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Göttingische
Anzeigen
von
gelehrten Sachen
unter der Aufsicht
der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften.

Der zweyte Band,
auf das Jahr 1788.

Göttingen,
gedruckt bei Johann Christian Dieterich.

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In eben dieser Versammlung legte Hr. Hofr.
Blumenbach der Kön. Societät eine handschrift-
liche Abhandlung vor, die von ihrem Verfasser
derselben zugeeignet war. I.F. Ackermann,
M.D. et ord. med. Mogunt. assess. Commentatio
de nervorum opticorum inter se nexu.
Um die
berühmte Frage zu entscheiden, wie sich die Seh-
nerven in ihrer Union verhielten (ob und wie sie
nemlich einander durchkreuzen, oder aber blos
neben einander weglaufen, schienen vorzüglich die
Zergliederungen von Menschen und Thieren, die
seit geraumer Zeit ein Auge eingebüßt hatten, am
geschicktesten. Allein hier zeigte sich eine neue
Schwierigkeit. Die Erfahrungen von einäugich-
ten Thieren nemlich, dergleichen zumal Hr. Hofr.
Soemmerring einige sehr merkwürdige beschrieben,
fielen offenbar für die wahre Decussation aus; die
von Menschen aber scheinen mehr die gegenseitige
Meynung zu begünstigen. Ein überaus wichti-
ger Fall der Art ist der vom Hrn. Dr. A. beob-
achtete, wovon sich das Präparat nun in der
Sammlung des Hrn. Hofr. Blumenbach befindet.
Es ist das Gehirn nebst den noch daran hängen-
den Augäpfeln aus der Leiche eines 78jährigen
Greises, der 71 Jahr lang einäugicht gewesen,
da er schon in seinem 7. Jahre durch einen Stock-
schlag um sein rechtes Auge gekommen war. Es
war ausgelaufen, eingeschrumpft: das linke hin-
gegen unversehrt. Die mit äusserster Vorsicht und
Behutsamkeit vom Hrn. Dr. angestellte Section
zeigt, daß auch der rechte n. opt. zwischen dem
Augapfel und der Union eingeschrumpft und platt
zusammengerunzelt war; die d.m. hieng schlapp
drum rum. Auch in der Union selbst war die
rechte Seite kleiner, als die linke. Hinter der
Union nach den thalamis zu waren beyde Nerven
[Seite 2085] nicht sowohl in der Stärke, aber desto auffallender
in der Farbe verschieden: der linke nemlich gesund
weiß; der rechte hingegen mißfärbig röthlich-
grau. Beym Eintritt in seinen thalamus war
eben dieser rechte offenbar eingeschrumpft. Auch
der rechte thalamus selbst merklich kleiner, und
endlich gar bey seinem Umbug um den processus
medullaris
mit selbigem wie verwachsen, die sonst
dazwischen befindliche Fuge wie verwischt. – Nun
vergleicht der Hr. Dr. diesen seinen Fall mit den
von andern Zergliederern beschriebenen Parallel-
fällen, und findet durchgehends, daß doch die
Nerven hinter der Union allemal in ihrem Ha-
bitus von dem Ansehen der Nerven vor derselben
unterschieden waren. Und hieraus schließt er, daß
folglich bey weitem nicht alle Fäden dieser Ner-
ven in ihrer Verbindung sich durchkreuzen, son-
dern ein Theil derselben immer doch von einem
thalamus zu einem Augapfel der nemlichen Seite
laufe. Offenbar kreuzte sich ein Theil der nerv.
opticor.
beym Menschen sowohl, als bey den
Thieren. Nur mit dem Unterschiede, daß dey den
Thieren der größte Theil der Nervenfäden, beym
Menschen hingen der geringere, in der Union sich
decussirt, mithin beym Menschen der größte Theil
auf der gleichen Seite bleibt. Hiermit räumt
sich auch der Augenschein in gefunden Gehirnen
von Menschen in Vergleich zu denen von andern
Säugthieren; da beym Menschen die Union breit
liegt; bey diesen Thieren hingegen schmaler und
mehr wie ein X aussieht. Die vielen Bemerkun-
gen des Hrn. Dr. aus der anat. comparata, so wie
seine Theorie über den Nutzen dieser Union über-
haupt, und der beym Menschen insbesondere, hier
anzuführen, gestattet der Raum dieser Anzeige nicht.



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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