In den beyden organischen Naturreichen neh-
men die Thiere ihre Nahrung (unmittelbar oder mit-
telbar) aus dem Pflanzenreiche; die vegetabilische
Schöpfung hingegen ist vom Thierreich in so fern un-
[Seite 98] abhängig, als sie ihre Nahrung hauptsächlich aus der
Atmosphäre zieht.
Denn so wie gar viele Wasserpflanzen (oder
Hyacinthen, die man auf Wasser zieht) keines
Erdreichs bedürfen, so gedeihen hinwiederum an-
dre, und gerade manche der allersaftreichsten, wie
z.B. in den heißen Erdstrichen so mancherley Gat-
tungen der Geschlechter Agave, Cactus, Aloë,
Cacalia, (und hier zu Lande das Hauslauch auf
den Dächern) im dürrsten Boden ohne Wasser: –
und selbst ohne Thau, da manche im Treibhaus
unbegossen, ja gar frey an der Decke aufgehängt,
fortvegetiren.
Aber respirable Luft ist den Pflanzen unent-
behrlich. Sie sterben im sogenannten luftleeren Rau-
me, und auch in allen denjenigen Gas-Arten, die
für die Thiere irrespirabel sind.
Hingegen gedeihen sie, wie Hr. Ingenh. vorlängst
gegen Priestley und Scheele erwiesen hat, in der
Lebensluft weit beßer, als in der gemeinen atmo-
sphärischen.
Auch hat er schon vor beynahe 20 Jahren den
merkwürdigen Proceß bey der Vegetation der Pflan-
zen (dieser belebten chemischen Laboratorien) entdeckt,
[Seite 99] dessen sie die Luft, mit welcher sie sich in Berührung
befinden, binnen weniger als einer halben Stunde
zersetzen, und (– nur den Fall ausgenommen,
wenn ihre Blätter und grünen Stengel etc. dem Son-
nenschein und hellen Tageslichte ausgesetzt sind –)
statt des eingesognen Sauerstoffs, eine beträchtliche
Menge von kohlengesäuertem Gas ausdunsten.
Auch ist er schon damals der Meynung gewesen,
daß dieser Proceß auf die Selbsterhaltung der Pflan-
zen, und die dazu gehörigen Functionen von Er-
nährung, Abscheidung etc. einen großen Einfluß ha-
ben müsse.
Die antiphlogistische Chemie hat über diesen wich-
tigen Theil der Pflanzen-Physiologie vieles Licht
verbreitet, wodurch die Vorstellungsart von diesen
Functionen sehr erleichtert wird. Besonders durch
den Erweis der Identität des Sauerstoffs der nur
in Verbindung mit den mancherley Grundlagen
die so verschieden scheinenden Säuren bildet. Denn
nun wird es mehr als blos wahrscheinlich, daß der
Sauerstoff gewisser Säuren, wenn sie in belebte or-
ganisirte Körper kommen, durch die Lebenskräfte der-
selben von seiner sonstigen Grundlage getrennt, mit
einer neuen verbunden, und so eine neue Säure er-
zeugt werden kann. – Wie ließe sich sonst z.B.
die große Menge Phosphorsäure erklären, die in un-
serm Körper erzeugt wird.
Das Gleiche läßt sich also auch bey den Gewäch-
sen voraussetzen: und namentlich in Bezug auf die
unübersehliche Menge von Kohlensäure, die sie zu
ihrer Nahrung verwenden. Denn ob er es gleich
wahrscheinlich findet, daß auch der aus der Atmo-
sphäre eingesogne Stickstoff etwas zur Ernährung
der Pflanzen beyträgt, so ist ihnen dieser doch wenig-
stens bey weitem nicht so unentbehrlich, als die Koh-
lensäure.
Sie saugen wie es scheint, im Dunkeln weit mehr
respirable Luft ein, und setzen auch mehr davon in
Kohlengesäuertes Gas um, als sie zu ihrer Ernäh-
rung bedürfen. Daher kommt nach den genauesten
Erfahrungen das auffallend starke Wachsthum (Etio-
lement), das man dann an ihnen bemerkt, und eben
daher auch die Ausdünstung des Ueberflußes von die-
sem Kohlengesäuerten Gas, das sie bereiten und wo-
durch sie die Luft in ihrer Atmosphäre minder re-
spirabel machen.
Im Sonnenschein und Tageslicht hingegen geht
diese Umsetzung langsamer von statten. Sie berei-
ten sich weit weniger Kohlengesäuertes Gas und wach-
sen daher, zumal um Mittagszeit, am allerminde-
sten. Dagegen geben sie den überflüßigen Wärme-
stoff, den sie um diese Zeit mit der atmosphärischen Luft
eingesogen haben, in Verbindung mit Sauerstoff,
[Seite 101] als Lebensluft wieder von sich, die wenigstens eben
so rein ist als die, so man aus dem Braunstein bereitet.
Freylich scheint aus den ersten Blick manches
hier gesagte mit manchen Behauptungen der Anti-
phlogistiker nicht wohl verträglich, denen zu folge
die atmosphärische Luft höchstens nur 1/100 und nach
Lavoisier gar nichts von kohlengesäuertem Gas ent-
halten soll.
Allein Hr. J. vermuthet, daß die Kohlensäure
sich wegen ihres größern specifischen Gewichts nicht
innig mit der atmosphärischen Luft mischen kann,
sondern gleich zu Boden sinkt, sich da mit Feuchtig-
keit, Salzen etc. mischt, und so vielleicht den ersten
Schritt zur Umbildung der gemeinen Luft in feste
Körper bewirkt. Wenigstens reimen sich hiermit
sehr gut manche allgemein bekannten Phänomene, wie
z.B. daß gebrannter Kalk, schon dadurch daß er an
der freyen Luft liegt, wieder Kohlensäure anzieht und
so nach und nach von selbst wieder milde wird.
Uebrigens beweißt er durch Gründe und Thatsa-
chen zwey wichtige Sätze in der Physiologie der
Pflanzen:
a) Daß nicht, – wie Hr. Haßenfratz meynt,
der bloße Kohlenstoff, sondern die Kohlensäu-
[Seite 102] re als Hauptnahrungsstoff der Gewächse anzuse-
hen ist:
und b) daß nicht sowohl die Wurzeln, als viel-
mehr die Blätter die Hauptorgane sind, wodurch
sie die zu Bereitung dieser Säure nöthigen Stoffe
einsaugen.
Daß aber Pflanzen, ohngeachtet sie dem zu fol-
ge ihre Haupternährung von der Kohlensäure erhal-
ten, dennoch im bloßem kohlengesäuerten Gas eben
so wenig als in einer andern irrespirablen Gasart
leben können, rührt wohl daher, weil sie dann damit
zu sehr überladen und dadurch erstickt werden.
So groß aber auch der Einfluß der Vegetation
auf diesen wichtigen perpetuirlichen Proceß der Er-
zeugung der Kohlensäure auf unserm Planeten ist,
so scheint doch dasjenige, was die mit animalischen
und vegetabilischen modernden Stoffen geschwängerte
Dammerde selbst Nacht und Tag – doch am stärk-
sten am Tage und in warmen Wetter – zu dem
großen allgemeinen Proceß der unabläßigen Absorb-
tion aus der den Boden bedeckenden atmosphärischen
Luftschicht, und durch die Decomposition derselben
zu Erzeugung der Kohlensäure beyträgt, im Ganzen
von noch weit größerm Belange zu seyn, daß sie die-
ser Luftschicht den Sauerstoff entzieht und durch Ver-
[Seite 103] bindung mit dem Kohlenstoff der sich immer in der
Erde befindet, zu Erzeugung der Kohlensäure ver-
wendet.
Auch die Hauptwirkung des Düngers, und an-
dre Verbesserungsmittel des Bodens, durch Gyps
etc. scheinen sich hauptsächlich auf die dadurch erzeugte
Kohlensäure zu reduciren.
Eben so wird auch dadurch der Vorzug des ge-
brannten Kalks vor der ungebrannten Kalkerde
zu diesem Behuf wahrscheinlich*).
Und endlich liegt auch hierin der Grund und der
gehoffte Nutzen der Brache; zumal bey Feldern, wor-
auf Flachs u.a. den Boden sehr auszehrende Pflan-
zen gestanden haben. Denn da das leere Brachfeld mehr
Sauerstoff aus der Atmosphäre einziehen kann, als
wenn seine Oberfläche mit vegetirenden Gewächsen
bedeckt ist, so kann es alsdann auch mehr Kohlen-
stoff für sich bereiten, und ansammlen, den sonst
diese Gewächse ihm zu bald wieder entzogen haben
würden.
Da nun aber durchs Brachliegen so viel von der
sonstigen Benutzung der Felder verlohren geht, so
schlägt nun Hr. J. vor, statt dessen die ausgezehr-
ten Felder durch die Kunst zu sauern, indem man
sie, nachdem sie zur Saat gepflügt worden, mit ei-
ner concentrirten mineralischen Säure, die mit Was-
ser verdünnt worden, begieße. Besonders schlägt
er dazu die Schwefelsäure, vor die mit der Kalkerde
Gyps, und mit der Talkerde Bittersalz machen, und
dadurch eine Menge von Kohlensäure entbinden wür-
de, die der neuen Aussaat zu Gute kommen
müßte.
Die ersten Versuche rathet er auf ausgezehrtem
erschöpften Boden, der ausserdem brach liegen sollte,
und zwar mit Sommerfrucht zu machen, damit der
Regen nicht zu viel von der Säure im Winter in die
Tiefe verschwemme.
Er würde zur Probe ein Stück Land erst ein paar-
mal umpflügen lassen, um das Unkraut unterzubrin-
gen, und dann das Stück in fünf Felder abtheilen.
Eins, das auf die gewöhnliche Weise ohne künstliche
Säuerung behandelt würde, um die verschiedene Er-
giebigkeit der übrigen viere darnach zu berechnen.
Von diesen vieren hingegen müßte jedes mit einer
verschiedenen Quantität von Schwefelsäure begossen
werden; das eine z.B. mit 2 Pfund; das andere
[Seite 105] mit 3 Pfund u.s.w. Und nun, nachdem alle fünfe
gleichförmig gedüngt worden, müßten sie auch eben
so gleichförmig besäet werden.
Der Hauptvortheil des gebrannten Kalks dürfte
wohl darinn bestehen, daß er beym Zutritt der
Feuchtigkeit erhitzt wird und dadurch den Boden
von innen erwärmt. A.D.H.