Seite 62. Zeile 7 v.u. lese man: Roxburgh.
– 82. – 11. v.o. – Marchantien.
– 83. – 4. v.o. – des Lichenis.
Aus der französischen Handschrift.
Windsor den 1. September. 1792.
Es ist mir unvergeßen geblieben daß, als ich das
Vergnügen hatte Sie hier zu besitzen, ich mit Ihnen
die Abrede traf Ihnen einen Entwurf unsrer geolo-
gischen Unterhaltungen zu schicken; und blos Man-
gel an Zeit ist Schuld gewesen daß ich die Erfüllung
meines Versprechens bis jetzt verschieben müßen.
Sie hatten im Iournal de physique meine
Briefe an den Herausgeber deßelben, Herrn de la
Metherie über diesen Gegenstand der mit Ihren
Studien so innig verbunden ist, gelesen; und da
wir uns über eine Menge Punkte sehr bald einver-
standen, so war es uns leicht in kurzer Zeit ein sehr
großes Feld zu durchlaufen. Hierdurch liefen sich
folglich auch die verschiednen Theile meiner Theorie bes-
ser übersehen; Sie faßten nun ihre Verbindung um so
leichter und sie wurde Ihnen dadurch um so auffal-
lender. Sie äuserten hierauf den Gedanken, daß
ich doch einen Auszug aus dieser Theorie herausge-
ben, und mich besonders bey denjenigen Sätzen, deren
Beweise eine sehr umständliche Ausführung erfordern,
die schon in meinen größern Werken befindlich ist,
nur ganz kurz faßen möchte. Dieß würde den Na-
turforschern und Physikern die diese Werke kennen,
die Uebersicht erleichtern, andern aber zur Aufmunte-
rung dienen sich mit diesem wichtigen Gegenstand
näher zu beschäftigen. Sie erbothen sich zugleich ei-
ne deutsche Uebersetzung davon zu besorgen um Ih-
ren Landsleuten dadurch einen hellen Begriff von mei-
ner Theorie zu geben. Dies bestimmte mich zur Aus-
führung und ich fange also an mich meines Ver-
sprechens zu entledigen.
Die Geologie unterscheidet sich hauptsächlich da-
durch von der Naturgeschichte, daß diese sich auf
[Seite 3] die Beschreibung und Claßification der Phänomene
einschränkt die unsre Erde in ihren dreyen Reichen
darbietet; da hingegen die erstere diese Phänomene
an ihre Ursachen knüpfen soll. Sie begreift folglich
den ganzen Umfang unsrer Naturkenntniße, da unsre
Beobachtungen über die Erde die wahren Quellen
dieser Kenntniße ausmachen. Die Astronomen z.B.
würden uns nichts über die Ursachen die in der Na-
tur wirken gelehrt haben, ob sie schon mit großer
Genauigkeit die Gesetze bestimmen denen die großen
Weltkörper in ihrer Bewegung durch den Raum ge-
horchen. Denn wenn nicht die Gesetze des Falls
der Körper auf unsrer Erde Newtonen auf seine
Theorie der Schwere geleitet hätten, so wären uns
die großen Gesetze der Bewegung unbekannt ge-
blieben die nun so großen Einfluß in die Natur ha-
ben. Vergebens würde Herschel seine großen Ent-
deckungen über das Verhältniß der übrigen Plane-
ten unsers Systems zum unsrigen häufen; wir
würden dadurch dennoch kein Licht über die Geschich-
te dieser Körper erhalten, wenn nicht unser Studi-
um der Erde erst Naturgeschichte, Chemie, Statik,
erzeugt und hierdurch auf die großen Spuren zur Ge-
schichte unsrer Erdkugel geführt hätte, die man nun
nach den Regeln der Analogie auf jene anwenden
kann. Vergebens würden wir mittelst des Lichts
erkannt haben daß ein Universum existirt; dieses
große Ganze von Weltkörpern würde denoch in Rück-
[Seite 4] sicht auf seine Ursachen stumm für uns geblieben seyn,
wenn nicht der Fortgang der Beobachtung und Er-
fahrung auf unserer Erde uns im Lichte selbst eine
Substanz gezeigt hätte die so mancherley Verbin-
dungen mit andern Substanzen fähig ist, und ohne
welche alle übrigen Ursachen der chemischen Ver-
wandschafften, die doch von so großer Wichtigkeit
beym Gange der Natur in den großen Körpern
sind, schlechterdings ohne Wirkung gewesen seyn würden.
Also hierinn besteht wahre reelle Geologie –;
die folglich alle die Kenntniße umfaßt die wir über die
Natur erworben haben. Auch habe ich einerseits,
ohngeachtet ich in meinem Leben schon viel studirt,
gearbeitet beobachtet, und herausgegeben habe, doch
nie etwas anders als diese Wissenschafft zum Augenmerk
gehabt.
Demohngeachtet will ich versuchen Ihnen das
Ganze meiner Theorie in einer bundigen Kürze in ei-
nigen Briefen vorzuzeichnen.
Warum hat die Erde Berge? – Dies
ist die Frage von welcher ich hier ausgehe so wie ich
vor 40 Jahren beym Anfang meiner eignen Unter-
suchungen davon ausgieng, die ich seit dieser Zeit unun-
terbrochen verfolgt habe. Und ehe diese Frage ge-
[Seite 5] lößt seyn wird, werde ich das ganze Feld unserer hie-
her gehörigen Kenntniße durchgelaufen haben.
Warum sind Pyramiden in Aegypten?
– Dies ist eine Frage die sich der Alterthumsfor-
scher aufwirft, mit einiger Hoffnung sie beantworten zu
können, weil er Data dazu vor sich sieht; und der
Gang den er bey seinen Untersuchungen über diese
erhabenen Massen befolgt, zeichnet auch dem Ge-
ologen seinen Weg in Rücksicht auf die Berge und
deren Grundfeste, nemlich unser festes Land vor.
Die ganze Masse unsers festen Landes ist aus
Schichten (– couches –) zusammengesetzt die
aus dieser Rücksicht den regelmäsigen Lagen der
Bausteine an unseren Gebäuden ähnen. Eine Fol-
ge von Schichten deutet auf eine Zeitfolge in ihrer
Entstehung; und der Uebergang von einer Art von
Schichten zu einer andern Art die ihr aufgesetzt
ist, deutet auf eine Veränderung der Ursache.
Folglich ist die Masse unsers festen Landes das
Product der suceßiven Operationen, während wel-
cher die hervorbringenden Ursachen derselben
Veränderung erlitten haben.
Wir sehen ferner daß eine Menge dieser Schich-
ten Ueberbleibsel von Thieren enthalten, und daß
[Seite 6] diese organisirten Körper in den succeßiven
Schichten auch von verschiedener Art sind. Wir
schliesen daraus daß es eine beträchtlich lange Zeit zur
Bildung dieser Schichten gebraucht habe; sowohl
zur Folge der Generationen der Thiere von einerley
Art in einigen Schichten, als auch in andern zur
Niederlassung anderer Arten an den gleichen Stellen
wo schon die vorhergehenden ihr Grab gefunden hatten.
Die große Majorität von organisirten Kör-
pern die wir in unsern Schichten finden, besteht
aus Ueberbleibseln von See-Thieren; und man
findet dergleichen auch in allen den Classen von Schich-
ten die andre dem Mineralreich fremde Körper
enthalten. Also haben sich alle diese Schichten
unter dem Meere gebildet. Und doch sind jene
andre dem Mineralreich fremde Körper Ueber-
bleibsel von Land-Thieren und Land-Gewäch-
sen? woher also dieses Gemenge von Land- und
Seegeschöpfen? Dies ist ein neuer Character der
Ursachen die in dieser Periode gewürkt haben.
In den Gebirgen, diesen Pyramiden die sich
über unsere Ebnen erheben, sehen wir die Folge
der Schichten am offenbahrsten, und finden daß die-
[Seite 7] jenigen welche organisirte Körper enthalten auf andern
aufliegen die sehr in die Tiefe gehn und keine Spuhr
solcher Körper enthalten. Es war also einst eine
Zeit, wo nach aller Wahrscheinlichkeit unsre Erde noch
von keinem der bekannten organisirten Körper be-
wohnt ward. Und es war zu dieser Zeit, als sich
die ersten Schichten bildeten, die man zumal gegen
den Mittelpunkt der großen Gebirgketten bemerkt
und die zugleich unsern Beobachtungen über diese Er-
eignisse der Vorzeit, ihre Grenzen setzen. Erst nach
der Bildung dieser Schichten gab es organisirte
Körper, zuerst im Meere, dann auf dem Lan-
de; und ihre Folge in unsern Schichten zeigt uns
eine gewiße Folge von Perioden in ihrer eignen Ge-
schichte, die sich an die von der Bildung der Schich-
ten selbst, anschließt.
Wenn man alte Gebäude die von Menschen-
händen aufgeführt worden, zu historischen Untersu-
chungen prüft, so hält man sich dabey vorzüglich an
ihre Bauart; denn was den Stoff betrifft woraus
sie aufgeführt sind, so kennt man seinen Ursprung
meist sehr leicht; da er gemeiniglich aus einer unserer
Bergschichten genommen worden. Ganz anders
ist hingegen der Fall bey dem großen Gebäude un-
sers festen Landes; denn wir würden in der Geologie
gar weit zurückbleiben, wenn wir nicht auszumit-
[Seite 8] teln vermöchten, woher der Stoff genommen ist aus
welchen jene Schichten bestehen; und nie würden
wir zu diesem Zweck gelangen, wenn wir nicht alle
dahin einschlagende Umstände zusammen faßten. Ein
sehr wichtiger darunter ist folgender:
Aus der Betrachtung der Menge von See-Ge-
geschöpfen die sich in unsern Erdschichten von
der Oberfläche an bis in eine sehr beträchtliche Tiefe
finden und aus der Beschaffenheit der ebenfalls ge-
schichteten Stoffe die unter derselben liegen oder
gelegen haben, schliefen wir daß alle diese Schich-
ten im Meere gebildet sind; folglich sollten sie aber
auch keine andere Beugung und Richtung zum Ho-
rizont haben als die man bey jeder Grundfläche vor-
aussetzen kann, auf welche sich Niederschläge (dé-
pôts) anhäufen und doch zugleich Zusammenhang
und gleichlaufende Richtung (parallelisme) be-
halten können. Nun aber sind diese Schichten zer-
rißen, unterbrochen, man erblickt große Lü-
cken wo mächtige Massen fehlen die ehedem da gewe-
sen seyn müßen; und die so übrig geblieben, sind
großentheils umgestürzt. Und gerade dies ist es
wodurch wir von ihrer Existenz und ihrer ganz ver-
schiedenen Beschaffenheit Kenntniß erlangen; denn
ohne diese Risse, Wechsel und Umstürzungen
sähen wir bloß die obere Schicht, die die übrigen be-
[Seite 9] deckt, und wir würden also da unsere Hülfsmittel in
die Erde zu graben etc. sehr eingeschränckt sind, nur
eine sehr unbeträchtliche Tiefe von derselben kennen.
Dies ist der Grund warum die Berge der erste
Gegenstand der Aufmerksamkeit für den Geologen
sind. Hier lernen wir daß sie die Schichten sind
die der aufgeschwemmte Boden (– le sol meu-
ble –) unsrer Ebnen oft zu einer sehr beträchtli-
chen Tiefe deckt; weil wir hier an manchen Stellen
die verticalen Durchschnitte der unermeßlichen
Lagen von Schichten erblicken, wovon oft die obern
völlig gleichartig mit denen sind die sich anderwärts
im niedern Lande unter der Oberfläche des Erdreichs
versenkt finden. Solche Durchschnitte zeigen sich
sowohl ausen an den Gebirgen als auch in ihrem
Innern. Dort (an der Ausenseite) fragt man sich
was aus den mächtigen Stücken dieser großen ge-
schichteten Massen geworden seyn mag wovon sie
nur gleichsam die Ueberreste sind; und hier hingegen
(im Innern der Gebirge) wenn man diese Durch-
schnitte an den entgegenstehenden Felsenwänden
eines Thales erblickt, fragt man sich wieder was
aus dem Theile der Schichten geworden ist, der die-
sen Raum füllte? An andern Orten bilden die nem-
lichen Schichten die man in der Höhe solcher ver-
ticalen Durchschnitte bemerckt hatte, wiederum
[Seite 10] die Ausenseite der Berge wo sie aber eine sehr schrä-
ge Lage haben; dieser ihr Durchschnitt zeigt sich
dann auf der Spitze des Bergs wo sich eine Schicht
auf die andere stützt. Zuweilen sind sie wieder in
verschiednen Stufen abgetheilt deren Breite von der
Dicke der Schichten wodurch sie gebildet werden ab-
hängt. Bey dieser sonderbaren Einrichtung zeigen
sich die verschiedenen Arten von Schichten, die man
anderwärts übereinander liegen sieht nun gleichsam
Stufenweise hintereinander, alle mit ihren Quer-
durchschnitten in die Höhe gekehrt; als wenn die
Schichten nach ihrer ganzen Dicke durchgebro-
chen und umgestürzt und dabey die obern vor den
darunter liegenden vorbeygeschurrt wären. In
den großen Gebirgketten liegen diejenigen Schich-
ten die bey ihrer Entstehung die untersten waren,
nun zunächst an dem Mittelpunkt der Kette; und ihr
Querdurchschnitt ist in die Höhe gerichtet. Auf
beiden Seiten der Kette sucht man hier Schichten, die
organisirte Körper enthalten, sich Stufenweise an
andre Schichten von mehrern Abtheilungen anlegen,
die keine Petrefacten enthalten. Diejenige Ge-
birgsart die unter allen am tiefsten liegen sollte da
sie früher als alle übrigen gebildet worden, der Gra-
nit nemlich, erhebt sich in der Mittel-Linie der
Bergkette wo sie gleichsam ungeheure Trümmer bildet,
in deren verschiedenen Massen sich die Schichten
nach allen Inclinationen, doch vorzüglich in einer
[Seite 11] meist senkrechten Richtung finden und auf der Kante
einen sehr unregelmäsigen Bruch zeigen.
Der Geologe der sich also vom Zustand der
Schichten in den Gebirgen unterrichtet hat, und
nun zu den Hügeln und zu den Ebnen zurückkehrt,
bemerkt daselbst eine Unordnung die ihm vorher nicht
aufgefallen war. Die Spuren davon sind minder
groß als in den Gebirgen, sie sind mit neuen
Schichten verhüllt die die Ruinen der vormaligen
bedecken; aber sie sind übrigens von der nemlichen
Beschaffenheit; auch hier finden sich die Schichten
aller Art, finden sich zerrißen, gestürzt, aus ihrer
Lage gebracht; so daß die Denkmahle der Kräffte die
den Stoff zu unserm festen Lande hervorgebracht
haben, durchgehends auch mit Merkzeichen von den-
jenigen Kräfften untermengt sind, die die ursprüng-
liche Anordnung deßelben zerstört haben. Mit ei-
nem Wort: unser festes Land war erst Schichtweis
im Meeresboden geformt; nachher zertrümmert;
und was die Größe dieser Erscheinung vollendet, ist,
daß diese Trümmern gegenwärtig über der Meeres-
fläche erhaben liegen.
So ist das Chaos beschaffen aus welchem nun der
Geologe Zusammenhang finden soll; und in deßen
[Seite 12] Mitte er sich so benehmen muß wie der Alterthums-
forscher zwischen den Ruinen von Palmyra. Die-
ser muß mit Hülfe seiner Kenntniße von der Bau-
kunst der Alten und den Verändrungen die sie in den
verschiedenen Zeitaltern erlitten hat, Zeitalter und
Ursachen bestimmen, mit welchen diese Denckmahle
in Verhältniß stehen. Eben so muß der Geologe
die allgemeinen Mittel studiren deren sich die Natur
zu ihren Operationen bedient, und denen Verände-
rungen nachspühren die sie nach der verschiedenen Be-
schaffenheit der Umstände erlitten haben, um eben-
falls in dieser großen Folge von natürlichen Begeben-
heiten welche ihnen unsre Erdkugel darbiethet, Zeit
und Umstände bestimmen zu können. Und zu diesem
Behuf sind nun zweyerley Hilfsmittel unumgänglich:
Sammlung und Uebersicht genau beobachteter That-
sachen und der eben so zuverläsig entdeckten Na-
turgesetze. Das heißt also alles was Naturge-
schichte und Physik ausgemacht gewißes haben.
Die Länge der Zeit war immer eines der
schwankenden Mittel zu welchen die Geologen ihre Zu-
flucht nahmen um die Entstehung unsers festen Lan-
des aus dem Meere zu erklären; sie glaubten mit
Hülfe derselben die Schwäche oder Unbestimmtheit der
wirkenden Ursachen zu ersetzen; ohne dabey doch
jemals eine bestimmte Wirkung anzugeben, die
[Seite 13] in einem gewißen Zeitraum hervorgebracht wäre.
Man mußte doch wenigstens irgend ein festes Da-
tum in dem langen Verlauf von großen Phänomenen
aufsuchen; und da das größte von allen diesen Phä-
nomenen doch darinn besteht daß unser festes Land
das weiland unter dem Meere lag, sich jetzt über
der Fläche desselben erhebt, so mußte man zuerst un-
tersuchen ob sich nicht die Länge der Zeit bestim-
men ließe seit welcher nun das Meer nicht mehr
die Oberfläche des Landes bedeckt. Und dies ist der
wesentliche Punkt den ich in meiner Geschichte der
Erde und des Menschen festgesetzt habe.
Sie wissen daß ich darinn aus den mannigfaltig-
sten und unwiderredlichsten Erscheinungen erwiesen ha-
be daß unser jetziges festes Land von gar kei-
nem hohen Alter ist; eine Wahrheit die auch von
zwey berühmten Geologen den Herren von Saussü-
re und von Dolomieu anerkannt worden, die die
Geologie durch ihre eben so zahlreichen als genauen
Bemerckungen so sehr bereichert haben, und denen
wir so vieles Licht über diese alten Denkmähler unsrer
Erdgeschichte und über die Ursachen ihrer Entstehung
verdanken. Ich könnte es folglich als eine anerkannte
Wahrheit voraussetzen daß unser festes Land von
einem bey weitem nicht sehr hohen Alter ist,
wodurch denn mir einmal alle diejenigen geologi-
schen Systeme eingerissen werden die sich der langsam
[Seite 14] wirkenden Ursachen bedienten und einer zahllosen Reihe
von Jahrhunderten bedurften um die Bildung deßel-
den zu erklären. Da aber indeßen einige der Phä-
nomene die den gänzlichen Ungrund dieser Systeme
erweisen, zu gleicher Zeit uns auf die ehmaligen
wirkenden Ursachen selbst führen, so hebe ich zwey
derselben aus, denen der Rest dieses Briefs gewidmet
seyn soll.
Es ist merkwürdig daß die nemlichen Phänome-
ne von welchen ich sprechen werde, von andern gera-
de zum Beweis ihrer Behauptung eines unermeß-
lichen Alters unsers festen Landes gebraucht
worden sind; dies wird mir Gelegenheit geben zu zei-
gen wie man ehedem beobachtete, und auf was für
einen Grund man Systeme baute. Das erste der
Phänomene von denen ich rede, sind die Knochen
der Thiere aus den heißen Erdstrichen die
man nun in dem unsrigen ausgräbt. In der
That wenn man annehmen dürffte, daß die Thiere
denen diese Knochen einst zugehörten, auf dem-
selben Boden der ihnen jetzt zur Lagerstätte dient, so
wie er jetzt ist, lebten und webten, ja so könnte
man freylich dem Zeitraum der seitdem verfloßen
ist, kaum einige Grenzen setzen. Denn es ist der
Mangel an sattsamer Wärme in unsern Clima wes-
wegen diese Thiere nicht in demselben leben können:
[Seite 15] wenn man nun aber von wirklichen Ursachen aus-
geht, und unter diesen keine findet die uns berech-
tigte eine Neigung der Wärme anzunehmen sich in
diesen Climaten zu verändern; so bleibt der Zeit-
raum der zu einer solchen Veränderung nöthig ist,
eben so unermeßlich unbestimmt als es die Ent-
fernung der Fixsterne aus Mangel von Paral-
laxe ist. Dann wird aber wie schon Herr Bail-
ly angemerkt hat diese Art das Phänomen zu er-
klären, sobald man sich des Rhinoceros errinnert
das in Sibirien mit Haut und Haar ausgegraben
worden, ganz absurd. Und es ist bloß der Mangel an
Genauigkeit Schuld daß man so wie es unter andern
Herrn von Büffon begegnete, in einen so
sonderbaren Irrthum verfallen ist. Zum Erweis bedie-
ne ich mich eines bestimmten Beyspiels:
Sie haben bey mir die beiden Zähne von einem
Nilpferd, das Stück Schedel von einem Thier
aus dem Ochsengeschlecht, die Fragmente von
Helfenbeinzähnen und andre Elephanten-Kno-
chen gesehn die im vorigen Jahre zu Brentfort 6
(englische) Meilen von London gefunden worden.
Welche Gesellschaft von Thieren in einer Insel der
Nordsee! Nun aber laßen Sie uns sehen, wie
diese Knochen sich – nicht blos au der genannten
Stelle sondern auch anderwärts – finden; sie liegen
[Seite 16] in einer Sandschicht die einen großen Theil der
Insel in Süden und Osten und in verschiedener Hö-
he deckt; und das immer über Schichten von einer-
ley Art von reinen Thon, der sich entweder unmit-
telbar unter diesem Sande oder doch nur weniges tie-
fer findet. Diese beiderley Arten von Schichten sind
unterbrochen, gestürzt, zerstückelt etc völlig so wie es
anderwärts die Steinkohlen und andre feste
Schichten (– couches dures –) zu seyn pflegen:
in vielen Gegenden von Großbritannien und beson-
ders in der Nachbarschafft von Brentfort wo die ge-
dachten Knochen gefunden worden, wimmlen die
Sandlager von See-Körpern: auch die Thon-
schichten die mit dem Sande bedekt sind, enthalten
immer dergleichen; und über den Sandbergen fin-
den sich wieder Mancherley an den Schichten, so
daß die Knochen wovon hier die Rede ist, 15 bis
18 Fuß tief unter diesen Schichten gefunden
worden. Und man hat mehrmalen beym Gra-
ben des Thones den man zu Ziegeln und gemeinen
Töpferzeug braucht, ähnliche Knochen an verschiede-
nen Orten der Insel getroffen.
Hierin besteht nun das Hauptphänomen bey
den foßilen Knochen von Thieren aus den heis-
sen Erdstrichen in unsern Ländern, denen die-
ser characteristische Umstand den ich so eben bezeich-
[Seite 17] net hade, ist allgemein. Ich rede nicht von denjeni-
gen Knochen die man in den mit Kalcksinter über-
zognen Berghöhlen findet; denn dies ist ein ganz
verschiedenes Phänomen wovon ich die Erklärung in
meinem 4 Brief im Iournal de Physique gegeben
habe: sondern ich spreche von der Art Knochen wie die
oberwähnten, die sich im aufgeschwemmten Lan-
de – couches meubles –) finden das die obere
Decke des Bodens ausmacht. In allen den mir be-
kannten Gegenden wo man dergleichen gefunden (und
ich kenne aus dieser Rücksicht außer England, auch
Westphalen und Italien) enthält das nemliche auf-
geschwemmte Land worinn diese Reste von Land-
thieren liegen, anderwärts auch Ichthyolithen und
See-Conchylien; und überhaupt zeigt es durch
seine Ausgedehntheit, durch die Dicke seiner Lagen
und alle seine übrigen Kennzeichen das offenbahre
Gepräge seiner Entstehung im Meere; und ich wer-
de sogleich zeigen daß es gar keinen andern Ursprung
haben kan.
Um also die Gegenwart der südlichen Thiere
in unsern Gegenden zu erklären, fragt sich gar
nicht wie und in wie viel Zeit unser Clima sich
verändert hat; sondern wie und seit wann das
Meer unser jeziges festes Land verlassen hat, und
welche Veränderung diese Revolution auf unser
[Seite 18] Clima gehabt haben kan. Ich rede von einer
Veränderung dieser letztern art, weil man sie un-
vermeidlich zugeben muß, wenn anders ein nur
wenig beträchtlicher Zeitraum seit dem verflos-
sen ist, da die Elephanten und Rhinocer in den-
jenigen Weltgegenden lebten, wo wir die Ueber-
bleibsel von ihnen finden; und diese Ueberbleib-
sel selbst dienen so wie die See-Geschöpfe
die man in den gleichen Lagen findet, um uns über
diesen Zeitraum Aufschluß zu geben. Alle diese
thierischen Ueberbleibsel liegen in verschiedener Art
von aufgeschwemmten Lande, die unaufhörlich
von Regenwasser durchnetzt werden, und daher zer-
fallen sind: Der Helfenbeinzahn wovon Sie
Bruchstücke bey mir gesehn haben, war 9 Fuß lang
gewesen; man hatte ihn ganz aufgedeckt ehe man es
versuchte ihn aus seinem Lager auszuheben; aber als
man es wagen wollte, zerfiel er in Stücken, da er
nicht mehr Festigkeit als etwa die gemeine Kreide hatte.
Sie kennen ebenfalls den Elephanten-Eckzahn in dem
schönen Cabinet des Herrn Andreä zu Hannover,
der ebenfalls Stückweis in der Nachbarschafft der
Weser ausgegraben worden, und so viele andre
Phänomene die die allmälige Verwitterung der
Land- und See-Körper beweisen, die gemein-
schafftlich in unserm oberflächlichen aufgeschwemm-
ten Lande begraben liegen. Und dennoch sind die-
se Körper noch nicht zerstöhrt; sondern man findet
[Seite 19] vielmehr manche in einem solchen Grad erhalten, der
schlechterdings jeden Gedanken an ein sehr hohes
Alter widerlegt; denn so gräbt man z.B. in Ruß-
land eine Menge Helfenbeinzähne die so gut er-
haten sind, daß man sie daselbst wie Helfenbein
verarbeitet; Herr Pallas spricht von einen Rhino-
cer das man in Sibirien gegraben und das noch
mit Resten seiner behaarten Haut überzogen war:
und so habe auch ich in aufgeschwemmtem Lande
auf Hügeln, Austerschaalen gefunden deren Schloß-
Sehne noch weich war; und andre Conchylien
die selbst bis auf ihre Farben noch so gut erhalten
waren, daß man hätte glauben sollen sie wären so eben
erst aus dem Meere gekommen, da doch eine der
darunter befindlichen Gattungen blos in den Indi-
schen Meeren zu finden ist.
In diesen Schichten von aufgeschwemmten
Lande bemerkt man nicht das mindeste Zeichen von
hefftiger Bewegung des Wassers das sie hervorgebracht
hat; sie haben sich so wie alle übrigen Schichten
durch Niederschlag aus dem Wasser gebildet, und
alle die fremden Körper die sie enthalten, wa-
ren schon darin vergraben, als sie durch andre Ur-
sachen zerrissen und aus ihrer Lage gebracht
wurden. Man sieht hieraus ganz unbezweifelt daß die-
se Reste von ausländischen Land- und See Ge-
[Seite 20] schöpfen durch das Meer an denen Orten selbst
vergraben worden wo sie sich nun finden, und daß
das Verlaufen des Meeres sich nicht sehr lan-
ge vor denjenigen Zeiten der Urwelt ereignet haben
kann, zu welchen uns menschliche Denkmale hin-
aufführen. Denn von diesen Denkmalen der eh-
maligen Naturbegebenheiten würde längst nichts
mehr übrig seyn, wenn unser festes Land von ei-
nem sehr hohen Alter wäre. Es ist also ganz unbe-
zweifelbar daß das Meer damals unser nunmehriges
festes Land bedeckte, als die Elephanten und Rhi-
nocer irgendwo auf einem Lande, – ohne Zweifel
auf Inseln – lebten; und daß seit jener Zeit keine
sehr lange Reihe von Jahrhunderten verflossen seyn
kan; eine Wahrheit die übrigens von allen Erklärun-
gen über das wie unabhängig bleibt, da sie die un-
mittelbare Folge von Thatsachen ist.
Die wahre Aufklärung erfolgt indem man Beo-
bachtung zu Beobachtungen fügt, um daraus am Ende
unmittelbare Folgen zu ziehen, und nicht indem man oh-
ne Ende ein Hypothese statt der andern entwirfft.
Ehe man mit Sorgfalt die beträchtliche Dicke der verschie-
denen Schichten des aufgeschwemmten Landes stu-
dirt hatte das unsre Hügel und Ebnen bedeckt; ehe
man die große Menge von Seegeschöpfen ent-
deckt hatte die sie enthalten; ehe man die Art wie sie
[Seite 21] sich dort finden und den Grad worinn sie sich noch
erhalten haben, untersucht; die characteristischen Kenn-
zeichen der Bildung dieser Schichten auf unun-
terbrochnen Grundlagen, und hingegen die von
ihren spätern Zerreißungen kennen gelernt hatte; ehe
wie gesagt dies alles ins Reine gebracht war, schrie-
ben verschiedene Geologen diese Schichten dem
Regenwasser zu, das in einer zahllosen Reihe von
Jahrhunderten auf der Oberfläche unsers festen Lan-
des gehaußt haben sollte. Allein man sieht daß die-
se Hypothese durch die unermeßliche Menge von See-
geschöpfen die in diesen Schichten enthalten sind,
total widerlegt wird. Doch wir wollen weiter un-
tersuchen.
Es braucht Hügel und Berge von welchen
aller der Sand und Grand und anderer dergleichen
zertrümmeter Stoff genommen worden; und doch
sind große weite Gegenden damit bedeckt, ohne daß
man einige Ueberbleibsel von solchen bergichten Er-
habenheiten daselbst finden sollte. Dort also
nahm man bey allen diesen Systemen seine Zuflucht.
Man sezte voraus daß durch die Länge der Zeit
diese Erhabenheiten verwischt und ihre Ueberbleib-
sel endlich in Sand umgewandelt worden wären.
Man berief sich zum Erweis dieser Behauptung auf
die grosen ausgehölten Stellen in Gebirgen,
[Seite 22] die man Wasserströmen zuschrieb; und sezte vor-
aus daß ihre Trümmern die man (als Geschiebe)
in den Ebnen findet, eben durch diese wilden Wasser
dahin gerissen worden und nun daselbst allgemach zu
Sand zerfallen. Nun um alles dies geschehen zu las-
sen durften freylich solche Geologen nicht mit der
Zeit geizen, und man hielte sich auch hierinn um so
weniger gebunden da allerdings die Vergangenheit
als ein unermeßliches Meer derselben angesehen wur-
de: aber doch wollen wir ein wenig näher sehen ob es
wohl erlaubt ist so ganz ohne Ziel und Maas daraus
zu schöpfen: und zwar erstens, ob denn würklich die
Stoffe die wir wie gesagt in den Gebürglücken
vermissen auf unsern Ebnen verbreitet worden.
Wenn es das Regenwasser ist, das die Gebürg-
Thäler ausgehölt und alle die Ruinen bewirkt hat die
wir auf den Bergrücken und Spitzen gewahr
werden, und wenn sie die unermeßliche Menge von
Stoffen mit sich in die Weite fortgerissen haben die
wir im innern der Gebürge vermissen, so müßten
doch wohl diese Gewässer da sie aus den Thälern
die sie bildeten hervorstürzten, alle Vertiefungen
die sie ausserhalb derselben antreffen, ausfüllen, und
folglich den Boden auf ihrem Wege ebnen und gleich
machen – Woher nun also alle die Seen die sich
ausserhalb so vieler von Thälern durchgeschnittenen
[Seite 23] Gebirgketten finden? Strömende Wasser
können sich wohl ihren Weg bahnen und erweitern;
aber sie können keinen Teich graben; denn sie hö-
ren auf mechanisch zu würken, sobald ihr Lauf durch
Verbreitung, über eine breite Ebne geschwächt wird,
und sie verlaufen sich so bald sie freyen Raum fin-
den. Die Wasser-Ströhme haben folglich keine
Betten für Seen graben können; sondern diese
haben sich ursprünglich schon daselbst gefunden; sie
sind von den Gebirg Ströhmen erst mit Wasser ge-
füllt worden, und da haben sie nothwendig auch al-
les das abgesetzt was ihr rascher Lauf aus dem in-
nern der Gebürge die sie durchströhmt hatten mitbrach-
te. Nun aber sind ja diese Betten die sich im Lau-
fe so vieler Ströhme finden, die aus grossen Ge-
birgsketten entspringen, und deren ihr Umfang
verglichen mit den unermeßlichen Lücken die man
in den Gebirgen findet, als ein Minimum angesehen
werden kann, keineswegen gefüllt. Und dies giebt
also einen peremtorischen Beweis, daß nichts von
den Resten von Steinschichten womit alle Eb-
nen und Hügel weit und breit besäet sind, und
nichts von ihrem Sande aus diesen Gebirgen ge-
nommen worden, weil sich nichts dergleichen jenseits
der Seen verbreiten konnte ohne diese selbst vorher
gefüllt und folglich vertilgt zu haben: und dies
ist zu gleicher Zeit der Beweis dafür daß beides jene
Gebirgthäler sowohl als diese Betten der Seen
[Seite 24] früher existirt haben als es auf unser festes Land
regnen konnte, d.h. ehe dieses vom Meere verlas-
sen war.
Aber doch ist unleugbar daß der Regen allge-
mach einige Theile von den Gebirgen losreißt, und
dies wegen des Zustandes selbst worin sich diese be-
fanden als das Meer sich von ihnen verlief da ihre
schrofsten geborstenen Stellen gar leicht durch äussere
Ursachen losgerissen wurden; was sich denn auch fer-
nerweit, obschon in einem mindern Grade, ereignet,
und dies giebt uns ein Mittel an die Hand zu be-
stimmen, wie weit zurück wir den Anfang dieser
Operationen setzen dürfen, das heißt nemlich immer
diejenige Epoche, da das Meer unser festes Land
verlies, und da also die Regenwasser anfingen
Flüsse auf denenselben zu bilden.
Wir wollen sogleich zu irgend einem der Seen zu-
rückehren, die mit steilen Bergen umgeben sind so
wie die in der Schweiz und Savoyen, und wo wir
schon beym ersten Anblick der verticalen Durch-
schnitte ihrer Schichten und ihrer verschiedentli-
chen schrägen Neigung rund um diese See-Bet-
ten nothwendig folgern müssen, daß schon mächtige
dergleichen Vertiefungen da gewesen seyn müssen,
[Seite 25] bevor der Regen auf unser festes Land hat fallen
können. Wir wollen von einem dieser Seen aus-
gehn den wir am Ausgang eines grossen Haupt-
Thales finden, wo ihm durch einen Strohm alles
das Regen- und Schnee-Wasser zugeführt wird
daß auf eine grosse Erdfläche im Gebürge fällt. Das
Thal ist selbst wieder mit schroffen Kannten
eingefaßt die überall losgerißne Trennungen zei-
gen: wieder eine mächtige Aushölung in den
Schichten wovon ebenfalls eine mächtige Menge
Stoffs vor einiger Zeit weggeführt worden. So
wie man im Thale dem Hauptstrohme entge-
gen geht, so stoßt man hin und wieder auf kleinere
Wasser die ihn bilden helfen; sie kommen ebenfalls,
so wie wiederum ihre Nebenwasser aus andern Thä-
lern, die wenn man auch dieser ihre schroffen Fel-
senwände ansieht, ebenfalls nichts anders als Aus-
hölungen seyn können. Die Seitenwände dieser
verschiedenen Thäler sind bis zu den innersten und
höchsten in diesen Gebirgen äuserst verwickelt wegen
anderer Arten von Einschnitten, davon einige ohne
quer durchzulaufen gleichsam Furchen von verschie-
dener Tiefe und Länge ziehen, andre aber sie in den
Anhöhen durchschneiden und dadurch die hohen Berg-
rücken in einzelne Bergkuppen abtheilen die alten
Ruinen ähnlen. Gerade in diesen vielfältigen
Einschaitten sammeln sich die Bergwasser zuerst um
von da in die Thäler zu stürzen, und eben da ver-
[Seite 26] ursachen sie die größte Verwüstung. Sie reißen Er-
de und feinen Sand zwischen den Steintrümmern
mit sich welche die jähen Stellen bedecken und noch
nicht durch Vegetation zusammen gehalten werden;
sie verursachen sogar Einsturz, und wenn der Regen
oder der Strohm von geschmolzenen Schnee stark ist,
so hört man in der Tiefe der Ströhme die sich in
ihr Bette stürzen, die Stösse von Sand und selbst
von grossen Steinen die sie mit sich dahinein reißen.
Das ist es was in dem Gebirgsumfang vorgeht
der das Wasser zu dem Strome liefert den ich hier
z.B. gewählt habe. Gewiß ist, daß bey jedem Regen
oder Thauwetter, Stoffe in Bewegung gesetzt werden
wovon ein Theil vom Wasser fortgerissen und so end-
lich durch solche Ströme aus den Gebirgen ausge-
fördert wird; und hierdurch hält man sich denn be-
rechtigt zu glauben, daß sie durch die Länge der
Zeit alle die Aushölungen die ich jezt auseinander
gesetzt habe, hervorgebracht hätten. Nun wollen
wir aber zweierley Messungen anstellen, die der
Menge Stoffs welche unser Strohm dem Gebirge
woraus er entsprungen, entführt hat, und der Zeit
die er zu diesen Transport gebraucht hat.
So groß auch die Verheerung immer seyn mag
welche die Gewässer in den Gebirgen anrichten
[Seite 27] können, so kann doch nichts von dem was sie mit
sich fortreißt, anders, als durch die Ströhme fort-
kommen; und der unsre dessen Gebiethe ich so eben
durchgegangen bin, ergießt sich in einen See bey
dessen Eingang er so lange er nun existirt alles bis
aufs geringste Stäubchen absetzt, was seine Wasser
längs ihres ganzen Laufs mit fortgerissen haben.
So trübe auch das Wasser eines solchen Stroh-
mes seyn mag, selbst zur Zeit der größten Verhee-
rung in dem Gebirge, so wird es doch in einiger
Entfernung von seinem Einfluß in den See wieder
klar und hell, bleibt so während seines weiten Laufs
durch den See und tritt auch eben so am andern
Ende wieder hinaus. Folglich finden sich alle Stoffe
die aus dem Gebirge seit dem es auf unser festes
Land geregnet hat auf die gedachte Weise fortgeführt
worden beym Eingang in den See beysammen. Und
hier haben sie da sie einen Theil des ursprünglichen
Seebettes füllten einen Ansatz von Lande gebil-
det, so horizontal als das Wasser selbst. Ich habe
schon das ungleiche Verhältniß bemerklich gemacht
worinn selbst die gänzliche Ausfüllung des See-
bettes zu den ungeheuern Aushölungen steht,
welche die Gewässer durchlaufen müßten ehe sie zum
See gelangten: und doch sehen wir nun hier nichts
weiter als ein Minimum des Ganzen ausgefüllt, und
gerade dieses Minimum wird uns nun zum Chrono-
meter dienen.
Dieses neu gewonnene Erdreich erhebt sich
nach und nach durch den Bodensatz den jede neue Ue-
berschwemmung auf seine Oberfläche niederschlägt, und
da es gewöhnlich sehr fruchtbar ist, so erhöhen die be-
nachbartsten Einwohner sobald es sich über die Wasser-
fläche der gewöhnlichen Ueberschwemmungen zu erhe-
ben anfängt, den Rand desselben um es gegen grössre
Ueberschwemmungen zu sichern und es zu bebauen.
Nun beurtheilt man das Alter solcher neuen Erobe-
rungen nach der Tradition der Einwohner und durch
die Besichtigung selbst. Ich habe mehrere dieser
Chronometer beobachtet und wenn man sich da un-
mittelbar an ihre Scale hält, nemlich die unmerkli-
che Erhebung des neuen Bodens, und die Zeit
seit welcher er urbar gemacht worden, so giebt es
sehr viele menschliche Denkmahle die von einem ho-
hen Alter unsers festen Landes zeigen als man
aus diesem hier folgern darf.
So kurz aber auch schon auf den ersten Blick
der nach dem angegebenen Maasstaab bestimmte Zeit-
raum ist, so wird er dennoch durch eine sehr ein-
leuchtende Betrachtung noch mehr abgekürzt. Als
sich die Ströhme zuerst in diesen Ruinen bildeten
die wir Gebirge nennen; so waren alle Flächen der-
selben wie abgerissen, geborsten, und ihre Spalten
[Seite 29] mit Trümmern gefüllt. Die laufenden Wasser
mußten sich also erst ihren Weg ebnen, und so wie
sie nun einen Theil dieses Schuttes fortführten, so
fiel wieder andrer von den schroffen Flächen herab.
Diese Wasser mußten also damals weit mehr Ver-
heerung anrichten, weit mehr Stoff fortwälzen als
sie in der Folge gethan haben, weil sich die schroffen
Stellen mehr abgeebnet haben und mit Vegetation be-
deckt worden sind. Wir werden dieses Verlaufs da-
durch ganz gewiß, weil überall wo man nur etwas
tief in solches neu entstandenes Erdreich ein-
gräbt das die Flüsse in den Thälern abgesetzt ha-
ben, man immer in der Tiefe den Stoff in grössern
Brocken findet und hingegen immer kleiner und kleiner
je näher er der Oberfläche liegt, so daß man offen-
bar sieht, daß zuletzt seit einer gewissen Reihe von
Jahren nichts weiter als Sand herbeygeführt
worden ist. Folglich mußte in jenen frühen Zeiten
der grössern Verwüstung mehr Schlamm in die Seen
kommen, und da derjenige Schlich der seit einer
bekannten Zeit abgesetzt worden, zu der Periode ge-
hört wo der jährliche Betrag schon sehr angenommen
hatte, so ergiebt sich, daß wenn man nun diesen
Maasstab auf die Totalwirkung anwendet, so
wie sie vor Augen liegt, man den Zeitraum der
dann herauskommt, so kurz er auch schon an sich ist,
demohngeachtet wegen des anfänglich schnellern Fort-
gangs noch mehr abkürzen muß. Er würde in der
[Seite 30] That in Vergleich zu andern Denkmalen von Men-
schenhänden allzukurz ausfallen, wenn man nicht
bedächte daß erst der Eingang in der See selbst bis
an die Wasserfläche gefüllt und ein sanfter Abhang
unter derselben gebildet werden mußte, ehe neues
Land abgesetzt werden konnte. Aber doch findet
man bey genauer Ansicht daß selbst dieser frühere
Zeitraum den man da in Anschlag bringen muß
durchgehends so eingeschränckt ist, daß an allen den
zahlreichen Orten die ich selbst deshalb untersucht ha-
be, es mochte an Seen oder längs der Flußbetten
seyn, auch nicht ein einziger ist der einen nicht über-
zeugte, daß es keine lange Reihe von Jahrhunder-
ten seyn kan seit welchen die Regenwasser auf unser
festes Land wirken.
Wir hatten aber schon aus unmittelbaren Bewei-
sen gesehn, daß das aufgeschwemmte Land unser
Continens im Meere selbst gebildet seyn muß und
daß es erst seit nicht gar langen Jahrhunderten vom
Meere verlassen seyn kann; und jetzt nun haben wir
zur Bestätigung jenes Resultats gesehen daß keine
von den Schichten in den weiten Zwischenräumen
zwischen denjenigen Flüssen die bey ihrem Ausfluß aus
den Gebirgen sich in grössere oder kleinere Seen er-
giesen, aus den Stoffen haben gebildet werden kon-
nen, die aus den Gebirgen selbst herausgerissen wor-
[Seite 31] den (wo sich doch so ungeheure Aushölungen fin-
den): weil alles was von da herausgeführt worden
in den Seen geblieben, und auch da nicht schon seit
einer langen Reihe von Jahrhunderten sich ange-
häuft haben kann. Woher kommen nun also die un-
übersehlichen Trümmer von Steinschichten die
man dennoch überall verbreitet findet; auf den Hü-
geln so wie in den Ebnen, im Mittellande zwi-
schen den Flüssen und besonders in den Flußbetten
selbst? Dies ist uns von den Phänomenen auf wel-
che sich die Urheber der Systeme die ich jetzt gera-
dezu widerlegt habe, am meisten stützen und man
wird wieder sehen daß alle diese alten Systeme ein-
zig aus Mangel an genauer Beobachtung entstan-
den sind.
Kein Mensch wundert sich wenn man grosse Stein-
blöcke am Abhange oder in der Tiefe der Thäler
zwischen den Gebirgen findet wenn man zu gleicher
Zeit schroffe Felsen auf den Anhöhen derselben er-
blickt; weil es der erste natürliche Gedanke ist daß
sie sich von der Höhe losgerissen haben. Wenn man
nachher auch ähnliche Blöcke in den Bergsströmen
und in den Flüssen findet die noch in diesen Thä-
lern laufen, so denkt man sie sind über den Ab-
hang der Berge herabgeglischt der schon mit andern
Gerölle bedeckt war und sie also nicht aufhalten konn-
[Seite 32] te. Endlich wenn man dergleichen nun auch in Eb-
nen erblickt, und die Seen und so viele andre tiefe
Canäle vergißt, über welche sie doch das Wasser nicht
wegtragen konnte, so laßt man sich von der erstge-
faßten Idee weiter reissen und meynt sie kämen auch
von jener ersten Quelle her. Man ruft die Länge
der Zeit den Mitteln zu Hülfe und drückt die Au-
gen bey den sich dawider empörenden Unmöglich-
keiten zu, weil man sich einmal an die Vorstellung
gewöhnt hat daß da keine andre Ursache des Phäno-
mens statt habe. So lies man sich nicht irre ma-
chen weder durch die Grösse so vieler dieser Geschie-
be wie der Granitblock der aus dem Sumpfe in
Finnland gehoben und dann mit so grossen Kosten nach
Petersburg gebracht worden, noch durch ihre erstaunens-
würdige Verbreitung, nicht blos in den Ebnen son-
dern auch auf Hügeln. Besonders erwog man auch
nicht daß der Grand der aus den nemlichen Geschie-
ben entstanden war sich in vielen Schichten mit
Seekörpern fand; und da man also an einer Idee
hafften blieb die doch von keiner Seite den Charac-
ter der Wircklichkeit zeigt, so wandte man dem einzi-
gen richtigen Weg den Rücken der zur wahren Ursa-
che führt und gerade durch das Ganze dieser Phäno-
mene läuft. Und dies ist einer der Umstände der al-
lein schon die Grundlosigkeit einer Idee beweißt.
Wenn man in Granitgebirgen ist und grosse
Granitblöcke am Abhange derselben oder auch in den
Betten ihrer Ströme und Flüsse erblickt, so bezweifelt
man nicht daß diese Blöcke einst den Felsen zuge-
hört haben mögen die man in der Höhe dieser Gebir-
ge emporragen sieht; und so schreibt man Stufenweis
auch den Blöcken und dem Granit-Sand den
man weiterhin in den Flußbetten bis in die Ebnen
findet den gleichen Ursprung zu. Aber lassen wir ein-
mal die Granitgebirge und geben nun in eine Ge-
birgkette von Kalkstein-Schichten die ganz von
jenen abgesondert, weit von ihnen entfernt sind; so
wie z.B. die Kette des Jura. In diesen Gebir-
gen wo übrigens die Schichten in der nemlichen
scheinbaren Unordnung liegen, wo man in der Höhe
nichts als schroffe Felsen erblickt, findet man eben-
falls eine Menge großer Geschiebe sowohl an ih-
rem Abhange, als unten im Bette der Waldwasser
und Flüsse die durch die Thäler laufen. Aber sind
deshalb alle diese Geschiebe von den obern Felsen
hergekommen? – Nein; denn erstens bestehn ja
diese Felsen aus Kalkstein; die mehresten dieser
Geschiebe aber aus Granit; zweytens aber was
noch mehr sagen will, man findet dergleichen Ge-
schiebe von einer so ganz verschiedenen Gebirgsart auf
den Felsen selbst liegend, und theils gar in ganzen Hau-
[Seite 34] fen oben auf der Höhe der Gebirge, was denn jene
ganze Hypothese ad absurdum bringt.
Wenn man erst einmal durch so entscheidende
Thatsachen von dem Irrthum zurück gebracht ist als
ob diese grossen Granitgeschiebe durch die Flüsse
dahin geschwemmet wären, so läßt man sich dann
auch nicht durch den verfüherischen Schein in würk-
lichen Granitgebirgen irre machen. Man zwei-
felt auch da, (ohngeachtet der Zeichen von Zerstörung
die sie an sich tragen und ohngeachtet der Wahr-
scheinlichkeit daß die zerstreuten Geschiebe an ihrem
Abhange und im Thale von ihren Anhöhen losgerissen
seyn mögen) doch noch daran, daß sie alle daher ab-
stammen sollten wenn man die Verschiedenheit erwägt
die sich so oft zwischen dem Granit der Geschiebe
und dem des Gebirgs findet; wovon man ein merk-
würdiges Beyspiel in einem Aufsatze des Herrn Pa-
trin im 38ten Bande des Iournal de physique
findet (S. 290) der uns eben das in den Gebirgen
von Asien zeigt was wir aus gleicher Rücksicht in de-
nen von Europa finden. Aber dieses grosse Denk-
mahl der Revolutionen die in der Vorzeit mit unsrer
Erdkugel vorgegangen seyn müssen, wird nun um so
frappanter wenn man in der Folge bemerkt, daß die
Blöcke von Granit und andern quarzartigen
Steinen sich bey weitem nicht allein in denjenigen
[Seite 35] Gebirgketten finden wo der Granit selbst die herrschen-
de Gebirgart ist, sondern daß sie auch auf dem Ab-
hange und in den Thälern sowohl der Schiefer- als
Kalkstein-Gebirge zerstreut sind, wo es schlechter-
dings unmöglich ist daß sie da von den Anhöhen
derselben abstammen sollten.
Der Harz ohngeachtet er in Vergleich zu andern
nur eine unbeträchtliche Gebirgskette macht, liefert
doch ganz auffallende Beyspiele dieses grossen Phäno-
mens. Das einzige herrschende Granitgebirg in
dieser Kette ist der Brocken, an dem sich der Bruch-
berg so zu sagen anlehnt, der aus Schiefer besteht,
aber vom Brocken blos durch einen schwachen Ausbug,
nemlich durch ein hochliegendes Thal abgesondert ist.
Und von einer andern Seite sieht man den Rehberg
der sich ebenfalls wie ein niedrer Zweig des Brocken
erstreckt, dieser, der Rehberg ist nichts als ein Hau-
fe von Granitblöcken, aber viel zu groß und sei-
ne Höhe viel zu wenig von des Brocken seiner ver-
schieden, als daß man sich den Einfall erlauben könn-
te zu glauben, diese Blöcke waren vom Brocken her-
untergefallen. Wer irgend mit Aufmerksamkeit
diese Scene von Unordnung an Ort und Stelle be-
trachtet hat, der muß einsehen daß durchaus keine der
gegenwärtig wirkenden Naturkräfte im Stande ge-
wesen wäre, auch in noch so langer Zeit eine solche
[Seite 36] Menge Blöcke zusammen zu thürmen. Aber was in
tiefer Gruppe noch mehr auffällt und durchaus den
Gedanken widerlegt als ob diese Verwüstung von ir-
gend einer Ursache herrühren konnte die noch gegen-
wärtig in der Ordnung der Dinge auf unsrer Erd-
kugel statt habe, ist, daß der Bruchberg der wie
gesagt auch mit dem Brocken zusammengehängt, und
der doch aus Schiefer besteht, ganz mit Blöcken
von einer quarzigen Steinart bedeckt ist wovon
sich doch in allen diesen Bergen keine festen Lagen
finden; Blöcke die sich übrigens eben so wie die von
Granit auf vielen Kalkgebirgen so wie auch in
den Ebnen finden, und die ohne Zweifel von einer
geschichteten Gebirgsart abstammen, wovon man an-
derwärts wie z.B. in der Wetterau und in England
(s. den 10ten Brief an Herrn de la Metherie im
Iournal de physique) ganze Gebirge findet. Die
grossen Granitgeschiebe findet man übrigens auf dem
Harz fernerweit auf den Anhöhen, dem Abhange und
in den Thälern anderer Schiefergebirge so wie auch
auf den um diese herumliegenden Kalkgebirgen,
so wie sie sich auch im Menge auf allen den Heiden
von Nieder-Sachsen und Westphalen auf den Hü-
geln so wie in den Ebnen und bis ans Ufer des
Meeres finden.
Endlich zum Erweis daß man niemals ohne vor-
hergebende Prüfung die Steinblöcke die man am
[Seite 37] Abhange der Gebirge findet geradezu von den schrof-
fen Felsen auf denselben ableiten darf, führe ich
noch einen Fall von andrer Art an. Man findet
auf dem Abhange der Kalkgebirge im Hildes-
heimischen zwischen Eime und Esbeck ungeheure
ganz isolirte Steinmassen die als Geschiebe nirgend
festgewachsen sind, und aus einem geschichteten
Kalkstein bestehn, der von allen Schichten dieses
Gebirges man mag sie nach der Reihe durch prüfen,
gänzlich verschieden ist, und eben so finden sich auch
Geschiebe von Granit und andern dem dasigen Ge-
birge gänzlich fremden Steinarten auf dem Abhange
desselben und unten in seinen Thälern.
Ich habe diese einzelnen Facta als Beyspiele an-
geführt, denn übrigens ist nichts gemeiner als daß
man auf Bergen, Hügeln und Ebnen, und selbst
im innern des aufgeschwemmten Landes ent-
weder grosse Blöcke oder kleinere Bruchstücke und
Grand findet die alle aus Steinlagen kommen de-
ren ursprüngliche Lagerstätte in irgend einem entfern-
ten Gebirge längst bekannt ist, wovon aber nicht
das mindeste ursprüngliche Lager im Lande selbst zu
finden ist, weder auf Anhöhen noch unter dem Boden
so tief man auch in selbigen eingedrungen. Und wenn
auch die Flüsse (denen man gewöhnlich dies grosse
Phänomen zuzuschreiben pflegte) zuweilen eine Men-
[Seite 38] ge Gerölle derselben Art in ihrem Bette enthalten,
so ist dies blos weil sie sich dasselbe durchs aufge-
schwemmte Land gebahnt, den Sand und Schlamm
davon weg geführt und hingegen viele Stoffe die sie
nicht fortbingen konnten, liegen gelassen haben. Denn
überall wo die Flußbetten mit fremdartigen Ge-
schiebe und Grand bedeckt sind die nicht aus den
Steingeschichten der Nachbarschaft selbst abstammen,
da finden sich hingegen dergleichen im aufge-
schwemmten Lande derselben, und zwar bis auf
die Hügel hinauf wo kein Fluß je hinkommen konn-
te, oder auch am Abhange der Berge unter den
Geschieben ihrer eignen Gebirgarten die leichter vom
Fluße fortgerissen oder zerstört werden konnten.
Folglich waren alle die Vorstellungen von grossen
Verheerungen welche die süßen Wasser auf un-
serm festen Lande seit ihrer Entstehung sollten her-
vorgebracht haben, nichts als Täuschungen, und wir
müssen also für diejenigen die ich beschrieben habe,
irgend eine andre Ursache ausmitteln.
Folgendes sind nun also die Thatsachen die ich
hier characterisirt habe, und wozu sich die ausführ-
lichen Notizen in meinen Schriften finden.
– 1) Die ganze Masse unsers festen Lan-
des ist aus Lagen von verschiedenen Steinarten zu-
[Seite 39] sammen gesetzt, deren Hauptgattungen durchgehends
meist in gleicher Ordnung aufeinander gesetzt sind.
2) Auf der ersten Grundlage die ganz sichtlich
vom höchsten Alter ist und noch keine Spur von orga-
nisirten Körpern enthält, liegen Schichten die
nun dergleichen Körper enthalten und zwar finden
sich die verschiedenen Gattungen derselben in den ver-
schiedenen Arten von Schichten die über einander
aufgesetzt sind.
3) Man findet Reste von Land-Thieren und
Gewächsen unter diesen Versteinerungen; aber die bey
weitem grössere Menge dieser Denkmale zur Ge-
schichte der organisirten Körper und die sich
selbst bis ins aufgeschwemmte Land erstrecken,
sind See-Geschöpfe.
4) Ohngeachtet es also ausgemacht ist, daß uns-
re Schichten sich im Meere gebildet haben müssen;
was denn nochwendig voraussetzt daß sie sich auf ei-
ne anhaltende Weise und in eine meist horizon-
tale Lage aufgehäuft haben; so sind sie doch nun
in grossen Strecken zerrissen, gestürzt, einge-
senkt; so daß die ganze Obersfläche unsers festen Lan-
des nichts als Ruinen zeigt.
5) Die gewaltsamen Ursachen die auf diese Wei-
se unsre Schichten zerrüttet haben, sind vor ir-
gend einer großen Revolution vorhergegangen, durch
[Seite 40] welche unser festes Land aufs Trockne versetzt und
so dem Einfluß der gegenwärtig wirkenden Ursachen
ausgesetzt worden ist.
6) endlich, diese grosse Revolution ist um nicht
viele Jahrhunderte alter als unsre eigentliche Welt-
geschichte zurückführt, die durch menschliche Denk-
male bezeichnet wird.
Dies sind die allgemeinen Thatsachen, welche, in-
sofern sie gewiße und bestimmte Würkungen von
Ursachen ausmachen, die vor Zeiten auf unsre
Erdkugel gewürkt haben, dem Geologen sein Ge-
schäfte verzeichnen; und um dieses ganze Feld zu um-
fassen, muß er erklären
– 1) den Ursprung der Stoffe woraus
unsre Gebirgslagen bestehen.
2) die Ursache der successiven Verschiedenheiten
die man in diesen Stoffen bemerkt.
3) warum sich in einigen dieser Lagen, Reste
von Land-Thieren und Gewächsen mitten unter
die See-Geschöpfe gemengt finden.
4) woher die Unordnung in diesen Lagen
und die weite Verbreitung ihrer Bruchstücke
kommt.
5) warum sich ihre Ruinen nun gegenwär-
tig über der Meeresfläche erhoben finden.
6) endlich, welchen Veränderungen diese Rui-
nen, seit sie nun aus dem Meere gestiegen sind,
durch die jetzt bekannten Ursachen ausgesetzt sind.
Dieß ist das Werk das ich in meinen Briefen
im Iournal de physique unternommen habe, und
ich werde die Ehre haben Ihnen in meinen folgenden
Briefen die Ursachen zu entwerfen, welchen ich diese
Reihe von Ereignissen zuschreibe.