Hr. Dr. und Professor Heineken zu Bremen hat
der königl. Societät der Wissenschaften folgenden,
durch Zeichnungen erläuterten, überaus merkwürdi-
gen pathologischen Fall mitgetheilt. – Im April
ward daselbst ein übrigens wohlgebildetes Mädchen
lebendig geboren, welches am Ende des Rückgraths
einen scrotalförmigen Sack hatte, der, ausser einer
Flüssigkeit, zwey fast hodenähnliche, länglichtrunde,
weichlich anzufühlende, Körper enthielt, und vom
Guckuksbein und den beiden incisuris ischiadicis bis
fast in die Kniekehle herabhing. – Während der
ersten Wochen war das Kind, ausser daß es nicht auf
dem Rücken liegen oder auf dem Schose sitzend erhal-
ten werden konnte, übrigens frisch und wohl; allein
in der Folge wuchs der Sack bis zur Größe eines
mäßigen Kindeskopfs, wobey sich dunkelrothe Flecken
auf seiner Oberfläche zeigten, und die arme Kleine
äusserte nun bey Berührung desselben empfindliche
Schmerzen, nahm dabey ab, verlor den Appetit zum
Saugen u.s.w. – Diese Umstände, verbunden mit
den Bitten der Mutter, und daß andrerseits weder
eine Spur von gespaltenem Rückgrath, noch von be-
[Seite 193] denklicher Verbindung des Sacks mit den Eingewei-
den des Unterleibes zu entdecken war, bestimmten
zur Operation. Nachdem man zuerst zehn Unzen
heller, geruchloser Flüssigkeit aus dem Sacke abge-
zapft und ihn demnächst geöffnet hatte, zeigten sich
fünf eyrunde Körper, deren zwey, wie gedacht, schon
vorher durchs Gefühl zu unterscheiden gewesen wa-
ren. Einer derselben, der nun auch geöffnet ward,
enthielt, ausser Flüssigkeit, eine Menge kleinerer
hydatidenähnlicher Körper; die übrigen hatten eine
festere, mehr fleischichte, Consistenz und dunkelrothe
Farbe (und zeigten sich in der Folge bey der Leichen-
öffnung drüsenartig). Alle waren mit einem Gewebe
weißgelber Fäden wie überzogen, die aus der innern
Fläche des Sackes zu entspringen schienen. – Die
ausgeflossene Flüssigkeit zeigte einen starken Gehalt
an thierischer Gallerte und Eyweißstoff; der Gärbe-
stoff brachte darin einen starken Niederschlag zuwege;
und Alkohol bewirkte eine fast gänzliche Gerinnung –
Das Kind war während der ganzen Operation ziem-
lich ruhig; nur bey Berührung der gedachten Kör-
per äusserte es empfindliches Gefühl. – Auch die
ersten acht Tage befand es sich noch recht wohl; aber
am neunten ward die Eiterung stärker, als man
wünschte; die kleine Kranke matter, lag fast bestän-
dig im Schlummer, und endlich traten Convulsionen
ein, worunter sie am zwölften Tage starb. – Bey
der Leichenöffnung zeigten die Eingeweide des Unter-
leibes weiter nichts Abnormes, als mehrere Intus-
susceptionen der Därme, und daß das Colon descen-
dens und der Mastdarm nach der rechten Seite ver-
schoben war, und beide Harnleiter bis zur Dicke
eines starken Fingers erweitert waren. Zwischen
beiden aber lag in der Ausschweifung des Kreuz-
beins wiederum eine Blase von der Größe eines
Hühnereyes, die jedoch mit dem äussern Sack in kei-
ner unmittelbaren Verbindung stand. – Letzterer
[Seite 194] bestand aus den allgemeinen Decken und einer festen
sehnichten innern Haut, welche sich bey näherer Un-
tersuchung der Rückgrathsröhre offenbar als eine
Fortsetzung der harten Hirnhaut zeigte, deren ange-
häuftes Wasser statt bey der Entstehung des Uebels
das Grath hinten zu spalten, sich dagegen unten am
Ende des Kreuzbeinscanals in eine so große sack-
förmige Weitung ausgedehnt hatte.