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Taschenbuch
für die gesammte
Mineralogie,
mit Hinsicht auf die neuesten
Entdeckungen,
herausgegeben
von
Karl Caesar von Leonhard.

Zehnter Jahrgang.

Mit dem Bildnisse von Svedenstjerna und 1 Kupfer.

Frankfurt am Main,
1816
.
In der Joh. Christ. Hermannschen Buchhandlung.
[[ix]] [Seite x]

Gebirgsart von der Côte du Mole an
der
grande terre von Guadeloupe, in
welcher neuerlich die fossilen Men-
schen-Gerippe entdeckt wurden
.

[Seite 237]

(Blumenbach, Allg. Anz. der Deutschen.
1815. No. 312.)

Um über dieses so unerwartete – und das bis
jezt nach aller krittischen Prüfung für erwiesen ange-
nommene Nichtvorhandenseyn von wahren Anthro-
polithen dem ersten Anscheine nach widersprechende
– Phänomen sich Aufschluss zu verschaffen, kommt
es hauptsächlich auf Untersuchung des Gesteins, wo-
rin jene Skelete brechen und die Entstehungsart des-
selben an. Es ist dieses, wie es schon König genau
beschrieben hat, ein gelblichgrauer, weissgeaderter
marmorharter Kalkstein mit milchweissen kleinen Kör-
nern, durch ein, denselben übrigens gleichartiges, Ze-
ment zusammen verbunden, so dass die Körner mit
demselben häufig wie zu einem dichten homogenen
[Seite 238] Guss verschmolzen sind (wie das auch bei manchen
Rogen- und Erbsensteinen der Fall ist). Hin und
wieder enthält es Reste von Konchilien und Korallen
namentlich von Helix acuta und Millepora miniacea.
Beide also aus der jezzigen Schöpfung; dagegen nir-
gend eine Spur von Inkognitis der Vorwelt, mithin
auch jene Gerippe doch wohl von keinen Präadami-
ten. Aber überhaupt auch wohl, nach der Frisch-
heit der gedachten Reste von Schnecken- und Koral-
len-Gehäusen zu urtheilen, von keinem hohen Alter,
wie schon Sir Joseph Banks urtheilte, der sie zu-
mal nach dem indianischen Namen der Galibis unter
welchen sie auf den Inseln bekannt sind, wahrschein-
lich für Gebeine der Karaiben ansieht*).

Merkwürdig bleibt aber aus mehrfacher Rück-
sicht die Entstehungsart jenes so harten Mutter-Ge-
steins, das offenbar wohl grösstentheils aus Sand von
zertrümmerten Konchilien zusammen verbunden ist.
Um dies anschaulich zu machen hat Hr. Hofrath Blu-
menbach
eine Folge von Gradationen solcher Stein-
bildung (freilich aus verschiedenen Weltgegenden) zu-
[Seite 239] sammen gebracht, wobei er von der Calx testudinea
Linn. dem (von Osbeck. beschriebenen) saubern, ganz
losen Muschelsande vom Strande der Ascensions-Insel
ausging, von da sich der allmählige Uebergang des
Muschelsandes zur Steinverhärtung bis zu jenem so
harten sogenannten Galibistone von Guadeloupe, un-
ter andern auffallend an einem Stücke von einer der
englischen Küsten zeigte. Auch finden sich in diesem
Konglomerate, so wie in jenem losen Muschelsande,
ausser den abgerollten weissen Konchilienkörnern, auch
eben so rothe, wie in der Steinart von Guadeloupe.

Uebrigens gibt das Vorkommen der Reste von
noch jezt vorhandenen Konchilien und Korallen in
der festen Lagerstätte jener Menschengerippe einen
lehrreichen Beweis von der Wichtigkeit der in der
Mineralogie sogenannten empyrischen Kennzeichen im
philosophischen Studium der Petrefaktenkunde, zumal
in der chronologischen Ansicht derselben; so wie an-
derseits der zu erwartende nähere Aufschluss über die
Weise, wie jene Skelete in diese Lage gerathen einen
bedeutenden Beitrag zu den merkwürdigen histori-
schen Datis verspricht, wodurch schon so manche
partielle Umänderungen und Erzeugnisse in der Rinde
unseres Planeten aufgeklärt worden.


Notes
*).
[Seite 238]

Falls sich Lavaysse’s Bemerkung in seiner Reise nach Tri-
nitat bestätigen sollte, dass diese Skelette immer in einer-
lei Richtung von O. nach W. und neben ihnen im glei-
chen Gesteine auch steinerne Waffen und Geräthschaften
von derselben Art gefunden worden, wie sich deren
die Karaiben noch neuerlich bedienen.



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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