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Abbildungen
naturhistorischer Gegenstände

5tes Heft.
Nro 41–50.

Göttingen
bey Johann Christian Dieterich
1800
.

[[2]]

41.
ORNITHORHYNCHVS
PARADOXVS.
Das Schnabelthier.

[[3]]
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Figure 1. 41. Ornithorhynchus paradoxus
[interleaf] [[5]]

Sir Thomas Browne suchte in seiner berufnen
pseudodoxia epidemica, worin er so manchen
Aberglauben und Volkswahn seiner Zeit so
trefflich aufgeklärt und getilgt hat, auch die
fabelhafte Sage vom Greif (– dem vorgeblich
löwenartigen Thiere mit Adlerskopfe –) schon
aus dem Grunde zu widerlegen, weil es gegen
alle Ordnung der Natur sey, dass sie einem
Quadruped einen Vogelkopf gleichsam anflicken
sollte! Und darum gehöre ‘“so intolerable a
shape
”’ bloss zu den ‘“poetical animals, and
things of no existence.
”’

Diese Demonstration des sonst überaus
scharfsinnigen Mannes kann Andern zur Lehre
dienen, was die Natur und ihre Schöpfung
betrifft, lieber mit Plinivs ‘“nihil incredibile
existimare de ea.
”’

Denn wirklich hat man vor kurzem in
Neu-Holland, diesem an sonderbar auffallenden
[[6]] Gestaltungen seiner thierischen und vegetabili-
schen Schöpfung so reichen fünften Welttheile,
zwar keinen Greif, aber ein in Rücksicht jener
beyspiellosen Verbindung nicht minder para-
doxes Geschöpf, das Schnabelthier, entdeckt,
das im Totalhabitus einer kleinen Fischotter
ähnelt; aber statt alles Gebisses mit einem zum
Täuschen ähnlichen Entenschnabel versehen ist.
Er ist eben so, wie bey den Enten, mit einer
sehr nervenreichen zum Tasten bestimmten
Haut bekleidet, und der Unterschnabel an den
Rändern eben so wie bey jenen Vögeln sägen-
förmig eingekerbt.

Dieses bewundernswürdige Thier ist gegen
1 1/2 Fuss lang, oben schwarzbraun, am Bauche
gelblichgrau, und findet sich in Menge in
einem Landsee jener fernen Weltgegend.

Mehr davon s. im 62sten St. der diessjähri-
gen Göttingischen gelehrten Anzeigen, und im
Isten St. des IIten Bandes von Hrn. Hofr. Voigt’s
neuen Magazin.

Die Zeichnung ist nach einem Exemplar
gemacht, das ich vom Herrn Baronet Banks
zum Geschenk erhalten; dem einzigen, das
ausser England vor der Hand in Europa existirt.


42.
VESPERTILIO FERRVM EQVINVM.
Die Hufeisen-Nase.

[[7]]
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Figure 2. 42. Vespertilio ferrum equinum.
[interleaf] [[9]]

Zwar ein hieländisches Thier, und das noch
dazu in manchen Gegenden ganz häufig ist;
doch aber, so wie noch vier andere Europäi-
sche Gattungen des Fledermaus-Geschlechts,
erst in der zweyten Hälfte dieses Jahrhunderts
durch den unermüdeten verdienstvollen Dau-
benton
entdeckt worden.

Schon das macht diese Gattung merkwür-
dig, dass sie keine obern Schneidezähne hat;
vor allen aber zeichnet sie sich durch die son-
derbaren membranosen Organe aus, die ihrer
[[10]] Gesichtsbildung ein so abenteuerliches Anse-
hen geben, deren Zweck und Nutzen aber
noch ganz im Dunkeln liegt.

Die ausnehmend getreue Abbildung ist in
Rom von einem trefflichen Künstler und zu-
mahl meisterhaften Landschafts-Mahler, Herrn
von Rohden, nach einem lebendigen vorzüg-
lich grossen Exemplare gezeichnet.

43.
CASTOR FIBER.
Der Biber.

[[11]]
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Figure 3. 43. Castor fiber.
[interleaf] [[13]]

So allgemein bekannt dieses berühmte Ge-
schöpf ist, und so vieles, zumahl seit hundert
Jahren über seine Naturgeschichte geschrieben
worden, so sehr bedarf doch dieselbe einer
streng critischen Revision, um sie von der
Fülle von Ungereimtheiten, Widersprüchen und
Uebertreibungen zu sichten, wodurch sie im
Grunde mehr als irgend die von einem andern
Thiere verwirrt worden. Auch würde der
Biber – alles nur irgend Zweifelhafte und Ver-
dächtige aus seinen Geschichtschreibern rabattirt,
dennoch durch das dann übrig bleibende, was
die unbefangensten und genauesten Beobachter
von seinen bewundernswürdigen Kunstfertig-
[[14]] keiten – vor allem aber von seiner Fähigkeit
dieselben nach den Umständen, zumahl nach
dem Local seines Aufenthalts zu accommodi-
ren – einstimmig bestätigt haben, immer
noch zu den bey weitem merkwürdigsten Thie-
ren in der Schöpfung gehören: So wie er sich
auch im Aeussern durch die Form seines
Schwanzes, besonders aber durch die bewun-
dernswerthe in ihrer Art einzige Organisation
desselben von allen auszeichnet.

Die ohngefähr auf 2/3 der Durchmesser ver-
kleinerte Abbildung eines ungebohrnen Jungen
(– dergleichen meines Wissens noch in kei-
nem Werke existirt –) ist nach einem Exem-
plar in meiner Sammlung gemacht, das ich
der Güte des Herrn Hofr. Hartenkeil in
Salzburg verdanke.


44.
MONODON NARHWAL.
Das See-Einhorn.

[[15]]
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Figure 4. 44. Monodon narhwal.
[interleaf] [[17]]

Von allen Cetaceen, aber überhaupt auch von
allen übrigen Thieren, zeichnet sich der Narhwal
(d.h. auf Isländisch Aas-Wallfisch) durch die
auffallende Grösse, Form und Lage seines
Stosszahnes aus. Gemeiniglich nimmt man an,
dass er eigentlich deren zwey habe, aber meist
durch zufällige Gewalt den einen verliere.
Nun sind zwar die Beyspiele nicht gar selten,
wo dieses Seeungeheuer mit solcher Heftigkeit
auf ein Schiff gestossen, dass sein Zahn da-
durch zerbrochen und im Kiel desselben stecken
geblieben: so wie man anderer Seits auch zu-
weilen Narhwalschedel mit zwey parallelen
Zähnen gefunden hat. Dass aber doch selbst
beym jungen Thiere diese beiden Zähne nicht
immer zugleich zum Durchbruch kommen,
habe ich in London an einem kleinen Schedel
[[18]] von einem derselben gesehen, an welchem der
linke Zahn auf 1 1/2 Spanne lang hervorgebro-
chen, der rechte hingegen noch wenig ausge-
bildet war, und ganz in der Zahnzelle des
Oberkiefers derselben Seite versteckt lag. Auch
der angebliche Nutzen dieser sonderbaren Zähne
(– dass z.B. das Thier damit sein Futter an-
spiesse, sich unter dem Eise Luft mache, um
nicht zu ersticken u.s.w. –) scheint mir
nichts weniger als sehr einleuchtend.

Die Abbildung stellt denjenigen Narhwal
vor, der 1736 in der Mündung der Elbe ge-
strandet war, und ist aus einem periodischen
Blatte jener Zeit, den Hamburgischen Berich-
ten von gelehrten Sachen, genommen. Der
berühmte Richey, der sie mit dem Thiere
selbst verglichen, findet sie im Ganzen voll-
kommen getreu, und was er dabey erinnert,
ist im gegenwärtigen Nachstiche berichtigt.
Das Thier war, inclusive des Zahnes, 24 Fuss
lang. Die Haut weiss mit kleinen bräun-
lichen Flecken.


45.
MOTACILLA CALLIOPE.

[[19]]
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Figure 5. 45. Motacilla calliope.
[interleaf] [[21]]

Sonderbar ist es, wie sich in gewissen Thier-
geschlechtern manche einander übrigens sehr
ähnliche Gattungen fast bloss durch die con-
stante Farbe oder Zeichnung eines kleinen
Theils ihres Körpers specifisch unterscheiden.
So unter andern viele Gattungen von Grass-
mücken durch die besondere Farbe ihres Kehl-
schildes, wovon auch manche ihren Nahmen
erhalten haben, wie z.B. Schwarzkehlchen,
Rothkehlchen, Blaukehlchen. Hier diese (– die
vom Hm. Staatsrath Pallas im IIIten Bande
seiner Reisen durch verschiedene Provinzen des
Russischen Reichs genau beschrieben, aber mei-
nes Wissens noch nirgends abgebildet wor-
den –) ist im östlichen Sibirien zu Hause,
[[22]] hat ohngefähr die Grösse des Schwarzkehlchens
und zeichnet sich besonders durch das schöne
Zinnoberroth des Halsschildes aus. Sie hält
sich in den Gipfeln der Weiden auf, und
hat einen überaus anmuthigen Schlag, der der
Nachtigall ihrem ähnelt.

Die Zeichnung ist nach einem Exemplar
aus dem Petropawlowschen Hafen auf Kamt-
schatka, das sich unter einer wichtigen Samm-
lung von Naturalien befindet, die der Herr
Hofr. Merk von der achtjährigen Entdeckungs-
reise mit Capitain Billings zurückgebracht,
und der Herr Baron von Asch an das hiesige
academische Museum geschenkt hat.


46.
APTENODYTES CHRYSOCOME.
Bougainville’s Pingouin sauteur.

[[23]]
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Figure 6. 46. Aptenodytes chrysocome.
[interleaf] [[25]]

Die Penguine, deren ganzes Geschlecht sich
bekanntlich bloss auf der südlichen Halbkugel
findet, bringen, ihrem Körperbau gemäss, den
bey weitem grössten Theil ihres Lebens auf
der offenen See zu, wo sie sich in kleinen
Horden (ohngefähr ein Dutzend beysammen),
aber selbst in der Entfernung von mehr als
500 Deutschen Meilen von irgend einer be-
kannten Küste, sehen lassen. Zur Brütezeit
kommen sie hingegen theils in so unsäglicher
Menge ans Land, dass z.B. van Noort a. 1599
auf der Penguin’s Insel im Patagonischen
Meer in kurzem ihrer 50000 Stück tödten,
und Wood a. 1669 eben daselbst 100000
von ihren Eyern sammeln liess. Am Lande
müssen sie, wegen der eigenen Stellung ihrer
[[26]] kurzen Ruderfüsse, den Leib aufrecht halten,
daher sie Sir John Narborough dann mit
einer Heerde kleiner Kinder mit weissen Vor-
tüchern verglich. Am sonderbarsten fällt die
abweichende Bildung ihrer flossenartigen mit
gleichsam geschuppten Federchen dicht besetz-
ten Fittige auf, die so wenig Aehnliches mit
Vogelflügeln haben, dass Buffon schon des-
halb von ihnen sagt: ‘“l’oiseau sans ailes
est sans doute le moins oiseau qu’il soit
possible.
”’

Dass sie folglich nicht fliegen können, be-
darf nicht erst gesagt zu werden: doch kann
die hier abgebildete Gattung gute Sätze über
das Wasser machen. Sie findet sich bey den
Falklands-Inseln und van Diemen’s Land;
wird fast 2 Fuss hoch, und ist auf dem
Rücken hechtblau und schwarz melirt: am
Bauche grau.

Die Zeichnung ist nach einem vorzüglich
schönen Exemplar im academischen Museum
verfertigt.


47.
OESTRVS {BOVIS, EQVI, OVIS.
Die Ochsen-, Pferde- und Schaf-Bremse.

[[27]]
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Figure 7. 47. Oestrus bovis, equi, ovis
[interleaf] [[29]]

Die Schwierigkeit, die Lebensweise dieser
drey, unsern wichtigsten Hausthieren so lästi-
gen und nachtheiligen, Gattungen des Brem-
sengeschlechts auf den Viehweiden zu beob-
achten, macht es von der einen Seite begreif-
lich und verzeihlich, dass selbst die Naturbe-
schreibung, vollends aber die Naturgeschichte
derselben bisher sehr verworren und unrichtig
ausgefallen ist; erhöht aber auch von der an-
dern das Verdienst, das sich der treffliche Ve-
terinar – Arzt, Herr Bracy Clark in London,
[[30]] durch die meisterhafte Abhandlung darüber er-
worben, die im IIIten Bande der Transactions
of the Linnean Society
befindlich ist, und aus
welcher auch die gegenwärtigen Abbildungen
entlehnt sind.

Fig. 2. ist die Ochsenbremse, mit ihrer Larve
Fig. 1.

Fig. 4. das Männchen der Pferdebremse;
Fig. 5. das Weibchen, und Fig. 3. die
Larve derselben.

Fig. 7. die Schafbremse, und deren Larve
Fig. 6.

Ein mehreres, zumahl von der Pferde-
bremse, findet sich in der 6ten Ausgabe des
Handb. der N.G.


48.
GLAVCVS ATLANTICVS.

[[31]]
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Figure 8. 48. Glaucus atlanticus.
[interleaf] [[33]]

Der sel. Dr. Forster in Halle, dessen Freund-
schaft ich die Abbildung und Beschreibung die-
ses in natürlicher Grösse vorgestellten sonder-
baren Seegeschöpfs verdanke, glaubte, dass das-
selbe nicht, wie bisher geschehen, für eine
Doris gerechnet werden müsse, sondern sich
wohl zu einem besondern Geschlecht von Mol-
luscis
qualificire, welches er in einem mir dar-
über mitgetheilten Aufsatze also charakterisirt:

Os anticum,

Corpus pertusum foraminulis lateralibus
duobus
,

Tentacula 4.

Brachia 8 palmata.

[[34]]

In der Wahl des Geschlechts-Nahmens ist
er dem R. Linné gefolgt, der andere genera
von Molluscis ebenfalls nach Meergöttern be–,
nannt hat. Der seinige bezeichnet zugleich
die auffallende blaue Farbe dieser Thiere.

Hier diese Gattung hat er bey seiner Reise
um die Welt aus dem Atlantischen Oceane
aufgefischt und genau beobachtet.

Einen kleinern Glaucus aus dem Indischen
Ocean beschreibt Herr La Martinière im
IVten B. des voyage de la Pérouse autour
du monde
pag. 71.


49.
Fortpflanzungsweise der CONFERVA
FONTINALIS.

[[35]]
Textabbildungxxx
Figure 9. 49. Fortpflanzungsweise der Conferva fontinalis.
[interleaf] [[37]]

Die Bemerkungen, die ich über die ausneh-
mend einfache und eben dadurch um so merk-
würdigere Fortpflanzungsart dieser Gattung von
Wasserfaden gemacht, und die Folgen, die
sich daraus für den Bildungstrieb ergeben, sind
im IIten Jahrgang von unsers sel. Lichten-
berg’s
Göttingischen Magazin ausführlich aus-
einander gesetzt. Indess verdient doch die Ab-
bildung derselben mit einer kurzen Erklärung
auch hier wohl eine Stelle.

Fig. A. stellt ein Aggregat dieser Wasser-
fäden vor, so wie sie in den ersten warmen
Frühlingstagen an Quellen, in Gräben, Tei-
chen u.s.w. oft ganze Flächen unter Wasser
überziehen.

[[38]]

Um diese Zeit schwillt die Spitze eines
solchen Fadens (– Fig. 1. –) zu einem klei-
nen eyförmigen Knöpfchen auf (– Fig. 2. –),
das sich nach einigen Stunden vom Faden
trennt (– Fig. 3. –), sich am nächsten lieb-
sten Orte festsetzt (– Fig. 4. –) und nun in
kurzem selbst wieder eine kleine Spitze aus-
treibt (– Fig. 5. –), die sich fast zusehends
immer mehr verlängert (– Fig. 6. –), bis sie
endlich zu einem neuen vollständigen Wasser-
faden (– Fig. 7. –) erwachsen ist.

Binnen zweymahl 24 Stunden, von der
ersten Spur eines Knöpfchens auf der Spitze
eines alten Faden an zu rechnen, hatte der
nachher daraus erwachsene neue schon seine
volle gewöhnliche Länge erreicht.

Fig. B. ist mit Fig. 4, so wie Fig. C. mit
Fig. 5. einerley, nur stark vergrössert, um
die innere Textur dieser Gattung von Conferva
zu zeigen.


50.
ENTOMOLITHVS PARADOXVS.
Eine Gattung von Trilobiten.

[[39]]
Textabbildungxxx
Figure 10. 50. Entomolithus paradoxus.
[interleaf] [[41]]

Lange sind die Meinungen der Naturforscher
darüber getheilt gewesen, welcher Classe des
Thierreichs dieses sonderbare nunmehrige Pe-
trefact, zu welchem sich bis jetzt kein Origi-
nal in der gegenwärtigen Schöpfung gefunden
hat, ehedem zugehört haben möge.

Nach aller Analogie ist es aber wohl ohne
Widerrede die Versteinerung eines ungeflügel-
ten Insecten-Geschlechts, und darnach zu ur-
theilen, dass sich mehrere Gattungen desselben
in mancherley Flöz-Gebirgsarten (nahmentlich
in dichtem Kalkstein, Sandstein und Alaun-
schiefer) vieler Weltgegenden, aber meist doch
[[42]] nur sporadisch, meines Wissens nirgends in
grosser Menge beysammen finden, so scheint
dasselbe zu den Zeiten der Vorwelt zwar eine
weit ausgebreitete Heimat im ehemahligen Mee-
resbette gehabt, aber doch nur kleine Gattun-
gen, d.h. von nicht sehr zahlreichen Indivi-
duis, ausgemacht zu haben.

Vollkommen erhaltene Exemplare gehören
zu den grossen Seltenheiten. Von der Art sind
die beiden hier abgebildeten aus meiner Samm-
lung, womit der berühmte und würdige Herr
Bryant dieselbe bereichert hat. Beide sind
vom Fundorte der bey weitem schönsten aller
bis jetzt bekannten Trilobiten, von Dudley
in Worcestershire.




Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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