Gegenwärtige Bogen haben in
dieser neuen Ausgabe mancherley
Verbesserungen und Zusätze erhal-
ten. Da der Inhalt derselben
grossentheils die Naturgeschichte
des Menschengeschlechts betrifft,
[Seite VI] so sind auf den beygefügten
Vignetten die fünf Hauptrassen
vorgestellt, worein sich dasselbe,
meines Bedünkens, am füglichsten
eintheilen lässt. Sie brauchen nur
wenige Worte zur Erläuterung.
I. Die Titel-Vignette. 1ste
Men-
schenvarietät. (– vergl. S. 70 –)
eine Morgenländische schon für
sich ganz verständliche Scene.
II. Die Anfangsleiste dieser Vor-
rede. 2te
Menschenvarietät (– S.
70 –) Schinesen. In der Ferne
Reisfelder mit Büffeln gepflügt.
III. Die Schluss-Vignette der
Vorrede. 3te
Menschenvarietät. (–
[Seite VII] S. 71 –) Negern am Gambia.
Ihre Fischerey, Moor-Hirsenfel-
der etc. Auch ist hier, so wie auf
den beiden folgenden Kupfern,
die eigne Form der Hütten bey
den vorgestellten Völkern genau
abgebildet.
IV. Die Anfangsleiste. S. 1. 4te
Menschenvarietät. (– S. 71 –)
Brasilianer.
V. Die Schluss-Vignette. 5te
Menschenvarietät. (– S. 71 –)
Südländer von Anamocka oder
Neu-Rotterdam, einer der Freund-
schafts-Inseln. Ihre Viehzucht,
Gartenbau etc. Die in Reihen ge-
[Seite VIII] pflanzten Bäume und dergl. be-
merkte schon der berühmte Ent-
decker dieser glückseligen Inseln,
Abel Tasman.
Göttingen, d. 21. Jan. 1806.
Inhalt.
Zusätze.
Ueber die Stufenfolge in der Na-
tur. 106
Ueber die Zeitfolge der verschie-
denen Erdcatastrophen. 113
Ueber die Sogenannten Endabsich-
ten. 123
Ja so geht's in der Welt, sagt Vol-
taire, da haben wir nun keinen Pur-
pur mehr, denn der Murex ist längst
ausgerottet. Das arme kleine Schneck-
[Seite 2] chen wird von andern grössern Thie-
ren aufgefressen worden seyn. –
Gott bewahre, antworten die Physi-
cotheologen, unmöglich kann die Vor-
sehung eine Thiergattung aussterben
lassen*).
Denn, meint der ehrliche Savoyische
Landgeistliche im Emil, es sey kein
Wesen im Universum, das man nicht
gleichsam als den gemeinschaftlichen
Mittelpunct für alle übrige ansehen
könne.
Und, setzt ein andrer vollends hinzu,
keines, was nicht so zu Sagen, das für
[Seite 3] die ganze übrige Schöpfung wäre, was
Phidias Bild am Schild seiner künst-
lichen Minerva war, das man nicht
ausheben durfte, wenn nicht das ganze
grosse Werk zusammenfallen sollte!
Eher, sagt Linné, lässt die Natur
neue Arten entstehen. – So hat sie
z.B. da nicht weit von Upsala auf
Södra-Gässkiaeret ein Pflänzchen her-
vor gebracht, die Peloria, das wirklich
so was von einer neuen Schöpfung ist.
Ach, antwortet man ihm, die Natur
ist eine alte Henne, die euch war-
lich heutiges Tages nichts Neues mehr
legen wird.
Freylich nicht, behauptet Haller,
und man muss solche Irrthümer rügen,
weil sie von den Atheisten begierig
aufgeschnappt werden, die aus der Ent-
stehung neuer Gattungen so gut, wie
aus der vorgeblichen Vertilgung alter
Arten gar zu gerne eine Unbeständig-
[Seite 4] keit der Natur erweisen möchten: und
das darf nicht seyn; denn fällt die
Ordnung in der physischen Welt weg,
so ist es um die Ordnung in der mo-
ralischen Welt, und zuletzt um die
ganze Religion gethan.
Wenn auch ich ein Wort drein reden
darf, so glaube ich es ist hier von allen
Seiten der Sache zu viel geschehen.
Der Murex findet sich heute noch
eben so wohl, als zu den Zeiten der
alten Phönicier und Griechen; – Die
Peloria aber ist eine monstrose Spielart
und keine eigne neu entstandne Gat-
tung. – Genau genommen ist die Natur
aber auch eben keine alte Henne, –
und die Schöpfung was Solideres als
jene Statue der Minerva, – und sie
fällt nicht zusammen, wenn gleich eine
Gattung von Geschöpfen ausstürbe oder
eine andere neu erzeugt würde, – und
[Seite 5] es ist mehr als bloss wahrscheinlich,
dass beydes auch wirklich schon wohl
eher erfolgt ist, – und diess Alles ohne
die mindeste Gefährde weder für die
Ordnung in der physischen noch in der
moralischen Welt, noch für die ganze
Religion.
Vielmehr finde ich gerade darin die
Lenkung durch eine höhere Hand am
unverkennbarsten, dass trotz dieser so
genannten Unbeständigkeit der Natur,
dennoch die Schöpfung ihren ewigen
stillen Gang geht, und schon darum
glaube ich lohnt sichs der Mühe, nach-
dem so unendlich viel über die ver-
meinte unveränderliche Ordnung in der
Schöpfung geschrieben worden, auch
einmal an allerhand Beweise von der
grossen Veränderlichkeit in derselben
zu erinnern. Freylich muss ich dabey
etwas weit ausholen.
Fast jeder Pflasterstein in Göttingen
zeugt davon, dass Gattungen – ja
sogar ganze Geschlechter von Thieren
untergegangen seyn müssen. Unser
Kalkboden wimmelt gleichsam von den
mannigfaltigsten Arten versteinter See-
geschöpfe, unter welchen aber meines
Wissens nur eine einzige Gattung ist,
wozu wir noch gegenwärtig ein der-
selben so sehr ähnelndes Geschöpf ken-
nen, dass man es wohl für das Ori-
ginal dazu halten kann; und das ist
diejenige Art von so genannten Bohr-
muscheln (Terebrateln) aus dem mitt-
ländischen und atlantischen Meere, die
wegen ihrer Bildung (– da die eine
der beyden zarten bauchichten Schalen
am Schloss über die andere hinüber ragt,
und so von der Seite angesehen einige
[Seite 7] Aehnlichkeit mit einem Hahne zeigt,
der die Henne tritt, –) den Namen
le coq et la poule erhalten hat*).
Unter dem fast unübersehlichen Herr
der andern versteinten Seethiere, die
ihr Grab in unserm Boden gefunden
haben, sind freylich noch viele (z.B.
unter den Mytiliten, Chamiten, Pecti-
niten etc.), zu welchen die mehrsten
Naturforscher ebenfalls bestimmte Ori-
ginale angeben: allein ich habe bey
diesen das Petrefact mit dem vorgeb-
lichen Original oft genug verglichen,
und es ist meine Schuld nicht, dass ich
beide unverkennbar specifisch von ein-
ander verschieden gefunden habe**).
Bey einer sehr grossen Menge der
übrigen hieländischen Versteinerungen
ist endlich die Bildung so ganz auf-
fallend von allen jetzt bekannten Ge-
schöpfen abweichend, dass sie hoffent-
lich niemand mehr im Ernst unter die-
sen letztern suchen wird*). Ich nenne
[Seite 9] nur zwey Geschlechter derselben Statt
aller, die Belemniten*) nemlich und
[Seite 10] die Ammoniten, von welchen beyden
ich mannigfaltig verschiedne Gattun-
gen aus den mehresten Ländern von
Europa und selbst aus Asien vor mir
habe, und die sich wahrscheinlich auch
in den übrigen Welttheilen [– die In-
seln des fünften ausgenommen*) –]
[Seite 11] finden werden. Man rechnet gegen-
wärtig auf 200 verschiedne Gattungen
im Ammonitengeschlechte, und ich
halte das nicht für übertrieben*), un-
geachtet ich es nie der Mühe werth
gefunden habe, absichtlich nachzuzäh-
len. Und zu keiner einzigen dieser
200 Gattungen ist auch nur je in der
jetzigen Schöpfung ein wahres Origi-
nal gefunden worden. Und da man
an gut erhaltnen Ammoniten offenbar
sieht, dass diess (bey aller ihrer theils
colossalischen Grösse) doch sehr dünn-
schaalige leichte und nicht fest sitzende
Conchylien gewesen seyn müssen, die
nicht, wie man sonst zur Ausflucht
brauchte, in den Tiefen unsrer Meere
[Seite 12] versteckt leben können; und wir nun,
nach den grossen Seereisen wodurch
Se. Majestät der König den fünften
Welttheil grösstentheils entdecken und
die Grenzen unsrer Erde bestimmen
lassen, den Ocean fast besser kennen als
das feste Land unsers Planeten, – so
muss man nach allem diesen der Hoff-
nung wohl entsagen, dass die Origi-
nale zu diesem weitläuftigen Thierge-
schlechte, so wie zu tausenderley an-
dern Petrefacten, noch in unsern Welt-
meeren versteckt leben sollten.
Alles diess zusammen genommen, so
wird es meines Bedünkens mehr als
bloss wahrscheinlich, dass schon ein-
mal nicht nur eine oder die andre
Gattung, sondern eine ganze organisirte
präadamitische Schöpfung auf unserm
Erdboden untergegangen ist. Unter
allen mir bekannten sonstigen Theorien
der Erde ist keine einzige, mit welcher
sich die gedachten augenscheinlichen
Eigenheiten der Petrefacten in unsern
Kalkflözen zusammen reimen liessen;
die hingegen sehr begreiflich werden,
so bald man, wie gesagt, annimmt, dass
unsre Erde schon einmal eine Total-
revolution erlitten, einen jüngsten Tag
[Seite 14] erlebt hat. Versteht sich, dass man
schlechterdings andere so genannte cos-
mogenische Phänomene, wie z.B. die
Menge von fossilen Knochen der Ele-
phanten und Rhinocerosse und anderer
Thiere der heissen Erdstriche, die in
unsern Gegenden ausgegraben werden,
u. dergl. mehr von jener Totalrevolu-
tion genau unterscheiden und abson-
dern muss. Denn das ist, wo ich nicht
irre, bisher immer eine Klippe gewe-
sen, woran auch selbst die scharfsinnig-
sten Theorien der Erde gescheitert sind,
so bald sie alle jene so sehr von ein-
ander verschiedne Phänomene auf eine
einzige gemeinschaftliche Revolution
haben zurückbringen, Alles aus einer
und eben derselben Catastrophe haben
erklären wollen*). Ein eben so scharf-
[Seite 15] sinniger als liebenswürdiger Naturfor-
scher hat neuerlich den Ursprung jener
hieländischen fossilien Knochen auslän-
discher Landthiere und die wirklichen
Versteinerungen von See-Geschöpfen in
unsern Kalkflözen dadurch mit einan-
der verbinden wollen, dass er annimmt,
die jetzige Lagerstätte jener Landthiere
sey nicht ihre ehemalige Heimat ge-
wesen, sondern sie seyen nach ihrem
Tode in Flüsse gerathen und so nach
[Seite 16] und nach auf den damaligen Meeres-
boden durch die Strömungen zusam-
men getrieben worden. Allein dieje-
nigen Gegenden wenigstens, wo ich
selbst die Lagerstätte der grossen exoti-
schen Knochen betrachtet habe, lassen
sich schwerlich mit jener Hypothese
vereinen. So habe ich z.B. bey Burg-
Tonna im Gothaischen das Bette der
beiden a. 1695 und 1799 daselbst aus-
gegrabnen Elephanten untersucht und
gefunden, dass es so ganz durchaus aus
mächtigen Lagen von Mergeltuff be-
steht, die voller kleinen, zarten und
grösstentheils so unversehrten. Land-
und Fluss-Schneckchen u. dergl. sind,
dass ich dieses Bette selbst unmög-
lich für ehemaligen Meeresboden hal-
ten kann: sondern dass wahrscheinlich
die Elephanten und Rhinocerosse und
Schildkröten, von welchen allen ich
aus den Tonnaischen Mergelgruben in-
structive Stücke für meine Sammlung
[Seite 17] mitgebracht habe*) in jener Gegend
zu irgend einer Zeit (wer weiss wie
lange nach der gedachten grossen Total-
revolution,) einheimisch gewesen seyn
müssen.
Diese Totalrevolution von der sich
die unzähligen untergegangnen organi-
sirten Geschöpfe in den Kalkflözen her-
schreiben, bleibt also für sich, von
den nachherigen spätern, die mit der
umgeschaffnen Erde vorgegangen seyn
mögen, ganz verschieden**).
Nachdem also jene organische Schö-
pfung in der präadamitischen Vorzeit
unsers Planeten ihre Bestimmung er-
füllt hatte, so ist sie durch eine Total-
catastrophe seiner Oberfläche oder Rinde
vernichtet worden, die dann so lange
brach gelegen haben mag, bis sie wie-
derum geschickt war, mit neuer Vege-
tation belebt und mit neuer thierischer
Schöpfung beseelt zu werden.
Wie sie zu dieser Reife gediehen
war, dann hat der Schöpfer wohl im
ganzen die gleichen Naturkräfte zur
Hervorbringung der neuen organischen
Reiche wirken lassen, die auch in der
Vorwelt diese Absicht erfüllt hatten.
Nur dass der Bildungstrieb nach dem
durch eine solche Totalrevolution frey-
lich wohl anders modificirten Stoffe
[Seite 20] auch bey Erzeugung der neuen Gattun-
gen eine von der vormaligen mehr
oder weniger abweichende Richtung
hat nehmen müssen*).
Daher finden wir freylich nur zu
sehr wenigen Versteinerungen aus der
Vorwelt ein ganz ähnliches Geschöpf
in der jetzigen Schöpfung, wie z.B.
zu dem oben angeführten Terebratulit
in den hiesigen Kalkbergen die Bohr-
[Seite 21] muschel aus dem atlantischen Ocean;
hingegen eine Menge von solchen Pe-
trefacten die den jetzigen organisirten
Körpern zu ähneln scheinen, und daher,
wie schon gesagt, bey bloss flüchtiger
Vergleichung oft für einerley mit den-
selben angesehen werden, die aber bey
genauer Prüfung unverkennbare speci-
fische Verschiedenheit in ihrer Bildung
zeigen und zum Erweis dienen kön-
nen, wie der Bildungstrieb in diesen
beyden Schöpfungen zwar auf eine
ähnliche – aber nicht auf die gleiche
Weise gewirkt hat.
Und die etwanige Einwendung, ob
nicht dieser Unterschied auch wohl
durch blosse Degeneration in einer
langen Reihe von Jahrtausenden habe
bewirkt werden können, wird sehr
leicht durch diejenigen Beyspiele wi-
derlegt, wo die Verschiedenheit zwi-
schen fossilen und frischen, einander
[Seite 22] im Ganzen ziemlich ähnelnden Con-
chylien doch von der Beschaffenheit
ist, dass sie schlechterdings weder für
eine Folge der Abartung, noch für eine
zufällige Monstrosität, sondern schwer-
lich für etwas anders als für eine ver-
änderte Richtung des Bildungstriebes
gehalten werden kann. Nur gleich eins
dieser Beyspiele statt aller:
In den nordischen Meeren lebt eine
Schnecke, deren ansehnliches Haus
unter dem Nahmen von Murex de-
spectus allgemein bekannt ist; und bey
Harwich am Ufer von Essex findet sich
eine fossile Schnecke, die im Total-
habitus so grosse Aehnlichkeit mit
jenem Murex hat, dass man auf den
ersten Blick eine mit der andern ver-
wechseln könnte. Allein – die frische
Gattung ist, wie gewöhnlich, rechts
gewunden; bey der fossilen hingegen
laufen die Gewinde gerade umgekehrt,
[Seite 23]
links:
*) und es ist eben so unerhört
diesen fossilen Muriciten rechts gewun-
den, als jenen frischen Murex links-
gewunden zu sehen. – So was ist nicht
Folge der Ausartung, sondern Umschaf-
fung durch veränderte Richtung des
Bildungstriebes.
Eine ganze Schöpfung organisirter
Körper ist also einst nach aller Wahr-
scheinlichkeit untergegangen, und eine
neue ist ihr succedirt. Allein auch
selbst in dieser neuen zeigt sich so viele
Veränderlichkeit oder (wie es Haller
oben nannte, aber läugnete), Unbestän-
digkeit der Natur, dass einem schon
à priori wie man sagt, auch hier das
Aussterben ganzer Gattungen und die
neue Entstehung von andern nicht un-
begreiflich fallen dürfte, wenn auch
nicht beydes durch wirkliche data
mehr als bloss wahrscheinlich gemacht
würde.
So fand sich z.B. noch zu unsrer
Väter Zeit auf Isle de France und
einigen benachbarten kleinen Inseln,
[Seite 25] aber sonst, so viel bekannt, nirgend in
der Welt, eine Gattung grosser, plum-
per, träger Landvögel, von widerlichem
Fleisch, die Dudus
*), deren Aufent-
halt um so eingeschränkter war, da sie
so wenig als der Casuar fliegen konn-
ten. Nach den Versicherungen des Hrn.
Morel aber, der deshalb an Ort und
Stelle Untersuchungen angestellt hat,
existirt dieser Vogel jetzt nicht mehr.
Er ist allgemach ausgerottet. – Und
das ist nicht unbegreiflicher und nicht
unwahrscheinlicher, als dass, wie be-
kannt a. 1680. der letzte Wolf in Schott-
land erschossen worden, wo noch hun-
dert Jahr vorher grosse Wolfsjagden
gehalten wurden. So wie schon früher
diese Raubtbiere aus England, und
30 Jahre später auch aus Irland ver-
[Seite 26] tilgt worden sind. So bleiben sich
überhaupt weder die Faunen noch die
Floren (wie man diese Verzeichnisse
einheimischer Thiere und Pflanzen
nennt) in einem Lande beständig gleich!
Genug Geschöpfe verlieren sich aus
einer Gegend, andre werden hinwie-
derum verpflanzt und verbreitet. Seys
absichtlich, so wie z.B. die Karpen
nun in vielen nordlichen Ländern durch
die Kunst naturalisirt worden; oder zu-
fällig, so wie sich die Ratten aus der
alten Welt auch in die neue eingeni-
stelt haben.
Und so hat es gar nichts wider sich,
dass auch in der grossen Universal-
Faune oder Flore der Schöpfung (zu-
mal aber in der erstern) einmal, wie
gesagt, eine Gattung aussterben, dage-
gen aber auch wohl eine neue zu-
weilen gleichsam nacherschaffen wer-
den kann.
Der Finnenwurm im Schweinefleisch*)
den Malpighi zuerst entdeckt hat,
ist in seiner Art ein eben so vollkomm-
nee wahres Thier als der Mensch und
der Elephant in der ihrigen. Nun aber
findet sich, soviel bekannt, dieses Thier
bloss beym zahmen Hausschwein; und
niemalen hingegen bey der wilden Sau,
von der doch jenes abstammt. Dieser
Wurm scheint also eben so wenig der
Stammrasse der Schweine anerschaffen,
als es glaublich ist, dass die ähnlichen
Gattungen von Blasenwürmern, die man
neuerlich eben so wie jene Finnen
mitten im Fleisch und an den Ein-
geweiden menschlicher Leichen gefun-
den, den Stammeltern des Menschen-
geschlechts sollten anerschaffen gewesen
seyn. Wie sie freylich nacherschaffen
worden, das weiss ich eben so wenig
[Seite 28] als wie in den Jünglingsjahren die
ersten Saamenthierchen entstehen: dass
sie aber nacherschaffen worden, scheint
mir unverkennbar, und ich rechne das
zur grossen Veränderlichkeit in der Na-
tur, und diese grosse Veränderlichkeit
selbst zu den wohlthätigsten, weisesten
Einrichtungen des Schöpfers.
Wie eingeschränkt wäre selbst der
Wirkungskreis des Menschen ohne diese
selbst durch ihn zu bewirkende Ver-
änderbarkeit der Natur. Und wie wird
er nun hingegen gerade durch dieselbe
recht Herr und Meister der übrigen
Schöpfung. Um das zu fühlen erin-
nere man sich bloss der erstaunenswür-
digen Umschaffung, die er seit Ent-
deckung der neuen Welt zwischen ihr
und der Alten vorgenommen und aus-
geführt hat.
Auch die Degeneration der Thiere
und Pflanzen von ihrer ursprünglichen
Stammrasse in Spielarten, gehört zu
den auffallenden Erweisen der Verän-
derlichkeit in der Schöpfung.
In der Mitte des sechszehnten Jahr-
hunderts kannte man keine andere
Tulpe in Europa als die gemeine gelbe
Stammart. Und keine 200 Jahre nach-
her hatte schon ein leidenschaftlicher
Liebhaber dieser Blumen, der dama-
lige Markgraf von Baden Durlach bey
dreytausend Abbildungen von verschie-
denen Spielarten derselben zusammen
gebracht*).
Es ist nicht viel länger, seit die er-
sten wilden grünen Canarienvögel aus
[Seite 30] ihrer Heimat nach Europa gebracht
worden, und wie sind schon längst diese
Thiere in die mannichfaltigsten Ver-
schiedenheiten – nicht bloss der Farbe,
sondern auch selbst der Gestaltung –
ausgeartet.
Man hat die Ursachen dieser Ausar-
tung vorzüglich im Einfluss des Clima,
der Nahrung und der Lebensart ge-
sucht, und freylich scheinen manche
Wirkungen dieser drey Dinge auf die
Degeneration unverkennbar. Dass z.B.
im ganzen genommen, das Wachsthum
durch die Kälte zurückgehalten wird,
oder das eigenthümliche Clima einer
oder der andern Weltgegend auch ge-
wisse auszeichnende Wirkungen auf die
in ihr einheimischen organisirten Körper
äussert. Dass. z.B. in Syrien vielerley
Säugthiere ein so auffallend langes und
seidenartiges Haar haben u. dergl. m.
Aber freylich können auch sehr oft
mehrere der angegebenen Hauptursa-
[Seite 31] chen der Degeneration entweder zusam-
mentreffen und einander unterstützen,
oder aber auch die eine der andern
gleichsam entgegenwirken und sie auf-
heben; daher dann freylich von gar
mancherley Phänomenen der Ausartung
keine bestimmte Ursache angegeben
werden kann. Genug, dass die Phäno-
mene selbst nun einmal als unverkenn-
bare Folgen der Veränderlichkeit der
Natur so sind.
Natürlicher Weise haben die Ursachen
der Degeneration auf diejenigen Haus-
thiere am tiefsten und mannichfaltig-
sten wirken müssen, die der Mensch
sich schon seit langen Generationen
und so unterjocht hat, dass sie sich auch
dabey fortpflanzen, nicht wie beym
Elephanten jedes Individuum erst aus
der Wildniss eingefangen werden muss:
und die zugleich fremder Climate ge-
wohnen, nicht wie das Renthier in
ein eingeschränktes Vaterland wie ge-
bannt sind.
Das gemeine Hausschwein kann hier
zu Einem Beyspiel statt aller dienen,
das ich um so lieber wähle, da die
Abstammung dieses Thiers weit unbe-
zweifelter ist als bey vielen andern.
[Seite 33] Der Hund z.B. artet zwar auch selbst
unter unsern Augen mannichfaltig aus,
allein, es ist auch nicht völlig ausge-
macht, und schwerlich jemals ganz aus-
zumachen, ob alle Hunde blosse Spiel-
arten von einer und eben derselben
Gattung sind oder nicht. Manche grosse
Naturforscher haben bekanntlich den
Schäferhund als die gemeinschaftliche
Stammrasse für alle übrigen angesehen:
andere haben sogar den Wolf und
Schackal mit zu den Hunden gezählt:
noch andere hingegen finden es nicht
unwahrscheinlich, mehr als eine Stamm-
rasse von Hunden selbst, anzunehmen.
Und allerdings hat meines Bedünkens
die letztere Meinung viel für sich.
Nicht zwar die Verschiedenheit der Bil-
dung unter den Hunderassen an und
für sich; denn wie sehr kann die nicht
seit den langen Jahrtausenden, da der
Mensch schon dieses Thier, [das sich
vielleicht nirgend mehr ursprünglich
[Seite 34]
wild
*) findet,] mehr als irgend ein
anderes in seinen nähern Umgang ge-
zogen und theils mit sich in fremde
Climate verpflanzt hat, abgeändert wor-
den seyn: aber das scheint mir ein
Grund für mehr als eine ursprüngliche
[Seite 35] Rasse der Hunde abzugeben, dass man-
che, wie z.B. der Dachshund, einen
so ausgezeichneten und zu bestimmten
Verrichtungen abzweckenden Körper-
bau haben, dass ich mich schwer-
lich überzeugen kann, diese auffallende
Bildung für eine zufällige Folge der
Degeneration und nicht vielmehr für
einen zweckmässigen den Endabsichten
entsprechenden folglich ursprünglichen
Bau*) zu halten.
Beym Schwein hingegen ist die Stärke
der blossen Degeneration sicherer zu
übersehen; da meines Wissens noch kein
Naturforscher mit seinem Scepticismus
dahin verfallen ist, zu bezweifeln, dass
unsre Hausschweine vom wilden Eber
abstammen; und überdem diess eins
von den Thieren ist, die vor Ankunft
der Spanier in America daselbst unbe-
kannt waren, und erst aus Europa dahin
[Seite 36] verpflanzt worden; mithin sich hier die
Kürze der Zeit unwiderredlich bedo-
cumentiren lässt, binnen welcher die
nun in jenen Welttheil verpflanzten
Schweine theils zum Wunder in die
sonderbarsten Spielarten degenerirt sind.
Diejenigen z.B. die a. 1509 aus Spanien
auf die wegen der Perlenfischerey da-
mals allgemein berühmte westindische
Insel Cubagua gebracht wurden, arte-
ten in eine abentheuerliche Rasse aus,
mit Klauen die auf eine halbe Spanne
lang waren*).
Die auf Cuba wurden mehr als noch
einmal so gross, als ihre Europäischen
Stammeltern**) u.s.w.
Nun und wie ist nicht vorher in der
alten Welt das zahme Schwein vom
[Seite 37] wilden ausgeartet; in seinen Bedeckun-
gen, besonders in Rücksicht der Woll-
haare zwischen den Borsten; in der so
auffallend verschiedenen Form des Sche-
dels; selbst im ganzen Wuchs etc.
Und wie verschieden endlich wie-
derum die Varietäten des Hausschweins
selbst, das z.B. im Piemontesischen fast
ohne Ausnahme schwarz ist; in Bayern
rothbraun; in der Normandie weiss
u.s.w. – wie sehr anders der Wuchs
der Schweine in England mit dem aus-
geschweiften Rücken und hängenden
Bauch von denen im nordlichen Frank-
reich, die sich von jenen durch die
hochemporstehende Croupe und nieder-
hängenden Kopf, und beyde sich wie-
der von dem Schwein in Deutschland;
auszeichnen. Des Schweins mit un-
gespaltenen Klauen, dergleichen sich
in Ungern und Schweden Herdenweis
finden und das schon Aristoteles
kannte, so wie anderer seltnerer Spiel-
arten zu geschweigen.
Warum aber artet gerade das Schwein
so auffallend aus? warum so weit mehr
als doch manches andre Hausthier? Die
Lösung dieses Problems fliesst aus dem
Obgesagten von selbst. Eben darum,
weil gerade jenes Thier den Ursachen
der Degeneration weit mehr als man-
che andre ausgesetzt ist. Kein anderes
unsrer insgemein so genannten Haus-
thiere hat einen so vielfachen Einfluss
der Climate erfahren als das Schwein;
denn keines derselben ist so wie die-
ses in alle fünf Welttheile verbreitet.
Keins ist so der Einwirkung der ver-
schiedensten Nahrungsmittel unterwor-
fen; denn keins ist so wie das Schwein
animal omnivorum u.s.w.
Nur Ein Hausthier gibt es noch
[– ein Hausthier im wahren Sinn,
wenn gleich nicht im gewöhnlichen
Sprachgebrauch dieses Worts*) –] das
auch hierin alle andere übertrifft und
das ist der Mensch. –
Der Unterschied zwischen ihm und
andern Hausthieren ist nur der, dass
[Seite 40] diese nicht so wie er von der Natur
selbst gleich zum Hausthier erschaffen
ganz dazu gebohren sind. Man kennt
den bestimmten natürlichen wilden Zu-
stand der allermehresten Hausthiere.
Aber man kennt nicht einen bestimm-
ten natürlichen wilden Zustand des
Menschen*). Denn es gibt keinen,
weil ihn die Natur in nichts beschränkt,
sondern für jede Lebensart, für jedes
Clima und für die mannichfaltigste
Nahrung geschaffen, ihm die ganze
weite Welt zur Heimath, und beyde
organisirte Reiche zur Nahrung frey-
gestellt hat.
Folglich ist aber auch ausser ihm
kein zweytes Thier in der Schöpfung,
auf dessen solidum vivum so unendlich
[Seite 41] mannichfaltige stimuli
*) als eben so
unendlich mannichfaltig concurrirende
Ursachen der Ausartung wirkten.
Zur Empfänglichkeit für jene stimu-
los wird das solidum vivum durch die
ihm beywohnenden Lebenskräfte ge-
schickt gemacht, deren verschiedene,
wenn gleich innig in einander wir-
kende Arten ich schon anderswo aus-
einander zu setzen und genauer zu
bestimmen gesucht habe*).
Unter diesen ist die allerallgemeinste,
die durch beyde Reiche organisirter
Geschöpfe herrscht, die Contractilität,
ungefähr das was sich Stahl, einer
der tiefdenkendsten Physiologen, unter
seinem nur nicht genug bestimmten
[Seite 43]
Tonus oder nachher die Leidner Schule
unter dem Namen Actuositas dachte.
Der Sitz dieser allgemeinsten Lebens-
kraft ist das Schleimgewebe
*) (das ins-
gemein, aber unrichtig so genannte
Zellgewebe) das die Grundlage fast des
ganzen organisirten Körpers macht, so
dass z.B. im menschlichen Körper ausser
dem Schmelz der Zähne und etwa den
äussersten Bedeckungen der Haut, alle
übrige Theile hauptsächlich aus Schleim-
gewebe bestehen, das mit den andren
Stoffen so zu sagen nur wie durchzo-
gen und getränkt ist.
Auch ist das Schleimgewebe der erste
organische Stoff, den die Natur aus den
unorganischen Säften bildet. So formt
sie z.B. die ausgeschwitzte plastische
Lymphe in Lungenentzündungen erst
zum lockern Schleimgewebe, und die-
[Seite 44] ses dann zu so genannten Pseudomem-
branen mit wahren Blutgefässen etc.
Die grössere oder mindere Geschmei-
digkeit des Schleimgewebes ist aber so-
wohl nach dem verschiedenen Lebens-
alter, als nach der specifischen Ver-
schiedenheit der Gattungen von orga-
nisirten Körpern selbst gar sehr ver-
schieden. Beym Aal ist es z.B. un-
endlich zäher als bey der Forelle etc.
Nun aber ist es eine Bemerkung, die
schon vorlängst von scharfsichtigen Zoo-
tomen, z.B. von unserm seel. Zinn
gemacht worden, dass der Mensch, in
Vergleich zu andern Geschöpfen, die
ihm in Rücksicht der körperlichen
Oeconomie zunächst verwandt sind, zu
den übrigen Säugthieren nemlich, ce-
teris paribus das feinste, geschmei-
digste Schleimgewebe hat. Wohlver-
standen, ceteris paribus, d.h. man
muss nicht etwa einen alten Zigeuner
[Seite 45] mit einem ungebornen Lamme ver-
gleichen wollen.
Diese ausnehmende Geschmeidigkeit
des Schleimgewebes und die davon
abhängende vorzügliche Beschaffenheit
der allgemeinsten Lebenskraft ist, wie
mir deucht, eine der allerauszeichnend-
sten und grössten Vorzüge des Men-
schen. Der Vorzug, wodurch et gerade
zu seiner grossen Bestimmung, die
ganze Erde bewohnen zu können, ge-
schickt wird. Ungefähr so wie die Ge-
traidearten bey ihrem zärtern, geschmei-
digen Zellgewebe eher der verschieden-
sten Climate gewohnen, als die festere
Ceder und Eiche.
Da aber auch zugleich dieses beym
Menschen so ausnehmend geschmei-
dige Gewebe, wie gesagt, die erste und
wichtigste Hauptwerkstätte des Bildungs-
triebes ist, so begreift sich aus allem
diesen zusammengenommen, warum der
[Seite 46] Mensch folglich auch in Bildung sei-
nes Körpers und der Theile dessel-
ben so mannichfaltiger Degeneration in
Spielarten, ausgesetzt ist.
Nicht unwahrscheinlich liegt auch
darin die Ursache, warum das Schwein
fast wie der Mensch in den mannich-
faltigsten Zonen lebt, aber auch folg-
lich, fast wie er, mannichfaltig aus-
artet; wenigstens zeigt sich eben in
Rücksicht des Schleimgewebes beyder
Geschöpfe manche merkwürdige Aehn-
lichkeit, die z.B. bey der eigentlichen
Haut (corium) die im Grunde doch
nichts andres ist, als das verdichtete,
mit Nerven und Gefässen durchwebte,
Schleimgewebe der äussern Oberfläche
des Körpers, recht auffallend scheint.
Vielleicht liegt auch darin die seit Ga-
len's Zeiten so oft versicherte Aehn-
lichkeit des Geschmacks zwischen Men-
schen- und Schweinefleisch u. dergl. m.
Warum hingegen diese beyden Ge-
schöpfe von tausend andern Seiten,
auch ausser der körperlichen Bildung,
so sehr von einander verschieden sind,
wird niemand fragen, der die auszeich-
nenden eigenthümlichen Vorzüge aus
der Physiologie kennt, wodurch der
Mensch, besonders auch in Rücksicht
der übrigen edlern Arten von Lebens-
kräften, der Reaction des Sensorii u.s.w.
über die ganze übrige thierische Schö-
pfung erhaben wird.
Es hat Leute gegeben, die ganz ernst-
lich dawider protestirt haben, ihr eignes
werthes Ich mit Negern und Hotten-
totten in eine gemeinschaftliche Gat-
tung (Species) im Natursystem gesetzt
zu sehen. Und wiederum hats andere
Leute gegeben, die gar kein Bedenken
getragen haben, sich und den Orang-
utang für Geschöpfe einer und eben
derselben Gattung zu erklären.
Denn so sagt z.B. der berühmte Phi-
losoph und kreuzbrave Grillenfänger,
Lord Monboddo mit dürren Wor-
ten: ‘“Es ist meines Bedünkens unwi-
derredlich erwiesen, dass die Orang-
[Seite 49] utangs mit unser einem zu einer-
ley Species gehören.”’
*)
Hingegen konnte ein andrer (nur
nicht so kreuzbraver) Grillenfänger, der
weltberühmte philosophus per ignem
Theophrastus Paracelsus Bom-
bastus nicht begreifen, dass alle Men-
schenkinder zu einer und derselben
Stammrasse gehören sollten, und schuf
sich daher zur Lösung dieses Zweifels
auf dem Papier seine zwey Adame.
Nun könnte es zwar wohl schon für
manchen etwas zur Beruhigung über
diese allgemeine Familien-Angelegen-
heit beytragen, wenn ich drey Philo-
sophen ganz anderer Art nennte, die,
so sehr verschieden sie auch sonst in
manchen ihrer übrigen Meinungen wa-
ren, doch in diesem Punct vollkom-
[Seite 50] men miteinander übereinstimmten; ver-
muthlich weil es ein Gegenstand der
Naturgeschichte ist, und alle dreye die
grössten Naturkenner waren, die die
Welt neuerlich verloren hat: Haller,
Linné und Büffon.
Alle dreye hielten den Menschen vom
Orangutang himmelweit verschieden,
und hingegen alle wahre Menschen,
Europäer, Neger etc. für blosse Spiel-
arten einer und ebenderselben Stamm-
gattung.
Aber den mehresten Lesern ist wohl
mehr damit gedient, wenn sie hier
statt dreyer Namen, die drey Haupt-
regeln finden, die ich bey meinen Un-
tersuchungen über diesen Gegenstand
immer, und wie ich zu glauben Ur-
sache habe, mit dem grössten Nutzen
befolgt, und dadurch manchen sonst
ziemlich gemeinen Fehlschluss dabey
glücklich vermieden habe.
I. Man muss bey dieser Untersuchung
durchaus immer die Physiologie der
organisirten Körper überhaupt vor Au-
gen haben: darf nicht bloss am Men-
schen haften bleiben, und thun, als
wenn er der einzige organisirte Körper
in der Natur wäre; und etwa die Ver-
schiedenheiten in seinem Geschlecht
befremdend und räthselhaft finden, ohne
zu bedenken, dass alle diese Verschie-
denheiten nicht um ein Haar auffal-
lender oder ungewöhnlicher sind, als
die, worin so viele andre Gattungen
von organisirten Körpern, gleichsam
unter unsern Augen ausarten!
II. Man darf nie bloss ein paar recht
auffallend gegen einander abstechende
Menschenrassen ausheben, und diese
nun, mit Uebergehung der Mittelrassen,
die die Verbindung zwischen jenen
machen, so allein gegen einander auf-
stellen: sondern man muss nie verges-
[Seite 52] sen, dass auch nicht eine einzige der
körperlichen Verschiedenheiten bey ir-
gend einer Menschenvarietät sey, die
nicht durch so unendliche Nüancen
allmählich in der andern ihre über-
fliesst, dass derjenige Naturforscher oder
Physiologe wohl noch geboren werden
soll, der es mit Grund der Wahrheit
wagen dürfte eine bestimmte Grenze
zwischen diesen Nüancen und folglich
selbst zwischen ihren Extremen fest-
zusetzen.
III. Da bey Bestimmung der Varie-
täten im Menschengeschlecht, so gut
wie in der übrigen Naturgeschichte
ohne anschauliche Kenntnisse kein siche-
rer fester Tritt gedacht werden kann,
so ist es seit der guten Reihe von
Jahren, da ich mich mit dieser Unter-
suchung abgebe, die dritte Hauptregel
für mich gewesen, alles anzuwenden,
um mir immer mehr und mehr Sub-
[Seite 53] sidien zu diesem Behuf aus der Natur
selbst zu verschaffen.
Denn alle die Nachrichten die man
darüber, wenn auch mit möglichst cri-
tischer Vorsicht aus andern schöpft, sind
im Grunde doch für den wahrheit-
suchenden Naturforscher nichts mehr
und nichts weiter als eine Art sym-
bolischer Bücher, die er mit gutem
Gewissen nicht anders als quatenus
unterschreiben kann, in so fern sie
nämlich mit dem geoffenbarten Buch
der Natur übereinstimmen; und um
diess zu beurtheilen, muss er sich in
diesem Buch so viel Belesenheit und da-
durch eben so viel Erfahrung, als mög-
lich, verschaffen; und das habe denn
auch ich in meinem Studium der Na-
turgeschichte des Menschengeschlechts
nach bestem Vermögen zu thun gesucht.
Der Erfolg dieses eifrigen Bestrebens
hat alle meine anfänglichen Hoffnungen
[Seite 54] übertroffen, so dass ich mich nun im
Besitz einer Sammlung zur Naturge-
schichte des Menschengeschlechts finde,
die an zweckmässiger instructiver Voll-
ständigkeit die erste und meines Wissens
bis jetzt noch die einzige in ihrer
Art ist.
Ueberhaupt zwar hält es schwer zu
begreifen, wie bey dem Eifer, womit
die Naturgeschichte zu allen Zeiten bey
allen wissenschaftlich cultivirten Völ-
kern bearbeitet worden, doch die Na-
turforscher sogar spät erst inne worden
sind, dass auch der Mensch ein Natur-
geschöpf sey, und folglich wenigstens
eben sowohl wie irgend ein andres
ebenfalls aus naturhistorischer Rücksicht,
nach der Verschiedenheit seiner Ras-
sen, körperlichen Nationaleigenheiten
u. dergl. behandelt zu werden verdiene.
Denn noch in den vorletzten Jahrhun-
derten haben selbst die grossen natur-
historischen Polygraphen, Gesner,
Aldrovandi, Jonston und Ray in
ihren zahlreichen, theils gar volumi-
[Seite 56] nösen und immer classischen Werken
die Geschichte aller drey Naturreiche
umfasst, alles – nur einzig und allein
die Naturgeschichte des Menschen selbst
ausgenommen. Und irre ich nicht, so
war kein Naturforscher von Profession,
sondern ein Mathematiker in Upsala,
Harald Wallerius der Erste, der
endlich zu Anfang des vorigen Jahrhun-
derts in einer für jene Zeit gar wackern,
und in der Geschichte der Naturge-
schichte epochemachenden Schrift*)
diese so wunderlang offen gebliebne
Lücke zu füllen versucht hat.
Aber nicht minder wunderbar ist es,
dass noch lange Decennien hernach die
Naturaliensammler, deren übrigens gren-
[Seite 57] zenlose Liebhaberey oft in Luxus, und
nicht gar selten in Spielerey ausgeartet
ist, doch um ihre Schränke zu füllen,
immer eher auf alles andre in der wei-
ten Schöpfung Jagd gemacht, als irgend
auf das was zu Belegen für die Natur-
geschichte des Menschengeschlechts und
seiner Verschiedenheiten dienen muss*).
Dass die Anschaffung eines belehren-
den zweckmässigen Apparats für dieses
Fach mit ungleich grössern Schwierig-
keiten verknüpft ist als bey den meh-
resten andern Fächern der Naturalien-
sammlungen, das liegt freylich am Tage:
dass sie aber bey beharrlichen Eifer des
Sammlers und der thätigen Theilnahme
von Männern die Gelegenheit haben
ihm zu seinem Zweck behülflich zu
seyn, nicht unüberwindlich sind, davon
gibt der ansehnlichste Theil meiner
anthropologischen Sammlung, der näm-
lich die Schädel fremder Völkerschaf-
ten begreift, einen sehr auffallenden
Beweis.
Zwey Fragen die beym Besehen der-
selben wohl eher an mich geschehen
[Seite 59] sind, was sich nämlich wohl alles aus
dieser Sammlung folgern lasse, und
dann, wie man sich von der Aechtheit
exotischer Schädel versichern müsse,
diese beiden Fragen sind so natürlich
und so vernünftig, dass ihre Beant-
wortung auch wohl hier eine passende
Stelle findet.
Mir hat diese Sammlung unter an-
dern schon genutzt
1) selbst zu Bestimmung eines kör-
perlichen Hauptcharacters der Humani-
tät, den ich im prominirenden Kinne
und der dadurch bewirkten aufrechten
Stellung der untern Vorderzähne gefun-
den zu haben glaube. Den Thieren
kann kaum ein eigentliches Kinn in
Vergleich mit dem menschlichen zuge-
schrieben werden; und bey Menschen,
die wie man zu sagen pflegt, gleich-
sam was äffisches in ihrer Gesichtsbil-
dung zu haben scheinen, liegt diess ge-
[Seite 60] meiniglich in einem stark zurückge-
zognen Kinne. Die obern Vorderzähne
haben bey gar manchen Völkerschaften
verschiedner Rassen eine mehr oder
weniger schräge Richtung, da hingegen
die untern bey allen mir bekannten
vertical stehen.
2) Eben so zur Bestimmung der schön-
sten wirklichen Schädelform, die z.B.
an meinem bildschönen Kopfe einer
jugendlichen Georgianerin, jedes für
so was nur irgend empfängliches Auge
von selbst anzuziehen pflegt.
3) Zu einem Hauptbeweis für die
Identität des Menschengeschlechts im
Ganzen, da auch hier die grenzenlosen
Uebergänge zwischen den beiden Ex-
tremen in der physischen Nationalscale
desselben, vom Calmücken zum Neger
wie unmerklich in einander greifen.
4) Aber demnächst auch zum Erweis
der natürlichen Eintheilung des ganzen
[Seite 61] Geschlechts in die fünf Hauptrassen, von
welchen im nächstfolgenden Abschnitt
die Rede ist,
und 5) der Mischung dieser Rassen
unter einander, die sich z.B. an den
Schedeln der Cosacken, Kirgisen etc.
eben so deutlich ausspricht als etwa
bey den Mulatten.
6) Zur Widerlegung mancher irrigen
Behauptungen von vermeinter Aehn-
lichkeit der Bildung und daraus ge-
folgerter Verwandschaft zwischen ent-
fernten Völkerschaften, wie z.B. zwi-
schen den alten Aegyptiern und den
Schinesen, oder zwischen diesen und
den Hottentotten etc.
Hingegen 7) allerdings zu nähern
Aufschluss über die wahrscheinliche Ab-
stammung räthselhafter Völkerschaften,
wie z.B. der alten Guanchen auf den
glückseligen Inseln von dem Libyschen
Stamme der alten Aegyptier.
Denn das lehrt 8) die Vergleichung
der Mumienschädel mit den Kunstwer-
ken der Aegyptier, dass sich bey diesen
dreyerley gar auffallend von einander
abweichende Nationalbildungen unter-
scheiden lassen, deren eine mehr der
Habessinischen, so wie die andre der
Hindustanischen, und die dritte der
Berber (alten Libyer) ihrer ähnelt.
9) Dient auch diese Sammlung zur
Erklärung mancher physiologischen Na-
tionaleigenheiten, wie z.B. die sehr
weiten geräumigen Windungen in der
Nasenhöhle der so scharfriechenden Ne-
ger und Nordamericanischen Indianer.
So wie 10) zum Erweis der neuer-
lich hin und wieder bezweifelten, aller-
dings bleibenden Unform die manche
wilde Völker, wie namentlich die Ca-
raiben und Choktahs den Köpfen ihrer
Kinder, durch anhaltendes pressen und
binden, ankünsteln.
Von dem vielartigen andern Intresse
das der Anblick dieser Schädelsamm-
lung gewährt, gedenke ich nur des
freylich traurigen – dass sie so man-
che Reliquie von weiland respectablen
Völkern enthält, die nun von ihren
Ueberwindern nach und nach immer
mehr und theils schon fast ganz auf-
gerieben worden, wie eben die Carai-
ben auf den westindischen Inseln, die
Guanchen auf den Canarischen u.a.m.
denen es ergangen wie einigen nütz-
lichen Abarten von Hausthieren, z.B.
den grossen Irländischen Windspielen
und den St. Bernhards-Hunden, als
welche auch nun aus der Schöpfung
vertilgt scheinen.
Was die andere der beiden oben er-
wähnten Fragen betrifft, so beantwortet
sich diese am kürzesten dadurch, dass
jeder Schädel numerirt ist und in einer
besondern Sammlung von dazu gehö-
[Seite 64] rigen Belegen seinen eben so bezeich-
neten Umschlag hat, der alle dazu ge-
hörigen Certificate enthält, die Origi-
nalbriefe u.a. Notizen, Vergleichung
sowohl mit porträtmässigen Abbildun-
gen*), von welchen ich selbst einen
[Seite 65] seltnen Apparat zusammengebracht, als
mit den characteristischen Schilderun-
gen der genauesten Natur- und Reise-
beschreiber; kurz alles was zu einer so
strengen Gewähr gehört, wie sie in den
bisher von dieser Sammlung bekannt
gemachten Decaden geleistet worden.
Uebrigens ist aber auch bey der Auf-
stellung dafür gesorgt, dass, wo es
nur möglich gewesen von wilden Völ-
kerschaften mehr als Einen Schädel
[Seite 66] zu erhalten, dieselben wenigstens Paar
und Paar beysammen stehen, um gleich
auf den ersten Blick die constante
Aehnlichkeit zu zeigen, mit welcher
immer die Köpfe eines jeden dieser
sich nur unter einander vermischen-
den Völker, was ihren Nationalcha-
racter betrifft, gleichsam wie aus Einer
Form gegossen erscheinen. Um so leich-
ter und um so sicherer sind sie dann
auch von einander zu unterscheiden
und zu erkennen, so dass sich hof-
fentlich niemand beym Anblick dieser
Sammlung in dem Fall des erhenkten
Cynikers Menippus*) finden wird, der
bey seiner Ankunft in die Unterwelt
von den dort angesammelten Schädeln
meynte, es sähe halter einer aus wie
der andre, und selbst der schönen He-
lena ihren darunter auszufinden zu
stumpfsinnig war.
Nun wieder auf die obigen drey
Regeln zu kommen, die eben den
Anlass zu dieser Excursion gegeben ha-
ben, so bin ich bey der vieljährigen
fleissigsten Beobachtung derselben zwar
zu keiner neuen frappanten Entdeckung,
aber was mir für mein Studium eben
so lieb seyn muss, zur Ueberzeugung
von einer alten nur neuerlich hin und
wieder bezweifelten naturhistorischen
Wahrheit gekommen.
Ich finde nämlich nach allem was
ich, soviel möglich zuförderst durch
anschauliche Kenntniss, und wo ich
mir diese nicht verschaffen konnte, aus
den Nachrichten fähiger und glaub-
würdiger Zeugen, über die körperli-
chen Verschiedenheiten im Menschen-
[Seite 68] geschlecht, gelernt und mit den kör-
perlichen Verschiedenheiten bey andern
Gattungen von organisirten Körpern,
zumal unter den Hausthieren verglichen
habe, – keine einzige Verschiedenheit
bey jenem die man nicht auch bey
manchen von diesen und zwar als un-
verkennbarste Folge der Ausartung, be-
merken sollte.
Folglich sehe ich auch nicht den
mindesten Scheingrund, warum ich,
die Sache naturhistorisch und physio-
logisch betrachtet, nur irgend bezwei-
feln dürfte, dass alle Völker aller be-
kannten Himmelsstriche zu einer und
eben derselben gemeinschaftlichen Gat-
tung (Species) gehören.
So gut man aber die Rassen und
Abarten von Pferden und Hühnern,
von Nelken und Tulpen classificirt, eben
so füglich doch wohl auch die Spiel-
arten die im Menschengeschlecht aus
[Seite 69] seiner gemeinschaftlichen Stammgat-
tung entstanden sind.
Nur dass, da alle auf den ersten
Blick auch noch so auffallende Ver-
schiedenheiten im Menschengeschlecht
bey näherer Beleuchtung durch die un-
merklichsten Uebergänge und Mittel-
Nüancen in einander fliessen, keine
andere als sehr willkührliche Grenzen
zwischen diesen Spielarten gezogen
werden können, zumal wenn man wie
billig dabey nicht bloss auf eine oder
die andere, sondern nach den Eigen-
schaften eines natürlichen Systems auf
alle körperliche Kennzeichen zugleich,
Rücksicht nimmt.
So weit ich mir inzwischen die Völ-
ker der Erde bekannt zu machen ge-
sucht habe, so lassen sie sich meines
Bedünkens am allernatürlichsten unter
folgende fünf Hauptrassen bringen:
Die Europäer mit Ausschluss der
Lappen und übrigen eigentlichen Fin-
nen und die westlichen Asiaten, dies-
seits des Ob, des Caspischen Meers
und des Ganges, nebst den Nord-
Africanern. Mit einem Wort unge-
fähr die Bewohner der den alten
Griechen und Römern bekannten
Welt. Sie sind von Farbe mehr oder
weniger weiss, mit rothen Wangen,
und nach den Europäischen Begrif-
fen von Schönheit an Gesichts- und
Schädelform*) die bestgebildetsten
Menschen.
Die übrigen Asiaten mit Ausnahme
der Malayen nebst den Lappen in
[Seite 71] Europa und den Eskimos im nord-
lichsten America von der Berings-
strasse bis Labrador und Grönland.
Sie sind meist waizengelb, mit we-
nigen, straffen, schwarzen Haar, ha-
ben platte Gesichter mit seitswärts
eminirenden Backenknochen und eng-
geschlitzte Augenlieder.
Die übrigen Africaner; mehr oder
weniger schwarz, mit meist krausen
Haar, vorwärts prominirenden Kie-
fern, wulstigen Lippen, und stum-
pfer Nase.
Die übrigen Americaner; meist Joh-
braun oder wie angelaufnes Kupfer,
mit straffen schlichten Haar und brei-
tem aber dabey nicht plattem Gesicht,
sondern stark ausgewirkten Zügen.
Die Südsee-Insulaner oder die Be-
wohner des fünften Welttheils, bis
[Seite 72] wieder gen Ost-Indien, mit Inbegriff
der eigentlichen Malayen. Sie sind
meist von brauner Farbe (vom hel-
len Mahagoni bis ins dunkelste Ca-
stanienbraun) mit dichten schwarz-
lockichten Haarwuchs, breiter Nase
und grossen Mund.
Jede dieser fünf Hauptrassen be-
greift übrigens wieder ein und das
andre Volk das sich durch seine Bil-
dung mehr oder minder auffallend
von den übrigen derselben Abthei-
lung auszeichnet. Und so könnten
z.B. die Hindus von der Caucasi-
schen; die Schinesen und Japaner
von der Mongolischen; die Hotten-
totten von der Aethiopischen; so wie
die Nordamericaner von denen in
der südlichen Hälfte der neuen Welt;
und die schwarzen Papus auf Neu-
holland etc. von den braunen Uta-
heiten u.a. Insulanern des stillen
Oceans, als eigne Unterarten abge-
sondert werden.
Auch Gottes Ebenbild, wie Fuller
sagt, wenn gleich aus Ebenholz ge-
arbeitet.
Man hat diess zuweilen bezweifeln
und dagegen behaupten wollen, die
Negern seyen in ihrem Körperbau spe-
cifisch von den übrigen Menschen ver-
schieden und müssten diesen auch in
der Anlage ihrer stumpfern Geistesfähig-
keiten bey weiten nachstehen.
Eigne Beobachtung, verglichen mit
den Nachrichten glaubwürdiger präju-
dizloser Zeugen, haben mich aber längst
vom Ungrund dieser beiden Behauptun-
gen überführt.
Ich brauche nicht alles das zu wie-
derholen, was ich anderwärts ausführ-
lich zur Widerlegung derselben gesagt
[Seite 74] habe*): nur eins und das andre darf
ich nicht ganz unberührt lassen.
Ich kenne z.B. keinen einzigen aus-
zeichnenden körperlichen Character der
den Negern eigenthümlich wäre, und
sich nicht auch bey manchen andern
noch so entfernten Völkerschaften fin-
den sollte: keinen, der den Negern
in gleichem Grade gemein wäre, und
worin sie nicht wiederum mit andern
Völkern durch unmerkliche Uebergänge
gleichsam zusammenfliessen sollten, so
wie jede andre Menschenvarietät mit
ihren benachbarten Völkerschaften zu-
sammen fliesst.
Die Farbe der Haut z.B. haben sie
mit den Einwohnern von Madagascar-
Neu-Guinea, Neu-Holland etc. mehr
oder weniger gemein. Und von den
schwärzesten Negern in Nord-Guinea
geht das durch unmerkliche Nüancen,
bis endlich zu den Mauren, unter
welchen manche, zumal die Weiber,
nach Shaw's Versicherung die weis-
seste Haut haben, die man sich vor-
stellen kann.
Das krause Wollhaar ist erstens be-
kanntlich nicht allen Negern gemein,
denn selbst von denen in Nigritien
sagt Barbot, dass sie theils krauses,
theils schlichtes Haar haben; und eben
das bestätigt Ulloa von den Negern
im Spanischen America. Zweytens aber
ist das so genannte Wollhaar auch bey
weiten nicht etwa den Negern eigen,
sondern findet sich eben so bey man-
chen Völkern der fünften Rasse, wie
z.B. bey den Ygoloten auf den Phi-
[Seite 76] lippinen, bey den Einwohnern der
Charlotten-Inseln, des van Diemen's
Landes u.a.m. und eben so auch bey
manchen von der dritten Varietät die
doch nicht zu den Negern gezählt
werden. So bey manchen Habessi-
niern, wie z. E. beym berühmten Abba
Gregorius von welchem ich das
schöne Bildniss, das Heiss 1691 nach
van Sand gestochen, vor mir habe*).
Und so sagt auch Sparrmann von
den Hottentotten, dass ihr Haar noch
mehr Wollartig sey als der Neger ihres;
das ich durch die Gemählde von Hot-
tentotten und Caffern bestätigt finde,
die vor mehrern Jahren mit dem Pflan-
zentransport vom Cap an den Kaiser
Joseph II. geschickt worden, und
wovon ich durch die Güte des Herrn
[Seite 77] Bergrath von Jacquin genaue Co-
pien erhalten habe.
Was die Gesichtsbildung der Neger
betrifft, so ist freylich der Abstand auf-
fallend, wenn man gerade einen häss-
lichen Neger (deren es freylich so gut
gibt als hässliche Europäer) einem grie-
chischen Ideal entgegen stellt. Aber
diess ist eben gegen eine der obigen
Regeln gefehlt. Sobald man hingegen
auch hier die Uebergänge verfolgt, so
schwindet das Auffallende zwischen
zwey gegen einander contrastirenden,
Extremen gar sehr, – und freylich
Extreme müssen hier so gut seyn als
bey allen andern Geschöpfen die in
mancherley Rassen und Varietäten aus-
arten. –
Hingegen kann ich versichern, dass
unter den Negern und Negressen die
ich mit Aufmerksamkeit betrachten
können, und ich habe ihrer nicht
[Seite 78] wenige gesehen, so wie unter den por-
trätmässigen Abbildungen und Silhouet-
ten von andern, und unter den sieben
Schädeln von erwachsenen Negern in
meiner Sammlung und denen die mir
sonst vorgekommen, oder wovon ich
Zeichnungen und Kupferstiche vor mir
habe, schwerlich zweye sind die ein-
ander in der Bildung völlig glichen,
sondern dass sie alle mehr oder weniger
von einander verschieden sind, und
durch mancherley Abstufungen mit der
Gestaltung andrer Menschenkinder bis
zur angenehmsten Bildung unvermerkt
zusammen fliessen. Von der Art war
z.B. eine Creole die ich in Yverdun
beym Hrn. Chevalier Treytorrens
gesprochen, die derselbe mit aus St.
Domingo gebracht und deren beide
Aeltern aus Congo waren. Ein Ge-
sicht, das durchaus – selbst in der Nase
und den etwas stärkern Lippen, –
doch so gar nichts auffallendes, ge-
[Seite 79] schweige denn unangenehmes hatte,
dass die gleichen Züge bey einer weissen
Haut, gewiss allgemein gefallen haben
müssten, gerade so wie le Maire in
seiner Reise nach Senegal und Gambien
sagt: dass es Negressen gebe, die, von
der Farbe abstrahirt, so wohl gebildet
seyen als unsre Europäischen Damen.
Auch Adanson, dieser genaue Natur-
forscher, bestätigt diess von den Sene-
gambischen Negressen: ‘“sie haben”’ sagt
er, ‘“schöne Augen, kleinen Mund und
Lippen, und wohl proportionirte Ge-
sichtszüge: man findet welche von
einer vollkommenen Schönheit*): sie
sind voll Lebhaftigkeit und haben vor-
züglich einen leichten freyen gefälli-
gen Anstand.”’ Nun gerade so war die
Negresse in Yverdun und mehrere an-
dere Negressen und Negern, die ich
seitdem näher kennen zu lernen Gele-
[Seite 80] genheit gehabt, und die mich zugleich
von der Wahrheit dessen überführ
haben, was so viele unverdächtige Zeu-
gen von den guten Geistesanlagen und
Fähigkeiten dieser unsrer schwarzen
Brüder versichern, als worin sie so gut
wie in der natürlichen Gutherzigkeit*)
schwerlich einer andern Rasse im Men-
schengeschlechte im Ganzen genommen
nachstehen**). Ich sage sehr bedächt-
[Seite 81] lich im Ganzen genommen, und natür-
liche Gutherzigkeit, die nämlich nicht
auf dem Transportschiff und in den
Westindischen Zuckerplantagen durch
die Brutalität ihrer weissen Henker so
betäubt oder erstickt worden, dass diese
weissen Henker, so wie ohne Herz so
auch obendrein ohne Kopf seyn müss-
ten, wenn sie bey einer solchen Be-
handlung noch treue Anhänglichkeit
und Liebe von diesen armen gemiss-
handelten Sclaven verlangen wollten.
Der treffliche Beobachter der Natur,
Aublet, beruft sich in seiner meister-
haften treuen Schilderung des natür-
lich – guten Characters der Neger, auf
die Confessionen von Europäern die in
der Algirischen Gefangenschaft gewesen
waren und aufrichtig gestanden hatten,
dass sie in dieser Lage gerade eben so
bösherzig und gegen ihre damaligen
Patrone gerade eben so gesinnt gewe-
sen, wie ein Neger in diesem Fall es
nur irgend gegen den seinigen in den
Colonien seyn könne. Hingegen habe
ich lange Zeit hindurch täglich eine
brave Negresse unter meinen Augen
gehabt, der ich oft in Gedanken das
sagte, was Wieland's Democrit sei-
ner guten sanftherzigen krauslockigen
Schwarzen sagt, und was auch von
andern präjudizlosen Beobachtern un-
verdorbener Schwarzen, – namentlich
noch neuerlich mit wahrer und war-
mer Erkenntlichkeit von dem wackern
[Seite 83]
Mungo Park – so oft bestätigt wor-
den, dass es sich nicht der Mühe lohnt,
die Zeugnisse darüber erst hier zusam-
menzutragen*).
Eher ist es wohl nicht überflüssig,
einige nicht so allgemein bekannte
merkwürdige Beyspiele von der Per-
fectibilität der Geisteskräfte und den
[Seite 84] Talenten der Neger hier aufzustellen,
die freylich auch niemanden unerwar-
tet seyn werden, wer in den Nach-
richten der zuverlässigsten Reisenden
von den natürlichen Anlagen der Neger
bewandert ist. So sagt z.B. der classi-
sche äusserst genaue Barbot in sei-
nem grossen Werke von Guinea: –
‘“die Schwarzen haben grösstentheils
Kopf und Verstand genug; sie fassen
leicht und richtig, und ihr Gedächtniss
ist von einer fast unbegreiflichen Stärke:
denn ob sie schon weder lesen noch
schreiben können, so bleiben sie doch
selbst in der grössten Eile der Geschäfte
und des Handels in ihrer Ordnung, und
werden selten irre.”’ – ‘“Seit sie so oft
von den Europäern betrogen worden,
sind sie nun im Handel und Wandel
mit denselben beständig auf ihrer Hut,
untersuchen sorgfältig alle unsre Waa-
ren, Stück für Stück, ob sie alle in
Güte und Maass die bedungene Probe
[Seite 85] halten: z.B. ob die Tücher und Zeuge
dauerhaft sind, ob sie in Haarlem oder
in Leiden gefärbt worden, u. dergl. m.
– kurz sie prüfen jedes Ding mit
so viel Klugheit und Geschick als ir-
gend nur ein Europäischer Handels-
mann es thun kann.”’ –
Ihre Anstelligkeit zu Erlernung aller
Art von seiner Handarbeit ist bekannt.
Man rechnet dass wohl 9/10 von den ge-
wöhnlichen Handwerksleuten in West-
indien, Neger sind*).
In Rücksicht ihrer Talente zur Musik
brauche ich mich nicht erst auf die
Beyspiele zu berufen, da Neger in
America durch dieselben so viel ver-
dient, dass sie sich für grosse Summen
frey kaufen können: da es selbst in
Europa nicht an Beyspielen von Schwar-
zen fehlt, die sich als wahre Virtuosen
gezeigt. Der Neger Freidig in Wien
war als ein meisterhafter Conzertist auf
dem Violon und der Violine und als
ein sehr braver Zeichner bekannt, der
sich auf der dortigen Academie unter
Schmutzer gebildet hat.
Als Beyspiele von Anlagen der Neger
zu mathematischen und physicalischen
Wissenschaften, nenne ich bloss den
Russischen Artillerie-Obristen Hanni-
bal und den Neger Lislet auf Isle
de France, der wegen seiner vortreff-
lichen meteorologischen Beobachtungen
und trigonometrischen Vermessungen,
[Seite 87] von der Pariser Academie der Wissen-
schaften zu ihrem Correspondenten er-
nannt worden.
Herr Dr. Rush in Philadelphia ar-
beitet an der Geschichte des Neger
Fuller in Maryland, der durch seine
ausnehmende Fertigkeit im Rechnen
neulich so bekannt worden. Um den-
selben auf die Probe zu setzen, fragte
man ihn in einer Gesellschaft, wie viel
Secunden ein Mann gelebt habe, der
70 Jahr und so und so viel Monate etc.
alt worden. In anderthalb Minuten gab
Fuller die Zahl an. Man rechnete
nach, aber das Resultat war nicht das-
selbe. – ‘“Sie haben doch nicht ver-
gessen”’ sagte der Neger, ‘“die Schalt-
tage mit in Anschlag zu bringen?”’
diese wurden nun erst supplirt und nun
traf alles auf, ein Haar zu.
Ich besitze mehrere Jahrgänge eines
Kalenders, von Philadelphia, die ein
[Seite 88] dortiger Neger, Herr Benj. Banna-
ker calculirt hat, der sich seine astro-
nomischen Kenntnisse, ohne mündli-
chen Unterricht, bloss durch eignes
Studium von Ferguson's Werken
und unsers Tob. Mayer's Tafeln etc.
erworben*).
Von den nicht gemeinen Einsichten
der Neger in die practische Arzney-
kunst haben Boerhaave, de Haen,
Dr. Rush
**) u.a. die vortheilhafte-
[Seite 89] sten Zeugnisse gegeben. Eben so sind
Neger als sehr geschickte Wundärzte
bekannt worden. Und die gedachte
hübsche Negresse zu Yverdun kennt
man weit und breit in der welschen
Schweiz als eine vortreffliche Hebamme
von soliden Kenntnissen und einer sei-
nen geübten Hand.
Ich übergehe den Wesleyischen Me-
thodisten-Prediger Madoks, so wie
die beiden neuerlich in London ver-
storbenen Neger Ignatius Sancho
und Gustav Vassa, von welchen sich
[Seite 90] Jener, den Garrick und Sterne
schätzten, durch seine Briefe*), und
letztrer, den ich persönlich gekannt,
durch seine, interessante selbstbiogra-
phie**) vortheilhaft bekannt gemacht;
auch so manche Neger und Negressen,
die sich durch Dichtertalente ausge-
zeichnet. Von mehrern derselben be-
sitze ich selbst englische, holländische
und lateinische Gedichte, unter wel-
chen aber vor allen die von der dess-
halb mit vollstem Recht berühmten
[Seite 91]
Phillis Wheatley in Boston ge-
nannt zu werden verdienen*).
Aber zweyer andrer Neger, die als
Schriftsteller berühmt worden sind,
und deren Werke ich besitze, darf ich
noch besonders gedenken:
Unser sel. Hollmann hat, da er
noch Prof. in Wittenberg war, a. 1734
den Neger Ant. Wilh. Amo zum
Dr. der Weltweisheit creïrt, der sich
sowohl in Schriften als auch als Docent
vortheilhaft gezeigt hat, und von wel-
chem ich zwey Abhandlungen vor mir
[Seite 92] habe, wovon zumal die eine viele un-
erwartete und wohlverdaute Belesen-
heit in den besten physiologischen Wer-
ken jener Zeit verrätht*). In einer
Nachricht von Amo's Leben, die bey
dieser Gelegenheit im Namen des aca-
demischen Senats gedruckt worden,
wird seiner ausnehmenden Rechtschaf-
fenheit, so wie seinen Fähigkeiten,
seinem Fleiss und seiner Gelehrsamkeit
grosses Lob ertheilt. Es heisst z.B.
von seinen philosophischen Vorlesun-
gen: excussis tam veterum quam no-
[Seite 93] vorum placitis, optima quaeque sele-
git, selecta enucleate ac dilucide inter-
pretatus est u.s.w.
In den 40er Jahren studirte der Ne-
ger Jac. Elisa Joh. Capitein zu
Leiden Theologie, der als ein acht-
jähriger Knabe geraubt, an einen Scla-
venhändler am St. Andreas Fluss ver-
kauft worden, und so durch die dritte
Hand nach Holland gekommen war.
Ich habe mehrere Predigten*) und
Gedichte von ihm, die ich in ihrem
Werth beruhen lasse; interessanter aber
und berühmter ist seine Dissertatio po-
litico-theologica de servitute libertati
christianae non contrario, die er den
10. März 1742 in Leiden öffentlich ver-
[Seite 94] theidigte, und wovon ich die hollän-
dische Uebersetzung habe*), wovon
damals vier Auflagen gleich hinter ein-
ander vergriffen worden. Er ward
hierauf in Amsterdam zum Prediger
nach D'Elmina ordinirt, wohin er bald
nachher abreisete. – Der Herr Prof.
Brugmans in Leiden, der mir die
Schriften dieses ordinirten Negers ver-
schafft hat, schreibt mir dabey, dass
nach der Hand von seinem dortigen
Schicksal zweyerley Sage gegangen: als
ob, er nemlich entweder ermordet wor-
den, oder aber wieder unter seine wil-
[Seite 95] den Landsleute gezogen und dieser
ihren Glauben und Leben gegen das
in Europa erlernte vertauscht habe. –
Im letztern Fall gäbe seine Geschichte
das Gegenstück zu des Europäisch er-
zogenen und cultivirten Hottentotten,
seiner, dessen völlig gleichen Patriotis-
mus Rousseau verewigt hat*); und
dieser unwiderstehliche Zug zu den
väterlichen Penaten wäre wenigstens
weit weniger befremdend, als dass,
wie bekannt, genug Europäer, die von
den Nordamerikanischen Indianern,
oder auch von den Westindischen Ca-
raiben, da diese noch ein ansehnliches
und kriegerisches Volk ausmachten,
zu Kriegsgefangnen gemacht worden,
und eine Zeit lang mit ihnen gelebt
hatten und eingewohnt waren, an die-
sem rohen Stand der Natur so grossen
Geschmack fanden, dass sie gar nicht
[Seite 96] wieder ausgewechselt zu werden, und
zu ihren Landsleuten zurückzukehren
verlangten; so wie es auch nicht an
Beyspielen, namentlich von Franzosen
in Canada, fehlt, die freywillig zu den
dasigen Wilden übergegangen sind, und
die Lebensart derselben angenommen
haben*).
Ueberhaupt aber sollte ich nach allen
den angeführten mannichfaltigen Bey-
spielen von fähigen Negern denken,
man könnte wohl ganz ansehnliche
Provinzen von Europa nennen, aus
deren Mittel man schwerlich vor der
Hand so gute Schriftsteller, Dichter,
Philosophen und Correspondenten der
Pariser Academie zu erwarten hätte:
[Seite 97] so wie mir hingegen anderseits kein
sogenanntes wildes Volk unter der
Sonne bekannt ist, das sich durch
solche Beyspiele von Perfectibilität und
selbst wissenschaftlicher Culturfähigkeit
so ausgezeichnet hätte und sich da-
durch so zunächst an die gebildetsten
Völker der Erde anschlösse, als die
Neger.
Diesen armen Patienten ist es in der
Menschengeschichte theils nicht besser
gegangen als den ehrlichen Negern.
Es hat Zweifler gegeben, die die Kaker-
lacken so wenig als die Mohren für
Menschen derselben Gattung mit uns
haben erkennen wollen. Die letztern
waren ihnen zu schwarz; die erstern
zu weiss. –
Nun gehört zwat im Grunde die Un-
tersuchung der Kakerlacken überhaupt
gar nicht ins Gebiete der Naturge-
schichte, sondern in die Pathologie;
inzwischen da sie doch einmal in jene
gezogen worden und zu so vielen selt-
samen Irrthümern Anlass gegeben ha-
ben, so darf ich ihrer doch auch mit
ein Paar Worten gedenken; und sie
schliessen um so füglicher an den vori-
[Seite 99] gen Abschnitt an, da ihre Geschichte
anfänglich mit der Neger ihrer ver-
webt worden.
Man hat nämlich zu allererst unter
diesen letztern eine Art Menschen be-
merkt, die sich durch eine ungewöhn-
liche Weisse oder auch Röthe der Haut,
durch gelblicht-weisses Haar und blass-
rothe Augen auszeichnen; und freylich
mussten diese Sonderbarkeiten auch an
den Negern eher auffallen, als an
Weissen, und eben daher sind auch die
Kakerlacken zuerst unter dem Namen
der weissen Mohren bekannt worden.
Schon zu Ende des vorletzten Jahr-
hunderts fand man aber auch Men-
schen der Art unter den Americani-
schen, und bald nachher auch bey den
Ost-Indischen Völkerschaften. Später-
hin sah Cook welche auf Utaheiti
und den Freundschafts-Inseln; und
jetzt zeigt sich endlich, dass sie auch
[Seite 100] in Europa selbst, und zwar häufiger
sich finden, als wohl zu wünschen
wäre.
Denn seit ich der Königl. Societät
der Wissenschaften meine Beobachtun-
gen über die beiden bekannten Savoyi-
schen Kakerlacken vorgelegt, die ich
a. 1783 auf einer Excursion, die ich
in Gesellschaft des jüngern Hrn. De-
luc von Genf aus ins Faucigny machte,
zu untersuchen Gelegenheit gehabt, und
die nachher für einige Jahre nach Lon-
don gegangen, wohin sie von den Di-
rectoren des Circus verschrieben wor-
den; so habe ich nun schon von einem
ganzen Dutzend andrer Kakerlacken,
die sich nur allein hin und wieder in
Deutschland gefunden haben, Nach-
richt, und von den mehresten auch
Proben von dem ihnen ganz eignen
Haar erhalten. Es scheint mit den
Kakerlacken wie mit manchen an-
dern Naturmerkwürdigkeiten gegangen
[Seite 101] zu seyn, die man in manchen Län-
dern lange Zeit übersehen, weil man
sie für zu grosse Seltenheiten gehalten,
als dass man sie erwartet hätte.
Mit einem Worte, die Kakerlacken
finden sich unter allen fünf Rassen des
Menschengeschlechts.
Ueberdem ist aber diese Sonderbar-
keit gar nicht dem Menschengeschlecht
eigen, sondern sie zeigt sich eben so
auch unter andern warmblütigen Thie-
ren: unter Säugthieren sowohl als unter
Vögeln. Unter jenen sind bekanntlich
die weissen Kaninchen und die weissen
Mäuse, und unter diesen die weissen
Canarienvögel die gemeinsten. Hinge-
gen habe ich aller angewandten Nach-
forschung ungeachtet kein einziges Bey-
spiel von Kakerlacken unter den Thie-
ren mit rothem kalten Blute, unter den
Amphibien oder Fischen, auffinden
können.
Dass ich die Kakerlacken überhaupt,
folglich auch die weissen Caninchen etc.
für Patienten halte, wird niemanden
befremden, der mit ihrem Zustande be-
kannt ist. Das Hauptsymptom dessel-
ben besteht in der eignen Farbe ihrer
Augen, deren Stern blassrosenfarb und
die Pupille von der Farbe eines dunklen
Carniols oder fast wie Himbeerensaft
ist, statt dass die letztere bey einem ge-
funden Auge, der Stern mag übrigens
blau oder braun seyn, allemal voll-
kommen schwarz seyn muss. Die Ur-
sache jener Röthe liegt in dem gänz-
lichen Mangel eines zum deutlichen
Sehen unentbehrlichen Theils, nämlich
des schwarzbraunen Schleims, womit
ein grosser Theil des innern Augapfels
zur Absorbtion der überflüssigen Licht-
strahlen überzogen ist. Daher sind
auch die Kakerlacken bey diesem Man-
gel meist mehr oder weniger licht-
scheu.
Dieser Mangel des schwarzen Pig-
ments scheint aber immer nur ein
Symptom einer allgemeinem Cachexie
zu seyn, die sich bey den menschlichen
Kakerlacken vorzüglich durch das eigne
Ansehn der Haut und die gelblicht-
weisse Farbe der Haare äussert: we-
nigstens hat man meines Wissens noch
nie jenen Augenfehler ohne diese Be-
schaffenheit der Haut oder Haare be-
merkt.
Das Uebel ist wohl immer angeboh-
ren, und oft eine erbliche Familien-
krankheit. Wie's scheint, ist es un-
heilbar; wenigstens ist mir kein Fall
bekannt, dass sich bey irgend einem
Kakerlacken jemals die gedachten
Symptome verloren hätten.
Ueber die Ursachen dieses sonder-
baren Uebels wüsste ich vor der Hand
nichts irgend befriedigendes anzuge-
ben. Denn was ein sonst ganz scharf-
[Seite 104] sinniger Reisender, Foucher d'Ob-
sonville, beobachtet haben wollte,
dass weisse Mohren dadurch erzeugt
werden könnten, dass die Eltern um
die Zeit Quecksilber oder Zinnober
gebraucht, würde schon an und für
sich bey manchen der gedachten Völ-
ker und bey den vielerley Thieren,
unter welchen Kakerlacken gefunden
worden, nicht denkbar seyn, wenn
auch nicht ohnehin die ganze Idee so
äusserst unwahrscheinlich wäre: so wie
vollends die ehemalige Behauptung
ganz unwahr ist, dass bey den weissen
Mohren keins von beiden Geschlech-
tern zur Fortpflanzung fähig sey.
Schon de Brue führt ein Beyspiel an,
wo eine weisse Mohrin von einem
Neger schwanger worden und einen
vollkommnen jungen Neger gebohren:
und von einer weissen Mohrin, die
neuerlich in England einen Europäer
geheurathet, und mit demselben drey
[Seite 105] wahre Mulatten, aber mit hellem Haar,
gezeugt, hat der bekannte Neger, Hr.
Vassa, in seinem obgedachten inter-
essanten Werke eine merkwürdige
Nachricht gegeben.
Zwey Societäten der Wissenschaften,
die zu Rouen und die zu Haarlem,
haben noch neuerlich die Preisfrage
aufgegeben, ob die angebliche Stufen-
folge einen reellen Grund in der Na-
tur habe oder nicht? Mir ist nur Eine
zur Beantwortung dieser Frage an die
letztgedachte gelehrte Gesellschaft ein-
gegangene Schrift bekannt worden,
deren berühmter Verfasser, unser wür-
diger Hr. Professor de Luc, die ganze
Aufgabe bloss aus metaphysischer An-
sicht a priori behandelt, und auch
auf diesem Wege zu dem Resultate
führt, dass es weder Continuität noch
[Seite 107] unmerkliche Stufenfolge unter den Ge-
schöpfen gebe, und dass vielmehr die
Harmonie in der Schöpfung durch
merkliche Abstände und scharf be-
stimmbare Grenzen zwischen denselben
begründet sey. Hingegen sind die
Erinnerungen, die ich vorlängst*) ge-
gen die Realität der bildlichen Vorstel-
lungen von Stufenfolge der Geschöpfe
nach ihrer blossen Aussenform, und
gegen die zwar gutgemeinte aber im
Grunde sehr vermessene Anwendung
gemacht, die man von dieser Vorstel-
lung in vielen Physicotheologieen fin-
det, bloss empirisch, aus der Naturge-
schichte selbst und von dem sicht-
lichen Zwange genommen, der in all
den vielartigen Entwürfen von solchen
Stufenfolgen der Natur angethan ist.
Denn wer fühlt nicht das Gezwungene,
wenn z.B. Bradley die seinige von
[Seite 108] den einfachsten Fossilien durchs Pflan-
zen- und Thierreich bis zum Men-
schen hinaufführt, aber alles, was
sich auf dieser Scale nicht füglich will
unterbringen lassen, au einer zweyten
verspart, auf welcher er jenseits wie-
der von jener Höhe herabsteigt; oder
wenn, um bey einzelnen Uebergängen
und Bindungsgliedern stehen zu blei-
ben, Vallisneri die Analogie der
Cikaden mit den Vögeln, Oehme
dieser ihre mit den Stubenfliegen und
andern dipteris aufstellt, Bonnet die
Schildläufe zur Uebergangssprosse von
andern Insecten zum Bandwurm wählt
u. s. w. Da war's ohne Vergleich ver-
zeihlicher, wenn ältere Naturbeschrei-
ber, durch weil grössere Aehnlichkeit
der Aussenseite verleitet, die Schup-
penthiere des Manisgeschlechts zu den
Eidechsen, oder die Sertularien und
überhaupt die Corallen zu den crypto-
gamischen Gewächsen setzten; da dann
[Seite 109] freylich mit eben so vielem Grund bey
einer eben so superficiellen Ansicht der
ungefähr ähnlichen äussern Bildung,
auch gar manche phänogamische Pflan-
zengattungen, z.B. aus den Geschlech-
tern der Saxifragen, Andromeden,
Aretien etc., trotz aller übrigen noch
so grossen Heterogenität, auf der Lei-
ter bey die Laubmoose gestellt wer-
den könnten.
Als das abentheuerliche Wunderthier
des fünften Welttheils, der Ornitho-
rhynchus paradoxus, entdeckt ward,
sahen das manche Verfechter der Stu-
fenfolge für eine neue Stütze derselben
an, da es, wie mir deucht, vielmehr
eine neue Instanz gegen die Realität
derselben abgibt. Mir scheint es ein
eben so isolirtes Geschlecht in seiner
Art, das sich eben so wenig, wie das
der Schildkröten, der Sepien etc., ohne
sichtlichen Zwang in den natürlichen
[Seite 110] Ordnungen des Thierreichs, als so
manche Pflanzengeschlechter, wie z.B.
vitis, cissus etc. in denen des Ge-
wächsreichs, will unterbringen lassen.
Ueberdem ist ja aber auf der Bonneti-
schen u.a. dergl. einfachen Leitern die
Uebergangs-Sprosse von den Vögeln zu
den Quadrupeden längst durch die Fle-
dermäuse besetzt; und doch können
schwerlich zwey Formen von Säuge-
thieren gedacht werden, die auffallen-
der von einander abwichen, mithin
in jener Gradation weiter von einander
abstehen müssten, als die der Fleder-
mäuse und des Schnabelthiers.
Versteht sich dass alles hier Gesagte,
so wie es durch die oben (– S. 8. u. f. –)
angeführte Aeusserung eines übrigens
verdienten Schriftstellers über den
Nutzen der Petrefacten veranlasst wor-
den, nur als Erinnerung gegen den
Missbrauch der gewöhnlichen Vorstel-
[Seite 111] lungen von Stufenfolge nach der
äussern Form der Geschöpfe unter den
beliebten Bildern von Leiter oder Kette
anzusehen ist: da man hingegen eben
diesen metaphorischen Bildern nicht
nur zur Uebung des Scharfsinns, Son-
dern auch zum nützlichsten regulativen
Gebrauch für ein natürliches System
in der Naturbeschreibung, so wie zur
zweckmässigsten Anordnung der Natu-
raliensammlungen, vollste Gerechtigkeit
wiederfahren lassen wird. Nur statt dass
die Verfechter dieser Stufenfolge den
Abtheilungen der Naturproducte in
Reiche, Classen u.s.w. zwar ihren
Werth für Methodologie des Studiums,
als subsidium memoriae zugestehen, sie
aber nicht für in der Natur selbst ge-
gründet halten, so scheint diess gerade
umgekehrt von jenen bildlichen Vor-
stellungen zu gelten, als welchen ihr
unverkennbarer Werth für Methodolo-
gie nicht abzusprechen ist, die aber
[Seite 112] bey weitem keinen so reellen Grund
in der Natur selbst haben, dass sie, wie
doch so oft von wohlmeinenden Physi-
cotheologen geschehen, ‘“dem Schöpfer
in den Plan seiner Schöpfung hinein
gelegt und die Vollkommenheit und
der Zusammenhang derselben darin ge-
sucht werden dürfte, dass die Natur,
wie man sich ausdrückt, keinen Sprung
thue, weil die Geschöpfe in Rücksicht
ihres äussern Habitus sich so fein stu-
fenweise an einander reihen liessen.”’
Wenn die Petrefacten als die sicher-
sten Urkunden im Archiv der Natur
zur fruchtbaren Geschichte der Cata-
strophen, die sich mit unserm Planeten
seit seiner Erschaltung ereignet, zu sei-
ner Archäologie und zur physischen
Erdbeschreibung zweckmässig benutzt
werden sollen, so setzt Ihr Studium
und dessen Anwendung durchaus so-
wohl eine kritische Vergleichung der-
selben mit den organisirten Körpern der
jetzigen Schöpfung, als auch eine ge-
naue Ansicht ihrer verschiedenen La-
gerstätte und des geognostischen Ver-
hältnisses derselben voraus. Das erste
wichtige und belehrende Resultat, das
sich dann aus dieser doppelten Rück-
sicht gleichsam von selbst ergibt, ist,
[Seite 114] dass die Versteinerungen von höchst-
ungleichem Alter sind; manche, wie
z.B. die in schmalen Thonmergel-
schollen so zu sagen nur mumisirten
noch so frischen Angmarsetfische (Salmo
arcticus) auf der Westküste von Grön-
land, nur wie von gestern und ehe-
gestern in Vergleichung mit den so
ganz fremdartig räthselhaften Abdrücken
unbekannter Vegetabilien, die sich im
Harzer Grauwackenschiefer an der
Grenze der Ganggebirge im tiefen
Schosse der Erde finden, und zu den
allerältesten Denkmahlen einer organi-
sirten Schöpfung auf unserm Planeten
gehören. Eine weitere Untersuchung
dieser so verschiedenartigen Fossilien
und ihres eben so verschiedenartigen
Vorkommens gibt dann nähern Auf-
schluss über die älteste Geschichte die-
ses Weltkörpers und über die Art und
die Zeitfolge der mancherley Catastro-
phen, die er erlitten, und wodurch
[Seite 115] seine Rinde ihre jetzige, von so grossen
Zerstörungen zeugende, Gestalt erhal-
ten hat. Und so glaube ich, dass sich
vor der Hand schon die Petrefacten
nach ihrem verschiedenen Alter am
füglichsten unter drey Hauptabtheilun-
gen bringen lassen: Erstens nämlich
diejenigen, deren vollkommene Gleich-
heit mit noch jetzt lebenden Urbil-
dern, so wie ihre Lagerstätte dafür
stimmen, dass sie vergleichungsweise die
neuesten seyn müssen: dann zweitens
die weit ältern, wozu sich zwar nicht
gleichende, aber doch mehr oder we-
niger ihnen ähnelnde Analoga in der
jetzigen Schöpfung, wenn gleich in
weit von den fossilen Resten entlege-
nen Zonen, finden: und endlich drit-
tens die allerältesten, grösstentheils von
ganz unbekannten Geschöpfen, den
Denkmahlen einer catastrophirten ganz
fremdartigen Schöpfung. – Drey Ab-
theilungen, die sich gewissermassen mit
[Seite 116] denen in der ältesten Profan-Geschichte
in ein historisches, heroisches und
mythisches Zeitalter vergleichen lassen.
Die erste jener Abtheilungen begreift
also die relativ modernsten Versteine-
rungen, die nämlich erst seit der letzten
allgemeinen Catastrophe, welche unsern
Planeten betroffen, aus partiellen Lo-
calrevolutionen entstanden zu seyn
scheinen, folglich lauter solche, deren
Urbilder noch jetzt existiren und mit
den fossilen Resten in der gleichen Ge-
gend einheimisch sind. Dahin rechne
ich z.B. die meist so ungemein sau-
bern Abdrücke und Ueberbleibsel aus
allen sechs Classen des Thierreichs,
und so vielartiger Pflanzentheile, die
sich in den desshalb berühmten Stink-
schieferbrüchen bey Oeningen am Bo-
densee finden. Ich habe auf einer
Reise in jene Gegend eine Menge der
selben zusammengebracht, und eine
[Seite 117] noch grössere in andern Sammlungen
besehen; aber unter allem, was ich
davon selbst genau zu prüfen Gelegen-
heit gehabt, schlechterdings nichts
Exotisches gefunden, nichts was sich
nicht entweder ganz unverkennbar oder
doch höchst wahrscheinlich auf die
Fauna und Flora des dortigen Land-
strichs und seiner Gewässer hätte zu-
rückbringen lassen.
Zu der zweyten jener Hauptabthei-
lungen gehören Fossilien ganz andrer
Art und weit höhern Ursprungs; na-
mentlich die nun fast: zahllosen hie-
ländischen Elephanten, Rhinocer und
andere jetzt tropische Geschöpfe, die
höchst wahrscheinlich einst hier einhei-
misch gewesen seyn müssen, wie sich na-
mentlich auch aus den mächtig grossen
Ablagern der ungeheuren Bärengattung,
in den desshalb berühmten Berghöhlen
am Harz, am Fichtelberge, am Thü-
[Seite 118] ringer Walde und an den Carpaten
ergibt. Alles spricht dafür, dass jene
Bären lebendig in diese Höhlen ge-
kommen, und da ihr Grab gefunden
haben. Nun aber finden sich in diesen
Höhlen mitunter auch Knochen und
Zähne von Löwen- und Hyänenarti-
gen Raubthieren der heissen Erdstriche,
als wozu ich Belege aus den mehresten
der gedachten Höhlen in meiner Samm-
lung habe. Folglich ist nach aller
Wahrscheinlichkeit auch jenes eine
tropische Bärengattung gewesen, so
wie noch jetzt Bären in manchen tro-
pischen Zonen der alten Welt leben;
und da nun jene Bären und Löwen
sich in einer Lage finden, wo sie
schwerlich erst nach ihrem Tode durch
eine Fluth haben hingeschwemmt wer-
den können; so bleibt diess auch von
den Elephanten und Rhinocern un-
glaublich. Vollends wenn man erwägt,
dass sich von manchen derselben ganze
[Seite 119] Kleine Herden beysammen gefunden,
wie z.B. die fünf Individua von Nas-
hörnern am diessseitigen Vorharz,
deren fossile Reste unser verdienstvoller
Hollmann so meisterhaft bestimmt
und beschrieben; und dass man von
andern, wie z.B. von den obgedachten
beiden Tonnaischen Elephanten, die
fast completen Gerippe hat ausgraben
können, u. dergl. m. Endlich aber er-
hält diess alles noch ein neues Gewicht
durch ein andres geologisches Phäno-
men, das nach meiner Ueberzeugung
in die gleiche Abtheilung gehört und
damit verbunden werden muss: näm-
lich durch die Reste von andern tropi-
schen Thieren in gewissen Kalkflözen.
So z.B. die in den Pappenheimer
Kalkschiefern, als worin man unter so
vielen andern tropischen Geschöpfen,
namentlich eine Art Moluckischen Kie-
fuss, und die noch zusammenarticuli-
renden Armknochen einer dem fliegen-
[Seite 120] den Hund ähnelnden Fledermausgat-
tung gefunden, und alles diess, bis
auf die zartesten Indischen Seestern-
chen, so nett und in solcher Integrität
erhalten, dass von einem Transport
derselben durch eine allgemeine Fluth
von der Südlichen Halbkugel her,
kein Gedanke bleibt. – Sondern es
müssen vielmehr jene Elephanten, Rhi-
nocer und Hyänenartige Thiere einst
so gut, wie diese Kiefenfüsse, See-
sterne etc. in unsern Zonen einhei-
misch gewesen seyn, bis durch irgend
eine, jetzt freylich nicht mit Gewiss-
heit zu bestimmende, Ursache eine
Total-Veränderung der Climate er-
folgte, die den Untergang der damals
lebenden Generationen jener tropischen
Geschöpfe, wie so vieler andern mit
ihnen existirenden Geschlechter und
Gattungen von organisirten Körpern be-
wirkte, zu welchen sich in der jetzi-
gen Schöpfung gar nicht einmal ähn-
[Seite 121] liche, geschweige specifisch gleiche,
Urbilder finden; wie z.B. unter den
grossen Landthieren das Ohio-Incogni-
tum, unter den Wassergeschöpfen in
den Pappenheimer Schieferbrüchen,
manche so ganz fremdartige Gattungen
von Krebsen, das seltsame steifarmige
Medusenhaupt, und andre mehr.
Von dieser, wie es scheint, bloss
climatischen Revolution sind endlich
die noch frühern, weit gewaltsamern
zu unterscheiden, von welchen sich die
Petrefacten der dritten Abtheilung –
die ältesten von allen – datiren. Hier
hat die feste Rinde der Erde selbst so
mächtige Umkehrungen erlitten, dass
z.B. vormaliger Meeresboden der Ur-
welt nun mit sammt seinen ungestör-
ten Conchylienlagern jetzt hohe Alpen
deckt, und hingegen vormalige Land-
gewächse tief unter der jetzigen Mee-
resfläche vergraben sind. Dass diese so
[Seite 122] zerstörenden Catastrophen selbst wieder
von mehr als einer Art, und nichts
weniger als gleichzeitig gewesen seyn
müssen, lehrt der Augenschein; obschon
es vor der Hand noch kaum möglich
seyn wird, eine chronologische Unter-
abtheilung der successiven Perioden,
worin sie sich ereignet, geschweige der
Ursachen derselben, mit einiger Sicher-
heit zu bestimmen.
Wenige wissenschaftliche Behauptun-
gen sind mit so unglaublichem Vorur-
theil von der einen Seite verfochten
und von der andern bestritten worden,
als die von den Endabsichten des
Schöpfers. Bey manchen, die darüber
kämpften, kam's freylich nur auf den
Wortstreit hinaus, ob man Endabsich-
ten oder Nutzen sagen sollte. Andere
aber hielten die ganze Untersuchung
der Endabsichten geradezu für unnütz,
und Bacon's Bonmot ist bekannt, der
dieselbe mit einer frommen Kloster-
jungfrau verglich, die sich dem Him-
mel weiht, aber darüber der Welt
keine Frucht bringt*). Der grosse
[Seite 124] Denker würde doch anders geurtheilt
haben, wenn ihm aus der Litteratur
der Physiologie und Naturgeschichte
erinnerlich gewesen wäre, welche Fülle
von wichtigen diesen Wissenschaften
und der Menschheit wohlthätigen Früch-
ten das Forschen nach den Endabsich-
ten der Natur getragen hat.
Aber freylich haben die Teleologen
dadurch theils seltsame Blössen gege-
ben, wenn sie ängstlich nach denselben
haschten, und sie gleichsam erzwingen
wollten, weil sie sich dazu berufen
hielten, von jeder Einrichtung in der
Natur, besonders in der organisirten
Schöpfung, Zweck und Absicht rein de-
monstriren zu müssen. – So meinte
z.B. der übrigens gar verdiente Ana-
tome Spigel den Zweck, wesshalb
beym Menschen der Theil, auf wel-
chem er sitzt, ansehnlicher ausgebildet
sey, als bey irgend einem andern
[Seite 125] Thiere, darin zu finden, damit die
Leute beym bequemem Sitzen ihren
andächtigen Gedanken desto besser nach-
hängen könnten*). – So glaubten
die Physicotheologen bey einem Bie-
nenähnlichen Insect an den Vorder-
[Seite 126] füssen der Männchen eine durchlöcherte
Scheibe zu finden, und ermangelten
nun nicht, diesem Bau auch seinen
Zweck und Nutzen anzudemonstriren.
Das hat die weise Natur gethan, hiess
es, damit das Thierchen Blumenstaub
durchsieben und dadurch die Befruch-
tung der Pflanzen befördern soll, und
von Stund an ward es dem zu Folge
die Siebbiene (Sphex cribraria) be-
nannt. Es gereicht einem Geistlichen,
der sich überhaupt viel Verdienst um
die Naturgeschichte erworben hat, dem
sel. Göze (in Quedlinburg), zur Ehre,
dass er diesen Irrthum aus der Natur
selbst widerlegt und gezeigt hat, dass
die Scheiben an den Füssen jenes In-
sects gar nicht durchlöchert sind; und
folglich wohl an die dem Schöpfer aus
guter Meinung angedichtete weise Ab-
sicht nicht zu denken ist.
Umgekehrt haben zuweilen andere
die Wirklichkeit einer Einrichtung in
[Seite 127] der Natur bloss desshalb bezweifelt,
weil sie keine Endabsicht des Schöpfers
darin finden konnten. Als ich meinem
unvergesslichen Freunde, dem sel.
Camper, in der Natur zeigte, dass,
gegen die allgemeine sonstige Meinung,
auch die Kaulquappen der Surinarmi-
schen Pipa allerdings geschwänzt sind,
wollte er das Exemplar, das ich ihm
wies, anfangs eher für eine widerna-
türliche Monstrosität halten*), weil er
nicht absehen könne, wozu diesen
kleinen Geschöpfen, die in ihrer Mut-
ter Rücken eingenistelt sitzen, der
Schwimmschwanz nutzen sollte.
Wieder andere haben hingegen fein
reine Bahn gefegt, und alle Endabsich-
ten in der Schöpfung geradezu ge-
läugnet. – Noch vor nicht langen
Jahren versicherte ein berühmtes Mit-
[Seite 128] glied der damaligen Academie der Wis-
senschaften zu Paris, es sey eben so
lächerlich, zu glauben, dass das Auge
zum Sehen bestimmt wäre*), als zu
behaupten, die Steine seyen bestimmt,
einem damit den Kopf einzuschlagen.
So was wird, will's Gott, schwerlich
jemanden entfallen, der je Gelegenheit
gehabt hat, bey einem Thiere, das
sich durch auffallende Eigenheiten in
seiner Lebensart und Functionen aus-
zeichnet, den innern Körperbau des-
selben damit zu vergleichen, und sich
so aus der Natur selbst von dieser
einleuchtenden harmonia praestabi-
lita (wie man sie füglichst nennen
könnte) zwischen zweckmässiger Bil-
dung der Geschöpfe und ihrer Lebens-
weise aufs unwiderredlichste zu über-
[Seite 129] zeugen. Schwerlich wird z.B. jemand,
der die Naturgeschichte des Maulwurfs
oder der Robbe näher kennt, und nun
nur das Gerippe und den Muskelbau
von jenem und die Eigenthümlichkei-
ten des Circulationssystems und der
Sinnwerkzeuge von dieser mit eini-
gem Nachdenken betrachtet, sich eine
Aeusserung, wie die eben gedachte,
im Ernst erlauben können. Denn
der ohnehin gar schwachen Aus-
flucht einiger ehemaligen Sophisten,
als ob der thierische Bau nicht auf die
Functionen berechnet, sondern die Ver-
richtung der Thiere eine blosse Folge
ihrer Organisation sey, wird selbst der
letzte Schatten von Scheinkraft durch
hundertfältige Gegenbeweise aus der
vergleichenden Anatomie benommen:
So z.B. durch die Einrichtung so vie-
ler bloss temporären Organe, die nur
für vorübergehende auf gewisse Zeiten
eingeschränkte Verrichtungen in der
[Seite 130] thierischen Oeconomie berechnet sind,
und dennoch so gut wie die constan-
testen im ganzen übrigen Bau derje-
nigen Thiere, bey welchen sie sich
finden, der Lebensweise derselben zum
Wunder angemessen sind. Dass z.B.,
um nur eins der Art namentlich anzu-
führen, beym Igel, der sich zum
Schutz mit so mächtiger Muskelkraft
zusammenkugelt, auch die ungebohrne
Leibesfrucht mit einem dieser gewalt-
samen Bewegung aufs genaueste ent-
sprechenden, übrigens aber in seiner
Art ganz anomalisch geformten derben
und festen Mutterkuchen*) ausgerüstet
ist, unter welchem das zarte unreife
Geschöpf wie unter einem Schilde ruht,
um selbst bey der gewaltsamsten Con-
striction der trächtigen Mutter gegen
[Seite 131] die gefährlichen Folgen des anhalten-
den Drucks, den ihr Unterleib und
dessen Eingeweide dabey erleiden, aufs
vollkommenste gesichert zu seyn.
Siehe z.B. Pennant's
History of qua-
drupeds Vol. I. pag. 161. ‘“Providence
maintains and continues every cre-
ated Species: and we have as much
assurance, that no race of animals
will any more cease while the earth
remaineth, than feed-time and har-
vest, cold and heath, summer and
winter, day or night.”’
Der beynahe einzige, aber dafür desto
wichtigere Nutze der Versteinerungs-
kunde ist der Aufschluss, den die Ge-
schichte der Veränderungen des Erd-
[Seite 8] bodens durch sie erhält, aber dazu ist
schlechterdings äusserste Genauigkeit;
im Beobachten nothwendig; zumal
wo es auf Vergleichung der Petre-
facten mit ihren vermeinten Origina-
len, ankommt. Der Mangel dieser
Genauigkeit hat schon die seltsamsten
cosmogenischen Irrthümer veranlasst.
Herr Superint. Schröter rechnet es
zu dem Hauptnutzen, den wir vom
Studium der Petrefacten ziehen kön-
nen, dass sie die Lücken in der Stu-
fenfolge der Natur ausfüllen helfen. –
‘„Ohne sie„’ (sagt er im dritten Bande
seiner Einleitung in die Geschichte der
Steine etc. S. 94) ‘„würden wir in die-
ser Stufenfolge und in der Kette der
Natur erstaunende Lücken finden, die
[Seite 9] uns durch die Versteinerungskunde
glücklich ausgefüllt werden.„’ –
Wenn man diess bey einem andern
Schriftsteller läse, so würde man es
für einen treffenden Spott über die
vorgegebne Stufenfolge der Natur in
Rücksicht der Bildung ihrer Geschöpfe
ansehen: denn was heisst das anders,
als: was uns der Schöpfer nicht in
natura gegeben, das hat er doch we-
nigstens zum Behuf der Physicotheo-
logen und ihrer allegorischen Bilder
von Ketten und Leitern in seiner
Schöpfung in effigie eingeschaltet!
Doch davon ein Mehreres unter
den Zusätzen, am Ende dieses Theils.
Die Belemniten gehören noch jetzt zu
den gemeinsten Versteinerungen. Und
dass wir sie doch nicht in noch weit
grössrer Menge finden, darüber gibt
der Chevalier
D'Hancarville in
seinen Recherches sur l'origine des arts
de la Grece, einem Buch ohne seines
gleichen! (im ersten Bande S. 2 u. f.)
[Seite 10] folgenden Aufschluss: – es sind ihrer
nemlich, wenn wir seiner Versiche-
rung glauben wollen, in der Kindheit
des Menschengeschlechts so viele ver-
schossen worden. Denn, sagt er, ‘“avant
de se servir de l'airain, ou du fer
pour armer les pointes des Fleches, on
y employoit de ces pierres Belemni-
tes. – Le marbre d'Arundel met
l'epoque de la découverte du fer à
l'an 87 après l'arrivés de Cadmus en
Grèce. – avant cette époque les Fle-
ches des Grecs étoient
nécessaire-
ment
armées de ces pierres Belem-
nites, dont le nom conservé jusqu'à
nous exprime encore l'usage?”’
In den Breslauer Sammlungen von 1725
lese ich, dass damals schon der eifrige
und einsichtsvolle Petrefactensammler
Rosinus in Münden gar über 300
Sorten von Ammoniten zusammenge-
bracht habe.
Hingegen habe ich in dem Specimen ar-
chaeologiae telluris etc. Götting. 1803.
4. die älteste Geschichte unsers Plane-
[Seite 15] ten, und namentlich die Art und auch
im Allgemeinen die Zeitfolge, der
ganz verschiednen Catastrophen, die er
erlitten, und wodurch die mancher-
ley fossilen Reste der vormaligen or-
ganischen Schöpfungen in ihre jetzige
Lagerstätte gekommen, hauptsächlich
aus einer critischen Vergleichung die-
ser Fossilien mit den organisirten Kör-
pern der jetzigen Schöpfung zu er-
klären versucht. – Davon noch ein
Wort unten, in den Zusätzen, am
Ende dieses Theils.
s. Hrn. Hofr. Voigt
über einige phy-
sicalische Merkwürdigkeiten der Gegend
von Burgtonna im Herzogthum Gotha
in dessen Magazin für Physik und Na-
turgeschicht III. B. 4. St.
Es war eine Zeit wo man ganz allge-
mein den Ursprung der Petrefacten,
und die Totalrevolution der Erde selbst
von der Noachischhen Sündflut ablei-
tete. – So wenig es aber (wie mir
einer der einsichtsvollsten, und doch
gewiss rechtglaubigsten Gottesgelehr-
[Seite 18] ten, unser seel. Cons. R. Walch ver-
sichert hat) der Würde der heil. Schrift
den allermindesten Eintrag thut, wenn
man die Noachische Flut für nicht
allgemein hält, so wenig habe ich
mir nach dem, was auch selbst die
Thiergeschichte lehrt, von einer sol-
chen Allgemeinheit jener Flut eine
befriedigende Vorstellung machen kön-
nen. So bleibt mir z.B. die Wall-
fahrt, die dann das Faulthier (das be-
kanntlich eine volle Stunde braucht
um nur 6 Fuss weit zu kriechen,) vom
Ararat nach Südamerica hätte machen
müssen, immer ein wenig unbegreif-
lich. Man müsste denn mit dem heil.
Augustinus die Engel zu Hülfe
nehmen, die jussu Dei sive permissu
wie er sich ausdrückt, das Thierreich
erst in die Arche zusammengebracht
und nach der Hand wieder, ad locum
unde, in die fernen Welttheile und
Inseln vertheilt hätten.
So dass die bildende Natur bey diesen
Umschaffungen zwar auch zum Theil
wieder Geschöpfe von ähnlichen Ty-
pus, wie die in der Vorwelt, von
neuem reproducirt, die bey weitem,
allermehresten aber mit andern der
neuen Ordnung der Dinge zweck-
mässigern, Formen hat vertauschen
müssen, da sie nach den bey den neuen
Schöpfungen, anders modificirten Ge-
setzen des Bildungstriebes, wie sich
Lucretius ausdrückt:
s. ein Paar Exemplare von diesem
sonderbaren fossilen Murex contrarius
aus meiner Sammlung im zweyten Heft
der Abbildungen naturhistorischer Ge-
genstände. Göttingen 1797. tab. 20.
Didus ineptus. – s. Abbildungen natur-
historischer Gegenstände. Viertes Heft.
Göttingen 1799. tab. 35.
Der Unterschied zwischen ursprüng-
lich wild und bloss verwildert muss
bey Untersuchungen dieser Art auf das
sorgfältigste beobachtet werden. So
gibts in beyden Welten verwilderte
Pferde in unsäglicher Menge: aber
niemand kennt das ursprünglichwilde
Pferd. So fanden sich noch zu Anfang
des letztverflossnen Jahrhunderts auf
der kleinen Insel Juan Fernandez (dem
vierjährigen einsamen Aufenthalt des
armen Selkirk, dessen wahre Geschichte
De Foe zum Robinson Crusoë umgear-
beitet haben soll) verwilderte Ziegen
so gut wie verwildertes Getraide, die
aber beyde eben so wenig daselbst
ursprünglich zu Hause gehörten, als
die verwilderten Assen, die sich bis
jetzt auf den Felsen von Gibraltar
fortgepflanzt haben.
s. Herrera
hechos de los Castellanos
en las Islas i tierra firme del mar
oceano. Vol. I. pag. 239. der Madrider
Ausgabe von 1601.
Aber auch nach diesem gemeinen Sprach-
gebrauch ist schon früher der Mensch
für ein Hausthier gehalten worden.
Herr De Luc sagt, dass ein sehr tief-
denkender Psycholog von seiner Be-
kanntschaft so wenig Verbindung zwi-
schen den eingeschränkten Verstandes-
kräften des Menschen und dem Um-
fang und der Tiefe seiner wirklichen
Kenntnisse finden könne, dass es ihm
wahrscheinlich sey, es müsse einst in
der Urwelt eine Klasse höherer Wesen
auf Erden gegeben haben, denen der
Mensch als eine Art von Hausthier
gedient, und da manches von jenen
damaligen Herrn der Schöpfung pro-
fitirt habe.
Ich bediene mich dieser beyden in
der Physiologie der organisirten Körper
allgemein angenommenen und allge-
mein verständlichen Kunstwörter ohne
sie zu verdeutschen, da sie so wie das
Wort organisirte Körper selbst u.a.m.
gewiss durch die Vordeutschung an
Deutlichkeit verlieren würden.
– ‘„the ouran-outangs are proved to
be of our species by marks of huma-
nity that I think are incontestable.„’ –
De varia hominum forma externa. 1705. 4.
Ihm folgte dann 1721 der unvergess-
liche Hamburger Polyhistor Jo. Alb.
Fabricius mit seiner diss. critica
de hominibus orbis nostri incolis, specie
et ortu avito inter se non differentibus.
Und was sich, selbst noch neuerlich,
berühmte Naturforscher für verkehrte
abentheuerliche Vorstellungen von dem
gemacht haben, was zu solch ei-
ner naturhistorisch-anthropologischen
Sammlung gehört, ergibt sich aus fol-
gender Stelle in Bomare's
Dictionn.
T. VI. p. 633 der Ausgabe von 1791,
vro er von dem handelt was ein Na-
turaliencabinet enthalten müsse; ‘“L'ar-
moire qui contient l'Histoire de l'hom-
me, est composée d'une myologie en-
tiere, d'une tête injectée séparément,
d'un cerveau et des parties de la gé-
nération de l'un et de l'autre sexe,
d'une névrologie, d'une ostéologie,
d'embryons de tout âge avec leurs ar-
riere-faix, de foetus monstrueux, et
[Seite 58] d'une Momie d'Egypte. On y met
aussi de belles pieces d'anatomie, re-
présentées en cire, en bois, et des
concretions pierreuses tirées du corps
humain.”’
Vom Werth solcher porträtmässig treuen
und characteristischen Abbildungen
(mit welchem nur leider ihre Selten-
heit in geraden Verhältniss steht) na-
mentlich zu Vergleichung mit den
Schädeln, darf ich Ein Beyspiel von
vielen anführen. – Vor zwölf Jahren
erhielt ich von Labrador den Schädel
eines Eskimos, und nachher von der
Güte des Hrn. Baronet Banks das
meisterhafte Bildniss der aus den Mis-
sionsberichten der evangelischen Brü-
dergemeinde bekannten 1795 verstorb-
nen Mycock, einer Eskimofrau, die
1796 in London gewesen, wo der
Herr Baronet dieses ihr sprechendes
Bild in Lebensgrösse von dem be-
rühmten Porträtmahler John Russell
verfertigen lassen. Die Aehnlichkeit
zwischen dem auszeichnenden Clis-
[Seite 65] racter dieses Bildes mit jenem Schädel
fällt freylich einem kundigen Auge
das beide gegen einander hält von
selbst auf. Um sie aber auch Unkun-
digen zu versinnlichen, habe ich den
Umriss jenes Schädels und eben so
den des Bildnisses mittelst einer Glas-
platte durchgezeichnet, und dann auf
zwei Blätter übergetragen, da dann
wenn man diese genau auf einander
gepasst gegen das Licht hält, die beiden
Zeichnungen in allen Theilen so gut
wie ein Paar gleich grosse und gleich-
winklichte Dreyecke einander decken.
s. z.B. den obgedachten bildschönen
Schädel einer Georgianerin im sechs-
ten Heft der Abbildungen naturhisto-
rischer Gegenstände. Göttingen 1802.
tab. 51.
Eine Fülle der lehrreichsten aus der
Natur selbst geschöpften Bestätigungen
dazu findet sich in des verdienstvollen
Dr. Th. Winterbottom classi-
schen Account of the native Africans
in the Neighbourhood of Sierra Leone
wo der Verfasser dieses classischen
Werks vier Jahre lang als Arzt bey
der dasigen Colonie gestanden hat.
– ‘“crispos capillos ut caeteri aethiopes
habebat”’ – sagt sein Freund Lu-
dolph in der Schilderung die er
von ihm gibt.
‘
“the mildness of the Negro character”’
nennt es der berühmte Africanische
Reisende, Lucas, in den Proceedings
of the African Association.
Man höre hier Einen Gewährsmann
statt aller – unsern unvergleichli-
chen Niebuhr: ‘“Der Hauptcha-
racter der Neger ist, zumal wenn
man sie vernünftig behandelt, Treue
gegen ihre Herren und Wohlthäter.
Mohammedanische Kaufleute zu Ka-
hira, Dsjidda, Suratte und in andern
Städten, kaufen gern solche Knaben,
lassen sie Schreiben und Rechnen ler-
nen, betreiben ihren grossen Handel
[Seite 81] fast gänzlich durch Negersclaven, und
schicken sie zur Errichtung von Han-
delskomtoiren in entfernte Länder.
Ich fragte einen dieser Kaufleute:
wie er einem Sclaven ganze Schiffs-
ladungen Waaren anvertrauen könne?
und erhielt die Antwort: Mein Ne-
ger ist mir getreu; wenn ich aber
meine Handlung bloss durch weisse
betreiben wollte, so müsste ich be-
sorgen, dass diese bald mit meinem
Vermögen durchgehen würden.”’
Viele sprechende Beyspiele von der
treuen Erkenntlichkeit und überhaupt
vom humanen Character, so wie von
den guten Fähigkeiten unsrer schwar-
zen Brüder, finden sich z.B. in fol-
genden drey Werken, deren verdienst-
volle Verfasser sämtlich lange in West-
indien gewesen und zu den fähigsten
und präjudizlosesten Beobachtern der
Neger gehören: in Oldendorp's
Ge-
schichte der Mission der evangelischen
Brüder auf S. Thomas etc. 1777; in
Ramsay's
Essay on the Treatment
and Conversion of African Slaves
1784, und in Nisbet's
Capacity of
Negrees for Religious and Moral Im-
provement. 1789.
Namentlich vom ausnehmenden Kunst-
fleiss der ‘“sanften und menschen-
freundlichen”’ Neger in Houssa oder
Sudan im Innern von Africa, s. unsers
Hornemann's Tagebuch seiner Reise
von Cairo bis Murzuk, wodurch wir
über die Länder- und Völkerkunde
dieses merkwürdigen, vor ihm noch
von keinem Europäer bereissten, Erd-
strichs so vielen und wichtigen Auf-
schluss erhalten haben.
Herr Jac. Mac Henry zu Baltimore
hat eine Nachricht von den Lebens-
umständen desselben drucken lassen,
und sieht, wie er sich darin ausdrückt
‘“diesen Neger als einen neuen Be-
weis an, dass sich die Geistesfähigkei-
ten nicht eben nach der Hautfarbe
richten.”’
Dieser philosophische Arzt sagt z.B.
von einem meines Wissens noch le-
benden trefflichen Neger, dem Dr.
Derham in Neu-Orleans: ‘“I have
conversed with him upon most of the
[Seite 89] acute and epidemic diseases of the
country where he lives, and was
pleased, to find him perfectly ac-
quainted with the modern simple
mode of practice in those diseases. I
expected to have suggested some new
medicines to him; but he suggested
many more to me. He is very modest
and engaging in his manners, and
does business to the amount of three
thousand dollars a year.”’
Letters of the late
Ignatius San-
cho, an African. Die dritte Ausg.
London 1784. 8. mit seinem schönen
von Bartolozzi nach Gainsborough's
Gemälde gestochnen Bildniss.
The interesting Narrative of the Life
of
Olaudah Equiano, or
Gusta-
vus Vassa, written by himself. Die
dritte Ausg. London 1791. 8, Deutsch
Göttingen 1792. 8.
Poems on various subjects, religious
and moral. By
Phillis Wheat-
ley, Negro Servant to Mr. John
Wheatley of Boston. 1773. 8. Eine
Sammlung die Schwerlich jemand, der
für Poësie Sinn hat, ohne Vergnü-
gen lesen wird. Einzelne vorzüglich
schöne Stellen daraus finden sich auch
in des würdigen Clarkson's be-
rühmten Preisschrift on the Slavery
and Commerce of the human Species.
Der Titel der einen ist: Diss. inaug.
philosophica de humanae mentis απαϑεια
s. sensionis ac facultatis sentiendi in
mente humana absentia, et earum in
corpore nostro organico ac vivo prae-
sentia, auctore
Ant. Guil. Amo,
Guinea-Afro. Die andere führt den
Titel: Disp. Philosophica continens
ideam distinctam corum quae competunt
vel menti vel corpori nostro vivo vel
Organico.
Uitgewrogte Predikatien ins Graven-
hage en t'Ouderkerk aan den Amstel
gedaan door
Jac. Elisa Jo. Capi-
tein, Africaansche Moor, beroepen
Predikant op D'Elmina aan het Kasteel
St. George. Amst. 1742. 4.
Staatkundig-Godgeleerd Onderzoek-
schrift over de Slaverny, als niet stry-
dig tegen de Chrystelyke Vryheid.
Leiden, 1742. 4. mit dem schön ge-
stochenen Bildniss des Verf. von F. v.
Bleyswyck. Ein andres Portrait
von ihm, nach P. van Dyk, habe
ich im ersten Heft der Abbildungen
naturhistorischer Gegenstände tab. 5.
gegeben.
Lieut. Paterson gedenkt eines Deut-
schen am Cap, der sich eben so unter
die Hottentotten begeben, damals
schon 20 Jahre in ihrer Mitte gelebt
hatte, und vollkommen mit und un-
ter ihnen naturalisirt war.
‘
“Causarum sinalium inquisitio sterilis
est, et tanquam virgo Deo conse-
erata, nihil parit.”’
‘
“Solus homo ex omnibus animalibus
commode sedet, cui carnosae et
magnae nates contigere, et pro susten-
taculo pulvinarique, tomento repleto,
inserviunt, ut citra molestiam se-
dendo, cogitationibus rerum divina-
rum animum rectius applicare posset.”’
Da war doch ein ehrlicher engli-
scher Geistlicher andrer Meinung, der
unter andern Anweisungen zu der in
der Kirche zu beobachtenden feinen
äusserlichen Zucht, auch gar sehr ur-
girt, die Psalmen ja stehend zu sin-
gen, weil das im Sitzen unmöglich
so recht von Herzen geschehen könne.
s. Remarks on the public service of
the Church, with some directions for
our Behaviour there, highly proper to
be understood by people of all ranks
and ages. Lond. 1768. 8.
So sagte freylich schon Lucretius:
Abbildungen dieses höchst merkwür-
digen Theils habe ich im Handbuch
der vergleichenden Anatomie tab. 8.
gegeben.