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Göttingische
gelehrte Anzeigen
unter der Aufsicht
der königl. Gesellschaft der Wissenschaften.

Der zweyte Band,
auf das Jahr 1806.

Göttingen,
gedruckt bey Heinrich Dieterich.

Berlin.

[Seite 1513]

In der Realschul-Buchhandlung ist erschienene
Vergleichende Anatomie und Physiologie der
Verdauungswerkzeuge der Säugethiere und Vö-
gel. Durchaus nach eigener Zergliederung und
Beobachtung dargestellt von Jens W. Neer-
gaard
, D.M. Lector der Thierarzneykunde
und Mitglied der königl. Dänischen Remonte-
Commission. Nebst einer Vorrede von J.F. Blu-
menbach
. 273 Seiten in Octav, mit 6 Kupfer-
tafeln, die großen Theils vom Verfasser selbst ge-
zeichnet sind. – Die Grundlage zu diesem treff-
lichen Werke gab des Verf. Göttingische Inaugural-
Schrift, die vor zwey Jahren unter dem Titel:
Commentatio anatomico-physiologica sistens dis-
quisitionem, an verum organorum digestioni in-
servientium discrimen inter animalia herbivora,
carnivora et omnivora reperiatur
? auf 82 Quarts.
mit III Kupfertafeln herausgekommen, hier aber
durchaus umgearbeitet, zahlreiche Zusätze und Ver-
besserungen erhalten hat. Von Säugethieren sind
hier besonders das Pferd, Hornvieh, der Hund und
[Seite 1514] das Schwein, so wie unter den Vögeln der Habicht,
das Huhn und der Rabe zur Untersuchung gewählt,
häufig aber auch das zur Vergleichung beygebracht,
was der Verf. in andern Thieren gefunden. –
Daß der Gegenstand selbst zu den wichtigsten und
interessantesten in der Physiologie gehört, bedarf
kaum erst einer Erwähnung, und was die Behand-
lung desselben betrifft, so bestätigen wir nur im
Allgemeinen das, was der Titel schon sagt, daß
der Verf. durchgehends alles nach eigenen Zerglie-
derungen und Beobachtungen aufgesetzt hat, und
müssen uns ausserdem nur auf die Anzeige einiger
wenigen Bemerkungen beschränken, die wir aus der
Menge der in dem reichhaltigen Werke enthaltenen
ausheben. Ausser dem eigentlichen tubus alimenta-
rius
sind auch durchgehends die zur Bereitung des
Chylus beytragenden Eingeweide, Leber, Milz und
Pancreas, abgehandelt. Nach allem, was von
Andern über den merkwürdigen Bau des Pferde-
magens geschrieben worden, ist doch dem Verf. noch
eine interessante Nachlese geblieben; besonders in
Betreff des Verhältnisses, worin die beiden auf-
fallend verschiedenen Hälften der innern Gefäßhaut
desselben zu einander und zu der genau davon zu
unterscheidenden innersten Oberhaut stehen, die die-
selben bekleidet. Letztere steht in Rücksicht ihrer
Dicke mit jenen beiden Hälften in umgekehrtem Ver-
hältniß, ist an der Schlundhälfte des Magens dik-
ker, an der nach dem Darm laufenden hingegen
zarter. Einen ähnlichen Rand, wie den, womit
die Oberhaut die Grenze zwischen diesen beiden in-
nern Magenhälften bildet, hat der Verf. mehr-
mahls bey den Hühnern gefunden, da wo der Vor-
magen in den eigentlichen derbfleischichten übergeht.
Nützliche Erinnerungen über das verschiedene Ver-
hältniß mancher Theile im verschiedenen Lebensalter,
[Seite 1515] oder auch, wie sie sich in dem warm geöffneten
Thiere, oder aber nach dem Erkalten ausnehmen.
Genaue Beschreibung und Abbildung des Zwölf-
fingerdarms im Pferde. Ueberall auch Vergleichung
mit dem Baue des nach seinem Innern noch wenig
bekannten Esels. Bey einem ungebornen Eselfohlen
bestand die Substanz der Milz, ausser den Gefäßen
und dem Zellgewebe, aus einer Menge weisser gleich-
förmiger Bläschen von der Größe eines Nadel-
knopfes, die eine klare weißlichte Flüssigkeit ent-
hielten. In der Haube eines Ochsenmagens fand
der Verf. an 30 Nadeln eingestochen und festsitzend,
deren jede wie mit einer steinartigen Rinde über-
zogen war. Die schon geordneten cylindrischen
Drüsen und Schleimbehälter im Vormagen des
Habichts. Auch sorgfältige Zergliederung der Gal-
lenwege in diesem Thiere. Comparative Versuche
mit zwey Hühnern, deren eines mit Gerste, das
andere aber mit Fleisch gefüttert ward. Letzteres
fraß mehr als doppelt so viel, behielt aber die
animalische Nahrung nur halb so lange im Kropfe.
Andere Versuche mit Hühnern, denen der Kropf
exstirpirt ward, und die dennoch anfangs ihre Brot-
krumen, und nachher auch die Gerste, gut ver-
daueten. Einen sonderbaren Bau hat der Verf. an
den Gallenwegen des Waschbären entdeckt, der aus-
ser seiner eigentlichen Gallenblase noch eine andere
ansehnliche blasenförmige Weitung zwischen den Häu-
ten des Zwölffingerdarms hat, in welche sich die
beiden Gänge, der choledochus und der vom Pan-
creas, öffnen. Vielleicht, daß sich in diesem Be-
hältniß Galle mit dem pancreatischen Safte erst
inniger mischen sollen. Nützliche vergleichende Ueber-
sicht der vorhin einzeln beschriebenen Eingeweide in
den beiderley Thierclassen und deren verschiedenen
Ordnungen. Folgerungen daraus; auch in Bezug
auf die Nahrungsweise, zu welcher der Mensch be-
[Seite 1516] stimmt scheint. Wie viel leichter sich die so ge-
nannte Herbivoren an animalische Nahrung, als die
Carnivoren an vegetabilische gewöhnen können.

In der Vorrede handelt Hr. Hofr. Blumenbach
vom Einfluß der vergleichenden Anatomie aufs phi-
losophische Studium der Naturgeschichte überhaupt,
so wie auf die Physiologie des menschlichen Körpers
und auf die Thierarzneykunde insbesondere.



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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