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Göttingische Anzeigen
von
gelehrten Sachen
unter der Aufsicht
der königl. Gesellschaft der Wissenschaften.

Der zweyte Band,
auf das Jahr 1796.

Göttingen,
gedruckt bey Johann Christian Dieterich.

New York.

[Seite 1634]

Remarks on the gaseous oxyd of azote or
nitrogene, and on the effects it produces when
generated in the stomach, inhaled into the
lungs, and applied to the skin: being an at-
tempt to ascertain the true nature of Contagion,
and to explain thereupon the phenomena of
Fever. – By Sam. Latham Mitchill (M.D.
Prof. of Chemistry, Natural History and Agri-
culture in the College of New-York.)
1795.
43 Seiten in Duodez. – Unter der großen Menge
besonderer so genannten Gasarten, womit die neuere
Chemie bereichert worden, ist unläugbar eine der aller-
merkwürdigsten, die von ihrem Entdecker Priestley
so genannte dephlogistisirte Salpeterluft (das oxidirte
Stickgas der Antiphlogistiker), die gleichsam als der
schwächste Grad der Säuerung des Stickstoffes anzu-
sehen ist, und sich unter andern schon durch die ganz
auffallend sonderbare Eigenschaft auszeichnet, daß,
ob sie gleich zum Athemhohlen ganz untauglich ist
(so daß z.B. Vögel binnen wenigen Minuten dar-
in sterben), dennoch Lichter mit vermehrtem Glanze
in derselben brennen etc. Gerade diese Eigenheiten
haben das Nachdenken des Verf. lange beschäftigt,
und diese kleine Schrift, die wir jetzt als eine trans-
marinische Seltenheit aus einem fremden Welttheile
anzeigen, enthält die Resultate davon, aus welchen
wir das Wesentlichste, versteht sich, bloß als treue
Referenten, mittheilen wollen. – Zuvörderst geht
er von der Untersuchung aus, ob jenes Gas nicht
auch durch den natürlichen Gang der Fäulung orga-
nisirter Körper (als welche beide Grundstoffe der-
selben, nähmlich Stickstoff und Sauerstoff, enthal-
ten) eben sowohl, als durch die bekannten künst-
lichen Bereitungsarten hervorgebracht werde? Dieß
[Seite 1635] glaubt er aus dem thierischen Ursprung des Salpe-
tersauren oder der unvollkommenen Salpetersäure
(des acide nitreux) folgern zu können, für welchen
er die mancherley Erfahrungen und Gründe zusam-
menstellt. Und da nun dieses Salpetersaure bloß
durch den stärkern Grad der Säuerung von dem
Gas, wovon hier die Rede ist, verschieden sey, so
könne auch dieses, und zwar noch weit leichter und
in größerer Menge, auf ähnliche Weise entstehen;
und dadurch, daß es eingeathmet wird, oder auf
die Haut wirkt, gefahrvolle Krankheiten und Zufälle
(– nahmentlich die Pest und das gelbe Fieber –)
verursachen. Das der Gesundheit so nachtheilige
Gas, das nach St. John’s Untersuchungen sich zu-
weilen anatomischen Präparir-Zimmern entbindet,
sey auch von dieser Art. – Aber eben so wahr-
scheinlich findet er, daß dieses Gas in manchen an-
steckenden Krankheiten (– zumahl ebenfalls in den
gedachten –) auch im lebendigen Körper selbst,
nähmlich im Darmcanal, aus thierischen Nahrungs-
mitteln entbunden werden könne. Daher erkläre sich
z.B., warum nach Verdoni’s Bemerkung die Grie-
chen in Smirna, die ihre Fasten ich Frühjahr streng
beobachten, im Vergleich zu denen, die während
der Zeit Fleisch essen, so selten von der Pest befallen
werden; und warum diese überhaupt den Ostindi-
schen Völkerschaften, die fast ausschließlich von Ve-
getabilien leben, unbekannt sey. – Hierauf durch-
geht er die Verschiedenheit der Zufälle, die entstehen,
je nachdem nähmlich das oxidirte Stickgas auf eins
oder mehrere der drey correspondirenden Organe
(– Lungen, Haut und Darmcanal –) wirkt, die
zu Betreibung des großen phlogistischen Pro-
cesses in unserm Körper, diesem großen belebten
Laboratorium, bestimmt sind; nachdem nähmlich
das Gas entweder aus der Atmosphäre eingeathmet,
[Seite 1636] und auf die Haut gebracht, und eingeschluckt, oder
aber in den ersten Wegen des Kranken selbst ent-
bunden wird. Alles scheint dem Verf. dahin zu
führen, daß man dieses Gas als Miasma und ma-
terielle Ursache der gedachten ansteckenden Krankhei-
ten ansehen müsse. Auch das stimme dafür, daß
in diesen Epidemieen andere Hausthiere, so wie die
Menschen, davon angegriffen würden. Schon Ho-
mer gedenkt des Sterbens unter den Hunden und
Maulthieren im Griechischen Lager vor Troja, als
Vorboten der Pest. Das gleiche sagt Thucydides
in seiner berühmten Beschreibung der so genannten
Pest zu Athen; die aber nach der Prüfung und Ver-
gleichung unsers Verf. ein ausgezeichnet bösartiges
gelbes Fieber war, das dort nach den von Thucy-
dides angegebenen Umständen völlig durch die glei-
chem localen Gelegenheitsursachen veranlaßt worden,
wie neuerlich zu New-York und Philadelphia. Auch
hier starben die Katzen, da dieses Fieber A. 1793
am heftigsten wüthete. – Auf diese aetiologische
Demonstration gründen sich nun die prophylactischen
Räthe des Verf. Um nähmlich zu verhüten, daß
sich dieses Miasma nicht sporadisch bey einzelnen
Menschen in den Gedärmen entbinde, hält er die
Abstinenz vom Fleischessen für hinreichend. ‘”I doubt,”’
sagt er, ‘”wheter the metallic rod will more
security guard us from lightning, than vege-
table food preserve us from pestilence.
”’ –
Daß aber die Atmosphäre, zumahl in Städten,
nicht durch Fäulung thierischer Stoffe verpestet werde,
und das dadurch erzeugte oxidirte Stickgas die Ein-
wohner vergifte, dem müsse die Polizey vorbeugen;
denn, ‘”that magistracy consults very imperfectly
the public health, which neglects the remo-
val of such common nuisances.
”’ – Da das
[Seite 1637] gedachte Gas vom Wasser verschluckt wird, so em-
pfiehlt er diese Eigenschaft zum weitern Nachden-
ken, um Mittel auszufinden, wodurch in den Fällen,
wo sich dasselbe schon erzeugt hat, es wieder zersetzt
werden könnte. – Wir übergehen die am Ende
angehängten Conjecturen, ob nicht auch andere
Miasmata (– Blattern-, Masern- und venerisches
Miasma etc.; aber auch Schlangen- und Spinnen-
gift u.s.w. –) im Grunde bloße Modificationen der
nähmlichen, nur etwa mit mancherley andern Stof-
fen versetzten, Gasart seyn?



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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