Wenn einige neuere Schriftsteller zweifelhaft
worden sind, ob sie manche auffallende
Menschenracen für bloße Spielarten, die durch
Ausartung entstanden, oder aber für eigene speci-
fisch verschiedene Gattungen (Species) halten sollen,
so scheint die Schuld größtentheils wohl daran zu
liegen, daß sie bey ihrer Untersuchung einen gar
zu engen Gesichtskreis genommen: etwa nur ein
paar recht auffallend gegen einander abstechende
Menschenracen ausgehoben, und diese nun mit Ue-
bergehung der Mittelracen, die die Verbindung zwi-
schen jenen machen, so allein gegen einander auf-
gestellt: – oder aber überhaupt zu sehr blos am
Menschen haften geblieben, nicht beständig Sei-
tenblicke auf andere Thiergattungen geworfen, um
[Seite 2] deren Verschiedenheiten und Ausartungen mit denen
im Menschengeschlecht zu vergleichen.
Der erste Fehler ist, wenn man z.B. einen
Senegambischen Neger einem deutschen Adonis ent-
gegenstellt, und dabey die kleine Erinnerung ver-
gißt, daß auch nicht eine einzige der körperlichen
Verschiedenheiten des einen dieser beyden Menschen
sey, nicht Farbe, Haar, Physiognomie, etc. die
nicht durch so unendliche Nüancen allmählig in des
andern seine über fließe, daß derjenige Physiolog oder
Naturforscher wohl noch gebohren werden soll, der
im Stande seyn könnte, eine bestimmte Gränze
zwischen diesen Nüancen und folglich selbst zwischen
ihren Extremen festzusetzen.
Der zweyte Fehler ist, wenn man thut, als
ob der Mensch der einzige organisirte Körper in
der Natur wäre: die Verschiedenheiten in seinem
Geschlecht befremdend und räthselhaft findet, ohne
zu bedenken, daß alle diese Verschiedenheiten nicht
um ein Haar auffallender oder ungewöhnlicher sind,
als die, worin so tausend andre Gattungen von orga-
nisirten Körpern, gleichsam unter unsern Augen aus-
arten!
Zur Warnung vor jenem ersten Irrthum, und
zugleich zu seiner Widerlegung, dienen die Be-
[Seite 3] merkungen über die Neger, die sich im 3ten Stück
des vorigen Bandes dieses Magazins befinden.
Jezt nun ein Versuch zu Widerlegung der Fehl-
schlüsse, die aus vernachlässigter Vergleichung der
Ausartungen im Menschengeschlecht mit den Spiel-
arten bey andern Thieren, entstanden seyn mö-
gen – eine Vergleichung nämlich zwischen Men-
schenracen und Schweineracen.
Ich habe aus mehr als einer Ursache gerade
das Schwein zu dieser Vergleichung gewählt.
Besonders schon deshalb, weil es aus man-
cherley Rücksicht viele Aehnlichkeit mit dem Menschen
zeigt. – Nicht zwar im innern Bau seiner Ein-
geweide, wie man ehedem wähnte*) und daher
Menschenanatomie so zuversichtlich am Schweine
studirte, daß selbst noch im vorigen Jahrhundert
der berühmte Streit zwischen den Heidelberger, und
Durlacher Aerzten über die Lage des Herzens im
Menschen, auf Landesherrlichen Befehl durch Ocu-
lar-Inspection von einer Sau, (zum großen
[Seite 4] Triumph der offenbar unrecht habenden Partey)
entschieden werden mußte. – Auch nicht, weit
nach der seit Galens*) Zeiten oft wiederholten Ver-
sicherung Menschenfleisch dem Schweinefleisch am
Geschmack so vollkommen gleichen soll – oder weil
das Fett**) und die gegerbte Haut von bey den Ge-
schöpfen einander sehr ähnelt u.d.m.
Sondern, weil beyde in Rücksicht ihrer körper-
lichen Oekonomie im Ganzen genommen, so viele
auf den ersten Blick unerwartete, und doch bey nä-
herer Prüfung unverkennbare Aehnlichkeit mit ein-
ander zeigen.
Beyde z.B. sind vollkommne Hausthiere,
Beyde in allen 5 Welttheilen verbreitet.
Beyde folglich den Hauptursachen der Ausar-
tung, von Clima, Lebensart, Nahrungsmitteln etc.
auf die mannichfaltigste Weise ausgesezt.
Beyde eben daher sehr vielfachen Krankheiten
unterworfen, und was hier besonders merkwürdig,
auch solchen Krankheiten, die außer den Menschen
und Schweinen bey wenigen andern Thieren be-
merkt worden; wie z.B. der Harnblasenstein,*)
oder gar bis jetzt ausschließlich bey diesen beyden
einzigen, wie der Finnenwurm.**)
Ein anderer Grund aber, worum ich gerade
das Schwein zur gegenwärtigen Vergleichung ge-
wählt, ist, weil bey diesem Thiere die Ausartun-
gen und Abstammungen von der ursprünglichen Ra-
ce weit sicherer, als bey den Spielarten von an-
dern Hausthieren zu bestimmen sind. Denn mei-
nes Wissens hat doch noch kein Naturforscher sei-
nen Scepticismus so weit getrieben, die Abstam-
[Seite 7] mung des zahmen Hausschweins vom wilden Eber
zu bezweifeln, die um so einleuchtender ist, da be-
kanntlich jung eingefangene Frischlinge sehr leicht
zahm und kirre werden, wie Hausschweine;*)
und umgekehrt die leztern, wenn sie durch Zufall in
Wildniß gerathen, eben so leicht wieder verwildern,
so daß man Beyspiele hat, daß dergleichen Thiere
nachher für Sauen geschossen worden, und man
erst beym Ausweiden dadurch, daß sie verschnitten
gewesen, auf die Spur und weitre Entdeckung ih-
res Ursprungs, und wie und wann sie entlossen, ge-
kommen.**)
Eben so bekannt ist, daß vor Ankunft der
Spanier in America das Schwein in diesem Welt-
theil unbekannt war, und erst aus Europa dahin
verpflanzt worden: und daß folglich alle die Varie-
täten, wohinein dieses Thier seitdem dort ausgear-
tet, mit der Europäischen Stammrace zu einer und
eben derselben Gattung gehören.
Und da sich nun gleich zeigen wird, daß keine
körperliche Verschiedenheit im Menschengeschlechte
gefunden wird, (seys in Rücksicht der Statur, oder
der Farbe, oder der Form der Schedel etc.) die man
nicht eben in gleichem Verhältnis auch unter den
Schweineracen bemerkte, ohne daß man sich deshalb
einfallen lassen dürfte, zu bezweifeln, daß alle die-
se Verschiedenheiten unter den Schweinen doch le-
diglich Spielarten sind, die durch Degeneration,
durch Einwirkung des Clima u.s.w. entstanden, –
so dient diese Vergleichung hoffentlich zur Beruhi-
gung derjenigen Zweifler, die im Menschenge-
schlecht jener Verschiedenheiten wegen mehr als ei-
ne Gattung anzunehmen für gut befunden haben.
Hier haben bekanntlich die Patagonier*) den
Anthropologen am meisten zu schaffen gemacht.
[Seite 9] Zwar verdienen die lügenhaften Aufschneidereyen
der ältern Reisenden jezt keiner weitern Erwähnung,
die diesen südlichsten Americanern eine Länge von
10 Fuß und drüber beylegten: und selbst die bescheid-
nern Angaben einiger neuern Englischen Seereisenden,
die ihnen doch 6 bis 7 Fuß (engl.) beylegten, sind
von andern Augenzeugen, die an den gleichen Kü-
sten vergebens nach solchen Enackskindern suchten,
bezweifelt worden. Allein wir wollen alles zuge-
ben, was Byron, Wallis und Carteret von der
auffallenden Größe ihrer Patagonier sagen, da
nämlich ersterer*) ihrem Heerführer und vielen
seiner Begleiter, dem Augenmaaß nach zu urthei-
len, nicht viel weniger als 7 Fuß gab; der zwey-
re,**) der sie wirklich gemessen zu haben versichert,
den mehresten 5 F. 10 Z. bis 6 F. einigen 6 F. 5
Z. und 6 F. 6 Z. den allerlängsten aber 6 F. 7 Z.
beylegt, welche Angabe denn der leztere von den ge-
nannten Weltumseeglern***) bestätigt.
Nun dies zugegeben, so ists doch lange noch
kein solcher Exceß von Statur, als der, worein in
[Seite 10] manchen Gegenden van America die von Europa
übergebrachten Schweine ausgeartet sind, wovon ich
statt aller, die auf Cuba nenne, die mehr als noch
einmal so groß worden, als ihre Europäischen
Stammeltern!*)
Die Menschen auf Guinea, Madagascar,
Neu-Holland, Neu-Guinea etc. Guinea etc. sind schwarz. –
Viele americanische Völker rothbraun. – Die
Europäer weiß etc.
Eben so die Schweine in verschiedenen Gegen-
den. Im Piemontischen z.B. schwarz. Ich
kam gerade während des großen Schweinemarkts
durch Salenge, und habe doch auch nicht ein einzi-
ges Stück von einer andern Farbe gesehen. –
In Bayern rothbraun. – In der Norman-
die alle weiß.
Menschenhaar ist freylich was anders, als
Schweinsborsten, doch lassen sich beyde aus der
[Seite 11] gegenwärtigen Rücksicht allerdings auch mit einan-
der vergleichen. Blondes Haar ist weich, seiden-
artig. Das schwarze ist mehr harsch und bey vie-
len Völkern, wie z.B. bey den Habessiniern, Ne-
gern, Neu-Holländern, und am allerstärksten bey
den Hottentotten*) gekraußt.
So wie hier bey den blonden Schweinen in der
Normandie, wie mich ein unvergleichlicher Beob-
achter, der Hr. Rath Sulzer in Ronneburg ver-
sichert, die Haare am ganzen Körper länger und
weicher als bey andern, auch selbst die Borsten auf
dem Rücken nicht davon verschieden, sondern flach
aufliegend, und nur länger als ihr übriges Haar.
Aber für die Bürstenbinder ganz unbrauchbar.
Der noch größern aber allgemein bekannten
Verschiedenheit zwischen dem Haar des wilden
Ebers und des Hausschweins, (besonders in Bezug
der Wollhaare zwischen den steifern Borsten,) zu
geschweigen.
Alle Verschiedenheit zwischen einem Neger-Sche-
del, und dem von einem Europäer, will nicht um ein
[Seite 12] Haar mehr bedeuten, als die, ich will nur sagen
gerade eben so auffallende Differenz, zwischen dem
Schedel einer wilden Sau und eines Haus-
schweins.
Wem das nicht aus der Natur bekannt ist, der
werfe blos einen Blick auf die Abbildungen, die
Daubenton von beyden gegeben hat.
Ich übergehe kleinere National-Verschiedenhei-
ten, die sich ebenfalls unter den Schweinen wie
unter den Menschen finden. – Denn was z.B. von
den Hindus angemerkt worden, daß sie besonders
lange Schenkel haben, das versichert mich Hr. Rath,
Sulzer von den Schweinen in der Normandie.
‘„Sie stehen sehr hoch auf den Hinterbeinen„’ schreibt
er mir, ‘„daher der Rücken bey der Croupe am höch-
sten ist, und ein planum inclinatum nach vorne
macht. Der Kopf geht in derselben Richtung fort,
so daß die Schnauze nicht weit von der Erde zu
stehen kommt.’
Nur das füge ich noch zu, daß die Schweine
hin und wieder in Racen degenerirt sind, die an
Sonderbarkeit alles noch weit übersteigen, was man
an körperlicher Verschiedenheit unter den Menschen-
[Seite 13] racen so befremdend gesunden hat. Die Schwei-
ne mir ungespaltenen Klauen kannten schon die Al-
ten, und in Hungarn, Schweden, etc. finden sich
bekanntlich ganze große Heerden davon. Sind so ar-
teten die Europäischen Schweine, die ao. 1509. zur
erst von den Spaniern auf die wegen der Perlen-
fischerey damals berühmte Westindische Insel Cuba-
gua gebracht wurden, in eine abentheuerliche Ra-
ce aus, mit Klauen, die auf eine halbe Spanne
lang waren.**)
S. z.B. des alten Arabisten Cophon anatomia por-
ci, gleich im Anfang: ‘„Et cum bruta animalia
quaedam, ut simia, in exterioribus nobis inve-
niantur similia, interiorum partium nulla inveni-
untur adeo similia ut porci.„’
Galeuns sagt im Xten B. seines Werks von den
Kräften der einfachen Arzeneymittel, es seyen oft
Gastwirthe und Garköche gewesen, die ihren Gästen
Menschenfleisch statt Schweinefleisch vorgesezt, ohne
daß diese es gewahr worden. Auch sey ihm selbst
von glaubwürdigen Gewährsleuten erzählt worden,
wie sie in einem öffentlichen Gasthofe ein solch Ge-
richt ohnwissend und mit bestem Appetit verzehrt,
bis sie zulezt einen halben Finger gefunden, und
sich dann voller Grausen davon gemacht, aus Furcht
vor dem mörderischen Wirth, der doch aber bald
nachher nebst seinen Complicen über einem solchen
Schlachtfeste ertappt und eingezogen worden.
Bey wilden Schweinen, zumal in der Russischen
Tatarey, woher das akademische Museum einen
ansehnlichen dergleichen Stein unter den Aschischen
Geschenken besizt.
Aber auch Hausschweine sind in manchen Ge-
genden diesem Uebel unterworfen S. z.B.
Schwenkfeld a.a.O.
Ich muß hier einen Irrthum in der 3ten Ausg.
des Handbuchs der Naturgeschichte verbessern, da
ich S. 646. gesagt: ‘„Hr. Past. Göze habe zuerst
die Thierische Natur der Finnen im Schweinefleisch
außer Zweifel gesezt.„’ Wie ich nun sehe, so hat schon
im vorigen Jahrhundert Malpighi die ganze Sa-
[Seite 6] che aufs genaueste beschrieben, auch den Finnenwurm
abgebildet, etc. s. dess. oper. posth. pag. 84. der
Londn. Ausg. v. 1697. Fol.
‘„In suibus verminosis, qui vulgariter Laza-
roli dicuntur, multiplices stabulantur vermes,
unde horum animalium carnes publico edi-
cto prohibentur. Occurrunt autem copiosi
intra fibras musculosas natium; obvia nam-
que oblonga vesica quasi folliculus diapha-
no humore refertas, in quo natat globosum
corpus candidum, quod disrupto folliculo
leviter compressum eructat vermem, qui fo-
ras exeritur, et videtur aemulari cornua emis-
silia cochlearum, eius enim annuli intra se
reflexi conduntur, et ita conglobatur ani-
mal. In apice attollitur capitulum. A con-
globato verme ad extremum folliculi umbi-
licale quasi vas producitur.’
Der Finnenwurm bey Menschen ist, so viel ich weiß,
eine Entdeckung des sel. Werner.
Noch vor kurzem ist dieser Versuch in der Abtey
St. Urban im Luzerner Gebiet mit bestem Erfolge
angestellt worden.
Oder eigentlich Pata-chonen. Denn das Volk
selbst heißt Chonos, und weil ihre mit rauhen Fel-
len umwickelte Füße den Bärtatzen ähnelten, so wur-
den sie von den ersten sie besuchenden Spanischen See-
fahrern die Tatzen-chonos (pata-chonos) genannt. –
S. Hrn. D. Forster in den Commentation. soc.
sc. Gottingens. vol. III. pag. 127.
Herrera historia de las Indias occid. vol. I.
pag. 239. der Madriter Ausg. v. 1601.