Beyträge zur vergleichenden Anatomie, von
J.F. Meckel. Ersten Bandes zweytes Heft.
1810. 162 Seiten, mit 5 vom Verfasser gezeich-
neten und geätzten Kupfertafeln. – Das erste
Heft dieses gehaltreichen Werks haben wir zu sei-
ner Zeit in unsern Blättern angezeigt (– 1808
157. St. –). Hier dieses zweyte enthält acht
Aufsätze.
I. Beyträge zur Anatomie des Geschlechts
Doris. Eine bedeutende Nachlese zu Hrn. Cu-
vier’s vortrefflicher Abhandlung über den innern
Bau dieses Mollusken-Geschlechts. Aber Hr. M.
zergliederte ein paar andere, noch nicht zu diesem
Behuf untersuchte, Gattungen. Ueberhaupt ge-
statten dergleichen Arbeiten keinen kurzen Auszug,
vollends wenn er nicht mit Abbildungen beglei-
tet werden kann.
II. Ueber ein neues Geschlecht der Gastro-
poden, das in Manchem den Geschlechtern Doris
und Aplysia ähnelt, und vom Verf. Doridium
genannt wird. Seine Charactere sind: Corpus
[Seite 66] oblongum repens; pallium anterius supra reli-
quum corpus eminens; tentacula duo minima,
ad extremum anterius posita; anus in medio
extremo posteriore altus; branchia ad ejus
latus dextrum affixa: apertura pro genitalibus
in latere dextro versus idem extremum; crena
ab eadem ad os; clypeus in pallio nullus.
III. Ueber die Zwickelbeine am menschlichen
Schedel. Wenigstens die gewöhnlichen am obern
Winkel der Lambdanaht, wo die Pfeilnaht anstößt,
erklärt Hr. M. aus einem Stehenbleiben auf einer
früher normalen Bildungsstufe des Hinterschedels.
Er zeigt nähmlich aus sorgfältigen osteogenischen
Beobachtungen an zarten menschlichen Leibesfrüch-
ten, wie die pars occipitalis des Hinterhauptbeins
ursprünglich aus vier Paar successiv entstehender
und allgemach zusammenwachsender Knochenkernchen
gebildet werde. Das letzte und oberste Paar, das
sich erst in der 16. Woche nach der Empfängniß
zeigt, sey es, welches, im Fall es nicht mit jener
pars occipitalis verwächset, die gemeinsten regel-
mäßigen Zwickelbeinchen des Lamdawinkels bilde.
Weit seltener bleibt auch das der Entstehung nach
vorletzte Paar jener Knochenkernchen als abgeson-
derte Zwickelbeinchen permanent u. dergl. m. Nun
zootomische Bemerkungen von ähnlichen, aber ganz
normalen und constanten, kleinen Hirnschalenbein-
chen in mehreren Ordnungen der Säugethiere.
Was beym Menschen nur das Attribut einer sehr
frühen Fötusperiode war, aber außer dem bloß als
abweichende Bildung erscheint, das bleibt bey den
Solidungulis und Bisulcis bis zur Reife des Fö-
tus, und bey den Gliribus und im Didelphis-Ge-
schlecht sogar lebenslänglich. Noch mancherley
andere interessante Beobachtungen von ähnlichen,
aber anomalischen, Varietäten überzähliger Sche-
[Seite 67] delbeinchen etc. mit scharfsinnigen Vermuthungen
über ihre Entstehungsweise.
IV. Osteologie der Echidna hystrix und des
Ornithorhynchus paradoxus. Die vielartigen
Aehnlichkeiten im Organismus dieser Wunderthiere
des fünften Welttheils mit den Vögeln und theils
mit den Reptilien.
V. Vergleichung der Osteologie des Europäischen
Maulwurfs und des Maulwurfs vom Cap (Sorex
talpinus Cuv.) und der gemeinen Spitzmaus.
VI. Bruchstücke aus der Insecten-Anatomie.
Zumahl was die Verdauungs- und Sexual-Or-
gane dieser Thiere betrifft, vorzüglich bey den
aus dieser Rücksicht noch so unbekannt gewesenen
Scorpionen. Ihr Darmcanal enthält im letzten
Drittheil immer eine sandähnliche staubige Masse.
Sie athmen durch Kiemen (ungeachtet sie Land-
thiere sind!). Aber die räthselhaften pectines ste-
hen in gar keiner Beziehung mit denselben. Eher
möchte sie der Verf. wegen ihrer Stelle und we-
gen ihrer Aehnlichkeit mit dem, was man bey
andern Thieren findet, für zu den Geschlechts-Or-
ganen gehörig halten. Die Giftdrüse im letzten
Schwanzgliede öffnete sich durch einen dünnen Hals
in den Stachel, welcher zu beiden Seiten der Länge
nach gestalten war. – Von andern Insecten ver-
schiedene Gattungen aus den Geschlechtern Meloë,
Tenebrio, Cerambyx, Buprestis und Attelabus.
VII. Ueber die männlichen Geschlechtstheile
des Maulwurfs. (– Sonderbar, daß die nicht
früher ihren Bearbeiter gefunden, den selbst Wie-
land’s verklagter Amor hätte aufmerksam ma-
chen können. –)
VIII. Beschreibung dreyer kopfloser Mißge-
burten, nebst einigen allgemeinen Bemerkun-
[Seite 68] gen über diese Art von Mißbildung. Alle drey
waren auch herzlos. Stufenfolge unter diesen
Acephalis nach dem mindern oder bedeutenderen
Mangel ihrer Organe. Gedanken über die wahr-
scheinlichste Entstehungsweise dieser Mißgeburten.
Der Verf. ist der Meinung, ‘“daß dieselben in
einem Mangel an hinlänglicher Entwickelung und
einer, früher wenigstens zum Theil, normalen Form
ihren Grund habe – daß es nähmlich einen Zustand
in der Entwickelung des Fötus gebe, wo die Orga-
ne, welche man in Mißgeburten dieser Art fehlend
oder abnorm entwickelt findet, sich wirklich norm-
gemäß auf diese Weise verhalten. Die Mißgeburt
entsteht dadurch, daß diese Organe allein sich nicht
auf die gewöhnliche Weise fort entwickeln, indeß
andere mehr oder weniger alle ihre Perioden durch-
laufen.“’ Thatsachen für diese Annahme aus der
Entwickelungsgeschichte verschiedenartiger Fötus.
Z.B. der Froschlarven, des Lammes aus frühen
Terminen nach der Empfängniß u.a.m.