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Magazin
für den neuesten Zustand
der
Naturkunde

mit Rücksicht auf die dazu gehörigen
Hülfswissenschaften
herausgegeben
von
Johann Heinrich Voigt,
Professor der Mathematik zu Jena und verschiedener
gel. Ges. Mitglied.
Ersten Bandes zweites Stück.

Mit drey Kupfertafeln und einer gedruckten Tafel.

Jena,
in der akademischen Buchhandlung
1798
.

IV.
Geognostische Merkwürdigkeiten der
Grafschaft Glatz, besonders der Ge-
gend von Landeck.
Aus einer, unten im
III. Abschnitt, angezeigten Schrift des
Hrn. Leop. von Buch.

[Seite 48]

Durch die Grafschaft Glatz erstreckt sich von N.
W. nach S.O. ein in Norden weites, in Süden
hingegen enges Thal, in welchem von dort die Stein-
au, von hier aber die Neiß einander entgegen kom-
men, sich ohnweit Glatz mit einander verbinden, und
östlich im Neißthal bey Wartha ihren Ausfluß nach
der Oder hin nehmen. Jenes Thal wird der Länge
nach zu beyden Seiten durch vier Gebirgs-Rücken
begrenzt. Im N.O. nemlich durch zwey, die nur
durch das gedachte Neißthal unterbrochen werden.
Im S.W. hingegen durch zwey andre, wovon nur
das nördliche zu den Flözgebirgen gehört, da es aus
Sandstein besteht, der sich nach den berühmten Aders-
bacher Sandsteinbrüchen erstreckt; die übrigen dreye
hingegen, die Glimmerschiefer, Gneiß, neuen Gra-
nit und Serpentinstein halten, zu denen, die Hr.
v. Buch mit Hrn. Werner unter dem viel umfassen-
den Namen von Urgebirgen begreift, da andre hin-
gegen diesen Namen bloß der primitiven Granitrin-
de unsers Planeten beylegen, um sie den jenen spä-
[Seite 49] tern Ganggebirgsarten zu unterscheiden. Jene drey
Gebirgsrücken gehören zu den höchsten des nördlichen
Deutschlands, denn die hohe Eule auf dem Eulenge-
birge erhebt sich 3326′ hoch über die Meeresfläche,
und ist folglich höher, als der Brocken (= 3268′
nach Hrn. Prof. De Lüc). Die Höhe des Schnee-
bergs, aber von welchem Landeck umschlossen wird,
und der schon im October beschneyt ist, beträgt 4007′,
und wird folglich im nördlichen Deutschland nur von
der des Riesengebirgs (= 4949′) übertroffen.

Augenscheinlich ist die Grafschaft Glatz in den
Zeiten der Vorwelt mit Wasser bedeckt gewesen, das
in der frühesten Periode, ehe nehmlich noch die Flöz-
gebirgsformation begonnen hatte, seinen Abfluß
südlich nach Böhmen nehmen konnte. So wie aber
jene Sandgebirge entstanden (und Hr. v.B. macht
es sehr einleuchtend, daß die Masse derselben von W.
herkam), so ward das Thal in S. gesperrt, der Ab-
fluß des Wassers dadurch gehemmt, und mithin ein
Landsee gebildet, der endlich bey Wartha im Neiß-
thal überfließen und sich sein neues Bette aushölen
mußte.

Die verschiednen Gebirgsarten in jenen bey-
den Arten von Gebirgen sind genau bestimmt.

In den hier sogenannten Urgebirgen kommt
kein primitiver Granit zum Vorschein, sondern die
[Seite 50] Höhen deckt Glimmerschiefer, der auf darunter lie-
genden Gneiße ruht. Im Glimmerschiefer, der mit
Granaten durchmengt ist, mächtige Lager von Kalk-
stein, und noch häusiger welche von Hornblende.
Unter mancherley Erzlagern, die er enthält, sind be-
sonders die derben Goldhaltigen Arsenic-Kiese merk-
würdig, die zu Reichenstein zu weißem Arsenic verar-
beitet werden. Diesem Arsenic-Kies ist oft der sonst
in Deutschland bis jetzt noch so seltne Tremolit bey-
gemengt: weiß, ins gelbliche, grünliche und rauch-
graue.

Genau von der merkwürdigen Schichtung dieses
Glimmerschiefers und Gneißes, und wie sehr auch
hier dieselbe mit dem Laufe der Gebirge in Verbin-
dung steht, folglich vielen Aufschluß über die Bil-
dung der Gebirge selbst verspricht.

Eine eigne dem Serpentinstein untergeordnete
Gebirgsart bey Wartha ist ein feinkörniges Gemenge
von Feldspath und Hornblende. Die grobkörnige
Abart davon lößt sich durch die Verwitterung zu einer
sehr brauchbaren Walker-Erde auf, wovon sich
ein sehr benutztes Lager bey Riegersdorf findet.

Die Flötzgebirgsarten bey Landeck sind Sand-
stein und Kalk. In beyden merkwürdige Mannich-
faltigkeit von versteinten Resten aus beyden organi-
sirten Reichen der präadamitischen Schöpfung.

[Seite 51]

Zum Sandstein wird hier auch das dem rothen
todten liegenden ähnliche Conglomerat gerechnet, in
welchem die dasigen Steinkohlenflöze liegen. Merk-
würdig ist, daß es hier unter die seltneren Fälle ge-
hört, wenn Schieferthon das Dach oder die Sohle
eines Kohlenflötzes macht. In diesem Conglomerat
liegt auch Holzstein in versteinten Baumstämmen
von drey u.m. Fuß im Durchmeßer.

Die Kalkgebirge bey Ebersdorf zeigen in Rück-
sicht der wunderbaren Richtung ihrer Schichten im
Kleinen alle Erscheinungen, die an der deshalb allge-
mein berühmten, oft abgebildeten und beschriebnen
Felsenwand am S.O. Ufer des Luzerner-Sees zu
sehen sind.

Am Landeckerthal gegliederter Säulen-Basalt
in Säulen gegen 2′ mächtig und fast 100′ hoch.
Die Glieder zum Theil wirklich mit auf einanderste-
henden convexen und concaven Flächen derselben.
Unter den im Basalt eingemengten fremden Foßilien,
außer Olivin, Augit, Zeolith, Opal, besonders
zwey andre bis jetzt noch nicht genau untersuchte und
bestimmte: nemlich a) ein dunkelschwarzes, glänzen-
des, kleinmuschliges, sehr hartes; und b) ein an-
dres Hyacinthroth in langen Säulen crystallisirt, we-
nig glänzend, unvollkommen, kleinmuschlich, sehr
hart. Hingegen keine Spur den basaltischer Horn-
blende.

[Seite 52]

Zwischen den Chalcedon-Nieren in einem Trapp-
artigen Mandelstein des Finkenhübels, sehr wohl
erhaltne Turbiniten. Andre schöne Foßilien dieses
Bergs, Carneol, Amethyst etc. werden häufig verar-
beitet.

Endlich das aufgeschwemmte Land in den
Ebenen und Thälern.

J. F. Bl.




Blumenbach, Johann Friedrich. Date:
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