So wenig auch die beyden in
gegenwärtigem Bändchen befindli-
chen Aufsätze unter einander in
Verbindung stehen, so haben sie
[Seite 6] doch beyde auf den vorhergehen-
den Theil dieser Beyträge Bezug.
Von den beygefügten Vignetten
stellt die S. 13. den wilden Peter
nach dem schönen englischen Mez-
zotinto Blatt vor, das Val. Green
nach dem Gemählde von P. Falco-
net gestochen hat.
Die übrigen gehören zu der Ab-
handlung über die Mumien.
Viere derselben waren meinem
Aufsatz über die von mir in Lon-
don geöffneten Mumien in den
philosophical Transactions beyge-
[Seite 7] fügt. Dreye zur Versinnlichung
der drey ganz von einander ver-
schiedenen Nationalphysiognomie-
en an den altägyptischen Kunst-
werken; nemlich:
1. Auf dem Titel die Hindusta-
nische nach einer gemahlten Figur
von der Rückseite auf dem Sarco-
phag der vortreflichen Mumie die
das britische Museum vom Cptn
Lethieullier erhalten hat.
2. Hier über der Vorrede die
äthiopische nach einer ägyptischen
Bronze in der Sammlung des Gr.
Caylus.
3. Drüben am Schluss dieser Vor-
rede die gemeine ägyptische Bil-
dung, die man die Berberartige nen-
nen möchte; nach einem ausneh-
mend saubern kleinen Isisidol von
weissem Marmor das der Hr. Prof.
Ritter Heyne ans academische Mu-
seum geschenkt hat.
Vor der zweyten Abhandlung der
krystallinische Anschuss des Na-
trums das ich aus einem von Herrn
John Hawkins in Constantinopel er-
kauften Stücke einer ägyptischen
Mumie ausgelaugt habe.
Zu Ende derselben das Gebiss der
Stuttgarder Mumie mit den wun-
dersam stumpfen Kronen der Vor-
derzähne. Aufs getreuste von mei-
nem verehrten Freunde dem Herrn
Prof. Autenrieth in Tübingen in
Kupfer gestochen.
Freytags den 27. Jul. 1724 zur Zeit
der Heuernde traf Jürgen Meyer Bür-
ger zu Hameln auf seiner Wiese im Stie-
ge ohnweit Helpensen ein nacktes,
braungelbes schwarzhaariges Geschöpf
das da herum lief, an Wuchs einem
[Seite 14] zwölfjährigen Buben glich, keinen
menschlichen Laut von sich gab, aber
durch ein paar Äpfel in der Hand sei-
nes staunenden Entdeckers glücklich
zur Stadt und durchs Brückenthor ge-
lockt, und da von einem Heer Strassen-
jungen in Empfang genommen, aber
bald auf Bürgermeister Severin's Veran-
staltung ins Hospital zum Heil. Geist in
Verwahrung gebracht ward.
Peter – den Nahmen hatten ihm
bey seiner ersten Erscheinung in Hameln
die Strassenkinder gegeben, und der ist
ihm bis in sein Greisenalter geblieben,
– Peter betrug sich in den ersten Wo-
chen seiner Gewahrsam gar thierisch,
suchte durch Thür oder Fenster auszu-
[Seite 15] brechen, setzte sich doch mitunter auf
Kniee und Elenbogen gestützt, auf seinen
Strohsack und wogte sich brummend
hin und her bis er einschlief.
Brod wollte ihm anfangs nicht schme-
cken, hingegen schälte er gierig grüne
Stöcke und kaute den Saft aus der Rin-
de, so wie aus Kraut, Gras, Bohnen-
stengeln etc.
Allgemach ward er zahmer und rein-
licher, so dass er auf die Strase gelas-
sen werden durfte und Häuser besuchte.
Was ihm da zu Essen gebothen ward,
beroch er erst, und steckte es dann ent-
weder in den Mund, oder legte es mit
Kopsschütteln bey Seite. Auch den Leu-
ten beroch er die Hände und schlug sich
dann entweder freudig an die Brust
oder schüttelte aber den Kopf.
Wenn ihm was vorzüglich schmeckte,
wie grüne Bohnen, Erbsen, Rüben,
[Seite 16] Möhren. Obst und sonderlich Zwie-
beln und Haselnüsse, so bezeugte er
sein Wohlbehagen ebenfalls durch Klo-
pfen an die Brust. Auch soll er gleich
da ihn Jürgen Meyer getroffen, einige
Vögel geworfen und gierig verzehrt
haben.
Als ihm die ersten Schuhe angezo-
gen wurden, vermochte er nicht darin
fortzukommen, sondern war froh wie
er wieder barfus gehen durfte. Eben
so wenig mochte er eine Kopfbede-
ckung leiden, und freute sich herzlich
wenn er Hut oder Mütze in die Weser
werfen konnte und dahin schwimmen
sah. Bekleidet zu gehen gewohnte er
ehr, nachdem man zuerst einen Ver-
such mit einem leinenen Kittel gemacht.
Übrigens schien er ganz sanguinischen
Humors, hörte gern Musik, so wie
überhaupt sein Gehör und Geruch sehr
[Seite 17] scharf waren. Wenn er sonst was ha-
ben wollte, küsste er sich die Hände oder
auch den Boden.
Nach einiger Zeit ward Peter einem
Zeugmacher zu Hameln in die Kost ge-
geben, dem er bald mit treuer Folg-
samkeit anhing, der ihn auch als er von
da im Oct. 1725 nach Zelle in das
beim Zuchthause befindliche Hospital
kam, dahin begleitete; von wannen
ihn aber schon um Advent desselben
Jahrs König Georg I. nach Hannover
kommen liess.
Im Febr. 1726 ward Peter unter der
Aufsicht eines königlichen Bedienten aus
Hannover, Namens Rautenberg, nach
[Seite 18] London gebracht; und mit seiner Über-
kunst begann auch seine nachher so
weit verbreitete Celebrität.
Sie traf in die Zeit, wo gerade der
Streit über die Frage: ob es angebohre-
ne Begriffe gebe, mit voller Lebendigkeit
und respective Hitze geführt ward. Und
da schien Peter ein erwünschtes Subject
zur Entsscheidung derselben. Ein genia-
lischer Kopf, der nachher als Restaura-
tor und Ordinarius der evangelischen
Brüdergemeinde so berühmt wordne
Graf Zinzendorf, wandte sich schon zu
Anfang 1726 an die Gräfin von Schaum-
burg Lippe nach London um ihre Ver-
mittelung, dass Peter ihm überlassen
werden möchte, um die Entwickelung
der angebohrnen Begriffe an dem-
selben zu erproben; erhielt aber zur
Antwort, dass der König ihn der da.
maligen Princessin von Wales, nachhe-
rigen Königin Carolina, bekanntlich
[Seite 19] eine der aufgeklärteste Prinzessinnen
irgend eines Zeitalters, geschenkt, und
diese ihn der Aufsicht des Dr. Arbuth-
not, des vertrauten Freundes von Po-
pe, Swift etc. und berühmten Mitarbei-
ters an Gulliver's Reisen übergeben
habe, um eben die etwanigen idées in-
nées des wilden Peters zu sondiren.
Swift selbst hat ihn in seinem lau-
nichten: It cannot rain, but it pours,
verewigt;
Linné ihn im Systema naturae unter
dem Namen von Iuvenis Hannoveranus
einrollirt;
und Buffon, de Pauw, und J. J. Rous-
seau als Muster des wahren Naturmen-
schen aufgestellt.
Noch neuerlich aber hat er eben des-
halb an dem berühmten Mouboddo ei-
nen enthusiastischen Biographen gefun-
den, der seine Erscheinung für merk-
würdiger erklärt, als die Entdeckung
des Uranus, oder als wenn die Astro-
[Seite 20] nomen noch ein 30000 neue Sonnen,
zu den schon bekannten, hinzufänden*).
Schade nur, dass die Herren bey alle
der Wichtigkeit, die sie dem wilden Pe-
ter beylegten, ein paar kleine Umstän-
de seiner Entdeckungsgeschichte aus den
Augen verlohren oder nicht beachteten,
die ich hier gewissenhaft ans den frü-
hesten Originalacten, die ich vor mir
habe, nachhohle.
Dass Peter nemlich 1) da er von dem
Hamelschen Bürger zuerst gefunden
[Seite 21] ward, den kleinen Überrest eines abge-
rissenen Hemdes noch mit Bindfaden
um den Hals gebunden trug;
und dass 2) die auffallend hellere
Hautfarbe seiner Oberschenkel zu den
untern, schon bey seinem Einzuge in
die Stadt die Bemerkung einer Bür-
gersfrau veranlaste und rechtfertigte,
dass der Junge zwar Beinkleider, aber
keine Strümpfe getragen haben müsse;
dass 3) bey näherer Untersuchung
die Zunge des armen Peters ungewöhn-
lich dick und wenig beweglich gefun-
den worden, so dass daher ein Regi-
mentschirurgus zu Hameln, die soge-
nannte Lösung derselben in Vorschlag
gebracht, die jedoch unterblieben;
dass ferner 4) einige Schiffer ausge-
sagt, dass sie im Sommer, auf ihrer
Fahrt von Polle herab, verschiedentlich
einen nackten armen Jungen am Weser-
ufer gesehen und ihm ein Stück Brod
gereicht;
und endlich 5) dass man bald er-
fahren, wie ein verwittweter Krüger
zu Lüchtringen zwischen Holzminden
und Höxter im Paderbornischen einen
stummen Jungen gehabt, der (ich schon
1723 ins Gehölz verloffen, zwar im
folgenden Jahre einmal ganz abgerissen
wieder eingefunden, aber da der Vater
indess zum zweytenmal geheirathet ge-
habt, von der neuen Stiefmutter in
Kurzem wieder fortgeprügelt worden.
Dr Arbuthnot hatte bald gefunden,
dass von dem blödsinnigen Buben für
Psychologie oder Anthropologie eben
keine belehrende Ausbeute zu erwar-
ten sey, und so kam denn dieser nach
zwey Monaten aus der Pflege des phi-
[Seite 23] losopischen Arztes gegen eine erkleck-
liche Pension, in die einer Bettfrau der
Königinn und dann zu einem Pach-
ter in Hertfordshire, wo er endlich im
Febr. 1785 als hochbetagtes Kind sein
vegetirendes Leben beschlossen hat.
Peter war von mittler Statur, aber
noch im Alter von frischem robusten
Ansehn und starker Muskelkraft; hatte
eben keine dumme Physiognomie; trug
einen stattlichen Bart; hatte sich bald
an gemischte Nahrung, Fleisch u.s.w.
gewöhnt, doch die frühe Vorliebe für
Zwiebeln lebenslang behalten. Übri-
gens war er mit den Jahren im Ellen
sehr mässig worden, da er hingegen im
ersten Jahre seiner Captur für zwey
Mann zu sich genommen. Gar gern
trank er einen Schluck Branntwein;
liebte das Feuer; behielt aber lebens-
lang vollkommenste Gleichgültigkeit ge-
gen Geld, und was wohl über alles den
mehr als thierischen unüberwindlichen
[Seite 24] Stupor des armen Peters beweist –
eben so vollkommene Gleichgültigkeit
gegen das andere Geschlecht.
Wenn schlechtes Wetter eintreten
wollte, war er immer unaufgeräumt
und trübsinnig. Sprechen hat er nie
recht gelernt. Peter, und ki scho und
qui ca (letztres sollte die Namen seiner
königlichen Wohlthäter, King George
und Queen Carolina ausdrücken), waren
die deutlichsten von den wenigen arti-
culirten Tönen, die man ihm hatte bey-
bringen können. Für Musik aber schien
er Sinn zu haben und dudelte aller-
hand Melodien, die er oft hörte, mit
Wohlbehagen nach; und wenn aufge-
spielt ward, so hüpfte er voller Freu-
den darnach bis zur Ermüdung. La-
chen aber (– das wohlthätige Vorrecht
der Menschheit –) hat man ihn nie ge-
sehen. Übrigens hat er sich als ein
gutmüthiges, harmloses und folgsames
Geschöpf betragen, so dass er auch zu
[Seite 25] allerhand kleinen Hausdiensten in der
Küche oder im Felde u.s.w. zu brau-
chen war. Nur dursten ihm diese nicht
allein und aufs Gerathewohl überlassen
werden; denn so hatte er z.B. ein Fu-
der Mist, das er eben erst aufladen hel-
fen, da er allein dabey gelassen ward,
stehenden Fusses und an der nemlichen
Stelle eben so emsig wieder abgeladen.
So wie er in den ersten Decennien
seines Aufenthalts in England wohl eher
in die Nachbarschaft sich verirrt hatte,
so war er auch a. 46 eines Tages un-
versehens auf und davon gewandert,
und hatte sich bis nach Norfolk ver-
loffen, wo er als ein verdächtiger Un-
bekannter (– es traf eben in Zeiten
wo man auf vermuthliche Emissäre des
Prätendenten vigilirte –) vor einen
Friedensrichter gebracht ward, der ihn,
weil er mit der Sprache nicht heraus
wollte, vor der Hand ins grosse Zucht-
haus zu Norwich in sichere Gewahr-
[Seite 26] sam bringen liess, wo aber gerade in
der nächsten Nacht ein mächtiges Feuer
ausbrach, so dass eiligst die Gefäng-
nisse geöffnet und die Arrestanten her-
ausgelassen wurden. Erst als man nach
dem ersten Schrecken die Gefangenen
nachzahlte, vermisste man darunter
den Bedenklichsten von allen, den ver-
stockten Unbekannten. Ein Wärter, der
sich durch die Flammen des weiten
Kerkers wagte, fand ihn ruhig hinten
in seinem Winkel sitzen, wo er sich
der Illumination und der behäglichen
Wärme freute, und nicht ohne Mühe
herausgetrieben werden konnte, da er
denn bald darauf aus den Anzeigen von
Dingen die abhanden gekommen, als
schuldloser Peter anerkannt, und sei-
nem Pachter zurück geliefert wurde.
Kurz als Ende vom Lied, das ver-
meinte Ideal des reinen Naturmenschen,
wozu spätere Sophisten den wilden Pe-
ter erhoben hatten, war durchaus
[Seite 27] nichts weiter, als ein stummer, blödsin-
niger Tropf.
Inzwischen ist die Geschichte dieses
Tropfs immer merkwürdig, selbst schon
als warnendes Beyspiel von der Unge-
wissheit menschlicher Zeugnisse und
historischer Glaubwürdigkeit. Denn es
ist auffallend, wie abweichend und theils
gerade einander widersprechend selbst
die ersten gleichzeitigen Nachrichten
über die Umstände bey seiner Erschei-
nung in Hameln lauten.
Nicht einmal im Jahr und Jahrszeit,
und Ort, wann und wo er von dem
Hamelschen Bürger gefunden und zur
Stadt gebracht worden, stimmen die
Referenten mit einander überein. Der
ganz irrigen spätern, sämmtlich ge-
[Seite 28] druckten Sagen zu geschweigen, dass
ihn König Georg I. auf der Jagd bey
Herrenhausen, oder nach Andren auf
dem Harz aufgetrieben; dass man den
Baum, in dessen Gipfel er gehauset, ab-
hauen müssen um seiner habhaft zu
werden; dass er am Leibe rauh behaart
gewesen; auf allen vieren geloffen;
auf den Bitumen herumgesprungen wie
ein Eichhörnchen; mit vieler Vorsicht
die, Lockspeise aus den Wolfsfallen zu
mausen verstanden habe; in einem ei-
sernen Käfig nach England transportirt
worden; binnen nenn Monaten am
Hofe der Königin habe sprechen ge-
lernt; bey Dr Arbuthnot getauft wor-
den; aber bald darauf gestorben sey
u.s.w.
Hingegen habe ich ausser der criti-
schen Vergleichung dessen, was über den
wilden Peter im Druck bekannt wor-
den*), die obigen Nachrichten von
[Seite 30] seiner Entdeckungsgeschichte haupt-
sächlich aus einem handschriftlichen
ausführlichen Bericht des gedachten
Hamelschen Bürgemeisters Severins, den
er im Febr. 1726 an einen Hannover-
schen Minister abgestattet, und die ich
der Freundschaft des verdienstvollen
Herrn Stadtschulzen Avenarius zu Ha-
meln verdanke, so wie aus des fleissi-
gen vaterländischen Chronisten, Cam-
merschreiber Redekers ungedruckten
Hannoverschen Collectaneis auf dem
dasigen Rathhause gezogen, und über
[Seite 31] seine spätere Lebensweise in England,
ausser dem was ich selbst dort erfah-
ren, die mir von mehrern meiner dor-
tigen Freunde, namentlich Herrn Le-
gationsrath von Hinüber, Dr Dornford
und Herrn Crawfurd darüber mitge-
theilten genauen Notizen benutzt, die
sie theils in Hertfordshire selbst ein-
gezogen.
Von den Abbildungen die von Peter
existiren, besitze ich zwey meisterhafte
Kupferblätter, die, wie mir versichert
worden, ihm vollkommen ähnelten.
Das eine aus seinen 50ger Jahren, ein
grosses Blatt in schwarzer Kunst von
Val. Green nach P. Falconet; die ganze
Figur sitzend, a. 67 in London gemahlt,
da er dem König vorgestellt worden.
Und das andre von Bartolozzi, nach
dem von J. Alefounder drey Jahre vor
Peters Tode gemahlten Brustbilde; ein
recht wohl aussehender Greis, von dem
man – wer es nicht bester wüsste –
[Seite 32] glauben würde, er habe es hinter den
Ohren.
Überhaupt aber schien sichs ja wohl
der Mühe zu lohnen, die Geschichte des
armen Peters, der von so manchen
unsrer grössten Naturforscher, Sophi-
sten u.s.w. mit so bedeutender Wich-
tigkeit angesehen worden, einmal kri-
tisch zu prüfen und zu sichten; vol-
lends, weil sie doch noch am ersten
rein factisch dargestellt werden kann;
da hingegen die übrigen Beyspiele
von sogenannten wildgefundnen Kin-
dern, meist ohne Ausnahme, mit so
mancherley theils ganz abentheuerli-
chen auffallenden Unwahrheiten oder
Widersprüchen vermengt sind, dass
[Seite 33] überhaupt ihre Zuverlässigkeit dadurch
höchst problematisch wird.
Um nur bey den Füllen stehen zu
bleiben, die Linné unter der Rubrik
von Homo
sapiens ferus aufgestellt,
und mit denselben sein systema natu-
rae eröffnet hat, so war z.B. sein iuue-
nis ouinus Hibernus, der als 16 jähriger
Bube in Holland zur Schau herumge-
führt worden, wo ihn der alte Tulp
beschrieben*), nach dessen ganzen Er-
zählung wohl ein blödsinniges, stum-
mes und auch im äussern missgestaltes
Geschöpf, aber schwerlich in Irland
Von der Wiege an unter wilden Schafen
(deren es dort so wenig als irgendwo
giebt) erwachsen. Dass er in Amster-
dam Gras und Heu im Angesicht der
[Seite 34] staunenden Zuschauer genossen, finde
ich eben so begreiflich, als dass der
vorgebliche Südsee-Insulaner von Tan-
na, der vor einigen Jahren auf Meilen
und Jahrmärkten umhergeführt ward,
Steine fressen musste. Überhaupt aber
macht mir die abentheuerliche Beschrei-
bung, die jener sonst so ehrwürdige Am-
sterdamer Bürgemeister von diesem Bu-
ben giebt, sowohl als dass hingegen,
so viel ich finden kann, weder ein
gleichzeitiger noch späterer Schriftstel-
ler über die Naturgeschichte von Ir-
land desselben nur mit einem Worte
gedenkt, denselben gleichstark verdäch-
tig, wenigstens gewiss nicht der Be-
deutsamkeit werth, womit selbst noch
unsre Schlözer und Herder ihn
angesehen haben.
Über Linné's iuuenis bouinus Bam-
bergensis hat. man meines Wissens kein
anderes Certifikat, als dass der ehrliche
[Seite 35]
Ph. Camerarius sagt*), dieser nach
der Hand in den Stand der heiligen
Ehe getretene Bamberger Wilde habe
ihm erzählt, er sey auf den benach-
barten Bergen unter dem lieben Vieh
erzogen worden.
Bestimmter zwar, aber hoch suspecter
ist der Bericht des 8 jährigen iuuenis
lupinus Hessensis von 1344 (– nicht
1544 wie Linné und alle seine Copi-
sten angeben –), der die gute Aufnahme
gerühmt, die er unter den Wölfen ge-
funden als sie ihn 5 Jahr vorher ent-
führt; sie hätten ihm ein weiches Nest
von Laub gemacht, sich um ihn herum
gelegt und gewärmt, ihm einen Theil
ihrer Beute zugetragen und dergl.
mehr**).
Auch von dem iuuenis vrsinus Li-
thuanus ist wenigstens gar manches zu
rabattiren; wie z.B. dass der Referen-
te, der schwärmerische Connor in sei-
ner medicina mystica s. de miraculis
*)
versichert, das sey in Polen nichts un-
gewöhnliches, dass eine laugende Bä-
rin, wenn sie ein Kind finde, es zu
Neste schleppe und mit ihrer eigenen
Brut auferziehe, wovon zwar freylich
der alte Joh. Dan. Geyer, in seiner
Monographie von den Lithauischen Bä-
renmenschen, mehrere Beyspiele an-
[Seite 37] führt, namentlich einen 8 bis 9 jähri-
gen dergleichen Bären-Polacken, den
König Johannes III. bekommen, ihn
taufen lassen, und zum Querpfeifer
bey der Miliz gemacht, ohngeachtet er
lieber auf vier als zwey Füssen ein-
hergegangen.
Von der puella Transisalana heisst
es*), sie sey ohngefähr 18 Jahr alt ge-
wesen, als sie im Winter 1717 in ei-
nem deshalb angeordneten Treibjagden
von 1000 Kranenburger Bauern in Net-
zen eingefangen worden. Bis auf eine
geflochtene Strohschürze sey sie nackt
und ihre Haut hart und schwarz gewe-
sen, die aber einige Zeit nach ihrer
Captur abgefallen, und dafür eine hüb-
sche neue zum Vorschein gekommen
u.s.w. (– ich halte mich überall ge-
nau an die Berichte der Gewährsleute –)
[Seite 38] Übrigens sey dieses wilde Frauenzim-
mer gar freundlich und eines guten la-
chenden Humors gewesen und als klei-
nes Kind im May 1700 seinen Eltern
gestohlen worden.
Die puella Campanica wie sie Linné
nennt, oder Dlle
le Blanc nach ihrem
französischen Biographen*), der sie
übrigens für ein nach Frankreich ver-
schlagenes Eskimo-Mädchen zu halten
geneigt ist, soll zuerst selbander im
Wasser gesehen worden seyn, wo die
beiden der Grösse nach etwa zehnjäh-
rigen und mit Keulen bewaffneten Mäd-
chen wie Wasserhüner geschwommen
und untergetaucht hätten. Sie wären
aber sofort über einen Rosenkranz, den
sie gefunden, in Streit gerathen; die
eine sey von der andern vor den Kopf
[Seite 39] geschlagen aber doch auch gleich von
ihr mit einem Pflaster aus Froschhaut
und mit einem Streifen Baumrinde ver-
bunden worden; habe sich aber seit-
dem nicht weiter sehen lassen, sondern
Mamsell le Blanc, die Siegerin, sey
allein mit Lumpen und Fellen bedeckt
und statt Mütze mit einem Flaschen-
kürbs auf dem Kopfe, im benachbarten
Dorfe eingezogen u.s.w.
Johannes Leodicensis war nach des
leichtgläubigen Digby Berichte*) ein
lütticher Bauerjunge, der aus Angst,
da die Soldaten sein Dorf geplündert,
sich in den Ardennerwald verloffen
Jahre lang da gehauset, und von Wur-
zeln, Holzbirnen und Eicheln ge-
lebt habe.
Noch stehen in Linné's Designation
pueri 2 pyrenaici von 1719, denen ich,
aber bis jetzt noch nicht weiter auf die
Spur habe kommen können. Inzwi-
schen wird das, was ich von den übri-
gen hier aufgestellt habe, hoffentlich
hinreichen, um den vermeinten Werth
dieser wundersam vielartigen Relatio-
nen, von diesen vorgeblichen Natur-
menschen für philosophische Naturge-
schichte des Menschengeschlechts, nach
Verdienst würdigen zu können.
Denn – wenn man auch nach billi-
gem Abzug der gar zu abgeschmachten
Fictionen in jenen Erzählungen, das
übrige noch so nachsichtig will passi-
ren lassen, so sieht man ja doch offen-
bar, dass das samt und sonders natur
widrige Missgeschöpfe waren, und
doch, was selbst schon das Abnorme
an denselben offenbart, unter ihnen
samt und sonders, nach kritischer Ver-
gleichung der Nachrichten die wir von
ihnen haben, nicht zwey einander
gleich Sämmtlich zwar verunmenscht,
aber jedes auf eigene Weise, nach
Maassgabe seiner individuellen Män-
[Seite 42] gel, Gebrechen und Unnatürlichkeiten.
Nur darin einander gleich, dass sie, ih-
rer Naturbestimmung zuwider einzeln,
von menschlicher Gesellschaft entfernt,
umhergeirrt; ein Zustand, dessen Natur-
widrigkeit schon Voltaire mit dem ei-
ner einzelnen verlorenen Biene ver-
gleicht*).
Der Mensch ist ein Hausthier*). –
Allein, statt dass Er, um sich andere
Hausthiere zu verschaffen, Individuen
ihrer Stammrasse erst ihrem wilden Zu-
stand entreissen, sie sich häuslich ma-
chen, sie zähmen müssen; so war Er
hingegen gleich von Natur zum voll-
kommensten Hausthier bestimmt und
geboren. Andere Hausthiere wurden
erst durch ihn vervollkommnet. Er ist
das Einzige, das Sich Selbst vervoll-
kommnet.
Statt dass über so manche andere
Hausthiere, Katzen, Ziegen u.s.w.
[Seite 44] wenn sie durch Zufall in Wildniss
gerathen, im Naturell gar bald wieder
ihrer wilden Stammrasse nacharten; so
waren hingegen, wie gesagt, alle jene
sogenannten wilden Kinder in ihrem
Benehmen, Naturell etc. auffallend von
einander verschieden, eben weil sie gar
in keine ursprünglich wilde Stamm-
rasse zurückarten konnten, als der-
gleichen in dem zum vollkommensten
aller Arten von Hausthieren erschaffenen,
und jeder Lage, jeder Lebensweise, so
gut wie jeder Zone sich anpassenden
Menschengeschlechte, nirgend existirt.
Ich bin zu verschiedenen Zeiten
veranlasst worden, mich mit der
Geschichte der Mumien zu be-
schäftigen.
Die erste Gelegenheit gab ein,
schöner Mumienkopf, den ich schon
1779 erhielt, und der mir noch
jetzt auch als erster Anfang zu
[Seite 48] meiner nachher an instructiver
Vollständigkeit so einzig worde-
nen Sammlung von Schedeln aus
den verschiedenen Menschenrassen,
werth ist.
Ein Aufsatz, den ich darüber in
unsers sel. Lichtenberg's Göttin-
gischem Magazin drucken lassen,
gab den Anlass zu der Abhandlung
des sel. Walch von den christli-
chen Mumien, und diese hinwie-
derum zu des Hrn. Prof. Ritter
Heyne Nachlese zur Alterthums-
kunde der Mumien. (Beide im
IIIten B. der Commentationen der
[Seite 49] Königlichen Societät der Wissen-
schaften.)
Und eben diese Schriften meh-
rerer hiesigen Gelehrten über die-
sen Gegenstand, haben gleich dar-
auf dem academischen Museum
das königliche Geschenk einer gan-
zen Mumie aus Copenhagen ver-
schafft, die ich der Absicht gemäss,
wozu sie geschenkt worden war,
zur näheren Untersuchung öffnen
musste.
Über zehn Jahre nachher, bey
meinem Aufenthalte in London,
haben mehrere dasige berühmte Ge-
[Seite 50] lehrte, besonders aber die Vorste-
her des Britischen Museums, mir
mit einer eben so seltenen als
wahrhaft edlen Liberalität Gele-
genheit gegeben, nicht weniger
denn sechs Mumien öffnen, und
theils zerlegen zu können, wor-
über ich in den philosophical Trans-
actions vom J. 1794. in einer Ab-
handlung Nachricht ertheilt, die
auch im new annual Register je-
nes Jahrs abgedruckt, so wie in
mehreren französischen und italiä-
nischen Journalen übersetzt ist.
Dass ich aber nun vom neuen
wieder an diesen naturhistorisch-
[Seite 51] antiquarischen Gegenstand gera-
then bin, und jetzt die letztge-
dachte Abhandlung auch deutsch,
und in Verbindung mit der frü-
heren im Göttingischen Magazin,
diese aber ganz umgearbeitet und
sehr beträchtlich vermehrt heraus-
gebe, das verdanke ich der Gnade
Seiner Durchlaucht des regieren-
den Herrn Herzogs zu Sach-
sen Gotha und seines Herrn
Bruders, des Prinzen Frie-
drichs Durchl., die mich vor kur-
zen mit einer ausnehmend wohl-
erhaltenen, noch in ihrem Sarco-
phag befindlichen Mumie aus dem
[Seite 52] Privatnachlass ihres hochseligen
Herrn Vaters beschenkt, und da-
durch zugleich die Einzige bishe-
rige bedeutende Lücke in meiner
anthropologischen Sammlung von
Schedeln und theils ganzen Ske-
leten und Mumien u.s.w. auf
das vollkommenste gefüllt haben.
Auch die alten Ägypter, dieses weise,
ernste, ehrwürdige Volk, ursprünglich
wohl unser aller erste Lehrer und Mei-
ster, halten die feste selige Ueberzeu-
gung von Fortdauer unters Daseyns
nach dem Tode und von Unsterblich-
keit der Seele, als welche hienieden
nur ihre einstweilige Herberge, dem-
nächst aber, wenn sie anders in dieser
[Seite 54] Herberge sich darnach betragen, in der
Unterwelt in Gesellschaft der Frommen
ihre bleibende friedliche Wohnung
finde.
Darum bauten sie sich auch für jene
kurze Lebenszeit nur leichte Häuser,
und bereiteten hingegen zu ihrer künf-
tigen bleibenden Stätte die prodigiosen
noch heute nach langen Jahrtausenden
aller Vergänglichkeit trotzenden, in
den lebendigen Fels gehauenen heili-
gen Hallen.
Ungestört verblieb nach ihrem Glau-
ben die Seele in dieser friedlichen
Wohnung so lange, als ihr vormaliger
Körper vor der Verwesung gesichert
blieb; dann aber müsse sie diesen bis-
herigen Aufenthalt verlassen, und die
grosse Seelenwanderung von den nie-
deren Staffeln der thierischen Schö-
pfung bis wieder zur edlen menschli-
chen Wiedergeburt durchgehen.
Der Seele also jene ruhige Existenz
im stillen Reiche der frommen Schat-
ten so lange als möglich zu sichern,
suchten sie den Leichen selbst die mög-
lichstlange Dauer zu geben. Und das
war der grosse heilige Zweck der müh-
samen und kostbaren*) Proceduren,
wodurch sie dieselben zu so merkwür-
digen Kunstwerken, zu Mumien be-
reiteten; deren unversehrte Integrität
nun noch heute, so wie zu den Zeiten
des Vaters der Geschichte, der schon
ihre Bereitung beschrieben, hohe Be-
wunderung erregen muss.
Folglich sah auch (wie sich Dorned-
den ausdrückt) der Ägypter in einem.
mumisirten Körper nicht einen Todten,
sondern einen Lebendigen jenseits des
Grabes, in der Gesellschaft der Götter,
[Seite 56] unter den Frommen. Mithin hatte auch
eine Mumie so durchaus nichts grau-
senhaftes für ihn, dass vielmehr Ver-
wandte und Freunde sich von einer
geliebten abgeschiedenen Person nicht
so bald trennen wollten, sondern sie
erst noch lange in ihrem Sarcophag
von Hermengestalt zu Hause aufstellten
und sie noch in ihrer traulichen Mitte
behielten, bis sie dieselben endlich
nach ihrer Ruhestätte in die unterirdi-
schen Felsengräber bringen liessen.
Solche Catacomben finden sich in den
verschiedensten Gegenden von Ägypten,
bey Theben so gut wie in den Oasen*).
Die bekanntesten von allen aber und
aus welchen auch die mehresten und
[Seite 57] schönsten der seit dritthalbhundert Jah-
ren*) nach Europa gebrachten Mumien
herstammen, liegen unter den Pyrami-
denfeldern einige Meilen vom linken
Nilufer, Altcairo gegen über, wo wei-
land das nun gänzlich von der Erde
vertilgte Memphis, die Hauptstadt von
Mittelägypten, gelegen war.
In dieser Gegend, nahe bey den klei-
nen Pyramiden von Sakara, sind in
einem Umfange von zwölf Meilen die
Mundlöcher zu den Schachten, welche
in diese weit und breit sich erstrecken-
den Wohnungen der Unterwelt führen,
die aber von aussen wie mit einem
Meere von Flugsand auf Mannshoch
[Seite 58] bedeckt, und daher nur mühsam aus-
zufinden und aufzuräumen sind.
Diese vertikalen Eingänge oder Schach-
te und viereckt, bey 3 Fuss im Quer-
durchmesser und ungefähr 20 Fuss tief.
Vom Boden derselben laufen nun
horizontale, aber auch grossentheils
versandete Gänge oder Stollen nach den
Grabgewölben selbst, deren, wie es
scheint, unzählige durch labyrinthische
Nebengänge*) unter einander in Ver-
bindung stehen; ein Stuck Arbeit, das
alle Vorstellung übersteigt**), unge-
achtet es durch die Beschaffenheit der
[Seite 59] Gebirgsart, einem ziemlich weichen,
rahmgelben, Petrefactenreichen und
namentlich von den räthselhaften Lin-
sensteinen (Phaciten) gleichsam wim-
melnden*) dichten Flötzkalkstein, er-
leichtert ward; aus welchem auch die
Pyramiden grösstentheils aufgeführt und
der colossale Sphinx gehauen ist.
Die Felsengräber selbst sind meist 7
Fuss hoch, und an den Wänden wie
mit Nischen versehen, worin die in
Sarcophagen eingeschlossenen Mumien
aufrecht gestellt waren**).
Gewöhnlich sind diese Hermenförmi-
gen, mit einem vorspringenden Fuss-
tritt (plinthus) versehenen Sarcopha-
gen, aus dem schwammigen und doch
fast unvergänglichen Sycomorholze (vom
Pharaonsfeigenbaum, Ficus sycomorus)
gearbeitet, und bestehen wie bey un-
sern Särgen aus zwey Hälften: Rücken-
theil und Deckel; jedes entweder aus
dem Ganzen gehauen, oder aus meh-
reren Stücken zusammengesetzt, und
beide mit etlichen Zapfen an den Sei-
tenrändern in einander gefugt und ver-
schlossen.
Oben am Deckel ist immer ein Ge-
sicht mit dem priesterlichen Haupt-
schmuck, einer Haube mit zwey seit-
wärts herabhangenden Flügeln (calan-
tica) – dem Urbild unsrer Nonnen-
[Seite 61] schleier*) ausgeschnitzt, und bey man-
chen unter dem Kinn ein Spannenlan-
ger Zapfen angebracht, der auch an
den Osirisidolen u.s.w. häufig vor-
kommt und über dessen Bedeutung die
Meinungen lange getheilt gewesen.
Die mehresten glaubten mit Kir-
cher und Bonanni, er solle ein Blatt
der Persea vor Hellen, weil Plutarch
sagt, die Persea sey der Isis heilig, ihre
Frucht herzförmig und ihre Blätter wie
Zungen gestaltet. Allein wir wissen
überhaupt nicht mit Gewissheit, was die
Persea der Alten für ein Gewächs seyn
soll. Theophrast, der sie noch am
ausführlichsten beschreibt, vergleicht
ihre Blätter mit denen des Birnbaums,
die denn wohl zur Noth mit einer
Zunge, aber gewiss nicht mit jenem
Zapfen Aehnlichkeit haben. Was aber
diese Meinung noch mehr entkräftet,
[Seite 62] ist die grosse Verschiedenheit in der
Bildung dieses Zapfens, der bald lang
bald kurz, breit, schmal, cylindrisch
oder vierkanntig, gerade oder nach un-
ten ausgeschweift, und zuweilen gar
wie ein Zopf geflochten erscheint.
Ohne Vergleich wahrscheinlicher ist
daher die andere Meinung, dass dieser
Zapfen einen Bart vorstellen, und den
Osiris, zum Unterschied der Bartlosen
Isislarven an den Sarcophagen bezeich-
nen solle*). Jener deute dann auf eine
männliche, dieser hingegen, wie an der
vortrefflichen Mumie die ich besitze,
auf eine weibliche darin verwahrte
mumisirte Leiche.
Wenn übrigens auch diese Sexualbe-
stimmung bey einer oder anderen von
den in Sarcophagen nach Europa ge-
brachten Mumien nicht zutreffen Tollte,
[Seite 63] so wird das Niemand wundern, der
wenigstens aus Maillet weiss, wie
manche Verwechselung der nicht zu-
sammen gehörigen Mumien und Sarco-
phage von den dortigen Arabern vor-
genommen wird.
Zuweilen ist der Sarcophag von aussen
auf dem Deckel, selten aber auch, so
wie an der meinigen, die Rückseite*)
auf weissen Gypsgrund, in theils noch
recht lebhaften Farben, mit allegori-
schen Bildern bemahlt.
So ist z. 13. eben an dem meinigen
mitten auf der Vorderseite die mumi-
sirte Leiche selbst vorgestellt, auf einer
Bahre in Gestalt eines stehenden Lö-
wen**), als Hieroglyphe des Nils, auf
[Seite 64] welchem sie zu den an seinen Felsen-
ufern belegenen Grabgefilden überge-
schifft werden musste. Hinter ihr steht
der ägyptische Mercur, der latrator
Anubis mit dem Hundskopf, der die
Ueberkunft der Abgeschiedenen in die
Unterwelt besorgt*). In seiner Linken
hält er ein tiefes Gefäss, wahrschein-
lich mit den Eingeweiden des Unter-
leibes, die aus den Leichen genommen,
und weil sie als Quelle der fündigen
Ausschweifungen in diesem Leben, nun
nicht mit zu den unterirdischen Woh-
nungen der Frommen gelangen durf-
ten, in das Wasser geworfen wurden**).
– Unter der Brust ist der geweihte Kä-
[Seite 65] ser (Scarabaeus sacer) gemahlt*), das
Heiligste der altägyptischen Sinnbilder,
das Symbol der Sonne sowohl als der
Seele, die man als den göttlichen Fun-
ken von jener betrachtete. Drüber noch
ein Paar liegende Figuren mit Sperber-
köpfen**), ebenfalls Bilder der Seele,
deren Sitz die Ägypter ins Herz setz-
ten, das so wie der Sperber nichts als
Blut trinke. Unten zu den Füssen ein
Paar verkehrt liegende schwarze Wölfe
[Seite 66] mit Geisseln, als Thürhüther der Unter-
welt, zum Abwehren und Beschützen*),
zugleich aber Mittler des Verkehrs zwi-
schen dieser und der Oberwelt. Ausser-
dem sind vorn so wie an den Seiten
und am, Rücken des Sarcophags noch
mancherley stehende Figuren von Ge-
nien angemahlt; darunter besonders der
mit dem Sperberkopf, das Bild der rein
tugendhaften Sittlichkeit, und hinge-
gen der Hundsköpfige als Repräsentant
der sinnlichen Begier.
Zu den seltenen Einrichtungen an
Sarcophagen gehört, dass man wohl
eher zwey hölzerne in einander gepasst
gefunden, oder aber dass sie aus an-
derem Material verfertigt gewesen. So
besass der jüngere Thevenot, der mor-
genländische Reisende, einen solchen
Mumiensarg, der selbst aus mehr denn
vierzig Lagen von aufeinander gepapp-
[Seite 67] ten Byssus (Cattun) bestand, übrigens
aber ebenfalls mit allegorischen Bil-
dern und Hieroglyphen bemahlt war*).
Auch sehr selten, wenigstens schwer
nach Europa zu transportiren, sind stei-
nerne Sarcophage, aus Basalt oder Mar-
mor gehauen, von welcher beiderley
Steinart die zweye sind, die ehedem
der französische Grossfinancier Fou-
quet besessen, und schon von Kir-
cher
**), neuerlich von de la Sau-
vagère
***), und der eine derselben
[Seite 68] so eben wieder von Lenoir
*) be-
schrieben worden.
Sehr viele Mumien liegen aber auch
ohne Sarcophag bloss in Schlif oder
Palmzweige eingewickelt, oder auch,
wie Maillet welche beschreibt, die
weiter weltlich von Sakara gefunden
worden, blosse Körper nur obenhin in
Stücke Cattun gewickelt, auf eine
Schicht Kohlen gelegt, und 7 bis 8
Fuss hoch mit Sande bedeckt.
Überhaupt haben auch die Kinder-
mumien sehr selten einen Sarcophag.
Die Vorderseite der Mumien selbst ist
gewöhnlich vom Kopf bis zu den Füssen
mit einer Cartonähnlichen, aber aus
Cattun über einander gepappten, mit
einem Gypsgrund überzogenen und be-
mahlten Maske bedeckt, die am Kopfe
wieder ein gemahltes oder vergoldetes
Gesicht, dann vor der Brust das grosse
aus halben Kreisen zusammengesetzte
Schild, und so am Unterleibe und an
den Beinen herab wieder mancherley
Vorstellungen von ägyptischen Gotthei-
ten u. dergl. zeigt.
Fürer von Haimensdorf, Ket-
ner u.a. sagen, dass diese Masken auch
theils von Papyrus wären; aber das
scheint mir zweifelhaft, wenigstens
habe ich an so manchen Mumien, die
[Seite 70] ich zu untersuchen Gelegenheit gehabt,
nie etwas von diesem berühmten Schilfe,
auch bey keinem sehr genauen Schrift-
steller darüber, eine Bestätigung jener
Vermuthung gefunden.
Ueber die blaue Farbe an diesen Mas-
ken oder auch auf den Sarcophagen,
sind die Angaben der Chemiker ge-
theilt. Die mehresten, auch noch Brün-
nich in seiner Beschreibung der von
ihm und anderen Dänischen Gelehrten
zerlegten Copenhagner Mumie, erklä-
ren sie für Smalte. Unser sel. Gme-
lin hingegen, nach seinen Untersuchun-
gen an der im hiesigen academischen
Museum, schreibt sie dem Eisen zu.
Fabbroni will an der Mahlerey ei-
nes zu Florenz befindlichen Mumien-
fragments Spuren von Wachs wahrge-
nommen haben und hält daher die En-
caustik für eine altägyptische Erfindung*).
Auch die Vergoldung an den Mu-
mien zeigt mancherley Eignes. Zuwei-
len bat sie eine Unterlage von Silber,
das ohne weiteres Verbindungsmittel
gleichsam damit platirt ist**).
Häufig aber ist das Gold, das an Frisch-
heit des Glanzes dem auf altdeutschen
Altarblättern ähnelt, doch wieder zu
äusserst mit einem schwarzbraunen,
wie es scheint harzigen Virniss über-
zogen und darunter versteckt**)**).
Zu dem sehr ungewöhnlichen Putze
womit manche Mumien ausgestattet wor-
den, gehören die Netze von kleinen
bunten Glascorallen, dergleichen Perry
und Ledyard beschrieben, und ich
selbst an der schönen Montaguschen
[Seite 72] Mumie in Britischen Museum gesehen
habe. Versteht sich, dass man diese,
meist unter der Cattunmaske befindli-
chen, erst an abgebrochenen Stellen
derselben zum Vorschein kommenden
Corallen, selbst schon durch die alten
Byssusfäden, an welche sie gereiht sind,
gar leicht von den ähnlichen modernen
Zierathen unterscheiden kann, womit
man wohl eher in Europa die Mumien
aufgestutzt hat, um ihnen ein desto
merkwürdigeres Ansehen zu geben*).
Die Leiche selbst ist bekanntlich über
und über mit Binden umwickelt, die
nach allen meinen Untersuchungen und
nunmehriger Ueberzeugung, nicht wie
[Seite 73]
Greaves und so viele andere behaup-
ten, von Leinwand, sondern durchge-
hends von Baumwolle sind.
Ich gründe diese meine Überzeugung
weit weniger auf meine eigene Ansicht,
als auf die Versicherung solcher Perso-
nen die ich darüber befragt, und de-
ren Urtheil in dieser Sache ich ohne
Vergleich mehr als meinem oder irgend
eines anderen Gelehrten traue, nem-
lich Frauenzimmer, Cattun- und Lein-
wandhändler, Weber u. dergl.
Überdem aber willen wir, dass Baum-
wolle in Ägypten wuchs, und dass der
mythischen Sage nach Isis die gesam-
melten Glieder ihres von Typhon zer-
stückelten Gemahls in baumwollenes
Zeug gewickelt hat; und so wie über-
haupt so sehr vieles an den Mumien
auf Isis und Osiris hindeutet, so könnte
auch jene Sage wohl als ein Grund an-
gesehen werden, warum die Ägypter
[Seite 74] ihre Leichen in lauter Cattunbinden
gewickelt*).
Auch schon der grössern Dauerhaf-
tigkeit wegen waren sie diesem Behuf
vorzüglich angemessen. Noch jetzt,
nach langen Jahrtausenden, sind die Mu-
mienbinden zum Theil noch so fest,
dass z.B. der brave Zürcher Wundarzt
Hanns Jac. Amman, da er a. 1613
die Catacomben von Sakara befuhr,
die alten Byssusbinden nicht zu zer-
reissen vermochte, sondern sie mit der
Scheere zerschneiden musste; und dass
Lord Sandwich sie so fest fand, als ob
sie so eben vom Webestuhl genommen
waren; und unser Seetzen dem Hrn.
von Hammer schreibt**), dass sie noch
jetzt von den dortigen Bauern zu Klei-
[Seite 75] dungsstücken für ihre Kinder benutzt
würden*).
Diese Binden sind oft an Einer und
eben derselben Mumie von sehr ver-
schiedener Feine. Die gröbern, wie
Baracan und theils gekepert**). Die
feinern unserm schönsten Battist gleich,
so dass sowohl Gespinnst als Gewebe
an denselben vortrefflich zu nennen
sind***).
Eben so ungleich ist vollends bey den
verschiedenen Mumien die Menge der
darauf verwandten Binden, ihre Breite,
die Art wie sie gewickelt worden u.s.w.
Die Menge die zu manchen verbraucht
worden, wird von dem Schwedischen
Baron Höpken auf 600 Ellen, und
von Greaves auf nahe an 1000 an-
geschlagen.
Am Leibe und an den Schenkeln lie-
gen oft 40 bis 50 Windungen derselben
über einander.
Die äusseren sind gewöhnlich die
schmalsten, und laufen über den gan-
zen Körper, so dass man von aussen
weder irgend etwas von Gesichtsbil-
dung, noch von den Gliedmassen unter-
scheiden kann. Unter ihnen liegen
dann die inneren, womit die Extremi-
täten und der Rumpf besonders um-
wickelt sind, die auch zuweilen mit
grossen Stücken Cattun, welche sich
[Seite 77] zwischen denselben finden, abwechseln.
Greaves, Andr. Gryphius und
Brünnich haben die Anlage dieser
Bandagen an denen Mumien, die sie
zerlegt, genau angegeben.
Die Köpfe einiger nach Europa ge-
brachter Mumien, wie z.B. der Gross-
herzoglichen zu Florenz die Nardius
beschrieben, oder der Kopf in der
Sammlung des Bononischen Instituts,
sind auf das mühsamste und sonderbarste
übers Kreuz umwickelt, so dass hin
und wieder viereckte Öffnungen zwi-
schen den Banden blieben, und der-
gleichen Köpfe gewisser Massen alten
geschlossenen Helmen mit durchbroch-
nem Visir ähneln.
Überhaupt sind manche Mumienban-
dagen so wundersam kunstreich ange-
legt, dass selbst geschickte Wundärzte
bezweifelt haben, dass man sie heuti-
ges Tages nachmachen könne. Doch hat
[Seite 78] sich Thom. Alghisi, ein berühmter
Florentiner Arzt und Lithotome, der
unvergoltnen Arbeit unterzogen, alle
die mühsamen Bandagen der gedachten
Florentiner Mumie an einem Fantom
auf das genaueste nachzuwinden*).
Dass die Binden durch Gummi un-
tereinander befestigt worden, sagt schon
Herodot; und ich habe es zum Über-
fluss an mancherley Stücken davon un-
tersucht und richtig befunden.
Zuweilen sind auch die zunächst um
den Leib und an den Armen vergol-
det. – An des Apotheker Hertzogs
Mumie waren gewölbte Brüste mit deut-
lichen Papillen aus Cattunlagen bossirt
– bey manchen finden sich, so wie an
der im hiesigen academischen Museum,
bemahlte und theils vergoldete Sandalen
[Seite 79] aus zusammengepappten und grundir-
ten Binden, anderer dergleichen unge-
wöhnlicher Sonderbarkeiten an einzel-
nen Mumien zu geschweigen.
Von der Hauptverschiedenheit der
Mumien nach ihrer Bereitungsweise,
die sich gleich auf den ersten Blick
durch die Art verräth, wie die Binden
entweder bloss gummirt, gelblich braun,
und theils gar nur lose auf einander
liegen, oder aber mit Harz innig durch-
zogen, und dadurch zu einer festen
schwarzen Masse verhärtet sind, davon
wird weiter unten ausführlicher die
Rede seyn.
Jene enthalten von der ehemaligen
Leiche selten mehr als das blosse Ge-
rippe, und höchstens sind nur die in-
nern Wände der grossen Cavitäten des
Körpers, zumahl im Thorax und der
Beckenhöhle mit Harz mehr oder we-
niger ausgegossen. In den Mumien der
letztern Art hingegen ist viel von den
weichen Theilen, zumal Muskeln,
nebst der Haut erhalten, alles aber so
wie die Binden, mit Harz theils bis
in die Markzellen der Knochen durch-
zogen und geschwärzt.
Ausser den eigentlichen Muskeln
scheint von den weichern Theilen be-
sonders die Zunge noch am öftersten
erhalten zu seyn; und nächst derselben
die Sexualorgane, die man bey weib-
lichen Mumien theils mit Goldblätt-
chen belegt*), oder auch eine, den
[Seite 81] Ägyptern bekanntlich heilige Zwiebel
an dieser Stelle*) gefunden. An man-
chen männlichen versichern Denon
und Seetzen sogar die Beschneidung
erkannt zu haben.
Man hat viel von einem Goldstücke
gesagt, das die Mumien unter der Zunge
haben sollten, und was ihnen zum
Fahrgeld mitgegeben worden. Nun
weiss ich zwar nicht wo es Burret-
tini und Daubenton herhaben, dass
so ein Goldstück zwey Louisd'or am
Werth gehalten habe; oder wie Win-
kelmann gar aus diesem vorgeblichen
Naulus folgern konnte, ergo müssten
die alten Ägypter geprägtes Geld ge-
habt haben; und weiss hingegen wohl,
dass schon Peiresk u.a. vergebens
darnach gesucht. Aber Graf Caylus
hätte doch auch nicht sagen sollen,
man habe gar nichts dergleichen noch
[Seite 83] gesehen; denn allerdings fand Gry-
phius im Schlund der Breslauer Mu-
mie ein dünnes Goldblech zehn Gran
schwer, eingekerbt und zusammenge-
legt; und Brünnich in der Nasenhöle
der von ihm zerlegten ein schmales
Goldblättchen, das ihm natürliches ge-
diegenes Gold schien; – vielleicht aus
den alten, wegen ihrer reichen Aus-
beute weiland so berühmten Goldgru-
ben bey Berenice Panchrysos die Agath-
archides beschrieben.
Auch hat Denon ein hieroglyphisirtes
Silberblättchen abgebildet, das auf der
Brust einer in Oberägypten geöffneten
Mumie gefunden worden.
Die grösste Anzahl und Mannichfaltig-
keit von Symbolen aber, die meines Wis-
sens je in Einer Mumie angetroffen wor-
den, fand sich in dem vom Apotheker
Hertzog zu Gotha zerlegten Mumien-
tronk. Es waren ihrer 72, und ich habe
[Seite 84] sie sämmtlich genau untersucht, zu-
mal in Bezug auf die Steinarten, wor-
aus sie geschnitten waren. Wenige aus
Chalcedon und Achat, mehrere aus La-
surstein und schwarzem Basalt, auch aus
einem granitartigen Gemenge von Feld-
spath und Hornblende, das in Grünstein
überging. Was mir aber besonders auf-
fiel, manche aus einer rothen Kupfer-
garschlacke, die der Farbe nach dem.
sogenannten Porporino ähnelte, das
neuerlich in Rom zu Halsbändern u.a.
dergleichen Frauenzimmerputz verar-
beitet wird.
Zu den sehr seltenen dergleichen Fi-
gurchen gehört, was das Material betrifft,
ein Skarabäe aus Magneteisenstein, den
Greaves mitgebracht hat*), so wie
hingegen die bey weiten allerhäufigsten
als Töpferwaare aus Thon gebrannt
sind. Manche derselben nennt Cay-
[Seite 85] lus porcellanen, allein alle die, so ich
gesehen, ähneln höchstens unterm Stein-
gut, haben eine meist spangrüne Gla-
sur und sehen auf dem frischen Bruche
rauh und sandig aus. Sie sind in For-
men gedruckt und unter den grösseren,
zumal Osirisfiguren, längs dem Rücken
mit Hieroglyphenschrift bezeichnet.
Die Vorstellungen der Bilderchen selbst
sind aus den Kupfern in Hertzogs
Mumiographie, so wie bey Kircher,
Caylus, Denon u.a.m. allgemein
bekannt. Meist sind es Osirisfiguren*),
das symbolische Auge, Sperberköpfe,
Frösche, Skarabäen, sehr selten hin-
gegen Nilpferde**).
Immer merkwürdig bleibt das räth-
selhafte Instrument ans schwarzem Basalt,
das Hertzog in seiner Mumie gefun-
den und abgebildet hat, wenn man es
auch nicht, so wie er, für ein bey der
Bebreitung der Mumien gebrauchtes
Werkzeug halten will.
Endlich sind auch zuweilen beschrie-
bene Blätter oder ganze Rollen von Pa-
pierschilf in und bey Mumien ange-
troffen worden. Schon der wackere
Rondelet meldet, dass man in der Brust
einer von Cairo nach Marseille gebrach-
ten Mumie 20 solche Blätter gefunden,
deren er selbst einige besessen*); und
neuerlich sind durch die französische
Expedition nach Ägypten mehrere ganze
Hollen der Art nach Europa gekommen,
davon die längste und schönste durch
das vortreffliche Facsimile von Cadet
bekannt gemacht worden.
Der chemischen Ingredienzen zur Be-
handlung der Leiche selbst bey der Mu-
mienbereitung, waren hauptsächlich
drey. Natrum. Cedria und Asphalt;
so wie zur Verbindung der Lagen von
Cattunwindungen Gummi.
Die Wirkung des Natrums bey dem
Mumisiren, zumahl bey der ersten von
den oben unterschiedenen beiden Haupt-
arten, war ohne Zweifel, wie schon
Rouelle richtig angemerkt, die wei-
chen Theile wegzubeizen. Selbst Wir-
belknochen habe ich dadurch angefres-
sen gesehen. Auch liefert Ägypten die-
ses natürliche mineralische Alkali in
unermesslicher Menge, da nur allein
aus den Natronseen in der Wüste des
[Seite 88] heil. Macarius, jährlich 36000 Centner
desselben gewonnen werden.
Die Cedria war das Baumharz von
der Ceder auf dem Libanon (Pinus ce-
drus oder Cedrus conifera oder Phoeni-
cea, zum Unterschied von der bacci-
fera oder Cilicia, Iuniperus oxycedrus),
theils flüssig wie Terpenthin, theils fest
wie Pech. Ersteres soll nach Hero-
dot als Klystier in die Leiche gebracht
worden seyn, letzteres aber ward wahr-
scheinlich einigen der verschiedenen
Asphaltcompositionen zugesetzt. Denn
dass der gemeine Asphalt wohl selten
rein zu den Mumien gebraucht worden,
davon hallen mich nicht nur die vie-
lerley verschiedenen äussern Kennzei-
chen an den mancherley Mumienstük-
ken in meiner Sammlung, sondern auch
die damit angestellten vergleichenden
Versuche überzeugt.
Die allerfeinste und wohlriechendste
Composition die ich besitze, ist in ei-
[Seite 89] nem Stück vom Thorax einer jugend-
lichen Leiche, an welchem nicht nur
einige Rippen der rechten Seite ansitzen,
sondern auch die zwischen denselben
liegenden Intercostalmuskeln aufs sicht-
lichste erhalten sind. Sie ist von aussen
hart, glänzend, theils ganz schwarz,
theils bräunlich, im Bruche mattglän-
zend; in der Mitte aber graubraun und
noch weich wie Wachs, dass sie sich
wie frische Pillenmasse behandeln lässt.
Und eben so war auch das Harz in der
Brust des vom Apotheker Hertzog in
Gotha zerlegten Mumientronks.
Dem Wortverstande nach passt die
Benennung Mumie eigentlich bloss auf
diese Asphaltcompositionen, und die
damit gefüllten und durchzogenen Lei-
[Seite 90] chen. Denn Mumia, das jetzt im Ara-
bischen, Persischen und Türkischen ge-
bräuchliche Wort für die kunstreich zu-
bereiteten Körper aus den ägyptischen
Catacomben, kommt wohl, so wie Mu-
minahi das kostbare Persianische Erd-
pech, von Mum, was in allen diesen
Sprachen Wachs heisst.
Den altägyptischen Namen hat uns
der heil. Augustimis aufbehalten, da er
sagt: die Ägypter trockneten ihre Lei-
chen so hart, als ob sie aus Erz wären,
und nannten sie Gabbaras, welches
Wort der ältere Forster durch heilig
verwahrt übersetzt*). – Bey den
Kopten aber heissen die Mumien jetzt
Miolon. – Die älteren Griechischen
und Römischen Schriftsteller haben keins
dieser Wörter gebraucht. Der erste
Grieche, bey welchem ich das Wort
[Seite 91] Mumia finde, ist Nicolaus Myrepsus,
aus dem XIIIten Jahrhundert, und un-
ter den Latinobarbaris Constantinus
Afer aus dem XIIten.
Bey der Bereitung dieser mit Harz
ganz durchzogenen und verhärteten
Mumien, müssen die Leichenbeschicker
mitunter gar unsanft und derb umge-
sprungen seyn, weil man so häufig zer-
brochene Rippenstücken, ausgebrochene
Wirbel u. dergl. in der Harzmasse, in
der Brusthöhle oder im Unterleibe an-
trifft. Einer gewissen von Herodot
erwähnten, ganz brutalen und empö-
renden Gewaltthätigkeit zu geschwei-
gen, derentwegen in der Folge die
Leichen schöner Frauenzimmer nicht
eher, als bis sie schon in Verwesung zu
gehen anfingen, den Händen der we-
[Seite 92] gen Unenthaltsamkeit verdächtigen Lei-
chenbeschicker anvertrauet wurden.
Was noch einige besondere Umstände
bey der Behandlung der Leiche betrifft,
so habe ich die Nase an keinem einzi-
gen von seinen Hüllen entblössten Mu-
mienkopfe unzerstört gefunden, wenn
auch sonst andere weiche Theile (wie
an einem vortrefflichen Kopfe von der
karten durchharzten Art, den ich durch
die Freundschaft des Hrn. Th. Tur-
ner aus Cambridge bekommen habe),
zum Wunder erhalten waren*). –
Das reimt sich mit Herodots Berich-
te, dass die Leichenbereiter das Hirn
mittelst eines gekrümmten Eisens durch
die Nasenlöcher ausgeleert hätten. Gry-
phius, Middleton u.a. haben das
[Seite 93] unwahrscheinlich gefunden, und ge-
glaubt, das sey vielmehr durch die
grosse Öffnung im Hinterhauptsbeine
geschehen. Aber ich habe durchaus
an allen den Mumienschedeln, wo ich
das untersuchen konnte, entweder die
ganze knöcherne Scheidewand der Nase
mit sammt dem Hahnenkamm ausge-
brochen, oder doch die durchlöcherte
Scheibe des Siebchens, und einigemahl
auch einen der daran anliegenden in-
neren Seitentheile des Stirnbeins durch-
gestossen gefunden.
Dagegen sitzen an meinem ausneh-
mend schönen Mumienkopfe, dessen ich
so eben gedacht, die Halswirbel noch
so unverrückt in ihrer festen natürli-
chen Verbindung, dass dabey an eine
Ausleerung des Hirns durch jenen Weg,
kein Gedanke bleibt.
Die Menge des Harzes, das nachher in
den ausgeleerten Schedel gegossen wor-
[Seite 94] den, ist sehr ungleich gewesen. In
zweyen meiner Mumienköpfe betrug sie
wohl etliche Pfunde. Andere habe ich
zuweilen damit nur wie ausgepicht oder
leicht incrustirt gefunden. Und noch
andere ganz leer ohne alles Harz. So
ein jugendlicher Mumienkopf, den ich
Hrn. Dr
Gall verdanke, und welchen,
wie er mir sagt, der bekannte englische
Reisende, Hr. Cripps aus Ägypten
mitgebracht und ihm gegeben. Eben
so harzlos ist auch die Schedelhöhle der
Mumie, die das hiesige academische Mu-
seum vor 30 Jahren vom vorigen Kö-
nige von Dänemark zum Geschenk er-
halten, und eben so auch der Mumien-
kopf in Cambridge, den der berühmte
Middleton beschrieben.
Zuweilen hat man die ganzen Hände,
oder doch die Nägel, vergoldet gefun-
den. Dass auch das letztere, so wie
anderer Leichenputz erst nach dem
[Seite 95] Tode angebracht worden, bedarf wohl
kaum einer Erinnerung.
Anders verhalt es sich hingegen nach
aller Wahrscheinlichkeit mit den roth-
gefärbten Nägeln, die an durchharzten
Mumien nicht selten bemerkt worden,
und dergleichen auch ein Mumiensinger
in meiner Sammlung zeigt. Diess
Pigment rührt wohl noch von Lebzei-
ten her, und scheint bey gewissen
Stämmen der alten Ägypter eben so
wohl, als noch heute in Hindostan im
Gebrauch gewesen zu seyn. Auch wird
man vielleicht dieses Wahrzeichen, in
Verbindung mit manchen anderen, zur,
Bestimmung der Abkunft gewisser Mu-
mien anwenden können. Denn da we-
nigstens zweytausend Jahre hindurch
die Leichen in Ägypten zu Mumien be-
reitet worden, so begreift sich von selbst,
dass dieselben nicht allesammt zu ei-
nem und ebendemselben Völkerstamme
gehört haben können. Eher ist aber
[Seite 96] kein recht helles Licht in der Geschich-
te der Mumien zu erwarten, als bis die
Nationalverschiedenheiten und respecti-
ve Eigenheiten an denselben genauer
untersucht und zu diesem Behuf ange-
wandt worden.
Zu diesen auszeichnenden Beson-
derheiten gewisser Mumien rechne ich
vorzüglich eine wundersam anomalische
Bildung der Vorderzähne derselben, die
mir besonders an einem durchharzten
Mumienkopfe auffiel, den ich schon
vor 30 Jahren, nebst mancherley ande-
ren ägyptischen Merkwürdigkeiten von
einem morgenländischen Reisenden,
Namens Friederich, aus Danzig erhielt.
Ich fand nemlich die Vorderzähne an
[Seite 97] selbigem, im Ober- und Unterkiefer,
nicht meiselartig in einen schneidenden
dünnen Rand zulaufend, sondern wie
kurze abgestumpfte Hegel gestaltet; die
Eckzähne aber nicht wie gewöhnlich
zugespitzt, sondern oben so breit und
flach, dass man sie bloss durch ihre La-
ge von den nächstanstehenden Backen-
zähnen unterscheiden kann. – Noch
ausgezeichneter und auffallender fand
ich nachher dieselbe Sonderbare Bildung
an dem vortrefflich erhaltenen Mumien-
kopfe, den ich, wie schon gesagt, aus
Cambridge bekommen und in der IVten
Decas craniorum beschrieben habe.
Meine Bemerkung ist hierauf vom Hrn.
Leibmed. Brückmann zu Braunschweig
an einer dort befindlich gewesenen und
nachher nach Cassel verkauften Mumie,
so wie an der auf der Bibliothek bey
der Maria Magdalenenkirche zu Bres-
lau befindlichen, und auch von Hrn.
[Seite 98] Prof. Autenrieth zu Tübingen, an der
Stuttgarder,*) bestätigt worden.
Um so auffallender ist es, dass die
früheren Mumienbeschreiber, die sich
freylich überhaupt um die Eigenheiten
im Körperbau derselben so gut wie gar
nicht bekümmert, diese osteologische
Abweichung unbemerkt gelassen; nur
den gelehrten und scharfsinnigen Midd-
leton ausgenommen, der sie an dem
Kopf in dem von ihm beschriebenen
Cambridger Mumienkasten als etwas
ganz Prodigioses angemerkt, aber nicht
vermuthet hat, dass das eine National-
eigenheit gewisser Mumien seyn, we-
nigstens mehrere es mit einander ge-
mein haben könnten.
Übrigens habe ich längst und in ver-
schiedenen Schriften erinnert,**) dass
[Seite 99] und warum unmöglich alle ägyptische
Mumien jene stumpfen Vorderzähne
haben hönnen, so dass es mich wun-
dert, wie mehrere Schriftsteller noch
kürzlich dieselben für einen mehr oder
weniger allgemeinen Character der Mu-
mien haben halten können.
Die Ursache jener anomalischen Bil-
dung ist verschieden angegeben wor-
den. Hr. D. Seetzen hält sie für Werk
der Kunst, für Folge des absichtlichen
Abschleifens der Zähne. Bekanntlich
ist diese Künsteley unter mancherley
Sogenannten wilden Völkern, zumal in
Africa und Ostindien Mode; und ich
besitze mehrere Schedel in meiner
Sammlung, deren Gebiss offenbar auf
diese Weise behandelt worden.
Aber von eben diesen durch die Kunst
abgeschliffenen Zähnen unterscheiden
[Seite 100] sich jene an den gedachten Mumien
schon auf den ersten Blick, besonders
durch die auffallende Stärke und Dicke
des Theils der Kronen, der nach den
Alveolen gekehrt ist. Und eben da-
durch differiren sie auch von den Zäh-
nen mancher andern Schedel in mei-
nem Cabinet, deren Kronen lediglich
durch vieljährige Arbeit beym Kauen
der Nahrungsmittel (wie z.B. des rohen
Fleisches bey den Eskimos) grössten
Theils abgenutzt worden. Daher ich
doch immer noch eher vermuthe, dass
bey jenen alten Ägyptern auch eine
Nationaleigenheit im Baue selbst dabey
mit zum Grunde liegen mag.
Sonderbar bleibt immer, dass sich, wie
oben schon erwähnt, so sehr wenige
Kindermumien, zumahl aus den ersten
[Seite 101] Lebensjahren finden. Aber noch, weit
sonderbarer wäre es, wenn, wie meh-
rere verdiente Schriftsteller noch neu-
erlich behauptet haben, dessen ungeach-
tet ägyptische Mumien von unzeiti-
gen, zu früh zur Welt gekommenen
Kindern, nichts weniger als selten, und
selbst in ziemlicher Menge nach Europa
gebracht seyn sollten.
Allein ich habe grossen Grund hier
ein seltsames qui pro quo zu ahnen,
nachdem ich während des mir unver-
gesslichen Aufenthalts in London Gele-
genheit gehabt, mehrere dieser vorgeb-
lichen Abortus-Mumien offnen und un-
tersuchen zu dürfen.
Wenige Tage nach meiner Ankunft
daselbst fand ich in der Bibliothek mei-
nes verehrten Freundes, des Hrn. Dr.
[Seite 102]
Gartshore unter mehrern ägyptischen
Alterthümern, eine kleine nicht an-
derthalb Spannen lange Mumie von
der gewöhnlichen Puppenform in ihren
Cattunbinden und der bemahlten und
vergoldeten vordem Bekleidung in ei-
nem dazu passenden kleinen Sarcophag
von Sycomor-Holze.
Da ich den Wunsch äusserte, wohl
zu wissen was inwendig stecken möch-
te, so hatte der Besitzer die Gefälligkeit
eine Öffnung derselben zu gestatten, die
dann den 12. Jan. 1792 in seinem
Hause und in Gegenwart des Herrn
Präsidenten Sir Joseph Banks und meh-
rerer Mitglieder der königl. Societät
und anderer Gelehrten vorgenommen
ward.
Die Mumie war 9 1/2 Zoll lang, und
hielt um die Brust, wo sie am stärk-
sten war, 8 Zoll im Umfange. Die Ge-
sichtsmaske war auf Gyps grundirt und
zeigte hin und wieder Spuren ehema-
[Seite 103] liger Vergoldung. Von dem halbzirkel-
förmigen Bruststück waren nur noch
Fragmente da. Der untere Theil dieser
Maske war, so wie man ihn auch nicht
selten an grossen Mumien findet, mit
regelmässigen Ausschnitten, gleichsam
durchbrochen, und mit den beiden ste-
henden Figuren bemahlt, die so häufig
auf Mumienbekleidungen vorkommen,
nemlich zur rechten Anubis mit dem
Hundskopf, und zur linken der Sper-
berköpfige Osiris.
Die Mumie selbst ward von der Seite
geöffnet. Die äusseren Binden waren
so fest auf einander geleimt, dass sie
durchsägt werden mussten. Die inneren
waren lockerer. Überhaupt zählte ich
etliche und zwanzig Lagen. Zu in-
nerst fand ich endlich, gleichsam als
Kern ein Spannenlanges gut Fingersdi-
ckes Stück von den stark mit Harz
durchzogenen und daher harten Beklei-
dungen einer andern grössern Mumie;
[Seite 104] an den Kanten wie mit einem Messer
zugeschnitten und in die verlangte
Form gleichsam geschnitzt. Brocken
davon auf einen glühenden poker ge-
worfen, rochen bey der Vergleichung
völlig wie Fichtenharz oder der soge-
nannte wilde Weyhrauch in den Amei-
senhaufen.
Der Sarcophag bestand aus sechs vier-
eckten kleinen Brettern von Sycomor-
holz, die mit eisernen Nägeln zusam-
men befestigt waren.
Kurz nachher fand ich in der Natu-
raliensammlung des Hrn. Dr. Lettsom
zu Camberwell eine zweyte dergleichen
Mumienpuppe, die im ganzen Äussern
der vorgedachten völlig ähnelte, auch
in einem solchen kleinen Sarcophag
lag etc. Nur war sie etwas grösser,
nemlich 14 Zoll lang, und hielt um die
Brust 11 Zoll im Umfang.
Ihr Besitzer war freundschaftlich ge-
nug mir ebenfalls die Öffnung dessel-
[Seite 105] ben zu gestatten, die ich den 29. Jan.
daselbst vornahm. Aber so sehr sie im
Äussern der Gartshoreschen glich, so
verschieden war sie dagegen in ihrem
innern Gehalt, da sie eine Menge ein-
zelner Knochen vom Gerippe eines
Tantalus ibis enthielt, die nur hin und
wieder mit Harz überzogen waren.
Durch diese auffallende Verschieden-
heit ward freylich meine Neugierde
mehr gereitzt als befriedigt, und da
ich hierauf im Britischen Museum nicht
weniger als drey dergleichen mir nun
so räthselhafte kleine Mumien fand;
(zweye nemlich in der Hamiltonischen
Antikensammlung; beide ebenfalls in
solchen viereckten, mit eisernen Nä-
geln zusammengefugten Kästen; und
die dritte in der Sloaneschen Grund-
lage des Museums) – so konnte ich
der Versuchung nicht widerstehen, ge-
gen Herrn Baronet Banks, als einen
der Vorsteher (Trustees) des Museums,
[Seite 106] den Wunsch zu äussern, dass es doch
erlaubt seyn möchte, zur weiteren Ver-
gleichung auch noch eine von diesen
dreyen öffnen zu dürfen. Der Erfolg
dieser Äusserung war, dass mir in der
nächsten Versammlung der Curatoren
und Aufseher des Museums, mit der
edelsten Bereitwilligkeit die Erlaubnis
ertheilt ward, zu diesem Zweck nicht
nur eine von diesen drey kleinen, son-
dern auch ausserdem unter vier da-
selbst befindlichen grossen Mumien,
ebenfalls eine auszuwählen, die mir
zur inneren Untersuchung die interes-
santeste scheinen würde.
Ich wählte unter den kleinen die in
der Sloaneschen Sammlung, weil sie
mir doch etwas mehr, als die beiden
Hamiltonischen, von denen bey Hrn.
Dr
Gartshore und Dr
Lettsom geöffne-
ten, abzuweichen schien, folglich auch
in ihrem Innern eher etwas davon
Verschiedenes zu erwarten stand.
Die vier grossen Mumien glichen im
Ganzen der im Göttingischen academi-
schen Museum, die ich im Sommer
1781 untersucht halte; doch suchte ich
wieder diejenige darunter aus, die sich
durch die fester zusammengebackenen
Binden von den übrigen, so wie von
jener hiesigen unterschied, und in de-
ren Innern ich also auch eine davon
verschiedene Bereitungsart vermuthen
konnte.
Der 18te Februar ward zur Öffnung
dieser beiden Mumien, in einer sehr
ansehnlichen Versammlung im Briti-
schen Museum, angesetzt.
Die Mumienpuppe glich im Äussern
den beiden vorher untersuchten: nur
war sie noch um etwas kleiner als
selbst die Gartshoresche, auch fester an-
zufühlen, und in Verhältnis au ihrer
Grösse, schwerer. Beym Aussägen der-
selben spührte man Harzgeruch, auch
zeigte sich klebriges Harz an der er-
[Seite 108] hitzten Säge; die Cattunbinden waren
nemlich nach innen zu mit Harz durch-
zogen, was bey den beiden vorher un-
tersuchten nicht der Fall gewesen war.
Inwendig fand sich, als sie geöffnet
ward, eine menschliche Oberarmröhre
von einer jugendlichen, etwa achtjäh-
rigen, mit Harz balsamirten Mumie,
so wie auch einige Fragmente von den
dazu gehörigen, ebenfalls mit Harz
durchzogenen Bekleidungen. Der obere
Theil des Knochen (sein Sogenannter
Kopf) steckte im Kopf der Puppe, und
der Untertheil in ihren Füssen. So un-
verdächtig aber die äussere bemahlte
Bekleidung dieser kleinen Mumie ge-
schienen hatte, so fand ich doch, da
ich den aufgefügten Durchschnitt ge-
nau untersuchte, an dem äussersten be-
mahlten Überzuge derselben, Spuren
von gewöhnlichem Lumpenpapier, wo-
mit sie musste restaurirt und nach der
Hand wieder übermahlt worden seyn.
Die grosse Mumie, die, wie gesagt,
zugleich zur Untersuchung überlassen
wurde, war von einem jugendlichen,
der Statur nach etwa 14 jährigen Sub-
jecte, das doch, wie sich fand, noch
nicht alle Zähne gewechselt hatte. Ihre
äusseren bemahlten Bekleidungen äh-
nelten denen an der Göttingischen Mu-
mie, so wie sie im IVten B. der com-
mentation. Societ. scientiar. abgebil-
det ist. Am Kopfe waren die Binden
durch Harz fest zusammen gebacken,
und der Schedel selbst wie mit einem
Guss von Harz überzogen, so dass er
nur mit Mühe davon entblösst werden
konnte; schien auch, dem Gewichte
nach zu urtheilen, damit gefüllt. Auch
der ganze Raum zwischen dem Unter-
[Seite 110] kiefer und dem Gaumen war mit Harz
ausgegossen, enthielt aber, da dieses
nach und nach herausgemeisselt ward,
ausserdem weder Reste der Zunge, die
man, wie obgedacht, sonst zuweilen
in Mumien gefunden, noch auch ein
Goldblech, und überhaupt fand sich
auch im übrigen nirgend die mindeste
Spur von weichen oder fleischigen
Theilen, von Haut, Sehnen etc., nichts
als Knochen. Die Kiefer prominirten
merklich, doch freylich nicht so wie
bey einer completen Negerphysiogno-
mie, sondern so wie man sie oft an
hübscheren Mohren und auch nicht
selten an Europäern findet. Besonders
merkwürdig und meines Wissens sonst
noch nie beobachtet, waren aber zu
beiden Seiten des Kopfs künstliche,
aus Cattunbinden und Harz geformte,
äussere Ohren. Und gerade eben so
finden sie sich an dem schon mehrma-
len erwähnten vortrefflichen Mumien-
[Seite 111] kopfe, den ich von Hrn. Turner er-
halten. Am übrigen Körper waren die
Cattunbinden locker, nicht zusammen-
gepicht, und gaben dem Druck der
Hand leicht nach. Auch war die grosse
Cavität des Rumpfes bloss mit mor-
schen Lumpen und schwarzbraunem
vegetabilischen Moder gefüllt. Doch
fanden sich zwischen demselben hin
und wieder einzelne Harzbrocken.
Aber die innere Seite der Brusthöhlen
zu beiden Seiten des Rückgraths, und
die innere Fläche der Hüftknochen im
Becken, waren mit dichten Harzmas-
sen übergossen. Nirgend fand sich eine
Spur von einem Idol oder irgend ei-
nem andern der obgedachten symbo-
lischen kleinen Kunstwerke im Innern
dieser Mumie. Auch keine Zwiebel,
dergleichen man sonst wohl eher, ent-
weder an der oben bezeichneten Stelle
oder unter einer von beiden Fusssoh-
len, an Mumien gefunden hat. Die
[Seite 112] Armknochen lagen an den Seiten her-
ab, wie an der Göttingischen, und der
von Kettner beschriebenen Leipzi-
ger, da hingegen an der von Hertzog
geöffneten, an den beiden von Gry-
phius untersuchten, an der von Brün-
nich, und an der von Hadley zer-
legten, die Arme auf der Brust kreuz-
weis über einander gelegen hatten*).
An einigen Armknochen, z.B. an der
linken Schulterröhre, fand sich klebri-
ges Pech, das sogar die Finger braun-
roth, schmierig färbte, und einen brenz-
lich-laugenhaften Geschmack hatte. Im
übrigen Körper, wo trockenes Harz lag,
war dasselbe fast durchgehends mit ei-
[Seite 113] nem salzartigen Beschlag durchzogen
und angeflogen, wodurch zumal die
Brustwirbel sehr angefressen und ihre
schwammichten Mittelstücke der änsse-
ren Knochenrinde ganz beraubt waren.
Die Umstände gestatteten es nicht, mit
diesem Salze genauere Versuche anzu-
stellen. Ich habe aber darauf von mei-
nem würdigen Freunde, Hrn. John
Hawkins einige schöne Mumien-
stücke erhalten, die derselbe in Con-
stantinopel bey einem Materialisten er-
kauft hatte, von welchen das eine mit
einem an Geschmack und Ansehen voll-
kommen ähnlichen Salzbeschlag über-
zogen und durchmengt ist. Von diesem
habe ich eine Portion in Wasser aufge-
löset, durchgeseigt und abgedampft, da
es sich dann als ein wahres Natrum
oder mineralisches Laugensalz (Nitrum
der Alten) zeigte, das in überaus sau-
bern Crystallen anschoss*).
Zur Vergleichung mit jener Mumie
ward auch noch eine andere im Briti-
schen Museum befindliche, die schon
an mehreren Stellen geöffnet war, nä-
her untersucht. Diese war von einer
erwachsenen Person; 5 Fuss und 5 Zoll
lang, und zeigte eben so wenig als
die vorige irgend einige Spur von er-
haltenen weichen Theilen, sondern
durchgehends nichts als die reinen
blossen Knochen. Ausser einer gerin-
gen Menge von Harz, das zwischen den
Zähnen festsass, war übrigens in dieser
ganzen Mumie, so weit man in ihr In-
neres eindringen konnte, nichts weiter
davon zu finden, sondern die Brust-
und Bauchhöhle waren bloss mit schwarz-
braunem Moder wie ausgestopft, der
auch den ganzen Raum des Rachens
zwischen dem Unterkiefer und Gau-
men füllte, und gleich mit dem Fin-
ger losgelöset und ausgeleert werden
konnte. Die Kiefer prominirten bey
[Seite 115] dieser Mumie weniger als bey der
vorigen.
Einige Wochen nachher, nemlich
den 17. März hatte ich Gelegenheit,
bey Hrn. Charles Greville noch eine
andere Mumie zu untersuchen, die schon
vier Jahre vorher, nemlich den 29.
März 1788 in Gegenwart mehrerer dor-
tigen Gelehrten war geöffnet worden.
Sie gehörte Herrn John Symmons, der
mit der grössten Bereitwilligkeit mir
unbedingt frey stellte, sie nicht nur
nach Belieben weiter zu zerlegen, son-
dern auch Alles davon auszusuchen und
mit mir zu nehmen, was ich irgend
einer weitern genauem Prüfung werth
hielte. Es war die Mumie eines ohn-
gefähr 6 jährigen Kindes, die in der
Art der Bereitung, ohne Spur von Harz
oder von erhaltenen weichen Theilen,
und in Rücksicht des bemahlten, aus
Cattun zusammengepappten halbzirkel-
förmigen Brustschildes den im Briti-
[Seite 116] schen Museum untersuchten, richten, so wie
unsrer Göttingischen, ziemlich glich,
nur dass die Züge auf demjenigen Theil
der Cattunmaske, der die Schenkel be-
deckt hatte, eher denen ähnelten, die
Caylus im Recueil T. V. Tab. 26-29
von einer solchen Mumienbekleidung
gegeben hat. – Vom Hopf war nichts
übrig als einige Stücke der Gesichts-
knochen nebst etlichen Zahnen, und
die noch an den Cattunbinden befe-
stigte Gesichtslarve. – Unter den Zäh-
nen fanden (ich aber ein Paar Schnei-
dezähne, die ohngeachtet des sehr ju-
gendlichen Alters des Subjects doch
ganz auffallend kurze, dicke und an
dem sonst schneidenden Rande merk-
lich abgestumpfte Kronen hatten, da
hingegen die beiden im Britischen Mu-
seum untersuchten, eben so wenig als
unsre Göttingische, diese eigne Form
der Vorderzähne zeigten.
Am allerauffallendsten war mir aber
an Hrn. Symmons's Mumie die Ge-
sichtslarve, an welcher zu beiden Sei-
ten noch Stücken von den Mumien-
binden festhingen, womit sie als ein
Theil der ganzen äussern Maske an der
Leiche selbst befestigt gewesen war;
zugleich aber eine Grundlage von Syco-
morholze hatte, dessen Vorderseite erst
wieder mit einer dicken Gypspaste en
bas relief überzogen war, und dann
mit lebendigen, aber durch die Zeit
verdunkelten Farben übermahlt schien.
Da ich nun mit Hrn. Symmons's Er-
laubnis auch diese Larve, so wie andere
mir besonders interessante Stücke von
seiner Mumie, mit nach Göttingen
nahm, und sie bey meiner Rückkunft
in warmen Wasser aufweichte und sorg-
[Seite 118] faltig zerlegte, so entdeckte ich an
derselben die mannigfaltigsten betrü-
gerischen Künsteleyen. Die hölzerne
Grundlage war offenbar vom Deckel
des Sarcophags einer jugendlichen Mu-
mie genommen, und um das alto re-
lievo derselben zum bas relief der ge-
wöhnlichen Cattunmaske einer Mumie
umzubilden, war, zumal zu beiden
Seiten der Nase die Gypspaste aufgetra-
gen, dann das ganze Gesicht aufs künst-
lichste mit Papier überleimt, und die-
ses endlich auf Mumienmanier ange-
mahlt. Also fast auf die Weise, wie bey
der gedachten kleinen Mumienpuppe im
Britischen Museum. – Dass bey bei-
den der Betrug sehr fein ausgeführt
worden, begreift sich schon dadurch,
dass er meines Wissens vorher noch
nicht bemerkt war, ohngeachtet beide
Stücke doch sicherlich schon kundigen
Beobachtern durch die Hände gegan-
gen waren.
Einige andere verdächtige Umstände
bey den von mir in London untersuch-
ten Mumien fallen leichter in die Au-
gen, z.B. die mit eisernen Nageln zu-
sammen geschlagenen Kisten von Syco-
morholz, worin die kleinen Mumien-
puppen des Dr. Gartshore, Dr. Lett-
som, und die beiden in Sir William
Hamilton's Sammlung lagen, und die
nach aller Wahrscheinlichkeit von neue-
rer Hand aus Bretern von zerfallenen
Mumiensarcophagen fabricirt waren. –
Die Sloanesche lag vollends gar in ei-
nem offenbar modernen, in Sarcophags-
form geschnitzten Kasten von einem
harten braunen Holze, das himmelweit
vom Sycomor verschieden ist.
Nun wie manche andere Künsteleyen
und Restaurationen mögen nicht mit
anderen Mumien, die nach Europa ge-
bracht worden, vorgenommen, und nur
nicht geargwohnt und ausgefunden seyn,
da überhaupt dieser Theil der ägypti-
[Seite 120] schen Archäologie ehedem nur so sehr
Stückweis und im Ganzen ohne behö-
rige Kritik behandelt worden.
Unsre ganze Kenntniss von der Be-
reitungsart der Mumien, ist aus einer
doppelten Quelle geschöpft, nemlich
aus der Untersuchung der Mumien
selbst, und aus den beiden classischen
Stellen über dieselben beym Herodot
und Diodor aus Sicilien*); denn
Strabo und einige andere alte Schrift-
[Seite 121] steller gedenken der Mumien nur mit
einem Worte im Vorbeygehen.
Nun aber passen diese beiden classi-
schen Stellen genau genommen so gut
wie gar nicht auf die nach Europa ge-
brachten Mumien. Denn diese sind,
wie obgedacht, im ganzen von zweyer-
ley Art. Erstens nemlich die festen,
harten, schwarzen, ganz mit Harz
innig durchzogenen, die sich daher in
Stücken brechen lassen; und hingegen
zweytens die weichen, dem Druck
der Hand nachgebenden, mit wenigem
oder gar keinem Harz bereiteten, de-
ren lose gelblichbraune Binden sich
abwickeln und selbst in Faden zasern
lassen, und die inwendig fast bloss ve-
getabilischen Moder, hingegen, so
viel mir wissend, niemals Idole ent-
halten.
Die letzteren sind gewöhnlich von
vorn mit der bemahlten oder auch theils
vergoldeten Cattunmaske bekleidet, und
[Seite 122] weil sie sich daher stattlicher ausneh-
men, als die ersteren, und doch bey
ihrer Harzlosigkeit keine Materialisten-
waare abgeben, wie diese, so sind sie
weit häufiger unzerstöhrt, wenn gleich
zum Theil restaurirt, in Europäische
Cabinette gekommen.
Die ersteren hingegen sind aus dem
eben gedachten Grunde mehr in den
Händen der Materialisten geblieben.
Von der Art waren die beiden in der
Crusischen Officin zu Breslau, die
Gryphius 1662 beschrieben, der schon
mehrmalen erwähnte Rumpf den der
Apotheker Hertzog in Gotha 1715
aufgebrochen u.a.m.
Nun aber gedenkt Herodot keiner
von beiden Arten mit einer Sylbe; we-
der des Harzes noch der bemahlten
Maske; da er doch solche bemahlte
Bekleidung an den äthiopischen Mu-
mien ganz ausdrücklich beschreibt.
Diodor sagt eben so wenig etwas
weder von Harz, noch von der gemahl-
ten Bekleidung. Dagegen erzählt er
aber ganz unreimbare Dinge, wie z.B.
dass an den Mumien durch die Kunst
der Balsamirer alle Gesichtszüge kennt-
lich erhalten würden, da doch bey den
Mumien von beiderley Art das Gesicht
mit Cattunbinden fast Handedick über-
wickelt wurde*).
Vermuthlich haben beide, ohngeach-
tet sie selbst in Ägypten gewesen, doch
diese Notizen nur vom Hörensagen;
denn anderer Seits etwa annehmen zu
wollen, dass alle uns bekannte Mumien
erst nach Diodors Zeiten verfertiget
worden, und von denen deren Berei-
tung Er und Herodot beschrieben,
auch nicht Eine auf uns gekommen sey,
wäre wohl zu paradox. Graf Caylus
[Seite 124] vermuthete vielmehr, dass unter der
Römer Herrschaft über Ägypten (– also
ohngefähr seit Diodors Zeiten –)
gar keine Mumien mehr bereitet wor-
den. Nun das war aber eben so irrig.
Denn aus Augustinus sieht man,
dass wenigstens noch zu seiner Zeit (in
der ersten Hälfte des Vten Jahrhunderts)
in Ägypten mumisirt worden*).
Die Meinung, die ich schon 1779 ge-
äussert, dass auch selbst die alten Chri-
sten in Ägypten ihre Leichen zu Mu-
mien bereitet, hat unserm fel. Consist.
R. Walch damals Anlass zu seiner
trefflichen Abhandlung de mumiis Chri-
stianis gegeben, die sich im IIIten B. der
Commentationen der Königl. Societät
der Wissensch. befindet. Unter den da-
selbst von ihm angeführten Stellen aus
den Kirchenvätern, ist vorzüglich die
[Seite 125] aus Augustinus merkwürdig, wo er die
Einwürfe beantwortet, die man beson-
ders von der Verwesung der Leichen
wider die Lehre von der Auferstehung
habe hernehmen wollen, und welcher
zu Folge bloss die Ägypter Hoffnung
dazu hätten, die hingegen andere
Christen, welche ihren Leichen kei-
ne so eherne Dauer geben, sich ver-
sagen müssten.
Ich habe damals die Vermuthung ge-
wagt, dass nahmentlich wohl die bei-
den höchst merkwürdigen, ihrem sym-
bolischen Putze nach ganz anomali-
schen, und in ihrer Art Einzigen Mu-
mien im Dresdner Antikencabinett*),
christlichen Ursprungs und mithin von
der neuesten Mumienfabrik seyn möch-
ten. So wenig ich mir nun zwar in
Betreff des erstren bey einem Gegen-
[Seite 126] stande, welcher mit meinen Berufsstu-
dien so heterogen ist, eine Stimme an-
massen dürste, so angenehm ist mirs
wenigstens, das letztere auch von dem
grossen Kenner ägyptischer Archäolo-
gie, Zoega, angenommen zu sehen*).
Anderer Seits lässt sich aber auch wohl
das unbezweifelt hohe Alter mancher
Mumien, zumal unter den harten,
ganz durchharzten, selbst schon aus
dem Styl der kleinen Idole, die sie ent-
halten, muthmassen.
Nun wäre aber wünschenswerth,
Kennzeichen angeben zu können, wo-
[Seite 127] durch sich bey einzelnen Mumien das
bestimmte Zeitalter, aus welchem sie
abstammen, näher angeben liesse. Al-
lein, ehe dazu Hoffnung ist, müssen
erst zwey andere pia desideria erfüllt
werden.
Erstens nemlich nähere Bestimmung
der mancherley so ganz auffallend ver-
schiedenen und doch eben so auffallend
characteristischen Nationalbildung an
den verschiedenen altägyptischen Kunst-
werken; nebst der Bestimmung des
Zeitalters von diesen und der Ursachen
dieser Verschiedenheit.
Zweytens aber eine recht Sorgfältige,
kunstmässige Untersuchung der ver-
schiedenen characteristischen Form der
mancherley Mumienschädel, und Ver-
gleichung derselben mit jenen Kunst-
werken.
Wenigstens halte ich diess für den
sichersten Weg zu jenem Aufschluss.
[Seite 128] Denn von dem Styl und dem Inhalt der
bemahlten Cattunmasken lässt sich wohl,
zumal nach dem, was so eben über die so
täuschenden Restaurationen an Mumien
ist gesagt worden, höchstens nur mit
grosser Vorsicht auf die Mumienkörper
selbst, ein Schluss ziehen.
Noch weit weniger aber lässt sich aus
der Sculptur oder Mahlerey des Sarco-
phags auf die darin nach Europa ge-
schickten Mumien schliessen, da schon
Maillet es, wie obgedacht, als einen
bekannten Betrug der Araber angegeben
hat, dass sie die in den Catacomben
in kunstreichen Sarcophagen liegenden
Mumien, der Idole wegen die sie darin
erwarten, zerschlagen, und dafür gut
conservirte bunte Mumien (was ich
oben weiche nannte) zum Verkauf hin-
ein legen.
Die osteologischen Eigenheiten, die
ich selbst an Mumienschedeln zu be-
[Seite 129] merken Gelegenheit gehabt, sind meist
in den angeführten Decaden meiner
Schedelsammlung angegeben, und kön-
nen hoffentlich Andern zur weitern
Vergleichung nutzen.
Über die verschiedenen Nationalphy-
siognomien der alten Ägypter aber be-
rühre ich nur das, was ich im naturhi-
storischen Studium der Varietäten des
Menschengeschlechts bey der Verglei-
chung derselben mit altägyptischen
Kunstwerken angemerkt habe. Denn
da bleibt es mir schlechterdings unbe-
greiflich, wie gelehrte Schriftsteller, und
zwar nicht von dem Schlage wie der
Verf. der Recherches sur las Egypti-
ens
*), sondern selbst Archäologen von
Profession wie Winkelmann
**) und
[Seite 130]
D'Hancarville
*) den altägyptischen
Kunstwerken Einen gemeinschaftlichen
Character von Nationalphysiognomie
zuschreiben und denselben in ein Paar
Zeilen ganz entscheidend und bestimmt
angeben konnten.
Mir scheint es, dass man wenigstens
drey Hauptverschiedenheiten von altä-
gyptischer Nationalphysiognomie aner-
kennen müsse, die freylich, so wie alle
Varietäten im Menschengeschlecht, durch
mancherley Nüancen so zu sagen in
einander fliessen; wovon sich aber doch
die reinen, gleichsam idealischen, Mu-
ster durch unverkennbare Eigenheiten
auszeichnen, und auf welche sich die
[Seite 131] übrigen kleinen Abweichungen ohne
Zwang reduciren lassen.
I. Die Äthiopische Gestaltung;
II. Die mehr Hindusartige; und
III. Die wie es scheint Berberähnliche.
I. Die erstere zeichnet sich durch
mehr prominirende Kiefer, wulstige
Lippen, eine breite stumpfe Nase und
vorliegende Augäpfel aus. So fanden
Ledyard, Volney, Larrey u.a.
treffliche Beobachter noch jetzt die
Copten; so ist nach den besten Beschrei-
bungen und Abbildungen bey Nor-
den, Volney, Denon etc. die Bil-
dung des grossen Sphinx bey Dschisse*);
Eben so ist die ganz characteristische
Physiognomie an so manchen anderen
[Seite 132] altägyptischen Kunstwerken*); so wa-
ren nach der bekannten Stelle bey He-
rodot vom Ursprung der Colcher,
auch die Ägypter; und so schildert
auch Lucian einen jungen Ägypter zu
Rom**).
Hoffentlich bedarf es aber dabey nicht
erst einer Erinnerung, dass äthiopische
Gestaltung hier gerade in eben dem wei-
ten Sinne genommen werden muss wie
[Seite 133] äthiopische Rasse*) in der anthropolo-
gischen Eintheilung des Menschenge-
schlechts; also bey weiten nicht etwa
die eigentlich Sogenannte Negerphy-
siognomie, the true Guinea face wie es
die Engländer nennen. Zu geschwei-
gen, dass freylich der physiologische Be-
griff von Neger im Ganzen genommen
eben so schwer bestimmbar und schwan-
kend ist, als der geographische**), da
es unter den übrigens noch so ächten
Negern eben so wohl schlichthaarige
als so schön gebildete giebt, dass sie
aus dieser Rücksicht selbst viele Euro-
päer übertreffen***).
II. Ganz von jener äthiopischen ver-
schieden ist die mehr Hindusartige Ge-
staltung an anderen altägyptischen Kunst-
[Seite 134] werken, die sich zumahl durch eine
länglichte schlanke Nase, durch engge-
schlitzte langgezogene Augenlieder, die
von der Nasenwurzel nach den Schlä-
fen aufwärts laufen, durch hochstehende
Ohren*), und bey ganzen Figuren
durch eine kurze und doch sehr schmale
Taille**) und lange Schenkel aus-
zeichnet.
Als Ideal dieser Gestaltung führe ich
bloss die ausnehmend characteristische
stehende weibliche Figur auf der äussern
Rückseite vom Captain Lethieullier's
Mumie (eine der vorzüglichsten von
allen in Europa bekannten) im Briti-
schen Museum an, die auch von Ver-
tue in Kupfer gestochen ist, und die so
[Seite 135] auffallend mit den unverkennbaren Na-
tionalformen der Hindus auf ihren, zu-
mal in England so häufigen, feinen Mah-
lereyen übereinkommt*).
Übrigens bezeugt ein sehr gültiger
Richter, der gel. P. Pauliuns a S.
Bartholomaeo nach der sorgfältig-
sten Vergleichung des physiognomischen
Characters an den vielerley altägypti-
schen Kunstwerken in den reichen ita-
liänischen Sammlungen, ganz unbe-
dingt so wie überhaupt die Richtigkeit
der von mir angegebenen dreyerley Ge-
staltungen der alten Ägypter, so nah-
mentlich den auffallend contrastirenden
Abstand zwischen der Äthiopischen und
der ihm aus der lebenden Natur, bey
seinem langen Aufenthalt in Indien so
genau bekannten Hindustanischen**).
Auch reimt sich damit, dass man an
manchen Mumien langes schlichtes
Haupthaar*), an anderen hingegen,
kurzes krauses**) gefunden.
III. Die dritte Art von ägyptischer
Gestaltung, gerade die gemeinste, gleicht
keiner der beiden vorigen, und chara-
cterisirt sich durch einen eigenen gedun-
senen habitus, schwammichte gleich-
sam hängende Backen und kurzes Kinn,
grosse à fleur de tête vorliegende Au-
gen***) und fleischigen Körper†).
Ich glaube, man könnte diele wohl füg-
lich die Berberartige nennen, da alle
die drey Hauptanalogien, aus wel-
cher sich immer die sichersten Folge-
rungen von Völkerabstammung und Ver-
wandtschaft ziehen lassen, – die der
[Seite 137] Gestaltung, der Sprachähnlichkeit und
der Übereinstimmung in ausgezeichnet
Sonderbaren Gebräuchen – wie ich
schon anderwärts zu zeigen versucht*),
dafür zu sprechen scheinen.
Ich habe geglaubt, dass diese Meine
Ausschweifung hier um so weniger am
unrechten Orte sey, da sie eines Theils
sowohl für die Geschichte des Ursprungs
und der Abstammung der nach Ägypten
verpflanzten Völker, die unter dem ge-
meinschaftlichen Nahmen von Ägyptern
begriffen werden, als auch für die bis-
her so verschiedentlich und theils sehr
schwankend bestimmten Perioden des alt-
ägyptischen Kunststyls nützlich werden
könne; und anderen Theils manche der
Vorstellungen gar zu seltsam sind, wel-
che berühmte Schriftsteller von der
ägyptischen Nationalphysiognomie ge-
macht haben. Wenn z.B. Winkel-
mann ein hierzu ganz unpassendes
Kupfer von einer bemahlten Gesicht-
[Seite 138] larve bey Beger, (thesaur. Branden-
burg. T. III. p. 402) für eine von den
allercharacteristischten Abbildungen der
altägyptischen Gestaltung ausgiebt! –
Ein Gesicht, das weder Ägyptisch noch
Coptisch noch Hinduisch, sondern
wenigstens eben so gut als alles diess
ganz Brandenburgisch genannt werden
kann! – Oder wenn er, und so manche
Andere mit ihm, diese Gestaltung der Schi-
nesischen ähnlich finden – eine Ver-
gleichung die mir, vollends seit ich
21 lebendige Schinesen in Amsterdam
genau betrachtet, und dann gleich dar-
auf in London eine Fülle der lehrreich-
sten altägyptischen Kunstwerke, zu-
mahl im Britischen Museum und in
den Sammlungen des Marquess of
Lansdown und der Herrn Townley
und R. P. Knight gesehen habe –
schlechterdings unbegreiflich bleibt.
Denn unter den fünf Hauptrassen, wor-
ein sich das Menschengeschlecht der
Natur am angemessensten eintheilen
[Seite 139] lässt, stehen die Ägypter zwischen der
Caucasischen und Äthiopischen mitten
inne; und sind hingegen von der Mon-
golischen, zu welcher die Schinesen
gehören, mehr als von irgend einer der
übrigen verschieden.
So viel von den altägyptischen zu
Mumien bereiteten menschlichen Lei-
chen. Nun zum Schluss noch ein Wort
von der vermuthlichen Bestimmung und
Bedeutung der obgedachten kleinen
Mumienpuppen.
Sicherlich sind sie das nicht, wofür
sie zeither und meines Willens allge-
mein gehalten und ausgegeben worden,
nemlich keine Mumien von kleinen
Kindern und Embryonen*), – son-
[Seite 140] dern manche derselben sind wahre Ibis-
mumien. So die des Dr. Lettsom;
und so auch eine von den beiden in
der Hamiltonschen Sammlung des
Britischen Museums, die schon beschä-
digt war, so dass ich den Schnabel des
Ibis und andere Vogelknochen darin
deutlich erkennen konnte. Gewöhnlich
wurden nemlich diese heiligen Vögel,
wie bekannt, nachdem sie mit Cattun-
binden umwickelt worden, in irdenen
Krügen in den Ibis-Catacomben bey-
gesetzt*). Zuweilen aber auch ohne
[Seite 141] Vase in Puppenform bereitet, doch so
dass Kopf und Schnabel vorn Frey her-
ausragten; von welcher Art Graf Cay-
lus einen abgebildet hat. Und dann
drittens nur so, dass der ganze Vogel in
Puppenform eingewickelt und wie eine
menschliche Mumie mit einer bemahl-
ten Maske bekleidet ward.
Da aber die beiden andern, bey Dr.
Gartshore und in der Sloanischen
Sammlung diesen letzteren im Äussern
völlig ähneln, so vermuthe ich (– denn
bey dem gänzlichen Mangel von Nach-
richten alter Schriftsteller über diese
Mumienpuppen, muss man doch mit
einer blossen Vermuthung sich begnü-
gen –), dass sie von den Handwerks-
mässigen Mumisirern, die dergleichen
auf den Kauf bereiteten, und die, um
[Seite 142] sich die Mühe zu ersparen, einen Vo-
gel zu präpariren, das nächste liebste
ihnen in ihrer Mumienfabrik zur Hand
liegende Knochenstück oder anderes fe-
stes Fragment einer zerstörten Mumie
zum Kern der Puppe nahmen, und sie
für Ibismumien verkauften.
Wer sich erinnert, was die ägypti-
schen Priester schon zu Strabo's Zeiten
für ein Gesindel waren, und wie der
ganze ägyptische Gottesdienst noch
nachher vollends in Verfall kam, der
wird diese Vermuthung wenigstens nicht
unwahrscheinlich finden.
Oder sollte es jemand für plausibler
halten, dass diese Puppen zu den me-
mento mori gehörten, die bekanntlich
bey den Ägyptern über Tische gebracht
wurden. Herodot sagt, man habe
zu dieser Absicht blos ein kleines höl-
zernes Leichenbild herum getragen,
dergleichen hölzerne Mumienvorstel-
lungen ich auch im Britischen Museum
gesehen zu haben mich erinnere. Lu-
[Seite 143]
cian aber erzählt als Augenzeuge, dass
man zu seiner Zeit die Leichen selbst
zu Tische gebracht. Nun liess sich
wohl begreifen, wie während der lan-
gen Zwischenzeit von fast 700 Jahren,
ehe man von jener simplen Idee auf
dieses Sonderbare Extrem verfallen, sol-
che kleine Mumien einmal den Über-
gang gemacht haben könnten.
Der Verf. der Recherches sur les
Egyptiens bezweifelt zwar überhaupt,
dass man je Mumien zu Tische gebracht
habe. Allein sein Skepticismus scheint
mir hierbey keinen festern Grund zu
haben, als die gegenseitige Versiche-
rung eines der prodigios gelehrtesten
Ärzte des vorlezten Jahrhunderts, Casp.
Hofmanns, der in seinem einst classi-
schen Werke de medicamentis officina-
libus im Abschnitt von der ägyptischen
Mumie mit aller Gravität berichter,
dass in Niedersachsen kein Gelag ohne
[Seite 144] Mumie gegeben werde*). – Und so
unbegreiflich ein Solches qui pro quo
zwischen ägyptischen Leichen und dem
bekannten nahrhaften Braunschweiger
Bier scheinen muss, so ist es doch noch
von andern Schriftstellern über die Mu-
mien wieder bona fide nachgeschrieben
worden.
‘„I consider, sagt er, his history as a
brief chronicle or abstract of the hi-
story of the progress of human natu-
re, from the mere animal to the first
stage of civilized life.”’ In den Anti-
ent Metaphysics. Vol. III. p. 57.
Leipziger Zeitungen von gel. Sachen
1725. Nro. 104. und 1726. Nro. 17. 61.
und 88.
Breslauer Sammlungen XXXIV Ver-
such, Dec. 1725. pag. 659. und XXXVI
Versuch, Apr. 1726. pag. 506.
Zuverlässige Nachricht von dem bey
Hameln im Felde gefundenen wilden
Knaben. Wobey dessen seltsame Fi-
gur in Kupfer gestochen (in Holz-
schnitt) befindlich. 1726. 4.
Spangenberg's Leben des Gr.
Zinzendorff. II. B. pag. 380.
Swift's works vol. III. P. I. pag.
132. der grossen Londner Quartausg.
von 1755.
Ein Brief des Hamelschen Bürge-
meisters Palm v. 1741. in C. F. Fein's
entlarvter Fabel vom Ausgange der
Hämelschen Kinder. Hannov. 1749. 4.
pag. 36.
Gentleman's Magazine vol. XXI.
1751. pag. 522. vol. LV. 1785. P. I.
pag. 113. und 236. und P. II. pag. 851.
(Monboddo's) antient Metaphy-
sics vol. III. Lond. 1784. 4. pag. 57.
und 367.
Additiones ad Lambertum Schafnabur-
gensem, appositae ab Erphessordensi
[Seite 36] monacho anon. in Pistorii scrr. rer.
a Germanis gestar. Frf. 1613. fol.
p. 264.
vergl. dess. History of Poland. Lond.
1698. 8. T. I. p. 342. wo sich auf ei-
nem stattlichen Kupferstich ein klei-
ner Polacke präsentirt, wie er zwi-
schen zwey jungen Bären an der al-
ten Bärenmutter saugt.
In s. two Treatises, in the one of
which, the Nature of Bodies, in the
other, the Nature of Mans Soule, is
looked into. Paris. 1644. sol. p. 247.
‘
“Si l'on rencontre une abeille errante,
devra-t-on conclure que cette abeille
est dans l'etat de pure nature, et que
celles qui travaillent en société dans
la ruche ont dégéneré?”’
Vergl. auch Filangieri, Scienza
della Legislazione T. I. p. 64, der
zweyten Ausgabe.
Nach Diodors Berichte kam die kost-
barste von den dreyerley Mumien-
bereitungen auf 1200 Thaler zu stehen.
Die erste ganze nach Europa gebrachte
und bekannt gewordene Mumie ist
meines Wissens die, so 1574 über Ve-
nedig nach Frankfurt am M. gekom-
men und von Dr. Strüppe in s.
consensus celebrium medicorum super
mumia beschrieben worden.
Vollends wenn sich Monconys'
Versicherung beitätigt, dass man aus
dieser Catacombenreihe wieder durch
andere Schachte in noch tiefere, unter
derselben befindliche Felsengräber hin-
absteigen könne.
Im IVten Heft der Abbild. naturhist.
Gegenst. tab. 40. fig. 2. ist ein Stück
dieses Phacitenkalksteins von den Py-
ramiden vorgestellt, das mir unser
Hornemann zugeschickt hat.
Ohngefähr wie auf der Wandsculptur
in den ausgemahlten Grotten von
Eleuthyia in Oberägypten – in der
prachtvollen Description de l'Egypts
T. I. Antiquités. t. 70. f. 5.
Auffallend ist seine berggrüne Farbe,
die Denon auch an manchen Figuren
von Gottheiten in den Gräbern der
Könige zu Theben fand.
Ebenfalls berggrün, nicht mit seiner
eigenthümlichen schwarzen Farbe.
Auch verdankt meine Sammlung der
Güte des Hrn. Geheimenraths von
Gerning zu Frankfurt, einen altä-
gyptischen sehr naturgetreu gearbei-
teten Scarabäen, wie sie zu Zeiten in
Mumien gefunden werden, gleichfalls
aus berggrünen Kieselschiefer ge-
schnitten.
Zu so einem cattunenen Sarcophag
gehörte vielleicht auch das bemahlte
Bruststück bey Beger, thesaur. Bran-
denburg. T. III. p. 402. s. Bötti-
ger's archäologische Aehrenlese. 1ste
Samml. 1811. p. 2. t. 3.
So z.B. an einer ausnehmend schönen
Gesichtslarve im Antikencabinet bey
der kaiserlichen Bibliothek zu Paris.
Das sagt auch schon Abdollatiph,
und um so begreiflicher wird also die
in Ägypten selbst immer mehr zu-
nehmende Seltenheit ganzer Mumien,
deren ohnehin eine Unzahl von den
Arabern die Goldbleche oder andere
Kostbarkeiten darin erwarten, zer-
stört, oder bey dem dortigen Holz-
mangel als Feuerungsmaterial aufge-
brannt wird. – s. F. Protais voyage
du Sayd p. 2.
s. Vallisnieri nuove osservaz. ed
esperienze in den opere T. III. p. 91.
t. 3. der Quartausg.
Nach einem Briefe von Herrn Nie-
buhr. – Eines anderen von Brün-
nich und Denon erwähnten Organs
zu geschweigen, das man mehrmalen
in eben dieser Gegend ebenfalls an
weiblichen Mumien aufliegend gefun-
den, und doch offenbar von einem
männlichen Körper genommen zu seyn
schien.
Mehrere solcher in Mumien gefunde-
nen Anticaglien habe ich beschrieben
und abgebildet in dem Specimen hi-
storiae naturalis antiquae artis operi-
bus illustratae, im XVI. B. der com-
mentat. societ. Reg. scientiar.
Diesem scheinbaren Mangel abzuhel-
fen, haben die Verkäufer wohl eher
die Nase aus Pech zu restauriren ver-
sucht. s. Caylus in der Hist. de
l'Acad. des inscript. T. XXIII. p. 132.
Decas cranior. I. p. 14. De generis hu-
mani variet. natiua p. 225. der 3ten
[Seite 99] Ausg. Gesch. und Beschr. der Kno-
chen des menschl. Körp. S. 260. der
2ten Ausg.
Villoteau in Silv. de Sacy Ausg.
des Abdollatiph S. 269 glaubt, dass
an allen weiblichen Mumien die Arme
seitwärts herabhängen, und nur bloss
bey den männlichen kreuzweis auf
der Brust lägen. Aber die von Brün-
nich untersuchte weibliche, hatte sie
auch so über der Brust gekreuzt.
Und mit welcher Vorsicht und Ein-
schränkung dieser ihre Nachrichten
von der Mumisirung benutzt werden
müssen, zeigt unser Heyne in sei-
nem reichen Spicilegium antiquitatis
mumiarum im IIIten B. der commenta-
tionum p. 78. 92 u.a.
De orig. obeliscor. p. 264. ‘“Mumia
P. della Valle. nunc in museo Dres-
densi, formulam ευψυχει in graecis si-
mulacris sequiore aeuo solemnem, pe-
ctori inscriptam gerens, figurisque or-
nata, quae a veteri arte Ägyptia
prorsus alienae, vix ante IVtum vul-
garis aerae saeculum pictae credi pos-
sunt.”’
Vergl. Volney voyage en Egypte
T. I. p. 71. der 3ten Ausg. Lang-
lès Notes et Eclaireissements sur le
voyage de Norden T. III. p. 348.
Wie an der Figur in des Gr. Cay-
lus Sammlung, die als Vignette oben
über der Vorrede nachgestochen ist
u.a.m. So beschreibt z.B. Pauli-
nus a S. Bartholomaeo in der
Mumiographia Obiciana p. 51. ganz be-
stimmt und sprechend eine sogenannte
Pastophore im Museum des Marchese
Obizzi, ‘
“quae distinguitur primo in-
tuitu per suam frontem gibbam, per
capillos crispos, per ossa iugalia pro-
minentia, per nasum crassum et de-
pressum, per sua labia tumentia”’ etc.
s. davon das so interessante Werk des
berühmten Bischofs Grégoire de la
Littérature des Nègres gleich zu Anfang.
Der Verf. der Recherches sur les Egypt-
iens hält diess schlechtweg für einen
universellen nationalen Zeichnungs-
fehler der ägyptischen Künstler! Eher
könnte man doch den Grund in der
Haltung des Kopfes suchen.
‘
“Stat ergo ea veritas (sind seine
Worte) praeter aethiopicum vultum
in Ägypto, eiusque mumiis et monu-
mentis, admittendum esse characterem
quendam Indicum, qui Ägyptiis non
[Seite 136] minus gentilitius et natiuus est quam
Äthiopieus.”’
s. z.B. M. Thr. Brünnichs Dyrenes
Historie og Dyre-Samlingen udi Uni-
versitetets Natur-Theater T. I. p. 2. und
[Seite 140] selbst Zoega, obelisc. p. 261. N. 43.
So eine Mumien-Puppe versteigerte
vor neun Jahren ein Auctionator in
London als the Mummy of a Child,
said to be one of Cleopatra's. –
Die hätte dem zu Folge in die ehema-
lige Jesuiter-Apotheke zu Pressburg
gepasst, wo eine wirkliche Mumie
für die schöne Königin Mutter, die
Cleopatra selbst, ausgegeben ward
(Bresl. Samml. XXXIII. Verf. S. 192.)
Eine ausnehmend gut erhaltene Ibis-
mumie dieser Art, die ich der Güte
[Seite 141] des berühmt. Naturforschers Hrn. Che-
valier Geoffroy Saint-Hilaire
verdanke, habe ich im IXten Heft
der Abbildungen n. h. Gegenst. tab. 36.
stechen lassen.
p. 642. ‘
“A Saxonibus audiui, nullum
apud ipsos conuiuium transigi posse,
sine mummei, vti appellant. Ita olim
sine lasere, et hodie Indi sine asa
foetida nihil comedunt. Hinc, qui in
Aegyptum eunt, afferre secum solent
talia cadauera.”’