Beyträge zur vergleichenden Anatomie, von
J.F. Meckel. Zweyten Bandes erstes Heft.
1811. 148 Seiten, mit Kupfern.
I. Entwurf einer Darstellung der zwischen
dem Embryonen-Zustande der höhern Thiere
und dem permanenten der niedern Statt fin-
denden Parallele. Mit ungemeiner Kenntniß und
Scharfsinn ist die fruchtbare, schon von Aristoteles
geahnete, besonders aber von manchen Physiologen
des vorletzten Jahrhunderts urgirte, Idee von der
Analogie der vulgo so genannten vollkommneren
[Seite 114] Thiere und ihrer Organe im frühen unreifen Zu-
stande mit dem lebenslang bleibenden bey den so
genannten unvollkommenen etc. durch die drey in
der Physiologie angenommenen Classen von Functio-
nen, animales, vitales und naturales, und dann
nach der Osteologia comparata durchgeführt.
An diesen Aufsatz schließt sich der folgende an:
II. Ueber den Character der allmählichen Ver-
vollkommnung der Organisation, oder den Un-
terschied zwischen den höhern und niedern Bil-
dungen. So wenig der Rec. die gewöhnlichen Bil-
der von Stufenfolge oder Leiter nach der bloß äußern
Form der Geschöpfe, in der Natur selbst hat begrün-
det finden können, so hohen Werth hat er hingegen
in mehreren seiner Schriften denselben zugestan-
den, wenn sie, wie hier geschehen, auf den innern
Organismus gegründet ist, als von welchem dann
die ganze Oeconomie der Thiere abhängt. Der
Verf. geht von der Vergleichung des Knochenbaues
zu den sämmtlichen Classen der Functionen, denn
hier werden auch die genitales mit abgehandelt,
von welchen bey der Darstellung im vorigen Aufsatz
keine Rede seyn konnte. Alles mit einer Fülle von
belehrenden und nicht gemeinen Beyspielen aus der
menschlichen und vergleichenden Anatomie belegt,
die aber hier keinen Auszug gestatten.
III. Beytrag zur Anatomie des Aï (Bradypus
tridactylus ). Besonders interessant wegen der
bisher noch nicht beschriebenen männlichen Genita-
lien dieser abenteuerlichen Creatur. Auch hier fand
der Verf., wie Daubenton beym weiblichen Unau
(Br. didactylus), eine quasi-cloaca, die sich dem
Bau der gemeinschaftlichen Oeffnung für das Harn–,
Generations- und Darm-System, wie sie bey den
Reptilien und Vögeln Statt hat, allerdings nähert.
Es fanden sich keine Samenbläschen, ja nicht ein-
[Seite 115] Gestalt der innern Sexual-Organe zeigten auffal-
lende Analogie mit den weiblichen Genitalien jener
Thiere, nahmentlich auch in der Verbindung, worin
beide mit den Nebennieren stehen. Auch die son-
derbare, von Daubenton betriebene, Windung
der Luftröhre, so wie die von den Herren Wiede-
mann und Cuvier gefundenen 9 Halswirbel, sah
der Verf. an seinem Exemplare vollkommen bestätigt.
IV. Beytrag zur Anatomie des Saju (Cerco-
pithecus aprilla). Besonders über den dem mensch-
lichen Baue sich nähernden Ursprung der aus dem
Bogen der Aorta kommenden Schlagaderstämme,
und über die Muskeln der hintern Extremitäten.
V. Beytrag zur Anatomie des Crocodils. In
einem ganz jungen, fußlangen, waren die Nieren
aus zahlreichen kleinen lobis zusammengesetzt, und
der Rest des Dotters saß ungefähr in der Mitte des
dünnen Darms an, und hing mit ihm durch eine
äußerst kleine Oeffnung zusammen.
VI. Ueber eine eigenthümliche Bildung des
Brustbeins eines reifen Fötus, wobey auch das
so genannte manubrium aus zwey neben einander
liegenden Knochenkernen bestand.
Des zweyten Bandes zweytes Heft, 1812
205 Seiten, enthält: I. eine treffliche Abhandlung
des jüngern Hrn. Dr. A. Meckel, über die Aehn-
lichkeit zwischen den Genitalien (besonders den
weiblichen) und dem Darmcanale, die er 1810
als Inaugural-Dissertation herausgegeben, aber
hier nicht bloß übersetzt, sondern nochmahls über-
arbeitet hat. Eine musterhafte Anwendung der
von dem ältern Bruder, Hrn. Professor M., in den
beiden Aufsätzen des vorigen Heftes, und in dem
nächstfolgenden dieses zweyten, so lehrreich aufge-
stellten comparativen Ansichten. Wenn auch hier
mahl eine Vorsteherdrüse, und die ganze Lage und
[Seite 116] manche Analogien etwas weit hergehohlt scheinen
möchten, so kann man ihnen doch das Scharfsinnige
nicht absprechen. So z.B. S. 26: ‘“Der Uterus
aller Thiere scheint mir mit dem Magen die größte
Analogie zu haben, sowohl in Rücksicht der Form,
als der Structur und Function.“’ S. 27: ‘“Der
Menschen-Uterus gleicht einem Magen mit zwey
Cardien, den Mündungen der Trompeten, dessen
Grund oder Blindsack alle verschiedene Formen,
welche in der Thierreihe vorkommen, in ganz kur-
zer Zeit durchläuft, und endlich wegen der überwie-
genden Größe des Blindsacks vielmehr einem Blind-
darme gleich kommt, und dessen Analogon in den
Genitalien darstellt.“’ S. 30 u.f.: ‘“Die Clitoris
ist der Zunge, der penis der Nase analog“’etc.
II. Hr. Professor M. über die Analogie der
thierischen Formen, ein reichhaltiges Gegenstück
zu den gedachten beiden Aufsätzen im vorigen Hefte,
worin er nun die Analogie der Organe selbst und
der Gegenden, die sich an demselben Organismus
der Wahrnehmung darbieten, mit einander vergleicht.
Unter andern nahmentlich viel Interessantes sowohl
über die Symmetrie in der Organisation der bei-
den Seitenhälften des menschlichen und thierischen
Baues, als auch über mancherley Analogie zwischen
der obern und untern, oder bey den Thieren vordern
und hintern Hälfte, und selbst zwischen der Rücken-
und Bauchseite des Körpers, und den beiderley
Extremitäten: und das in den vielartigsten Ge-
schöpfen aus allen Classen und an den verschieden-
artigsten Organen derselben. Eben so auch über
manche Analogie, wornach sich die beiderley Ge-
schlechtstheile gewisser Maßen mit einander ver-
gleichen lassen.