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Goettinger Taschen
CALENDER
vom Jahr
1779.
beÿ Joh. Chr. Dieterich.

Die Honigweiser.

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Herr Sparrmann, der Hrn. Dr. Forster bey
der Reise um die Welt begleitete, hat im süd-
lichen Afrika, vom Cap landeinwärts, zwey
Thiere gefunden, die durch die sonderbare Wei-
se, mit der Beyde dem wilden Honig nachstellen,
und durch den Gebrauch, den die Einwoh-
ner von dieser Thiere Anzeige zu machen wis-
sen, merkwürdig werden. Das eine ist ein
Vogel, der dem Kukuk änelt; das andere ein
Säugthier, was mit dem Dachs Verwand-
schaft zeigt.

Der Honigkukuk (cuculus indicator) fliegt
früh und Abends auf seinen Raub aus, und
nähert sich unter dem beständigen Schreyen von
tscher tscher den wilden Bienenstöcken, die er
in den holen Bäumen oder unter der Erde
auswittert. Die Hottentotten sowol als die
Holländer geben sodann auf den Flug dieses
Vogels acht; beantworten auch sein Geschrey
mit eignen Pfeifgen, er läßt sich locken und
[Seite 36] fliegt sachte vor ihnen her, bis er sie zum be-
stimmten Orte geleitet hat. Man überläßt
sodann dem Vogel einen Theil des ausgenom-
menen Honigs, aber nicht genug um ihn zu
sättigen, sondern nur seinen Appetit zu erregen,
und ihn von neuem zum Honigverrath zu er-
muntern.

Das Dachsähnliche Thier (Viverra melli-
vora
) heißt in der Landessprache Ratel, und
geht seinen Geschäften nur bey Sonnenunter-
gang nach. Es giebt auf den Flug der heim-
eilenden Bienen, oder auch selbst auf die Stim-
me des Honigkukuks acht; hält dabey die eine
Pfote vor die Augen, damit es von der Son-
ne nicht geblendet werde, und folgt sodann je-
nen Thieren zum Stocke. Ueber die Bienen-
stöcke unter der Erde wird der Ratel sehr leicht
Herr, da er mit seinen langen Krallen so fer-
tig als der Dachs zu graben und zu wühlen
versteht. Hingegen kann er den Bienen, die
ihre Nester an Bäume hängen oder in hole
Stämme bauen, nichts anhaben; doch benagt
er aus Unmuth die Bäume, an denen er Honig
wittert, und die dortigen Einwohner wissen
[Seite 37] auch dieses Zeichen zu benutzen und bey sol-
chen angenagten Bäumen Honig zu suchen.
Der Ratel ist dabey von der Natur gegen die
Anfälle der Bienen sehr vortheilhaft verwahrt.
Er hat ein starkzottiges Fell, was noch dazu
ganz schlapp um das Thier rumhängt, und
es dadurch gegen alle Bienenstiche und selbst
gegen die Bisse der Hunde sichert. Dabey hat
er ein starkes Gebiß und ein sehr zähes Le-
ben, daher man ihn nicht anders, als durch
einen starken Schlag auf die Nase, tödten, oder
erschiessen, oder todt stechen muß.

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Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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