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Medicinische
Bibliothek
herausgegeben
von
Joh. Friedr. Blumenbach,
der Medic. Prof. ord. zu Göttingen.
Zweyten Bandes viertes Stück.
I. SENAC.xxx

Prüfet alles, und das Gute behaltet.


Göttingen,
bey Johann Christian Dieterich,
1787
.

II.
D. Sam. Gottl. Vogel’s (Königl.
Großbrit. Hofmed. in Ratzeburg) Un-
terricht für Eltern, Erzieher und Kin-
der-Aufseher: wie das unglaublich ge-
meine Laster der Selbstbefleckung am
sichersten zu entdecken, zu verhüten
und zu heilen. Stendal 1786. 175
S. in Octav.

[Seite 586]

Das ekelhafte Laster das den Gegenstand dieser
Schrift ausmacht, seine Ursachen, Kennzeichen,
Folgen etc., das alles muß für den practischen
Arzt ein Studium von der äusersten Wichtigkeit
werden, sobald er sich erinnert, wie leicht es dann
oft in seiner Gewalt steht, durch Hebung der
physischen Gelegenheitsursachen, der reizenden
Schärfe im Körper etc. dasselbe noch glücklich zu
verhüten; wie wichtig ihm anderseits die Kenn-
zeichen der wirklich schon verübten Onanie seyn
müssen, um bey Behandlung andrer Krankheiten
eines ihr ergebnen unglücklichen Geschöpfs, beym
Inoculiren der Pocken u.s.w. die so nöthige Rück-
sicht darauf nehmen zu können; und endlich das
[Seite 587] jammervolle Elend selbst das aus dieser schauder-
vollen Quelle entspringt, doch noch wo nicht zu
heben doch einigermaßen zu mildern.

Der gegenwärtige Unterricht wird daher, ohn-
geachtet er dem Titel nach nicht absichtlich zum
Gebrauch der Aerzte geschrieben ist, doch schon
dadurch auch für diese wichtig, daß er den Kern
von dem enthält was seit den letztern Jahrze-
henden von Aerzten, Moralisten und Pädagogen
darüber geschrieben worden; außerdem aber viele
eigne nützliche Winke gibt, die die ernstlichste
Beherzigung verdienen.

Das I. Kap. enthält einige vorläufige allge-
meine Bemerkungen, über Unzucht und Onanie;
denn auch die erstere zieht der Verf. wie billig
in diesen Gesichtskreis da sie der gerade Weg zur
letztern und ihr so nahe verwandt ist; und nimmt
folglich im Allgemeinen eine allzu frühzeitige, unna-
türliche, oft widerholte anhaltende Reitzung und
Erhitzung der Geschlechtsteile zum Gegenstand
seiner Untersuchung.

II. Kap. Von den Wirkungen und Folgen der
Onanie, besonders auch darüber, daß sie nicht
bey allen Onanisten gleich-schnell und gleich-hef-
[Seite 588] tig sich äusern; aber nichts desto weniger immer
gleich-bedenklich und für die Zukunft furchtbar
bleiben.

III. Kap. Von den Ursachen und Veran-
lassungen zur Selbstbefleckung. – Vielleicht
sey zuweilen selbst ein erblicher Zunder Schuld,
der sich von unbändigen Eltern fortgepflanzt. –
Auch wohl scharfe Mutter- oder Ammen-Milch.
– sogar das unnöthige Wickeln der Kinder, ‘„dessen
geglaubter Nutzen„’ wie der Verf. sagt, ‘„ge-
wiß in leeren Einbildungen besteht.„’ (– Doch
scheint das Wickeln der Kinder nun einmal ein
nothwendiges Uebel; zum sichern Handthieren
derselben etc. wenigstens da wo sie den Miethlingen,
Ammen, Kinderwärterinnen etc. überlassen werden
müssen. Ueberhaupt aber haben unsre neuen
Pädagogen auch hierin der Sache oft zuviel ge-
than. Ohne auf die Autorität großer Aerzte,
z.B. des Hrn. v. Haller zu provociren, der
geradezu sagt: ‘„die Klage über das Wickeln ist
blos theoretisch„’ und ohne das argumentum
ad hominem
vom hohen Alter und vom weit-
ausgebreiteten Gebrauch des Wickelns bey den
kern-gesundesten Völkern des Erdbodens, z.B.
bey den athletisch-frischen nordamericanischen
Wilden, anzuführen; so gilt auch hier das be-
[Seite 589] kannte Abusus non tollit usum. Man kan die
Kinder bequem und gut wickeln ohne sie kerzen-
gerade wie steife Mumien einzuknebeln, und so daß
sie hingegen nicht in mindesten von ihrem eignen
Unrath leiden, indem man diesem, so wie es be-
kanntlich auser Europa in einem sehr großen Theil
der Nördlichen Erbe allgemeine Sitte ist, durch
eine gar leichte Vorrichtung beständigen Abfluß
läßt. –)

Ferner rechnet der Verf. dahin alle äusere
Reitze an den Zeugungstheilen und in der Nach-
barschaft derselben.

(– Hier hätte wohl vorzüglich auch die gewön-
lichste und doch im Grunde allerbedenklichste Kin-
der-Züchtigung, das Ruthenstreichen auf dem
Hintern angeführt werden können. Der vsus
flagrorum in re venerea
ist bekannt. Und der
Abt Boileau und Hecquet haben die zweydeuti-
gen Folgen dieser Art Geiselung bey Mönchen
und Nonnen und Flagellanten und bey den ent-
zückten Frauenzimmern am Grabe des Diac. de Pa-
ris
etc. deutlich genug erwiesen. Eben so leicht be-
greift sich wie dieser erhitzende stimulus nun auch
bey Kindern vor der Zeit Triebe erwecken kan,
die erst in den Jahren der Mannbarkeit rege
[Seite 590] werden sollten. Man weis was es für einen
Eindruck auf den achtjärigen J.J. Rousseau
machte, da ihm die hübsche Mamsell Lambercier
die Ruthe gegeben hatte. Er wollte gern öfter
diese Züchtigung von ihrer Hand geniesen. Zum
Glück merkte sie beym zweytenmale eine gewisse
körperliche Aeuserung jener sinnlichen Gefüle an
ihm, und lies deshalb weislich dieß zweytemal
auch das letztemal seyn –)

Ferner auch Misbrauch harntreibender Arz-
neyen, und bey Mädgen der treibenden Mittel
zu Erweckung der monatlichen Reinigung.

So auch das frühzeitige Tanzen – und selbst
bey vielen das Reiten.

Dann die materiellen Reitze im Körper, Con-
gestionen nach den Geschlechtstheilen, locale Schärfe
an denselben, Flechten, juckende Schweiße etc. –
bey Knäbgen angehäufter und scharf gewordner
Littrischer Schleim unter der Vorhaut. (– Und
eben so bey Mädgen der völlig analoge Schleim un-
ter der Vorhaut der Clitoris, die eben zu Ver-
hütung solcher Anhäufung und der dadurch ent-
stehenden üppigen Reitze in Aegypten und vielen
andern heisen Ländern beschnitten wird –)

[Seite 591]

Ascariden in den weiblichen Genitalien (–
auch Milben s. den Iten Band dieser Bibl. S.
597 –)

IV. Kap. Von den Zeichen der Onanie.
Darunter vorzüglich der verstörte Blick, Abwe-
senheit des Geistes, wachendes Träumen u.s.w.
bey Kindern auch langes Ausbleiben auf dem Ab-
tritt wovon sie dann ganz erhitzt oder blaß etc.
zurückkommen.

V. Kap. Von der Verwahrung vor der Un-
zucht überhaupt, und der Onanie insbesondere.
Vorzüglich durch gute schickliche Diät. – Flei-
siges Waschen der Genitalien mit kaltem Wasser.
Ueberhaupt auch kaltes Baden. Besprengen mit
der Gieskanne etc.

Man hüte die Kinder zeitig für jeder Berüh-
rung ihrer Geschlechtstheile. In den ersten Kin-
derjahren geschieht dieß durch eine bloße Gewöh-
nung; in der Folge durch Einprägung der Schaam-
haftigkeit. (– Bey Kindern von Erziehung auch
wohl dadurch daß man es ihnen als eine sehr
ekelhafte Sauerey widerlich macht –).

S. 83. ‘„Man verhüte ums Himmelswillen
daß Kinder keine Bücher in die Hände bekommen,
die mit Kupfern, welche auf Vorstellung sinnlicher
[Seite 592] Wollust hinauslaufen oder die Zeugungsart des
Menschen darstellen, versehen sind. Ich habe gese-
hen,„’ sagt der Verf. ‘„daß sich einige Knaben mit
dem Anhange zu den Kosmol. Unterh. 3 Th. immer
herumtrugen und sich über viele darin vorkommende
Dinge mit Zusammenhaltung des Kupfers auser-
ordentlich belustigten. Diese Knaben waren schon
lange Onaniten„’ –

Wie sehr viel durch ein liebevolles Vertrauen
der Kinder zu ihren Eltern oder Erziehern ver-
hütet werden könne. (– ohne Widerrede ein
Haupt-Punct! Bey einer solchen recht kindlichen
zutraulichen Offenherzigkeit muß es einem Kinde
unmöglich seyn den Eltern etc. ein Geständnis
zu verhehlen, etwas abzuläugnen etc. –)

VI. Kap. Etwas über die Frage: Soll man
junge Leute über die Erzeugung des Menschen,
über Unkeuschheit und Selbstbefleckung belehren,
und wie soll man das thun? – Auf den ersten
Punct lasse sich am Ende nichts allgemein passen-
des antworten. Die individuellen Umstände
müssen in den einzelen Fällen die Zulässigkeit und
Art solcher Belehrungen bestimmen. Ein argu-
mentum pro
gebe doch die tägliche Erfahrung,
daß bey sonst gleichen Umständen ein jeder Reitz
[Seite 593] durch seine öftere Wiederholung allmälig immer
mehr von seiner Kraft verliert. ‘„Daher kam es
ja zum Theil auch, daß der Gebrauch bey den
Spartanern, Mädchen mit Jünglingen nackt
kämpfen zu lassen, keine unzeitige wollüstige Be-
gierden erregte; eben darin liegt großentheils
der Grund, daß ohne eben diese Wirkung manche
Völker ganz nackt gehen„’ etc.

(– Lord Raimes behauptet gar daß die Nackt-
heit weit zuträglicher für die Keuschheit sey als die
Bekleidung. ‘„Ein Frauenzimmer,„’ sagt er, ‘„die
sich mit Geschmack kleidet ist ein weit verlan-
genswürdigerer Gegenstand, als eine andere die
allzeit nackt geht. Die Kleidung läßt der Ein-
bildungskraft viel Spiel; eine nackte Venus
macht keinen solchen Eindruck als wenn man
nur ein Strumpfband zu sehen bekommt etc.„’
Im letzten Beyspiel liegt doch ein Fehlschluß:
ein Strumpfband an einer bekleideten Gyps-Fi-
gur, – denn der Lord meynt doch auch nur eine
Statüe der Venus, – würde auch einen verhält-
nismäßig schwachen Eindruck machen.)

Die argumenta contra scheinen im Durchschnitt
doch immer überwiegender. (– Ganz gewiß nach
der auf Erfahrung gegründeten Ueberzeugung des
Rec. in puncto der Frage von Belehrung der Kin-
[Seite 594] der über die Erzeugung. Daß der Unterleib
bey beiden Geschlechtern verschieden gebaut ist,
bemerkt wol jedes Kind bald in den ersten Lebens-
jahren. Wenn man es aber nicht durch einen ge-
heimnisvollen Ton oder gar durch einen lächelnden
Wink u. dgl. auf weiteres Nachsinnen darüber bringt,
sondern es dabey läßt, daß man das als etwas
unreinliches
bedeckt, nicht nennt etc., so ist ge-
wiß, daß viele Kinder in ihrer Unschuld erwachsen
und aus jener bemerkten Verschiedenheit eben so
wenig was arges haben als daß Mannsköpfe bär-
tig und Weibsköpfe glatt sind etc. – Wie man
hingegen die natürliche Frage: wo die Kinder her-
kommen? schicklicher beantworten kann als durch
das unglückliche: ‘„Kinder dürfen das noch nicht
wissen„’ hat noch so eben erst Madam Engel-
hard
in ihrem Neujahrs-Geschenk für liebe Kin-
der gewiesen. Die Antwort einer Mutter im
Emil ist bekannt: ‘„Ach du lieber Sohn, die
Kinder werden von der Mutter gepißt, und das
thut so entsetzlich weh, daß manche, arme Mut-
ter drüber sterben muß!„’ –)

Ueber die Unzucht und deren Folgen die Ju-
gend zu unterrichten, findet der Verf. gut und
nothwendig. (– Und doch ist gewiß auch hier die
größte behutsamste Vorsicht nöthig. – Der äl-
[Seite 595] tere Gautier hat Vorstellungen von den veneri-
schen Local-Uebeln bey beiden Geschlechtern in Le-
bensgröße und mit den natürlichen Farben her-
ausgegeben; in der That, wie man glauben sollte,
ein specifikes Antidot gegen wollüstige Ideen.
Und dennoch weis der Rec., daß der Anblick dieser
scheußlichen Blätter bey jungen Leuten im Ge-
gentheil sehr zweydeutige Nebenbegriffe und Bilder
erweckt hat. – Sollte nicht bey mancher Beleh-
rung über andre Folgen der Unzucht was änliches
zu fürchten seyn?)

VII. Kap. Von der Art und Weise wie man
den Onanism bey verdächtigen Kindern und jun-
gen Leuten geständlich herauszubringen habe.

VIII. Kap. Von den Mitteln und Wegen,
Kinder und junge Leute von der Onanie zu heilen.

Unter andern auch ein ernsthaftes Gebet.
(– Ueberhaupt bey Kindern eine Gottesfürchtige
Erziehung im eigentlichen Verstande. Besonders
so die recht buchstäblichen sinnlichen Catechismus-
Vorstellungen von Gottes Allgegenwart, Allwis-
senheit etc. Auch hiervon sind dem Herausg. auf-
fallende Beyspiele bekannt, wie sehr viel eine solche
Gottesfurcht bey noch unschuldigen Kindern, und
eine nachherige Gewissensangst bey solchen die ja
einmal gefallen waren, vermocht hat! –)

[Seite 596]

Dann vorzüglich gute Gesellschaft. ‘„Nach
meiner Empfindung,„’ sagt der Verf. ‘„würde ein
vollkommen tugendhaftes und in aller Rücksicht
verehrungswerthes Frauenzimmer auf denjenigen
verunglückten Menschen, der davon Gefühl und
Ueberzeugung hätte, mehr, als irgend ein re-
spektabler Mann, wirken können.„’ ( – Als Vor-
bauungsmittel bey gefühlvollen Menschen, oder
auch als Heilmittel bey nicht schon ganz [...]ohr-
nen, ist wohl sicher auch eine spirituelle kleine
Liebschaft mit einer angebeteten Person von sehr
großer Würkang. Daß eine solche Liebschaft ohn-
gefähr das schnurgerade Gegentheil von alle dem
Greuel seyn müsse was man seit 10 Jahren vulgo
Empfindsamkeit nennt, braucht hoffentlich nicht
erst erinnert zu werden. –)

Nun mechanische Mittel die Onanie zu verhin-
dern. Z.E. ‘Man lasse solchen Knaben Beinklei-
der machen, die vorne gar nicht geöffnet werden
können, sondern hinten mit einem kleinen Schlosse
versehen sind, das sich ohne Schlüssel nicht öffnen
läßt.„’ (– Ist wenigstens dazu gut, um sich
zu vergewissern ob ein solches unglückliches Kind
auch wirklich seine Vergehung unterläßt. –)

Eine Binde wodurch die Hände auf die Brust
befestigt werden und nicht an den Unterleib gebracht
werden können.

[Seite 597]

Dann umständlich von der Infibulation, so
wie sie Celsus beschreibt Lib. VII. c. 25. S. 3.
als ein Mittel das, wie der Verf. sagt, laut
sichern Zeugnissen mit dem gewünschten Erfolge
schon angewendet worden, und wovon er in ver-
zweifelten Fällen Gebrauch zu machen angelegent-
lichst rathen würde. ‘„Diese Operation,„’ sagt er,
‘„hat nicht die mindeste Gefahr, sie erregt unbe-
deutende Schmerzen, ist schnell vollendet, und
scheint ein unfehlbares Mittel gegen den auf keine
Weise zu heilenden Onanism zu seyn. Daß sie
thunlich sey und ihren Zweck erfülle, erhellet zur
Gnüge daraus: weil sie vormals in Peru zur
Verhütung der Selbstbefleckung bey der Jugend
eingeführt war: weil man sich auf der Insel Ca-
pul der Infibulation zu der nämlichen Absicht noch
vor einiger Zeit bediente; und weil ich aus dem
Munde eines glaubwürdigen Mannes weiß, daß
sie ein junger Mensch aus Verzweifelung mit glück-
lichem Erfolge selbst an sich vorgenommen hat.„’
Der Verf. berührt einige Vorwürfe die man ge-
gen diese Operation machen könne. Setzt aber
hinzu: ‘„Es wäre äußerst Schade, wenn die Er-
fahrung diese Zweifel bestätigen sollte. Ich hoffe
es nicht.„’ Und schließt mit den Worten: ‘„Nichts
wünsche ich sehnlicher, als daß doch mehrere von
denjenigen welchen unglücklicher Weise die Onanie
[Seite 598] einmal so zur Gewohnheit worden ist, daß sie
nichts mehr davon abschrecken kann, sich zu ih-
rem eignen Besten und zur Rettung andrer Men-
schen zu dieser Operation entschliesen möchten!„’

(– Dieses alles bedarf einiger Erläuterung. –
Den sinnlichsten Begriff von der ganzen Operation
giebt eine merkwürdige Bronzene Antike im Mu-
seum Romanum
, die Winkelmann in den Mo-
numenti inediti
Vol. II. tab.
188 abbilden lassen,
und wovon beygehende genaue Copie (– Tab. I. –)
wegen der Seltenheit jenes kostbaren Werks in
Deutschland, den Lesern angenehm seyn wird.
Offenbar war der Zweck dieser Infibulation den
Beyschlaf selbst und die Päderastie dadurch zu ver-
hindern: und doch auch hierzu scheint sie nicht
ganz hinlänglich gewesten zu seyn, wie sich theils
schon aus Celsi eignem Zusatz: sed hoc quidem
saepius inter superuacua, quam inter necessaria
est
; noch mehr aber aus einem Epigramm bey
Martialis Lib. XIV. ep. 215 schließen läßt. –
Das sie nur überhaupt je in Peru, geschweige ab-
sichtlich zur Verhütung der Selbstbefleckung bey
der Jugend, eingeführt gewesen, davon hat der
Rec. doch auch nicht die mindste Spur vorgefun-
den, ohngeachtet er den Garcilasso u.a. dergl.
Quellen darüber consultirt. Vermuthlich ist die

[Tab. I]
TAB. I.xxx
[interleaf] [Seite 599]

Sitte der brasilischen Wilden etc. damit verwechselt
worden, die ihr Zeugungsglied aus Modestie ein-
wickelten, zusammenbayden, mit einem großen
Schneckenhaus bedeckten etc. Ueberhaupt entsinnt
sich der Rec. nicht eines einzigen wilden Volks, bey
welchem eine wahre Infibulation nach Art der
Römischen gebräuchlich seyn sollte, selbst die vom
Hrn. Hofmed. erwähnten Einwohner von Capul
(einer kleinen Insel unter den Philippinen) nicht
ausgenommen, bey welchen der große Weltum-
segler Th. Candish vor 200 Jahren allerdings
zwar etwas änliches bemerkt hat, das aber wie-
derum, wie er ausdrücklich sagt, blos dienen
sollte die Päderastie zu verhüten. Mannspersonen,
Knaben und Erwachsne – trugen einen zinnernen
Nagel vorn im männlichen Gliede, der an der Spitze
gespalten und umgebogen war, den sie aber nach
Belieben aus- und einmachen konnten. Diese
Sitte war auf Ansuchen der Weiber von Capul
verordnet worden, die dadurch die päderastischen
Ausschweifungen der Männer verhüten wollten
u.s.w. Daß aber diese Art Operation doch
ganz von der Römischen Infibulation verschieden
gewesen, erhellt aus dem Zusatz, daß bey jenem
Volke, – so wie nach le Gentil’s Zeugnis noch
jetzt unter den Einwohnern der Philippinen über-
[Seite 600] haupt, – die Beschneidung eingeführt war.*)
Nun aber auch von allem dem abstrahirt, so be-
[Seite 601] greift man doch schwehrlich wie die Infibulation
ein thunliches Mittel zur fernern Verhütung der
Onanie abgeben soll. Eher wird erfolgen was
auch in der hier abgebildeten kleinen Bronze der
Fall zu seyn scheint, daß die Haut ausgedehnt
wird und doch die Erectionen statt haben können,
so wie auch junge Leute bey äuserst engem Rande
der Vorhaut doch dergleichen haben, und gerade
nur um so heftiger. –)

Von der Fruchtlosigkeit der Beschneidung als
Vorbauungsmittel gegen die Selbstbefleckung gibt
der Verf. überzeugende Gründe. (– Bey der
S. 138 angeführten Bemerkung, ‘„daß einige
Affen, sonderlich einige größere Arten, der Ona-
nie bis zur Raserey ergeben seyn„’ verdient doch
erinnert zu werden, daß wohl kein Thier in der
Welt, auser dem Menschen, von selbst zu einer
so viehischen Brutalität herabsinkt, wenn es nicht
dazu gleichsam angeleitet worden, oder schon die
natürlichen Freuden der Liebe genossen hat und sie
dann aus Zwang entbehren muß. Der Herausg.
[Seite 602] hat sich oft und genau wegen der Masturbation
der Paviane etc. erkundigt und immer erfahren daß
diese Thiere durch Kitzeln ihrer Wärter am Unter-
leibe, mit einer Stange etc. zuerst dazu veranlaßt
worden. Eben so Hunde die sich an den Fus ihres
Herrn gestellt, und von diesem in Gedanken an
dem Unterleib gerieben worden. Das dritte Thier-
geschlecht von welchem ihm je etwas dergleichen
wissend worden, ist der Bär. Eins dieser Thiere
im Bären-Graben zu Bern hatte sein Weibgen
verlohren, und ward durch die Wittrung von ei-
nem andern Paar die im nächst anstoßenden Gra-
ben sich mit einander beliefen, so wüthig, daß es
sich selbst durch eine Art von Onanie seines Saa-
mens entledigte. –)

IX. Kap. Unterricht für Kinder und junge
Leute vom 21ten J. an: der Unkeuschheit und
Selbstbefleckung auszuweichen, oder, falls dieß
schon zu spät ist, sich wieder davon loszumachen.


[Seite 759] [Seite 760]
Notes
*).
[Seite 600]

Der Dr. Börner, den der Hr. Hofmed. bey der
Erzälung von Capul als Gewährsmann citirt,
scheint seine Nachricht aus einer sehr verstümmel-
ten Uebersetzung von Candish’s Reise, so wie
sie dessen Gefährte F. Pretty beschrieben, ge-
schöpft zu haben: daher die hieher gehörige Stelle
aus der Urkunde wohl hier einen Platz verdient.

These people use a strange kinde of order among
them, which is this. Every man and manchilde
among them hath a nayle of Tynne thrust quite
through the head of his privie part, being split in
the lower ende and rivetted, and on the head of
the nayle is as it were a crowne: which is driven
through their privities when they be yong, and
the place groweth up againe, without any great
paine to the child: and they take this nayle out and
in, as occasion serveth: and for the truth thereof
we ourselves have taken one of these nailes from
a sonne of one of the kings which was of the age
of 10 yeeres, who did weare the same in his
privie member.

This custome was granted at the request of the
women of the countrey, who finding their men to be
given to the fowle sinne of Sodomie, desired some
remedie against that mischiefe, and obtained this before
named of the magistrates. Moreover all the males

[Seite 601] are circumcised, having the foreskinne of their flesh
cut away. – v. the admirable and prosperous vo-
yage of the worshipfull Master
th. candish round
about the circumference of the whole earth
in Hak-
luyt’s
Sammlung III B. S. 819.



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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