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Göttingische
Anzeigen
von
gelehrten Sachen
unter der Aufsicht
der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften.

Der erste Band,
auf das Jahr 1787.

Göttingen,
gedruckt bey Johann Christian Dieterich.

Göttingen.

[Seite 201]

Die Vorlesung des Hrn. Prof. Blumenbach
in der Versammlung der Kön. Societät der
Wiss. am 23. Dec. v.J. enthielt einen Ver-
such einer vergleichenden Physiologie zwischen
den kaltblütigen Thieren und den mit warmem
Blute.
Besonders in Beziehung auf die eigent-
sich so genannte thierische Wärme, als das Eigen-
thum der letztern; und die ausgedehnte Repro-
ductionskraft als das Vorrecht der erstern. Eben
deshalb hat sich der Hr. Prof. bey dieser Verglei-
chung vorzüglich auf die wahren Amphibien (im
Linneischen System reptilia und serpentes, mit
Ausschluß der sonst dazu gezählten nantium) ein-
geschränkt, als welche durch Lungen athmen und
auch in ihrer übrigen körperlichen Oekonomie aus-
[Seite 202] ser den gedachten Umständen, den warmblütigen
Thieren am nächsten verwandt sind: Da er aber
diese Vergleichung durch alle Classen der Verrich-
tungen des körperlichen Lebens verfolgt hat, so
erlaubt uns der eingeschränkte Raum nur eini-
ges weniges davon auszuheben. – Die geringe
Menge Blut bey den Amphibien (24 erwachsene
muntere Wassermolche gaben zusammengenommen
nur drittehalb Scrupel Blut) und bey den hielän-
dischen kein merklicher Unterschied zwischen dem
in den Arterien und dem in den Venen. – Die
wirkliche Verkürzung des Herzens in der Systole
hat der Hr. Prof. noch bey keinem andern Thier
so ausnehmend auffallend wahrgenommen, als bey
der Natter, deren Vivisection überhaupt ein sehr
merkwürdiges Schauspiel gewährt. – Die gros-
sen, aber lockeren, leichten und in Vergleich mit
den warmblütigen Thieren sehr weniges Blut fas-
senden, Lungen der Amphibien. Ihre eigenthüm-
liche Lebenskraft, daß sie auch bey geöffneter Brust
sich aufgebläht erhalten können: Diese kommt
den Fröschen und Kröten bey der Unvollständig-
keit – und den Schildkröten bey der Unbeweg-
lichkeit ihres Thorax zu statten. – Daß sie
so lange das Athemholen entbehren können,
auch im sogenannten luftleeren Raume und in
fixer und phlogistisirter Luft länger ausdauern,
als die warmblütigen: und selbst die Atmosphäre
nur so wenig und langsam phlogistisiren, auch daß
sie dem Leben ohnbeschadet so große Extreme, bey-
des von Hitze und von Frost, vertragen können.
Der Hr. Prof. hat einen Laubfrosch, so wie Düfay
einen großen Wassermolch, ohne Schaden mitten
in eine Eisscholle fest einfrieren gesehen. – Des
Hrn. Hofr. Soemmerring Bemerkung über das
respective Verhältniß der Größe des Gehirns zur
[Seite 203] Stärke der daraus entspringenden Nerven, und
die des Hrn. Prof. Monro von der eigenthümli-
chen Energie der Nerven, unabhängig von der,
die ihnen vom Gehirn aus mitgetheilt wird, passen
recht treffend auf die Amphibien. – Vom un-
verkennbaren Einfluß des Sensorii auf die Unter-
haltung
der thierischen Wärme. – Der Haut-
schleim der kleinen Feuerkröte brennt doch im
Munde, wie wenn man Rinde von Kellerhals
kaut. – Die Gelehrigkeit der Amphibien, selbst
der Crocodilen und Kröten: aber, wie es scheint,
in der ganzen Classe kein eigentlicher Kunsttrieb.
Die ausnehmende Reproductionskraft bey vielen
Amphibien. – Auch mit dem ächten Salaman-
der hat der Hr. Prof. deshalb Versuche mit dem
glücklichsten Erfolge angestellt. Eins dieser weiland
so berufenen Thiere, das wenigstens seit 4 Mona-
ten kein andres seiner Art gesehen, und völlig iso-
lirt im Glase gelebt, hat dieser Tage ganz uner-
wartet binnen wenigen Tagen 34 Junge geheckt,
so daß folglich hier eine ehemalige Befruchtung,
noch weit länger als bey den Hühnern, auf eine
lange Zeit hinaus ihre Wirksamkeit erhalten muß. –
Nun etwas vom Resultat der ganzen Verglei-
chung. Bey den warmblütigen Thieren zeigt sich
der lebenswierige phlogistische Proceß und dessen
Verbindung mit dem Sensorium: anderseitig aber
hinwiederum der unübersehlich vielfache Einfluss
den die Reaction des letztern auf alle übrige Clas-
sen der körperlichen Verrichtungen hat. Daher
die größere Empfindlichkeit, zumal des Menschen,
gegen alle Arten von stimulis, und die viel-
fachern Consensus im Körper. Daher denn eben
der Mensch mehr, als irgend ein anderes Thier,
mit der ganzen übrigen Schöpfung auf tausender-
[Seite 204] ley Weise in Verbindung gesegt wird etc. – Bey
den Amphibien hingegen von allem diesem das
Gegentheil: schwache Mobilität der ganzen Ma-
schine, gleichsam eine einfachere Art von Leben.
Aber dafür desto zäher, da nicht gleich jeder Sti-
mulus, der auf einen Theil oder auf ein System
wirkt, sogleich wie bey den warmblütigen andere
in Consensus zieht etc. – Eben aber auch von die-
sem einfachen, mehr vegetativen Leben eine leich-
tere und wirksamere Reproductionskraft u.s.w.



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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