Es bedarf wohl keiner Entschuldigung, sondern
wir rechnen vielmehr auf Dank mancher Leser, wenn
wir aus dem Schatze der Englischen Prachtwerke,
womit nun nach der langen unseligen Sperre unsre
Bibliothek wieder bereichert wird, auch von den
ältern die wichtigsten in einer kurzen Anzeige nach-
hohlen. Zu diesen gehören besonders einige kostbare
Hauptwerke für die Naturgeschichte, und unter den-
selben vorzüglich folgendes:
Descriptions and Figures of two hundred
Fishes; collected at Vizagatapam on the Coast
of Coromandel, by Patrick Russel. M.D.
F.R.S. presented to the Hon. The Court of
Directors of the East India Company, and
published by their order, under the Superinten-
dence of the Author. Gedruckt in der Shakspeare
Presse, 1803, in zwey Bänden, groß Folio. Der
erste von 82 S. Text, mit 100 Kupfertafeln; der
zweyte von 90 S. mit 108 Tafeln.
Der zwey Jahre nach Erscheinung dieses Werks
in seinem 81ten Jahren verstorbne Verf. gehört zu
[Seite 802] den viel- und grundgelehrtesten verdienstvollsten
Aerzten und Naturforschern, welche die zweyte Hälfte
des vorigen Jahrhunderts aufzuweisen hat, weßhalb
wir, seiner trefflichen kleinen Abhandlungen zu ge-
schweigen nur seine reichen Zusätze zu seines Bruders
Naturgeschichte von Aleppo, seine classische Geschichte
der Pest, und sein Prachtwerk von den Indischen
Schlangen zu nennen brauchen. An letzteres schließt
sich nun das ichthyologische welches wir jetzt anzeigen,
das eine sehr bedeutende Lücke in unsrer Kenntniß
der Indischen Fauna ausfüllt; denn die drey Bilder-
bücher von Indischen Fischen, die Heinr. Ruysch,
F. Valentyn und L. Renard vor ungefähr hundert
Jahren herausgegeben, sind in Vergleich mit dem
Russelschen Werke kaum nennenswerth, da die Zeich-
nungen durchaus von unkundigen Händen, ohne
Aufsicht eines Kenners, und folglich ohne genaue
Beachtung der characteristischen Theile der Thiere
so nachlässig hingeworfen sind, daß sie höchstens nur
eine sehr untergeordnete bloß relative wissenschaft-
liche Brauchbarkeit behalten.
(– Von dem letztern der drey gedachten Werke
wird hier in der Vorrede gesagt, es sey auf Befehl
des Gouverneurs der Molucken, Coyett, und zwar
ohne Zweifel von einem Indischen Mahler verfertigt
worden, und 1754 in Amsterdam erschienen. – Das
bedarf einiger bibliographischen Berichtigungen. –
Der Holländische Gouverneur auf Amboina, van der
Stell, hatte die Indischen Fische zwar sehr bunt
aber bey weitem nicht Naturgetreu durch einen Hol-
ländischen Mahler Sam. Fallours, der zu diesem
Behuf nach Indien verschrieben worden, zeichnen
lassen. Diese Sammlung kam nach Holland in die
Hände eines Englischen Residenten zu Amsterdam,
Ludwig Renard, der sie an König Georg I. sandte,
von welchem sie auf die Bibliothek zu Hannover ge-
schenkt ward. Hier ließ sie der verdiente Geh. Rath
[Seite 803] und Großvoigt von Bülow mit Erlaubniß des
Königs aufs getreueste für seine eigne reiche Bücher-
sammlung copiren, welche die Grundlage zu unsrer
academischen Bibliothek gegeben hat. Einige Jahre
nachher, 1718, gab R. dieses Fischwerk zugleich mit
noch einem andern, das der gedachte Gouverneur
Coyett besorgen lassen, unter dem Titel von Histoire
naturelle des plus rares Curiosités de la Mer
der Indes zu Amsterdam in zwey Folio-Bänden in
einer kleinen Auflage von nur 100 colorirten Exem-
plaren in Druck; und von diesen Platten wurden
dann im Jahre 1754 wiederum Abdrücke zu schwarzen
sowohl als bemahlten Exemplaren genommen, die
der bekannte Aufseher des Erbstatthalterschen Natu-
ralien-Cabinets im Haag, der neuerlich verstorbene
Vosmaer mit einer Vorrede versehen hat. –)
Dr. Russell hat auf sein treffliches Werk die
Muße mehrerer Jahre verwandt die er in Vizaga-
patam durchlebt; und sich zu diesem Behuf einen
Indischen Mahler (– einen Hindu von der Mahler-
raste –) zugezogen, der mit einem richtigen natür-
lichen Blick folgsame Gelehrigkeit verband, und dessen
Zeichnungen dann von vier Englischen Künstlern in
Kupfer gebracht worden. Den Mangel der Illumi-
nation muß die musterhafte genaue Beschreibung im
Texte ersetzen; denn die theils wunderschönen Farben
der tropischen Fische schwinden im Tode dem Mahler
gleichsam unter den Händen. Das Werk ist ganz
nach dem Linnéischen System geordnet. Die Be-
schreibungen sind musterhaft genau; und überall die
Indischen Nahmen angegeben; auch wo es bey
schon bekanntes Fischen mit Zuverlässigkeit geschehen
konnte die wissenschaftlichen Synonyme; aber zum
größern Theile sind es neue, unsern ichthyologischen
Systematikern bisher ganz unbekannt gewesene Ge-
schöpfe.