisebeschr. II Th. S. 303.). B.



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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