Vorigen Herbst erhielt ich von dem trefflichen
Veterinararzt, Hrn. Havemann, Director der
Vieharzneyschule zu Hannover, einen Haarballen
aus dem Pansen einer Kuh, der ohngefähr von
der Größe einer mäßigen Orange und mit einer
schwarzen glänzenden Rinde überzogen ist, aber
auf eine merkwürdige Veranlassung von dem
Thiere weggebrochen worden, worüber mir Hr. H.
folgendes meldet:
‘„Eine fünfjährige Kuh litt 1799 an einer
Stockung in der Verdauung. Der hinzugerufne
Thierarzt, einer meiner ehmaligen Schüler, fand,
sie von Luft etwas aufgetrieben, und glaubte daß
sie sich mit zu Heu gemachten Grummet über-
fressen hätte. Er ließ sie tüchtig reiben und ihr
Bewegung geben, auch innerlich angemeßne
Mittel brauchen und Klystire appliciren; allein
das Uebel war so hartnäckig daß die Verdauungs-
werkzeuge auch noch am fünften Tage der Krank-
heit ihr Geschäffte nicht wieder behörig verrichte-
ten. Der Thierarzt wandte jetzt ein Stück weis-
se Nießwurz, etwa von der Größe eines
Fingergliedes, auf folgende Art an. Er schnitt
vorn am Brustlappen eine Oeffnung durch die
Haut, trennte dieselbe mit einem Finger ein we-
nig los und schob so die Nießwurz darunter.
Etwa 6 Stunden hernach ward die Kuh unruhig,
ging vor- und rückwärts, sah stier vor sich hin,
athmete schnell, schluckte oft nieder, und hier-
auf erfolgte ein starker Ausfluß von Speichel
mit mehrmaligem Aufstoßen. Diese Zufälle be-
wogen den Thierarzt die Wurzel wieder heraus-
zunehmen. Doch dauerte das Aufstoßen noch
einige Zeit fort und endlich ward der Haarballen
den Sie besitzen, ganz mit Schleim überzogen,
mit Heftigkeit weggebrochen. Die Kuh ward
nun zwar wieder ruhiger; da aber doch das
[Seite 639] Hauptübel nicht weichen wollte, so ward sie ge-
schlachtet, und man fand die Ursache des so hart-
näckigen Uebels im Anfange des Zwölffingerdarms,
der stark verschwollen und dadurch so beengt war,
daß man kaum eine Gänsespuhle durchbringen
konnte.’
‘Ich habe die sonderbare Wirkung der auf die
gedachte Weise den Thieren bey gebrachten weißen
Nießwurz im Sommer 94 kennen gelernt. Ich
legte nemlich bey Gelegenheit da der sogenannte
Milzbrand graßirte, einigen Kühen mittelst der-
selben ein Fontanell, da ich denn nach 6 bis 7
Stunden ähnliche Zufälle wie die oberwähnten,
erfolgen sah. Bey einer Kuh die nichts als
Gras gefressen hatte, war das Aufstoßen so stark,
daß sie das Futter ausbrach. Auch den Pferden
macht diese Wurzel, auf gleiche Weise angewandt,
erst mehrere Stunden lang Beängstigung, dann
Aufstoßen und starken Ausfluß von Speichel: nie
aber habe ich bey diesem Thier ein wahres Er-
brechen darauf erfolgen gesehn.“’