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Göttingische
gelehrte Anzeigen
unter der Aufsicht
der königl. Gesellschaft der Wissenschaften.

Der erste Band
auf das Jahr 1812.

Göttingen,
gedruckt bey Heinrich Dieterich.

Gotha.

[Seite 753]

Der Thüringer Wald, besonders für Reisende
geschildert von K.E.A. von Hoff (Gothaischem
Hofrath) und Chr. W. Jacobs (Gothaischem
Oberconsistorialrath). Zweyte oder südostliche
Hälfte, in zwey Heften.
Zusammen von 526
Seiten in Octav, mit saubern Kupfern von pitto-
resken Ansichten (wie z.B. von den herrlichen
Ruinen von Paulinzelle etc.) und einer trefflichen,
von Hrn. v.H. bearbeiteten, Karte. – Die erste
Hälfte dieses ausnehmend reichhaltigen und nutz-
baren Werkes haben wir bey Erscheinung derselben
in diesen Blättern angezeigt (1808 im 11. Stücke).
Hier diese zweyte ist um so wichtiger, da sie den
bey weitem größeren, und doch im Ganzen am we-
nigsten bekannt gewesenen, Theil des merkwürdigen
Thüringer Waldgebirges behandelt. Wir können
aus der Fülle von neuen belehrenden Notizen, wel-
che die gelehrten Verfasser auf ihren wissenschaft-
lichen Wanderungen geerntet haben, und nun in
diesen beiden Bänden mittheilen, hier nur Weniges
von dem allgemein Interessanten ausheben; denn
[Seite 754] gründliche Geognosten und Technologen wissen schon
aus dem ersten Theile, wie ergiebig das Werk für
ihre Studien ist, und bedürfen demnach nicht erst
einer Anzeige. – Recht vorzüglich merkwürdig
und erfreulich und aufmunternd waren dem Rec.
auch in diesem Theile die vielartige Menge von
nahrhaften Erwerbsweisen durch kleine und im Gan-
zen doch ergiebige Fabricate, womit sich die ehr-
lichen Thüringer Waldbewohner ihr Brot verdienen.
Ein eigner Anhang des letzten Bandes gibt eine
allgemeine Uebersicht davon, die wir nicht ohne
Bewunderung gelesen haben. Wie auch ein ärm-
lich kleiner Verdienst doch seinen – freylich genüg-
samen und von wenigen Bedürfnissen gedrückten –
Mann nährt! Wer z.B. in Kammerberg im Ilm-
thale nicht in dem dort gar mühseligen Bergbau
als Krummhälser arbeitet, der verdient sein Brot
durch Fertigung von Kienrusbüttchen, von welchen
ein Arbeiter etwa vier Schock des Tages vollenden
kann, und dafür einen Groschen vom Schock, mit
Einschluß des Holzes, bezahlt erhält. – In dem
benachbarten Manebach fanden sich bis zur Mitte
des vorigen Jahrhunderts gar häufig Cretine, die
sich aber seitdem ganz verloren haben. Man schreibt
dieses Glück der Verschüttung eines dasigen so ge-
nannten Kropfbrunnens zu, wobey aber die Ver-
fasser sehr richtig auch die Verbesserung der vor-
her immer nebelfeuchten Atmosphäre durch Aus-
hauen der Wälder und die veränderte Lebensart
der zu mehrerem Wohlstande gediehenen Einwohner
in Anschlag bringen. – Hingegen gelten die
Vorzüge, die man sonst von Schleusingen und
Eichberg pries, daß es nähmlich an ersterem Orte
keine Ratten, und an letzterem keine Sperlinge gebe,
nun auch nicht mehr. – In den Saalfeldischen
Dörfern sind die nächtlichen Besuche der jungen
[Seite 755] Bursche bey ihren Mädchen, wie der Kiltgang in
den Alpen, Sitte: dort heißen, sie die Romm-
Nächte. – Limbach, ein Oertchen im Meiningi-
schen, das nur sieben Wohnhäuser, dabey aber eine
Porcellan-Fabrik von hundert Arbeitern hat, un-
terhält ein Liebhaber Theater, zu welchem ein eige-
nes, mit allen Erfordernissen versehenes, Schau-
spielhaus erbaut worden ist. – Geschichte des so
genannten Olitäten-Handels der Laboranten und
Balsamträger in Ober- und Unterweißbach und meh-
reren andern Schwarzburgischen Dörfern, dessen
Ursprung in die letzte Hälfte des 17. Jahrhunderts
fällt, und der irrig insgemein den Einwohnern von
Königssee zugeschrieben wird. Anfangs bereiteten
sie bloß Schwefelbalsam, Wachholdersaft u. dergl.,
bald aber verfertigten sie auch mancherley andere
pharmaceutische Präparate, und zwar gut und um
billige Preiße; wurden nun aber auch unter obrig-
keitliche Aufsicht genommen, und keinem die Er-
laubniß, Medicinalwaren zu bereiten, ertheilt, be-
vor er vom Amts-Physicus examinirt, und von
Amts wegen verpflichtet worden. Aufs heimliche
Laboriren ward Strafe gesetzt. – Nachricht von
dem zu Blankenburg im Schwarzburgischen noch
lebenden Bergrath Danz, der vor 40 Jahren eine
andere Art von Handel, den mit Mineralien, der
seitdem so sehr bedeutend geworden, zuerst in
Deutschland recht in Aufnahme gebracht, und sich
dadurch wahres Verdienst um die Wissenschaft er-
worben. – Von der großen ergiebigen Industrie
in unbedeutend scheinenden Fabricaten geben die
zahllosen vielartigen Waren, die zu Sonneberg im
Meiningischen verfertigt und weit und breit ver-
führt werden, ein merkwürdiges aufmunterndes
Beyspiel. Z.E. Schachteln, so wie Spähne für
die Schuhmacher und zu Degenscheiden, Läufe zu
[Seite 756] Sieben, Stiefelknechte; dann all das mannigfalti-
ge Spielzeug, Geigen für Kinder, Puppen etc. aus
Holz und aus der in Teig geformter Bossir-Arbeit.
Eine Musterfigur leitet die mit unglaublicher Be-
hendigkeit arbeitenden Personen. Manche machen
nur eine einzelne bestimmte Art Spielsachen, z.B.
Guckuke, Zwitschvögelchen etc., die nachher unter
die Hände der so genannten Wismuthmahler kom-
men. Dann die vielerley Arten von Wetz- und
Schleifsteinen u. dergl. mehr. Eigne Behandlungs-
art des Griffelschiefers zu Verfertigung der Schreib-
griffel. Das Verzeichniß der dasigen, nur für den
Handel arbeitenden, Meister muß Bewunderung,
und sollte anderwärts Nacheiferung erregen. Die
Sonneberger Kaufleute versendeten in guten Jah-
ren für 200,000 Gulden Ware, die auf 14,000
Centner betrug. – Das Pechsieden gibt in dem
vereinigten Amte Gräfenthal und Zelle jährlich
gegen 6000 Centner, die 54,000 Thaler reinen
Gewinn bringen. – Eine merkwürdige Zunder-
schwamm-Fabrik auf dem Schlosse Schwarzburg.
Es sind starke Walzen von Buchenholz im Schloß-
graben aufgestellt, die so behandelt werden, daß der
Schwamm beständig von neuem hervorwächset.



Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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