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Göttingische Anzeigen
von
gelehrten Sachen
unter der Aufsicht
der königl. Gesellschaft der Wissenschaften.

Der zweyte Band,
auf das Jahr 1800.

Göttingen,
gedruckt bey Heinrich Dieterich.

Paris.

[Seite 1977]

Relation du voyage à la Recherche de la
Pérouse,
fait par ordre de l’assemblée consti-
tuante pendant les années 1791, 92, et pendant
la première et la seconde année de la Republi-
que Françoise. Par le Citoyen Labillardiè-
re
. – an 8. – T. I.
442 S. T. II. 332 und
113 Seiten in gr. Quart, mit einem so genannten
Atlas, nähmlich einem Bande Kupfern in Atlas-
Format. – Anlaß und Zweck dieser großen Expe-
dition sind allgemein bekannt, auch schon vor eini-
gen Jahren in unsern Blättern bey Gelegenheit der
Anzeige von des verunglückten la Pérouse unvoll-
endeter Weltreise angeführt (– 1798 St. 116 –).
Eben so bekannt ist der Nahme des verdienten Ver-
fassers dieser Relation, besonders durch seine frü-
here Reise nach Syrien und die reiche botanische
Ernte, die er da gefunden.

[Seite 1978]

Die beiden zu Aufsuchung jenes verschollenen
Weltumseglers und seiner Gefährten bestimmten
Schiffe hatten die glücklichen Nahmen la Re-
cherche
und l’Esperance. Jenes, auf welchem
sich auch der Verf. befand, ward vom Contre-
Admiral Dentrecasteaux commandirt, das andere
vom Capitain Hüon geführt. Sie gingen gegen
Ende Septembers 1791 von Brest unter Segel,
zuerst nach Teneriffa, von da im Januar 1792
nach dem Cap; im April nach Vandiemensland;
zu Ende Junius nach Neu-Caledonien; im Au-
gust über Neu-Guinea weg, bey Timor vorbey;
Anfangs Septembers nach Amboina, von da ge-
gen Ende des Jahrs um die Westküste des fünf-
ten Welttheils wieder nach der südlichen Spitze
desselben, wo sie im Januar 1793 ankamen. Nun
ostlicher in die Südsee hinein: an der Nordspitze
von Neu-Seeland vorbey, im März nach den
freundlichen Inseln, dann wieder nach Neu-Ca-
ledonien, und nochmahls über Neu-Guinea hin,
bis sie im October auf Java landeten. – Jene
wiederhohlten Kreuzfahrten waren dem humanen
Zweck der Expedition angemessen, aber leider in
so fern fruchtlos, da man nirgend auch nur die
mindeste Spur von la Pérouse’s Schiffen oder
Mannschaft aufgetrieben hat. Ein anderer Un-
stern, der über diese Reise waltete, erklärt sich
aus der politischen Lage der Dinge, wie sie in
Frankreich um die Zeit war, als die Schiffe von
Brest abgingen; daher heftiger Parteygeist und
Gährung in den Gemüthern, die sich zumahl
durch Spannung und übles Verständniß zwi-
schen den See-Officieren und den Gelehrten
äusserte, und endlich für den Verf. die Folge
hatte, daß Capitain Dauribeau, der nach dem
Tode der beiden oben genannten Anführer das
[Seite 1979] Commando bekam, ihn, so wie mehrere seiner
Reisegefährten, auf Java arretiren ließ, und als
Kriegsgefangene den Holländern auslieferte, auch
seine Sammlungen in Beschlag nahm, die nach
England kamen, aber auf geschehene Vorstellung
des Französischen Gouvernements, die, wie hier
ausdrücklich gerühmt wird, durch Hrn. Baronet
Banks unterstützt worden, dem Verfasser, der über
Isle de France nach Paris zurückgekommen war,
wieder ausgeliefert sind. Das ausführliche Ver-
zeichniß und die Beschreibung dieser naturhistori-
schen Merkwürdigkeiten ist für ein eigenes Werk
verspart. Indeß heben wir aus der gegenwärtig
gen Relation einige Bemerkungen aus. – A.
1798 hat sich zum ersten Mahl wieder nach 92
Jahren eine vulcanische Eruption auf Teneriffa,
und zwar im Südwesten des Pic, ereignet. Die
Insel liefert jährlich auf 30,000 Quartier (Pin-
ten) Wein. Gedörrte Boniten (Scomber pela-
mys
) machen einen andern wichtigen Handels-
artikel der Insel aus. Wenigstens die Hälfte
der Einwohner der Laguna besteht aus Mönchen.
Auch auf dem Pic sehen zuweilen die Wanderer
ihren Schatten in bunten Farben auf den unter
ihnen stehenden Wolken (– ungefähr das, was
auf unserm Harz das Brockengespenst genannt
wird –). Ein abenteuerlicher Vorfall, da vier
auf Teneriffa erkaufte Hammel über Bord gewor-
fen wurden, weil man Spuren der Lustseuche an
ihnen bemerkt habe. Der unbegreifliche Scharf-
blick des Fregattenvogels (Pelecanus aquilus),
der bey seinem bewundernswürdig hohen Flug
doch die kleinen Fische gewahr wird, die ihm zur
Speise dienen. Verdorbener Vorrath von Trink-
wasser verursacht zuweilen selbst durch seine Aus-
dünstungen Nervenfieber auf den Schiffen. Mit-
[Seite 1980] telst einer eigenen, hier beschriebenen, Art von
Ventilator ward doch dergleichen verdorbenes
Wasser in kurzer Zeit wieder trinkbar gemacht.
Am Cap trafen unsere Reisenden ein Sklaven-
schiff mit 400 Negern von Mozambique, wo zu-
mahl die Hunde eine von den Einwohnern sehr
gesuchte Ware sind. Die Sklavenhändler hatten
daselbst für einen schönen Hund wohl zwey oder
drey Neger erhalten. Eine Probe von der stren-
gen Zucht, worin auch im wilden Zustande die
jungen Affen von den alten gehalten werden:
ein Magot (Simia inuus) hob sein Junges mit
der Einen Pfote in die Höhe, und schlug es lan-
ge mit der andern. Die Larven des Dermestes
paniceus
richteteten große Verwüstung im Schiffs-
zwieback und andern Victualien an; und der Kä-
fer ward auf andere Weise lästig, da er z.B.
haufenweis ins Licht flog, das davon zuweilen
erlöschte. Beschreibung und Abbildung des schwar-
zen
Schwans auf Neu-Holland. Die Einwohner
von Vandiemens-Land decken ihre Hütten mit der
Rinde von Eucalyptus resinifera, die sich sehr
leicht in großen Stücken von 30 Fuß Länge ab-
lösen läßt. Mächtig große, noch grüne, Bäu-
me, die von eben diesen Wilden unten durch
Feuer ausgehöhlt waren, um darin zu herbergen.
Der Magen des Känguru besteht aus drey gro-
ßen Abtheilungen, und ähnelt also der wieder-
kauenden Thiere ihrem. Die merkwürdigen Kunst-
triebe zweyer Gattungen von Spinnen auf Neu-
Irland, um sich gegen den dort so häufigen Re-
gen zu schützen: die eine webt auf die Mitte
ihres Netzes eine besondere tutenförmige Retirade;
die andere nutzt dazu ein zusammengerolltes Baum-
blatt. – Aber wie konnte Hr. L. den fliegenden
Hund in Süd-Indien Vespertilio vampyrus (den
[Seite 1981] Blutsauger) nennen, der doch nie Blut saugt,
sondern ausschließlich von Früchten lebt; auf den
freundschaftlichen Inseln wird er gegessen. –
Auf den Admiralität-Inseln tragen die Männer
die milchweisse Blasenschnecke (Bulla ovum) über
der Eichel der männlichen Ruthe. Die so ge-
nannte fliegende Eidechse bedient sich ihrer Flügel
doch nicht zum wirklichen Flattern, wie die Fle-
dermäuse, sondern nur statt Fallschirm, um einen
weiten Sprung von der Höhe herab wagen zu
dürfen. – Vor einigen Jahren wären beynahe
die Muscaten-Bäume aus der Schöpfung vertilgt
worden. Die niedrige Gewinnsucht der Hollän-
dischen Compagnie hatte nähmlich diesen Baum
nicht nur auf Ternate, Tidor etc. sondern auch
selbst auf Amboina auszurotten befohlen, damit
er ausschließlich auf Banda gezogen würde; und
nun kam ein Orcan, der gar leicht das auf die-
ser Insel hätte bewirken können, was die Com-
pagnie durch ihre unweisen Verordnungen auf
jenen beabsichtigte. Zum Glück werden dieselben
durch Vögel vereitelt (nahmentlich durch die deß-
halb so genannten Muscat-Tauben), welche die
daselbst eingeschluckten Nüsse auf ihren Wande-
rungen anderwärts wieder von sich geben, und
dadurch verpflanzen. Auch auf Amboina eine
Art von Äolusharfe aus einem aufrecht stehen-
den, 5 Fuß hohen, dem Windzug ausgesetzten,
Bambusrohr mit Seitenöffnungen. Bey den
Papus wird den neugebornen Kindern die Nabel-
schnur einen Zoll vom Leibe abgebrannt. Bey der
Abfahrt von Brest waren die Schiffe mit der Blatta
orientalis
heimgesucht, die sich aber bald verlor,
und dagegen durch die Bl. germanica ersetzt
ward. Auch diese richtete große Verwüstungen
an, indem sie nicht nur eigentliche Victualien,
[Seite 1982] sondern auch Wäsche, Papier etc. verzehrte, die
Tintenfässer ausleerte etc. – Schaudervolle Lage
des Naturforschers Riche, der sich auf einer Ex-
cursion an der wüsten Südwestküste des fünften
Welttheils ein paar Tage lang verloren hatte.


Der zweyte Band fängt mit dem abermahli-
gen Besuch auf Vandiemens-Land an. – Unter
den dasigen Fossilien nahmentlich Rotheisenstein
als Glaskopf. – Von der auf andern Küsten
von Neu-Holland so gemeinen Sitte, den
erwachsenden Knaben, wenn sie wehrhaft ge-
macht werden, einen der oberen Vorderzähne
mit großen Ceremonien auszuschlagen, fan-
den sich hier nur einzelne Beyspiele. – Die
dasigen Mädchen haben überaus melodischen Ge-
sang, und accompagniren einander beym Duett
mit der schärfsten Pünctlichkeit. Aber eine Vio-
lione, die man ihnen vorspielte, hatte die Wir-
kung, daß sie sich die Ohren mit den Fingern
verstopften. – Die Einwohner von Tongatabu
verschneiden ihre Schweine, um das Fleisch desto
schmackhafter zu machen. – Der Verf. bewun-
dert, wie glücklich diese Insulaner in der Form
ihrer Boote die Bildung des Tümmlers nach-
ahmen; der Kiel habe völlig die Gestalt vom
Bauche dieses so schnell schwimmenden Delphins.
(– Das läßt sich doch eher hören, als so man-
che andere Sagen der ehrlichen Alten von Kün-
sten und Erfindungen, zu welchen die Menschen
durch Beobachtungen an Thieren veranlaßt seyn
sollen. –) Die Mädchen pudern ihre schwarzen
Haare mit Kalk, um sie blond zu machen. Un-
ter ihnen fand sich auch eine junge Kakerlake.
Riechwasser waren den dasigen Weibern unter den
Geschenken, die sie von ihren Europäischen Gästen
[Seite 1983] erhielten, die angenehmsten. Wohlriechendes
Sandelholz bekommen sie von den Fridgi-In-
seln. – Von der Lustsenche, die nach Cook’s
Zeugniß damahls, als er diese Inseln besuchte,
so große Verheerungen unter den Einwohnern
angerichtet hat, fand sich jetzt keine Spur mehr.
Sollte sie sich wohl von selbst wieder allgemach
verloren haben? – Die Gebirge auf Neu-Cale-
donien enthalten unter andern auch grünen Schörl
(Strahlstein?), theils daumengroße Granaten
und Eisenglanz. Eine weiche Abart des dasigen,
schon aus Cook’s Reisen bekannten, Topfsteins wird
häufig von den Einwohnern gegessen. Einer
nahm nach einer guten andern Mahlzeit, die er
gehalten, doch noch ein Stück von diesem Fossil,
wohl zwey Fäuste groß, zu sich. Manche aßen
wohl zwey Pfund davon bey Einer Mahlzeit.
Auch eine hier betriebene und abgebildete, den
Naturforschern bisher unbekannte, Gattung von
Waldspinnen wird von ihnen geröstet und zu
Hunderten gegessen. Eben diese Aranea edulis
webt so feste Netze ‘”que souvent ils nous op-
posoient une résistance très-incommode.”’ –
Die mehrsten Männer auf dieser großen Insel
wurzeln sich, so wie die meisten Americanischen
Indianer, den Bart aus: manche lassen ihn aber
auch, so wie viele von diesen, wachsen. Jene
Gewohnheit fand sich auch unter den Einwohnern
von Santa Cruz (Capitain Carteret’s Egmont-
Insel). Diese kauen auch die Betelblätter mit
den Areckernen. Auf Bourou, einer der Mo-
lucken, wächset viel Melaleuca latifolia (Ma-
layisch Cayou pouti), aus deren Blättern der
dasige Resident viel Cajeputöhl gewinnt. Heer-
den vom gemeinen, so genannten Türkischen,
Affen (Simia sylvanus), die sich meist von den
[Seite 1984] Früchten einiger Gattungen des Bombax-Ge-
schlechts nähren. Der wilde Hahn auf Java,
mit brennend hohen Farben im Gefieder, hat einen
weißlichen Kamm mit bläulichem Rande. In den
Dörfern zwischen Sourabaya und Samarang sah
der Verf. ganze Buden mit Kuchen von einer röth-
lichen Erde, die von den Einwohnern gekaut wird.
Die stehenden Wasser in den Gräben der Festung
Anke bey Batavia sind doch nicht so verpestend,
als die in der Stadt selbst, weil jene mit Nym-
phäen und andern Wasserpflanzen bedeckt sind,
darunter zumahl die Pitsia stratiodes von auf-
fallend wohlthätigem Einfluß ist. Fische, die sonst
in einer kleinen Quantität dortigen Wassers bin-
nen wenigen Tagen abstehen, bleiben hingegen
lange Zeit am Leben, wenn man die Oberfläche
desselben mit diesem sonderbaren Gewächse be-
deckt. – Während des Aufenthalts auf Java
starb der Proviant-Meister der Recherche, und
da fand sich bestätigt, was man schon während
der ganzen Reise geargwohnt hatte, daß das eine
verkleidete Frauensperson war, die, ungeachtet
sie ein Kind in Frankreich zurücklassen mußte,
wahrscheinlich aus unwiderstehlicher Neugierde diese
lästige Reise mitgemacht hat.

Diesem Bande sind einige Wörterbücher bey-
gefügt. Ein Malayisches, und dann von den
Sprachen auf Vandiemens-Land, Waigiou (zwi-
schen Gilolo und der Westspitze von Neu-Guinea),
Neu-Caledonien und den freundlichen Inseln. Die
Zahlen auf diesen letztern bis tausend Billionen.
(– Es hält schwer, zu begreifen, wie die Ein-
wohner derselben dazu kommen –.)

Der Atlas enthält, ausser der allgemeinen
Reisekarte, 43 große Kupfer mit naturhistorischen
Gegenständen, zuweilen Vögel und Pflanzen,
[Seite 1985] allerley Geräthschaften der Wilden, Fahrzeuge
u.s.w. und wird besonders für die Anthropolo-
gie durch die porträtmäßigen Abbildungen von
Völkerschaften der Südsee wichtig, deren Treue
ausdrücklich an mehreren Stellen des Werks ver-
bürgt ist.



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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