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Göttingische Anzeigen
von
gelehrten Sachen
unter der Aufsicht
der königl. Gesellschaft der Wissenschaften.

Der zweyte Band,
auf das Jahr 1798.

Göttingen,
gedruckt bey Johann Christian Dieterich.

Paris.

[Seite 1145]

In der Druckerey der Republik ist so eben er-
schienen: Voyage de la Pérouse autour du
monde, publié conformément au Décret du
22. Avril 1791. et redigé par M. L.A. Milet-
Mureau,
Général de Brigade dans le Corps du
Génie etc.
– Vier Bände in groß Quart; der
erste von 72 und 346 S. der zweyte 398 S.
der dritte 422 S. der vierte 309 S. – Dazu
ein Band in Atlasformat von 69 Karten und
Kupfern.

Die Erscheinung eines so großen und pracht-
vollen wissenschaftlichen Werkes in Frankreich ge-
hört bey den jetzigen Zeitumständen doch auch zu
den Überraschungen, deren die Französische Na-
tion, freylich in anderer Art, der Welt seit neun
Jahren so viele gegeben hat: und diese hier ist
um so erwünschter, da das wichtige Werk nicht
[Seite 1146] die Wissenschaften allein, sondern auch wegen so
mancher, mit der Veranlassung und Ausgabe des-
selben verbundenen, Umstände die Humanität selbst
auf mehr als eine erfreuliche Weise interessirt.

Die letzte Cookische Weltreise veranlaßte vor
13 Jahren den König Ludwig XVI., der bey sei-
ner bekannten Liebe für Geographie besonders die
Entdeckungen dieses großen Seefahrers mit vie-
lem Eifer studirt hatte, eine ähnliche Expedition
zu veranstalten, und das Commando über die zu
diesem Behuf ausgerüsteten beiden Fregatten dem
Capitän la Perouse zu übertragen. Der Plan
zur Reise war vom Könige selbst entworfen, und
viele Stellen der im ersten Bande abgedruckten
Instruction zeugen von dem humanen Charakter
ihres Urhebers: So z.B. ‘”Sa Majesté regar-
derait comme un des succès les plus heureux
de l’expedition, qu’elle pût etre terminée sans
qu’il en eût couté la vie à un seul homme.
”’
Aber schwerlich hätte auch ein Mann gefunden
werden können, der aus dieser Rücksicht, so wie
aus jeder andern, den Absichten des Königes voll-
kommener hätte entsprechen können, als der eben
so liebenswürdige als einsichtsvolle la P – Er
segelte im August 1785 von Brest ab, um Cap
Horn nach der Südsee, die er, zumahl in der
nordlichen Hälfte, nach verschiedenen Richtungen
durchkreuzt hat. Während seines Aufenthalts auf
Kamtschatka sandte er bekanntlich im October
1787 seinen Interpreten, Hrn. Lesseps (den Sohn
des Französischen General-Consuls zu St. Peters-
burg), mit dem bis dahin geführten Tagebuche
und den dazu gehörigen Karten und Zeichnungen
zu Lande nach Paris ab; eine Vorsicht, der die
Welt nun die Erhaltung des wichtigen Werks,
das wir anzeigen, zu verdanken hat. Denn nach-
[Seite 1147] dem er von dannen in die südliche Hälfte des ge-
dachten großen Oceans gefahren und an Botany-
bay gelandet war, ist seit seiner Abreise von da
keine weitere Nachricht von ihm nach Europa ge-
kommen. Sein letzter Brief von da war vom
7. Februar 1788, und dem zufolge gedachte er
gegen Ende desselben Jahrs nach Ile de France,
und so nach Europa zurück zu kommen. Da das
aber nicht erfolgte, und man in die Länge wegen
seines Schicksals besorgt werden mußte, so be-
schloß der National-Convent im Frühjahre 1791,
den General d’Entrecasteaux bloß in der Absicht
auszuschicken, um ihm im Indischen Ocean nach-
zuspüren. Allein alle Nachforschungen desselben
sind fruchtlos gewesen. Vermuthlich hat la P.
mit seinen beiden Fregatten entweder in den
furchtbaren Korallen-Rifen um Neuholland, oder
durch den schrecklichen Orkan vom letzten Decem-
ber 1788 seinen Untergang gefunden. – Die
Wendung, die seitdem die Französische Revolu-
tion genommen, hat die Ausgabe der Reisebe-
schreibung bis jetzt verzögert. Nun erscheint sie,
und zwar in zwey Editionen zugleich; der sehr
splendiden nähmlich, die wir vor uns haben, und
die als ein Denkmahl typographischer Kunst an-
gesehen zu werden verdient, und einer wohlfeilern
in Octav. Beide zum Beßten der würdigen Wit-
we des verdienstvollen, aber unglücklichen, See-
fahrers.

Den ersten Band füllen, ausser einer Einlei-
tung, fast bloß die äußerst interessanten Instructio-
nen, Winke, Fragen etc., die den Reisenden mit-
gegeben worden. Der zweyte und dritte enthält
la Perouse’s eigenes Tagebuch. – Der vierte end-
lich Aufsätze seiner gelehrten Reisegefährten, und
[Seite 1148] Briefe, die von diesen und von ihm selbst unter-
wegs nach Frankreich geschrieben worden.

In der gedachten Einleitung gibt der gelehrte
Redacteur Nachricht von la Pérouse’s Lebens-
umständen, und sein schön gestochenes Bildniß ist
diesem ersten Bande vorgesetzt (– Schade nur,
daß es, wie wir von einem seiner ehemahligen
Freunde hören, gar wenig Ähnlichkeit hat –).
Er war 1741 zu Albi in Languedoc geboren, und
hat sich von Jugend an im Seedienst ausgezeich-
net. In der unerhörten Seeschlacht am 20. No-
vember 1759, wo der Englische Admiral Hawke
den entscheidenden Sieg über den Französischen
Marschall de Conflans davon trug, gerieth er,
schwer verwundet, auf einige Zeit in Englische
Gefangenschaft. Eine seiner wichtigsten nachheri-
gen Expeditionen war, daß er 1782 die Englischen
Forts an der Hudsonsbay überfallen und zerstö-
ren mußte. Hierbey wird gesagt, er habe da-
mahl ausser andern, auch von den Engländern
anerkannten, Beweisen von Humanität auch Hrn.
Hearne das Manuscript von seiner so merkwür-
digen Entdeckungsreise nach dem Kupferfluß, aber
unter der ausdrücklichen Bedingung gelassen, daß
er dasselbe nach seiner Rückkunst nach England
herausgeben solle, und doch sey das bisher noch
nicht geschehen. (– Sonderbar, daß das dem
Herausgeber so ganz entgangen seyn konnte, da
doch Hearne’s Tagebuch bekanntlich schon 1795
in London herausgekommen. Ein wichtiger Theil
davon war aber schon zehn Jahre vorher in der
Einleitung des gelehrten Bischofs von Salisbury
zu Cook’s letzter Reise bekannt gemacht. –)

S. 4 ist das Personale bey der ganzen Expe-
dition verzeichnet, wobey es der Herausgeber
der Billigkeit sowohl, als den Principien des
[Seite 1149] Französischen Gouvernements gemäß gehalten,
nicht bloß die Officiere und Gelehrte, sondern
durchaus alle Matrosen etc. nahmentlich anzugeben;
und so kommen sie auch sämmtlich nochmahls im
Register vor.

In der königlichen Instruction scheint ein
Hauptaugenmerk auf den einträglichen Pelzhan-
del an der nordwestlichsten Küste von Amerika
gerichtet zu seyn. La P. solle zusehen, ob nicht
zu diesem Behuf eine Französische Niederlassung
auf einer der südlichen Kurilen thunlich sey? –
Auf diese Instruction folgt S. 62–155 eine
für die nautische Geographie überaus lehrreiche
Arbeit des Ex-Seeministers Fleurieu, nähmlich
Bemerkungen über die sämmtlichen bis jetzt be-
kannt gewordenen Entdeckungen in denjenigen Ge-
genden des Atlantischen und stillen Oceans, die
la P. befahren sollte.

Von S. 157 die wichtigen Fragen und Auf-
träge, so die damahlige Academie der Wissen-
schaften seinen gelehrten Reisegefährten mitgege-
ben. – Besonders sollen sie suchen, Schedel
fremder Völkerschaften mitzubringen. – Auch
nachsehen, ob sich bey Völkern von auffallend
großer Statur etwa 6 Lendenwirbel finden? Ihre
Beyträge zur Anatome comparata sollen sie nach
Daubenton’s Muster im Büffonschen Werke ab-
fassen. Bey den Conchylien so viel möglich die
fossilen an den Küsten, die sie besuchen werden,
mit den frischen in den benachbarten Meeren ver-
gleichen, und sehen, ob sie nicht Originale zu
unsern Europäischen Versteinerungen auffinden
können. – Verzeichniß seltener Crystallisationen
einiger Fossilien, auf die man achten solle. –
Von solchen Gewächsen, wovon man damahls in
Frankreich nur Eins von beiden Geschlechtern hatte,
[Seite 1150] nun auch das andere mitzubringen: z.B. weib-
liche Morus papyrifera; männliche Fragaria
chilensis
etc.

S. 174 noch ein besonderer Aufsatz des gelehr-
ten Geographen Buache über einige große Striche
der Südsee, wo noch Manches zu berichtigen und
Lücken zu füllen sey.

S. 180 Fragen, die von der medicinischen Ge-
sellschaft zu Paris den Reisenden mitgegeben wor-
den. – Vor Allem wieder die charakteristischen
Eigenheiten der Spielarten des Menschengeschlechts
in der Schedelform u.s.w. – Ob nicht etwa die
rohe Lebensweise mancher wilden Völker ihren
Geschlechtstrieb, wie bey den Thieren, perio-
disch mache, daß er in gewissen Jahrszeiten vor-
züglich erwacht? – Genau auf die Kakerlaken
(Albinos) zu achten, und der Ursache dieser für
Physiologie und Pathologie gleich wichtigen Ano-
malie nachzuforschen. – Aber unbegreiflich ist
die Dreistigkeit, womit die Societé de Médecine
an zwey Stellen ihres sonst trefflichen Aufsatzes
die so ganz notorische Unwahrheit behaupten will,
als sey die Lustseuche durch Capitän Cook auf
seinen beiden ersten Reisen nach Utaheiti gebracht
worden! (– Als Cook im April 1769 zum er-
sten Mahl nach dieser sonst so glückseligen Insel
kam, fand er die Lustseuche schon allgemein ver-
breitet. Nun waren nur drey Europäische Schiffe
vorher dort gewesen; durch welche diese scheuß-
lichste aller Krankheiten hatte hinverpflanzt wer-
den können. Nähmlich der Entdecker von Uta-
heiti, Capitän Wallis, mit dem Delphin im Ju-
nins 1767, und der Französische Capitän Bou-
gainville
mit der Boudeuse und Etoile im April
1768. Aus jenes seinen Büchern ergab sich aber,
daß, zufolge der genauen und wiederhohlten Vi-
[Seite 1151] sitation des Schiffsvolkes auf der ganzen vierzehn-
monathlichen Fahrt von der Magellanischen Straße
bis nach Utaheiti, und wieder von da bis zum
Cap kein einziger Venerischer am Bord gewesen
war. – Daß hingegen der Französische Com-
mandeur diese Vorsicht nicht beobachtet, sein Volk
vor Ankunft auf der Südsee nicht visitiren lassen,
erhellet von selbst schon aus der unerwarteten
Entdeckung, die sich erst während seines Aufent-
halts auf Utaheiti äusserte, daß des Naturforscher
Commerson’s vermeinter Bedienter, ein verklei-
detes Mädchen
war! –)

S. 197 des Abbé Tessier Vorschläge, um das
Trinkwasser auf den Schiffen frisch zu erhalten. –
S. 205 des Ober-Gärtner Thouin Instruction für
den Reisegärtner. Vielleicht könne man neu ent-
deckte Cryptogamisten am sichersten mitbringen,
wenn man nur die Erde, worin sie gewachsen,
aushöbe, und die Gewächse selbst, in verschiede-
nem Alter und Zustand der Reife etc. darunter
mengte. – Verzeichniß der Menge von Säme-
reyen und Gewächsen etc., die den Schiffen mit-
gegeben worden, um sie in den fernen Welttheilen
auszusäen und zu verpflanzen. – Die Liste der
Waren, über 58,000 Livres am Werth, die zum
Verschenken und Vertauschen mitgenommen wor-
den. Darunter z.B. 1800 Trinkgläser, 2600
Kämme, eine Million Stecknadeln. – Dann die
Verzeichnisse der zum Gebrauch der Reisenden
bestimmten nautischen, astronomischen, physischen
und chemischen Instrumente, und der Reise-Biblio-
thek. Unter jenen, zwey Inclinations-Boussolen,
deren sich Cook auf seiner letzten Weltreise be-
dient, und die Hrn. la P. durch die Vermitte-
lung des Hrn. Baronet Banks geliehen worden. –
Auch Montgolfieren und Scaphander. – Unter
[Seite 1152] den Büchern, von hiesigen Professoren,
ausser Marer’s Tafeln, auch unsers sel. Michae-
lis
Fragen an die Dänische Reisegesellschaft, und
Hrn. de Luc’s beide größere Werke. –

Noch ist diesem Bande ein interessantes Acten-
stück beygefügt, nähmlich die Übersetzung einer
vorher noch ungedruckten Südseereise, die der
bekannte Spanische Seefahrer Maurelle A. 1780
und 1781 von Manilla nach St. Blas in Mexico
gemacht hat; aber nicht geradezu, sondern erst
S.O. über Neu-Hannover und die Salomons-
Inseln nach den Freundschafts-Inseln. Er hat
doch manche Inselpünctchen entdeckt, die auf der
von Büache redigirten Karte von dieser Fahrt
(Nr. 68. des Atlas) angezeigt sind. – Umständ-
lich von den Mayorga-Inseln, einer kleinen Grup-
pe nahe bey den Freundschafts-Inseln, nordlich.
Die Einwohner brachten Bataten von ungeheurer
Größe an Bord: theils 15 Fuß lang (!), und so
dick, als eines starken Mannes Schenkel. –
Was Hr. M. von den Sitten dieser Insulaner
sagt, kommt mit dem überein, was Cook u.a.
von den Freundschafts-Insulanern angemerkt.
Z.B. das muthige Klopffechten der Frauenzim-
mer
– Als sich Maurelle beym dasigen König
über die Diebereyen seiner Unterthanen beschwerte,
stellte ihm dieser frey, die, so er über der That
ertappen würde, mit dem Tode zu betrafen.
Der Spanische Befehlshaber befolgte diese Wei-
sung so wörtlich, daß er einen Indianer, der eine
Kette losreissen wollte, auf der Stelle erschießen
ließ. Er setzt – vermuthlich zu seiner Entschul-
digung und resp. Beruhigung – hinzu, daß er
bey diesem Volke auch nicht ein Fünkchen Reli-
gion und Gottesdienst habe bemerken können.
Uebrigens hatte Hr. M. diesen irreligiösen, blin-
[Seite 1153] den Heiden seine und seines Schiffsvolkes Lebens-
erhaltung zu danken, da er ohne die liebreiche,
gastfreundliche Bewirthung und Verproviantirung,
womit sie ihn überhäuften, hätte verhungern müs-
sen. Denn die Pest der Seefahrer, die Schaben
(Tarokane), hatten sich auf dem Schiffe in einer
so ganz unbeschreiblichen Menge zu Millionen ver-
mehrt, daß die Victualien dadurch fast total auf-
gezehrt waren, und die tägliche Mundportion für
den Mann bis auf 5 Unzen Brot, 3 Unzen Schweine-
fleisch und 2 Unzen Bohnen reducirt werden mußte.
Die Folgen dieser Hungersnoth, Kraftlosigkeit zu
den nöthigsten Arbeiten u.s.w., drohten ein
schaudervolles Ende. Man sammelte zwar mit-
telst großer Gefäße, die inwendig mit Honig be-
strichen wurden, tagtäglich einen Kübel voll jener
ekelhaften, verwüstenden Insecten, aber ohne daß
eine Abnahme derselben dadurch merklich geworden
wäre. Ce fut donc (sagt Hr. M.) veritable-
ment par un coup de la providence, que nous
avions rencontré les iles de Mayorga, d’où
nous avions tiré de si puissans secours.

Schon früher hatte eben dieser Spanische See-
fahrer zwey Entdeckungsreisen an der Nordwest-
küste von America gemacht. Das Journal von
der einen (vom Jahre 1775) ist aus Barrington’s
Miscellanies und Pallas’s Neuen Nordischen Bey-
trägen bekannt. Ein Auszug aus dem Tagebuch
von der andern (A. 1779) macht hier den Schluß
des ersten Bandes. Es enthält besonders aus-
führliche Nachrichten von den Wilden am Buca-
relli-Hafen (unter 65° N. Br. ungefähr in der
Mitte zwischen Nutkasund und dem Eliasberge).
Die Einwohner haben sehr regelmäßige Gesichts-
bildung, und Viele einen schönen weissen Teint.
‘”Les femmes, dans leur habillement, donnent
[Seite 1154] des preuves de leur modestie et de l’honnê-
teté de leurs moeurs. – Mieux habillées,
plusieurs d’entre elles pourroient disputer d’agré-
ment avec les plus belles femmes espagnoles.
”’

Von den hier genau beschriebenen bewunderns-
werthen Schnitzarbeiten und Geräthschaften die-
ser kunstreichen Indianer findet sich Vieles im
hiesigen academischen Museum unter der großen
Aschischen Sendung der von Capitän Billings’s
Reise mitgebrachten Merkwürdigkeiten (– s. diese
Anzeigen, im 17. St. vom vorigen Jahr –).



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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