Das classische Werk hat in dieser zweyten Auf-
lage ansehnliche Zusätze erhalten, und es
gereicht dieser Bibliothek zum Verdienst, daß ein
nicht geringer Theil derselben durch die im ersten
Stück dieses Bandes befindliche Anzeige der ersten
Ausgabe veranlaßt worden.
Ich hatte das Werk bey der vollsten Ueber-
zeugung von seiner äußersten Wichtigkeit mit so
vieler empfelenden Umständlichkeit angezeigt, als
ich mir bey nicht vielen Büchern gestatten kan.
Nur hatte ich S. 95 die doppelte Erinnerung
beygefügt ‘„daß manchmal 1) wol manche ganz
natürliche Erscheinung für Anzeichen dieser in-
farctuum angesehen; und 2) durch den allzu-
freygebigen und anhaltenden Gebrauch der Vis-
ceralclystire doch auch wol manche Congestionen
nach den dicken Därmen, und eben dadurch
verstärkte Abscheidungen und zwar Ergießungen
von gesunden Säften in dieselben veranlaßt seyn
mögen; die dann erst durch ihren Aufenthalt
im Darmcanal mannichfaltig verändert, und
nachher bey ihrem Abgang für infarcirenden
Krankheitsstoff gehalten worden etc.„’
Diese Erinnerungen hat nun der Hr. OHR.
S. 366 u.f. umständlichst zu beantworten gesucht.
Den ersten Verdacht findet er gegründet. –
glaubt aber ‘„die Inf. von ächtem Schrot und
Korn so genau nach dem Leben geschildert zu haben,
daß man diese Misgeburten nicht so leicht mehr
mit den natürlichen Geburten verwechseln werde.„’
Allein –; wenn dieses wirklich nicht mehr
zu befürchten wäre, so würde ich selbst
meinen Verdacht nicht, so wie der Hr.
OHR. gegründet finden.
Dem zweyten Punkte hingegen setzt er eine
weitläufige Erörterung entgegen, deren Gewicht
ich den Lesern zu beurtheilen überlasse, da sie auf
nichts geringeres hinausläuft, als daß eben die-
jenigen Visceral-Clystire, welche
nach S. 206 u f. aus Ingredienzen bestehen,
worunter z.B. der die kleinsten Gefäße des
Hirns durchdringende nervenstärkende und
krampfstillende Baldrian,
und das Gauchheil wovon das getrocknete
Kraut zu Pulver gestoßen, entzündete Ge-
schwulst der Nase und Augen und Brennen
des Gaumens verursache
welche ferner nach S. 177 theils durch die
unorganische Poren durchschwitzen (welches
man schon aus dem geschwinden Uebergang
des durch den After in die Blase gebrachten
Oels, das man auf dem bald nachher gelas-
senen Harn schwimmen sehe, abnehmen könne),
theils von unzähligen Saugröhren, die mei-
stens von den Blutadern*) theils von den
lymphatischen und Milchgefäßen abstammen,
eingesogen werden; und sich endlich in einen
[Seite 582] Dunst auflösen, der die ganze Bauchhöle an-
füllt und in dem Zellengewebe noch weiter
schleicht, so daß, nach des Hrn. OHR. aus-
drücklichen Zusatz, ihr Wirkungskreis wohl
größer seyn muß als man glaubt:
Daß die nemlichen Clystire, von welchen der
Hr. OHR. S. 178 also argumentirt: Kann der
Dampf des blosen Wassers Hirschhorn in eine
Gallerte verwandeln, Knochen und Steine
mürbe machen, mit wie viel größern*) Nach-
druck und Geist muß er nicht wirken, wenn
er mit den erforderlichen Arzneykräften der
Ingredienzen bewaffnet, durch ihre flüchtigen
Oele und Salze belebt ist? Diesem durchdrin-
genden Dunst dem keine Oeffnung zu eng, kein
Zusammenhang zu fest und kein Widerstand
zu groß ist, kann wohl kein Auflösungsmittel
an die Seite gesetzt werden, das ihm an grän-
zenloser Macht gleich käme:
Die Clystire, deren leichte Aufnahme ins
Zellgewebe und geschwinder Ueber- und Durch-
gang bis zu den entferntesten und kleinsten
Zwischenräumchen der innern und äusern,
untern und obern Theile, folglich auch bis
[Seite 583] zu den entlegnen und verborgnen Winkeln
der idiopathischen Uebel, nach S. 179 nicht
mehr zu bezweifeln ist;
die auch wohl, nach S. 180 auf die im
Zellgewebe zerstreuten und ihrem heilsamen
Dunste blosgestellten Nerven nachdrücklich
wirken:
Die Kräuterbrühe, die nach S. 181 in die
kleinsten Zwischenräume des Zellgewebes der
verstopften Adern schleicht, deren gewürzhaf-
ter Dampf dieselbe durchdringt, und ihre
Häute mit den Fleisch- und Nervenfäsern bal-
samisch anfeuchtet, belebt, reitzbar, elastisch,
geschmeidig macht u.s.w.
Daß diese Clystire die nun bey dieser pene-
tranten Würksamkeit nach S. 232 u.a. Stellen,
lange Jahre nacheinander theils zu 5000 und drü-
ber applicirt werden –
– Daß, sage ich, eben diese Tausende von
so kraftvollen durchdringenden Clystiren, falls sie
nun keine Inf. finden, dennoch nach S. 370 als-
[Seite 584] dann keine nachtheilige Veränderung im Körper
bewürken, – nun wieder nicht reitzen, – keinen
verstärkten Zufluß und Absonderung des Darm-
schleims verursachen, – keinen üblen Habitus von
vis consuetudinis veranlassen, – keine bedenkli-
chen consensuellen Wirkungen auf die Zeugungs-
theile haben, – mit einem Worte schlechterdings
unschuldig (d.h. im gegenwärtigen Falle durch-
aus unwürksam und kraftlos) seyn sollen!
Ich dächte in der That, ein solcher Contrast
von Behauptungen, müßte, um mich des Hrn.
OHR. Ausdruck zu bedienen, ‘„schon einem blos
theoretischen Arzt widersprechend vorkommen.„’
Das einzige was mir in der ganzen Beant-
wortung des Hrn. OHR. für meine Person un-
angenehm gewesen, ist, daß er einen von jemand
anders gemachten Einwurf, ‘„daß die Clystire
manchmal critische Diarrhöen veranlassen könn-
ten„’ –, sowol im Contexte selbst, als auch
im vorgesetzten Inhalt, mitten zwischen die aus
meiner vorigen Recension ausgehobnen Einwürfe
auf eine solche Weise eingeschoben hat, daß jeder
Leser, der sich nicht die Mühe nimmt, jene vorige
[Seite 585] Anzeige selbst erst wieder nachzulesen, ihn auf
meine Rechnung schreiben kan.
Uebrigens wiederhole ich nochmals, was ich
schon oben in dieser Bibl. und vor und nach der
Erscheinung des Kämpfischen Werks vielleicht hun-
dertmal gegen meine Zuhörer geäusert habe, wie
sehr ich das große Verdienst des Hrn. OHR. und
seines Hrn. Vaters um die Kenntnis der Inf. und
deren Heilung durch die Visceralclystire er-
kenne und schätze; daher es mir leid thun
würde, wenn man meine neulichen Erinne-
rungen dahin misdeuten wollte, als ob ich im
mindsten gegen die Sache überhaupt, eingenom-
men sey.
J.F.B.